Der große Krach
In der nächsten Woche hatten sich drei Dinge schnell im Schloss herumgesprochen. Zum einen hatte sich die Neuigkeit, dass es dieses Jahr kein Quidditch geben werde wie ein Lauffeuer verbreitet. Die schlechte Stimmung, die dadurch entstand, wurde aber schnell wieder behoben, denn auch der Aushang in der Eingangshalle fand schnell das Interesse der Schüler. Thaddäus' Fun Paradise war das Gesprächsthema geworden. Ständig war eine Schülertraube in der Nähe des kleinen Glaskastens zu beobachten. Zu Harrys persönlichem Unglück jedoch hatte sich allerdings noch etwas herumgesprochen, was er allein Hermine zu verdanken hatte... Nämlich sein falsches, gewissenloses Spielchen mit Ron, wie sie es gerne beschrieb. Überall wo Harry nun war, warfen ihm (vor allem die Gryffindor Schüler) böse Blicke zu. Er selbst war dadurch noch schlechterer Stimmung, als er es ohnehin schon war. Immer noch konnte er es kaum glauben, dass Quidditch abgesagt wurde und nun hatten sich auch noch seine beiden besten Freunde von ihm abgewandt. Er hatte ein unheimlich schlechtes Gewissen, traute sich aber nicht zu Ron zu gehen und sich zu entschuldigen. Auf Hermine allerdings war er einfach nur wütend! Wenn es ihr mal schlecht geht, dachte Harry, kann sie mit meiner Hilfe ganz bestimmt nicht rechnen! Dass Ron allerdings nicht gut auf Harry zu sprechen war, konnte er gut nachvollziehen. Trotzdem gab es jemanden, mit dem Harry sich die Woche über sehr gut verstanden hatte, und das war Siney. Er war ihr dankbar, dass sie nicht auch sauer auf ihn war, aber zu ihr war er ja auch nicht so fies gewesen. Sie half ihm mit den Hausaufgaben, und versuchte Harrys Laune immer wieder aufzubessern. Immer wieder machte sich Harry Gedanken darüber, wie schade es doch ist, dass sich Siney und Hermine so hassten, denn Siney war inzwischen wirklich eine gute Freundin für Harry geworden. Außerdem waren sich Siney und Hermine in fast allen Bereichen sehr ähnlich und hätten sich dadurch eigentlich prima verstehen müssen. Nicht nur ihre Schulleistungen und ihr Ehrgeiz, sondern auch das Interesse für Bücher und die schwierigsten Zauberformeln waren bei beiden identisch. Leider hatten aber auch beide den gleichen extremen Dickkopf, was die Situation natürlich erschwerte. Eines Abends, nach einem anstrengenden Schultag saßen Harry und Siney am Kamin im Gemeinschaftsraum und unterhielten sich. "Wie lange soll das denn noch so weitergehen?", fragte Siney. "Was meinst du?", erwiderte Harry, obwohl er ziemlich genau wusste, worauf Siney hinauswollte. "Hermine... Ron!", sagte sie nur. "Aach, die kann mir gestohlen bleiben! Und Ron... Hermine wird ihn schon davon abhalten, mir zu verzeihen! Möchte gar nicht wissen, was die für Horrorstorys über mich erzählt...", sagte Harry. "Nun mach sie mal nicht so schlecht. Sie ist immer noch deine beste Freundin, oder
59 nicht?", fragte Siney. "Jaah...", erwiderte Harry nur. "Na also, einen Versuch ist es doch wert, oder? Immerhin hast du nichts zu verlieren!", sagte Siney, worauf Harry nickte. "Aber nicht heute, okay? Ich bin ziemlich müde. Dieses Apparieren schafft einen doch ganz schön, und dann auch noch der ganze Stress, weil alle mich hassen...", sagte Harry. "Jetzt red doch nicht so einen Unsinn! Ich hasse dich nicht!", sagte Siney und lächelte. "Ich weiß.", erwiderte Harry und lächelte ebenfalls. "Also, bis morgen. Gute Nacht!" "Nacht!", sagte Siney und die beiden machten sich auf den Weg in ihre Schlafsäle. Harry war allein im Jungenschlafsaal. Er zog sich seinen Pyjama an und ließ sich todmüde in sein Bett fallen. Trotzdem konnte er nicht einschlafen. Er lag noch lange wach und dachte nach. Was war das bloß für eine schreckliche Woche. Doch daran, dass er dieses Jahr kein Quidditch spielen kann lässt sich sowieso nichts mehr ändern. Also sollte er auch nicht mehr so schlecht gelaunt sein. Es kann alles nur noch besser werden, dachte er, und morgen werde ich mich bei Ron und auch bei Hermine entschuldigen! Mit diesem Gedanken im Kopf schlief er schließlich ein.
Am nächsten Morgen war Harry als erster wach. Er wollte sich vor der ersten Stunde mit Ron aussprechen, denn er hatte keine Lust noch einmal den ganzen Schulvormittag die wütenden Blicke von ihm und Hermine zu ernten. Er setzte sich auf einen Sessel und wartete auf Ron, der jeden Moment die Treppe runterkommen musste. Harry machte sich Gedanken darüber, wie er sich wohl bei Ron entschuldigen sollte und probte ein wenig. Dabei kam Harry sich allerdings ziemlich schnell lächerlich vor. Aber er war nun mal ziemlich aufgeregt. Immer wieder schaute er in Richtung Treppe und nach einer halben Ewigkeit, so kam es Harry vor, kam Ron heruntergestiegen. Er mied Harrys Blick. Harry wusste nicht recht, was er nun tun sollte, doch er nahm seinen ganzen Mut zusammen und presste ein leises "Morgen Ron..." aus sich heraus. "Morgen.", erwiderte Ron. "Du Ron, ich...", begann Harry zu sprechen, doch weiter kam er nicht, denn Hermine schritt in dem Moment ebenfalls die Treppe in den Gemeinschaftsraum herunter. "Ach nee, hat unser lieber Harry seinen Stolz überwunden und entschuldigt sich?", sagte sie zornig. "Du kannst es wohl nicht ertragen, dass dich auf einmal nicht mehr alle so toll finden. Naja, bis auf Madam Wichtig, versteht sich." Harry wusste, dass Hermine Siney meinte, die zu allem Unglück nun auch die Treppe herunterkam. "Wird hier über mich gesprochen?", fragte Siney kühl. "Ja, allerdings. Es kam dir wohl wirklich gelegen, dass Harry Streit mit uns hatte, was? Ihr seid jetzt wohl die dicksten Kumpels!", fauchte Hermine. "Mach dich doch nicht lächerlich, Hermine!", erwiderte Siney beängstigend trocken. "Ich mache mich lächerlich, meinst du? Na gut, ich halte mich ab jetzt da raus. Ich will eurer Freundschaft nicht im Wege stehen!", sagte Hermine. "Damit du es weißt, Harry ging es sehr schlecht, und ich war für ihn da, im Gegensatz zu seinen beiden besten Freunden, die zu stur waren, sich in seine Lage zu versetzen!", sagte Siney und sie wurde immer lauter. Hermine jedoch sagte nichts. "Und so was wie du nennt sich Vertrauensschülerin!"
60 Harry und Ron standen nur da und sahen zu wie Hermine und Siney sich gegenseitig anschrieen. "Hey, Harry, lass uns gehen!", hörte Harry Ron neben sich flüstern. Er schaute ihn erstaunt an, folgte ihm aber schließlich hinaus aus dem Gemeinschaftsraum. "Lass uns nie so werden wie die, okay?", sagte Ron und er hatte ein breites Grinsen aufgesetzt. "Nee, das muss echt nicht sein!", erwiderte Harry ebenfalls grinsend. "Du, Ron. Es tut mir echt leid, was ich getan hab." "Schon vergessen! Ich kann mir vorstellen, wie du dich gefühlt haben musst!", erwiderte Ron. "Jetzt müssen wir nur noch die beiden da drin beruhigen!", sagte Harry. "Ja, am besten wir gehen wieder rein und sagen, dass wir uns wieder vertragen haben.", meinte Ron. Und so gingen sie wieder zurück in den Gemeinschaftsraum, doch es schien als könnte man weder Hermine noch Siney beruhigen. "...Ich habe noch nie so etwas Streitsüchtiges wie dich erlebt!", schrie Siney. "Und ich noch nie so etwas Eingebildetes wie dich! Du kannst dich nicht zwischen uns drängen, finde dich endlich damit ab!", schrie Hermine zurück. Das ganze Gryffindor Haus war inzwischen im Gemeinschaftsraum versammelt und alle starrten sie Siney und Hermine mit offenen Mündern an. "Du bist wirklich das Allerletzte!", schrie Siney. "Mit dir kann man einfach nicht vernünftig reden!" "Warum hat Snape es bloß nicht geschafft dich mit seinem Fluch kaltzumachen? Mein Gott... Dann wäre alles wieder beim Alten!", schrie Hermine, die offenbar nicht mehr wusste, was sie da von sich gab. Sie hatte sich wohl in eine Art blinden Hass reingesteigert. "Wärst du doch bloß bei deinen Muggeleltern geblieben!", brüllte Siney zurück. "Ach, unser Reinblut hält sich mal wieder für was besseres... Gesell dich doch zu Malfoy. Ihr würdet prima zusammen passen. Und wir wären dich los! Du... du Miststück!", keifte Hermine. Plötzlich griff Siney in ihren Umhang und Harry hatte das ungute Gefühl sie würde jeden Moment ihren Zauberstab herausholen und ihn auf Hermine richten. Diese steckte ebenfalls die Hand in ihre Umhangtasche und tatsächlich zogen sie beide ihre Zauberstäbe heraus. Harry konnte nicht hinsehen. Hermine und Siney hatten einiges auf dem Kasten. Sie würden sich sicher nicht mit Funken besprühen, dachte Harry. "Jetzt reicht es mir entgültig!", flüsterte Siney und sie hob ihren Zauberstab. Hermine hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass Siney ihr wirklich etwas antun würde. Sie sah inzwischen ängstlich aus. Siney hatte bereits, wenn auch unabsichtlich, Snape außer Gefecht gesetzt... "Siney, jetzt beruhig dich doch!", flüsterte Harry ihr zu und Ron tat eben dies auch bei Hermine. Plötzlich schwang das Portrait der Fetten Dame zur Seite und Professor McGonagall trat ein. Sie bebte vor Zorn. "Was ist hier los?", fragte sie mit zitternder Stimme. Alle sahen sie an. Auch Siney und Hermine verstummten. Sie ließen ihre Zauberstäbe schnell sinken und versuchten
61 sie hinter ihren Rücken zu verstecken, damit Professor McGonagall nicht auf falsche Gedanken kam. "Ihr Unterricht hat vor zehn Minuten begonnen, meine Herrschaften! Miss Granger, warum sind sie noch hier?", fragte sie. "Sie als Vertrauensschülerin." "Wir... wir müssen die Zeit vergessen haben.", sagte sie mit heiserer Stimme. "Die Zeit vergessen, soso... Los, alle zum Unterricht!", rief Professor McGonagall. "Außer Miss Granger. Sie bleiben noch kurz hier!" Harry und Ron sahen Hermine mitleidend an. Sie sah ängstlich aus. Schnell machten sich alle anderen auf den Weg zum Unterricht. Hermine sah ihnen hinterher. Wie weit war dieser Streit nur ausgeartet... So eine schlechte Stimmung hatte sich noch nie zwischen den Gryffindors ausgebreitet. Der Hass zwischen Hermine und Siney schien den bisherigen Höhepunkt erreicht zu haben. So konnte das doch nicht weitergehen, dachte Harry. "Hermine steckt jetzt wohl ganz schön in Schwierigkeiten, oder?", fragte Siney und zu Harrys Überraschung schien sie das überhaupt nicht zu freuen. "Ich denke schon.", erwiderte Harry knapp, bevor sie in Professor Lupins Klassenzimmer eintraten.
Es wäre sicherlich ein interessanter Schulvormittag gewesen, dachte Harry beim Mittagessen, wenn die Stimmung innerhalb der Klasse nicht so schlecht gewesen wäre. In Verteidigung gegen die dunklen Künste sprachen sie noch immer über Metamorphen und andere magische Tiere, die es auf die dunkle Seite gezogen hat. In Zauberkunst waren sie inzwischen so weit lebende Käfer verschwinden und an einer anderen Stelle wieder auftauchen zu lassen, doch heute war keiner so richtig konzentriert, was viele der Käfer diese Stunde mit ihrem Leben bezahlen mussten. Professor Snape biss heute mit seinen Sticheleien auf Granit, denn keiner hörte ihm zu. Das ärgerte ihn so sehr, dass er ihnen als Hausaufgabe einen zehnseitigen Aufsatz über die Entwicklung der Zauberflüche aufgab. Hermine war erst zur zweiten Stunde aufgetaucht. Sie sah furchtbar aus und hatte bis jetzt mit niemandem ein Wort gesprochen. Harry stocherte in seinem Mittagessen herum und aß nur widerwillig etwas. Dieser Tag war der schreckliche Abschluss einer schrecklichen Woche. Zwar hatte er sich mit Ron wieder vertragen, doch dafür sprach Hermine mit niemandem mehr und kam Harry so vor, als würde sie Siney am liebsten auf der Stelle ermorden. Ständig warf Hermine ihr hasserfüllte Blicke zu, die Siney ihr ebenso erwiderte.
Der Nachmittag zog sich unglaublich in die Länge. Alle saßen still im Gemeinschaftsraum und brüteten über dem Aufsatz für Snape. Hermine saß alleine an einem Tisch und Harry, Ron und Siney arbeiteten zusammen. Harry hatte seinen restlichen Vorrat an Schokofröschen aus seinem Schlafsaal geholt, die sie genüsslich futterten. Das alles schien Hermine gar nicht zu gefallen. Ständig warf sie missbilligende Blicke zu den dreien herüber. Plötzlich unterbrach Harry seine Arbeit und sprach das aus, weswegen auch Ron sich offenbar kaum konzentrieren konnte. "Warum gibt es in letzter Zeit eigentlich nur noch Streit?", fragte er. "Wenn ich das wüsste... Früher war Hermine sogar meist die Streitschlichterin...",
62 meinte Ron zu Siney gewandt und grinste leicht. Siney aber grinste nicht zurück. "Früher... früher! Das ist alles was ich hier höre! Erst von Hermine, jetzt auch noch von euch... Sagt doch gleich, dass ihr meint seitdem ich hier aufgetaucht bin ist alles durcheinander!" "Na bravo!", sagte Hermine mit starkem Unterton von ihrem Tisch herüber, wandte den Kopf aber nicht von ihrem Buch ab. "Der Groschen ist gefallen..." "Ach wisst ihr was, ihr könnt mich alle mal!", schrie Siney, packte hastig ihre Sachen zusammen, wobei alle Schokofrösche auf die Erde fielen. Schnell hob sie sie auf, steckte sie unüberlegt in ihre Tasche und marschierte hinaus auf dem Gemeinschaftsraum, wobei ihr aller Blicke folgten. "Ganz schön dicke Luft hier heute, was?", sagte Harry. "Jaah...", sagte Ron. Plötzlich erhob sich Hermine von ihrem Platz und ging auf Harry und Ron zu. Sie setzte sich zu ihnen und lächelte sie an. Harry und Ron lächelten zwar nicht zurück, sagten aber auch nichts, da sie keine besonders große Lust auf einen weiteren Streit hatten. "Wie weit bist du mit deinem Aufsatz?", fragte Ron, offenbar um Hermine von Siney abzulenken, denn er hatte auch keine Lust sich ihre Lästereien anzuhören. "Schon fertig! Ich brüte gerade über Arithmantik...", erwiderte Hermine. "Ach so.", sagte Ron eigentlich nicht sonderlich interessiert. Am liebsten wäre er, wie auch Harry hinter Siney hergegangen, doch das ließ er in dieser Runde lieber nicht verlauten. Auch Hermine bemerkte, dass eine Unterhaltung nicht so richtig in Gang kommen wollte, also setzte sie zu einem neuen Versuch an. "Freut ihr euch auch schon auf Thaddäus' Fun Paradise?", fragte sie. "Wir drei gehen doch zusammen da hin, oder?" Es war komisch, dass Hermine das fragte. Normalerweise war es immer selbstverständlich, dass Harry, Ron und Hermine alles gemeinsam unternahmen, und nun fragte sie vorher. "Ja natürlich.", sagte Harry. "Gut!", sagte Hermine begeistert. "Hoffentlich ist Siney an dem Tag krank." "Hermine, musst du denn schon wieder damit anfangen?", fragte Harry. "Tut mir leid...", sagte diese und zu Harry und Rons großer Überraschung ließ sie dieses Thema auch weiterhin aus. Sie schien das Gefühl zu haben, sich gegenüber Harry und Ron keinen Fehltritt erlauben zu dürfen. "Also dann... Ich... Ich muss noch was lesen... für Arithmantik... Ihr entschuldigt mich?", sagte Hermine. "Wir sehen uns dann beim Abendessen." "Ja, bis dann.", sagten Harry und Ron und Hermine verschwand durch das Portraitloch nach draußen, wahrscheinlich in die Bibliothek, dachte Harry. "Sie hätte ihr Arithmantikbuch mitnehmen sollen...", sagte Harry und deutete auf den Tisch, an dem Hermine gesessen hatte. Darauf lag aufgeschlagen der dicke Wälzer. "Ich hoffe dieser Alptraum nimmt bald ein Ende!", sagte Ron. "Wir können uns doch auch mit Siney so gut verstehen wie früher, oder?" "Ich werde gleich noch mal versuchen mit Siney zu reden. Nach dem Abendessen. Immerhin hat sie mir meine Schokofrösche geklaut!", sagte Harry und lachte. "Ich hoffe das bringt was.", meinte Ron. Und den Rest des Nachmittags verbrachten die beiden damit, ihren Aufsatz fertig zu schreiben.
63 Als Harry und Ron ihre Schulsachen am Abend in ihren Schlafsaal bringen wollten, trafen sie unterwegs auf Neville. Er sah Harry schweigend an. "Was ist denn, Neville?", fragte Harry. "Wohl eher, was ist mit euch!?", erwiderte Neville. "Was... was meinst du?", fragte Ron. "Siney und Hermine hassen sich ganz schön, oder?", fragte Neville. "Naja...", begann Harry. "Ich möchte nicht, dass Siney Hermine noch mal so in Schwierigkeiten bringt, wie heute morgen! Schließlich ist Hermine Vertrauensschülerin! Und das soll sie auch bleiben...", sagte Neville. "Sie sollten sich beide ein bisschen zusammenreißen!", meinte Ron nur. "Ich weiß nicht... Siney hat Snape angegriffen!", sagte Neville. "Das war ein Unfall!", sagte Harry. "Und wir müssen jetzt auch weiter. Wir sehen uns beim Abendessen. Bis gleich!" "Tschau.", sagte Neville und er stolperte die Treppe hinunter. "Hermine macht Siney auch bei jedem schlecht.", sagte Ron. "Aber Neville hat recht. Es wäre wirklich schade, wenn Hermine ihren Vertrauensschülerjob verlieren würde!" "Daran wäre sie selbst aber nicht ganz unschuldig, so wie sie sich momentan aufführt!", erwiderte Harry. Harry und Ron brachten ihre Sachen in den Schlafsaal und machten sich dann ebenfalls auf den Weg in die Große Halle zum Abendessen. In den Gängen konnten sie schon die verlockenden Speisen riechen. Nach dem Tag hatten sie nun wirklich einen Riesenhunger! Sie betraten die Große Halle und setzten sich zu Hermine, die vor einem gefüllten Teller saß und wartete. "Heute gibt es Fisch mit grünen Bohnen! Lecker, nicht?", sagte Hermine. "... Ja, sehr... Vor allem die Bohnen...", sagte Ron und zog eine Grimasse. "Hauptsache was zu essen! Ich liebe Fisch!", sagte Harry und tat sich etwas von dem frischen Fisch auf. Doch plötzlich fiel ihm auf, dass Siney nicht anwesend war. "Wo ist Siney?", fragte Ron und sprach so das aus, was Harry dachte. Hermine schaute Ron böse an und zuckte mit den Schultern. "Meinst du sie ist noch sauer?", fragte Ron zu Harry gewandt. "Ich glaub schon...", sagte Harry zögernd. "Mhhh, schmeckt das gut! Ich hatte aber auch einen Hunger nach der ganzen Schreiberei heute!", sagte Hermine plötzlich laut. "Ich hoffe Snape ist mit meinem Aufsatz zufrieden!" "Der ist doch nie zufrieden!", sagte Ron. Der Rest des Abendessens verlief recht angenehm. Harry, Ron und Hermine sprachen wieder halbwegs normal miteinander. Sie lästerten wie so oft über Snape, sprachen über das Apparieren bei Professor Flitwick, was allen sehr viel Spaß machte und über Thaddäus' Fun Paradise, worauf sie sich jeden Tag mehr freuten. Sowohl Hermine als auch Ron und Harry erwähnten Siney mit keinem Wort, allerdings war sie während des gesamten Abendessens nicht aufgetaucht. Harry beschloss sich gleich nach dem Nachtisch auf die Suche nach ihr zu machen, was Hermine aber besser nicht erfahren sollte. Zum Nachtisch gab es leckeres Zitronenmousse, passend zum Fisch, und als Harry, Ron und Hermine ihre Schälchen leergegessen hatte, stand Harry auf und verließ mit
64 dem Vorwand Hedwig in der Eulerei zu besuchen die Große Halle. Ron ließ er mit Hermine zurück, die mit ihm noch eine Partie Snape explodiert spielen wollte. Als erstes lief Harry hoch in den Gryffindor Gemeinschaftsraum, doch dort fand er Siney ebenso wenig, wie im Mädchenschlafsaal (er fragte Parvati, ob sie für ihn nachsehen könnte) oder in der Bibliothek. Wo könnte Siney bloß hingegangen sein, fragte sich Harry. Einen Moment lang belustigte ihn die Vorstellung, Siney könnte sich im kaputten Mädchenklo versteckt haben, wo die Maulende Myrte, ein äußerst missmutig gelaunter Geist, herumspukte. Wo würde ich hingehen, fragte Harry sich. Er überlegte sich viele Orte, wo er hinginge, doch diese würde Siney alle nicht kennen, schließlich war sie erst seit ein paar Monaten in Hogwarts, Harry hingegen seit mehr als fünf Jahren! Nach einer Weile kam Harry auf die Idee im Pokalzimmer nachzusehen. Immerhin war dieser Raum für jeden Schüler frei zugänglich und auch bestimmt nicht der uninteressanteste für jemanden, der noch so gut wie nichts über Hogwarts wusste. Allerdings war Harry selbst lange nicht mehr dort gewesen und er konnte sich nicht mehr so recht an den Weg erinnern. Außerdem war es bereits dunkel und in Hogwarts sahen es bestimmte Leute gar nicht gerne, wenn Schüler abends durch die Korridore spazierten. Also beschloss Harry, sich vorher schnell seinen Tarnumhang zu holen, nur um auf Nummer sicher zu gehen... Unter dem Tarnumhang war es, wie Harry erst jetzt wieder feststellte, wirklich ein Kinderspiel unbemerkt durch das Schloss zu gehen. Allerdings hätte er ihn diesmal gar nicht gebraucht, dachte er, denn es war weit und breit kein Lehrer in Sicht. Nur einmal kam Harry der Fast Kopflose Nick entgegen, der Hausgeist von Gryffindor, doch dieser war eigentlich ganz in Ordnung. Er hatte Harry sogar schon einmal zu seiner Todestagsfeier eingeladen, ein Erlebnis, an das sich Harry nicht besonders gern zurück erinnert. Nach ungefähr einer Viertelstunde hatte Harry das Stockwerk, auf dem das Pokalzimmer lag, gefunden. Er schlich leise durch die dunklen Korridore und wäre fast mit einer alten Ritterrüstung zusammen gestoßen. Harry befand sich nun im Korridor zum Pokalzimmer, doch während er seine Schritte hastig beschleunigte, stolperte Harry plötzlich über etwas, was auf dem Boden lag. "Verdammt!", zischte er in die Dunkelheit. Er zog seinen Zauberstab aus seiner Umhangstasche und murmelte "Lumos!", um den Korridor zu erhellen, damit er sehen konnte über was er da gestolpert war. Doch was er da sah brachte Harry dazu einen spitzen Schrei auszustoßen. Er starrte ungläubig auf das, was da vor ihm lag und presste sich vor Entsetzen die Hand auf den Mund. Vor ihm auf der Erde lag leblos niemand anderes als Siney! Weder bewegte sie sich, noch glaubte Harry sie atmen zu hören. Er warf sich den Tarnumhang ab und beugte sich zu ihr herunter. "Siney...", flüsterte er. "Oh mein Gott... Was zum..." Doch Harry hatte keine Zeit sich lange bei Siney aufzuhalten. Er konnte nur eines tun: So schnell wie möglich Hilfe holen! Hoffentlich ist sie nicht tot, dachte Harry immer wieder, hoffentlich ist sie nicht tot, bitte! Er rannte, so schnell ihn seine Beine tragen konnten durch die Finsternis des Schlosses. Nur durch das schwache Licht seines Zauberstabes und den Mondschein konnte er gerade sehen, wo er ungefähr hinlief. Professor Dumbledore oder Professor Lupin, dachte Harry, jeder, aber bitte, bitte nicht Professor Snape! Lauf mir jetzt nicht über den Weg! Doch es war wie verhext... kaum hatte Harry den Korridor verlassen,
65 stieß er mit jemandem zusammen. Und natürlich, wie sollte es anders sein, war es Snape! Das konnte kein Zufall sein, dachte Harry. Dieses Mal nicht! Doch er hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. "Was ist hier los!", brüllte Snape. "P-Professor... bitte, sie müssen mir folgen!", stotterte Harry. "Potter, wer sonst. Ist es nicht komisch, dass ich immer dich so spät noch erwische?", zischte Snape in drohendem Ton. Doch Harry nahm davon keinerlei Notiz. "Bitte, folgen sie mir. Siney... sie liegt vor dem Pokalzimmer... und sie... sie atmet nicht!", sagte Harry völlig außer Atem. Soweit Harry es in dem schwachen Licht erkennen konnte, sah Snape sehr unsicher aus. "Das haben sie sich sicher nur eingebildet, Potter...", sagte er mit einem Anflug von Panik in der Stimme. "Nein, Professor. Es stimmt wirklich! Glauben sie mir doch!", flehte Harry Snape an. "Jaja, schon gut... Am besten... ja! Du holst Professor Lupin und ich... sehe schon mal nach ihr...", sagte Snape und huschte schnell in die Dunkelheit davon. Tausend Gedanken kreisten Harry im Kopf herum, doch dafür hatte er jetzt keine Zeit. Er rannte zu Professor Lupins Büro. Gott sei Dank fand er es schnell, denn Harry behagte die Vorstellung, Siney mit Snape allein zu lassen überhaupt nicht. Er klopfte an Lupins Bürotür, der diese kurze Zeit später öffnete. "Harry, was machst du denn hier?", fragte Lupin erstaunt. Harry konnte kaum sprechen, so außer Atem war er. Doch mit letzter Kraft sagte er vier Worte: "Siney... bei Snape... Pokalzimmer!" Lupin hakte zu Harrys Glück nicht weiter nach. Er holte schnell seinen Zauberstab und machte sich sofort auf den Weg. Harry sank einen Moment in sich zusammen. Er atmete tief durch, machte eine kurze Pause. Doch er musste zurück. Er musste wissen, was vor dem Pokalzimmer vor sich ging! Also stand er wieder auf. Er konnte kaum mehr laufen. Völlig erschöpft machte er sich wieder auf den Weg zurück zu der Stelle, wo er Siney gefunden hatte.. Harry sah Professor Lupin und Snape schon von weitem. Lupin hatte eine Laterne bei sich. Die beiden waren tief über Siney gebeugt und es schien, als würden sie sie untersuchen. "Trank der Lebenden Toten...", sagte Snape. "Aber wie...?" Harry kam näher, Snape sah auf. "Potter, was machst du denn noch hier?", fauchte Snape. "Was ist mit ihr?", fragte Harry. "Los, verschwinde!", zischte Snape. "Severus... Ohne Mr Potter hätten wir doch gar nicht gewusst, was hier los ist!", sagte Professor Lupin, doch Harry hatte das sichere Gefühl es war genau das, was Snape ärgerte. "Natürlich, Remus, natürlich!", sagte Snape nun, allerdings ohne den hasserfüllten Blick von Harry abzuwenden. "Also, was hat sie?", fragte Harry noch einmal. "Sie ist schwer vergiftet worden...", sagte Lupin. "Ist sie...", fing Harry an, doch Lupin schüttelte zu Harrys Erleichterung schnell den Kopf. "Aber wenn wir nur wüssten, wie...", sagte Lupin. "Remus, sieh dir das hier an!", flüsterte Snape auf einmal und deutete dorthin, wo
66 Sineys Hand lag. Professor Lupin richtete seine Laterne an die Stelle, auf die Snape deutete und dort lag etwas, etwas kleines, was Siney beim Aufschlag auf den Boden aus der Hand gefallen sein muss. Harry konnte es nicht erkennen. Er war zu weit entfernt. "Ein Schokofrosch!", sagte Lupin. "Ein angebissener Schokofrosch!", fügte Snape hinzu. "Ich denke, den sollten wir mitnehmen.", sagte Lupin. "Und das hier auch!", sagte Snape mit triumphierendem Blick. Er hielt etwas in der Hand, ein fließendes Stück Stoff, und Harry fragte sich wie viel Pech ein Mensch nur haben konnte. "Tja, Mr Potter. Passen sie demnächst ein bisschen besser auf ihre Sachen auf und lassen sie solch kostbare Stücke nicht einfach so rumliegen..." In der Hand hielt Snape, der ein ekelhaftes Grinsen aufgesetzt hatte, Harrys Tarnumhang. Jeder einzelne von Snapes Träumen schien an diesem Abend in Erfüllung gegangen zu sein.
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In der nächsten Woche hatten sich drei Dinge schnell im Schloss herumgesprochen. Zum einen hatte sich die Neuigkeit, dass es dieses Jahr kein Quidditch geben werde wie ein Lauffeuer verbreitet. Die schlechte Stimmung, die dadurch entstand, wurde aber schnell wieder behoben, denn auch der Aushang in der Eingangshalle fand schnell das Interesse der Schüler. Thaddäus' Fun Paradise war das Gesprächsthema geworden. Ständig war eine Schülertraube in der Nähe des kleinen Glaskastens zu beobachten. Zu Harrys persönlichem Unglück jedoch hatte sich allerdings noch etwas herumgesprochen, was er allein Hermine zu verdanken hatte... Nämlich sein falsches, gewissenloses Spielchen mit Ron, wie sie es gerne beschrieb. Überall wo Harry nun war, warfen ihm (vor allem die Gryffindor Schüler) böse Blicke zu. Er selbst war dadurch noch schlechterer Stimmung, als er es ohnehin schon war. Immer noch konnte er es kaum glauben, dass Quidditch abgesagt wurde und nun hatten sich auch noch seine beiden besten Freunde von ihm abgewandt. Er hatte ein unheimlich schlechtes Gewissen, traute sich aber nicht zu Ron zu gehen und sich zu entschuldigen. Auf Hermine allerdings war er einfach nur wütend! Wenn es ihr mal schlecht geht, dachte Harry, kann sie mit meiner Hilfe ganz bestimmt nicht rechnen! Dass Ron allerdings nicht gut auf Harry zu sprechen war, konnte er gut nachvollziehen. Trotzdem gab es jemanden, mit dem Harry sich die Woche über sehr gut verstanden hatte, und das war Siney. Er war ihr dankbar, dass sie nicht auch sauer auf ihn war, aber zu ihr war er ja auch nicht so fies gewesen. Sie half ihm mit den Hausaufgaben, und versuchte Harrys Laune immer wieder aufzubessern. Immer wieder machte sich Harry Gedanken darüber, wie schade es doch ist, dass sich Siney und Hermine so hassten, denn Siney war inzwischen wirklich eine gute Freundin für Harry geworden. Außerdem waren sich Siney und Hermine in fast allen Bereichen sehr ähnlich und hätten sich dadurch eigentlich prima verstehen müssen. Nicht nur ihre Schulleistungen und ihr Ehrgeiz, sondern auch das Interesse für Bücher und die schwierigsten Zauberformeln waren bei beiden identisch. Leider hatten aber auch beide den gleichen extremen Dickkopf, was die Situation natürlich erschwerte. Eines Abends, nach einem anstrengenden Schultag saßen Harry und Siney am Kamin im Gemeinschaftsraum und unterhielten sich. "Wie lange soll das denn noch so weitergehen?", fragte Siney. "Was meinst du?", erwiderte Harry, obwohl er ziemlich genau wusste, worauf Siney hinauswollte. "Hermine... Ron!", sagte sie nur. "Aach, die kann mir gestohlen bleiben! Und Ron... Hermine wird ihn schon davon abhalten, mir zu verzeihen! Möchte gar nicht wissen, was die für Horrorstorys über mich erzählt...", sagte Harry. "Nun mach sie mal nicht so schlecht. Sie ist immer noch deine beste Freundin, oder
59 nicht?", fragte Siney. "Jaah...", erwiderte Harry nur. "Na also, einen Versuch ist es doch wert, oder? Immerhin hast du nichts zu verlieren!", sagte Siney, worauf Harry nickte. "Aber nicht heute, okay? Ich bin ziemlich müde. Dieses Apparieren schafft einen doch ganz schön, und dann auch noch der ganze Stress, weil alle mich hassen...", sagte Harry. "Jetzt red doch nicht so einen Unsinn! Ich hasse dich nicht!", sagte Siney und lächelte. "Ich weiß.", erwiderte Harry und lächelte ebenfalls. "Also, bis morgen. Gute Nacht!" "Nacht!", sagte Siney und die beiden machten sich auf den Weg in ihre Schlafsäle. Harry war allein im Jungenschlafsaal. Er zog sich seinen Pyjama an und ließ sich todmüde in sein Bett fallen. Trotzdem konnte er nicht einschlafen. Er lag noch lange wach und dachte nach. Was war das bloß für eine schreckliche Woche. Doch daran, dass er dieses Jahr kein Quidditch spielen kann lässt sich sowieso nichts mehr ändern. Also sollte er auch nicht mehr so schlecht gelaunt sein. Es kann alles nur noch besser werden, dachte er, und morgen werde ich mich bei Ron und auch bei Hermine entschuldigen! Mit diesem Gedanken im Kopf schlief er schließlich ein.
Am nächsten Morgen war Harry als erster wach. Er wollte sich vor der ersten Stunde mit Ron aussprechen, denn er hatte keine Lust noch einmal den ganzen Schulvormittag die wütenden Blicke von ihm und Hermine zu ernten. Er setzte sich auf einen Sessel und wartete auf Ron, der jeden Moment die Treppe runterkommen musste. Harry machte sich Gedanken darüber, wie er sich wohl bei Ron entschuldigen sollte und probte ein wenig. Dabei kam Harry sich allerdings ziemlich schnell lächerlich vor. Aber er war nun mal ziemlich aufgeregt. Immer wieder schaute er in Richtung Treppe und nach einer halben Ewigkeit, so kam es Harry vor, kam Ron heruntergestiegen. Er mied Harrys Blick. Harry wusste nicht recht, was er nun tun sollte, doch er nahm seinen ganzen Mut zusammen und presste ein leises "Morgen Ron..." aus sich heraus. "Morgen.", erwiderte Ron. "Du Ron, ich...", begann Harry zu sprechen, doch weiter kam er nicht, denn Hermine schritt in dem Moment ebenfalls die Treppe in den Gemeinschaftsraum herunter. "Ach nee, hat unser lieber Harry seinen Stolz überwunden und entschuldigt sich?", sagte sie zornig. "Du kannst es wohl nicht ertragen, dass dich auf einmal nicht mehr alle so toll finden. Naja, bis auf Madam Wichtig, versteht sich." Harry wusste, dass Hermine Siney meinte, die zu allem Unglück nun auch die Treppe herunterkam. "Wird hier über mich gesprochen?", fragte Siney kühl. "Ja, allerdings. Es kam dir wohl wirklich gelegen, dass Harry Streit mit uns hatte, was? Ihr seid jetzt wohl die dicksten Kumpels!", fauchte Hermine. "Mach dich doch nicht lächerlich, Hermine!", erwiderte Siney beängstigend trocken. "Ich mache mich lächerlich, meinst du? Na gut, ich halte mich ab jetzt da raus. Ich will eurer Freundschaft nicht im Wege stehen!", sagte Hermine. "Damit du es weißt, Harry ging es sehr schlecht, und ich war für ihn da, im Gegensatz zu seinen beiden besten Freunden, die zu stur waren, sich in seine Lage zu versetzen!", sagte Siney und sie wurde immer lauter. Hermine jedoch sagte nichts. "Und so was wie du nennt sich Vertrauensschülerin!"
60 Harry und Ron standen nur da und sahen zu wie Hermine und Siney sich gegenseitig anschrieen. "Hey, Harry, lass uns gehen!", hörte Harry Ron neben sich flüstern. Er schaute ihn erstaunt an, folgte ihm aber schließlich hinaus aus dem Gemeinschaftsraum. "Lass uns nie so werden wie die, okay?", sagte Ron und er hatte ein breites Grinsen aufgesetzt. "Nee, das muss echt nicht sein!", erwiderte Harry ebenfalls grinsend. "Du, Ron. Es tut mir echt leid, was ich getan hab." "Schon vergessen! Ich kann mir vorstellen, wie du dich gefühlt haben musst!", erwiderte Ron. "Jetzt müssen wir nur noch die beiden da drin beruhigen!", sagte Harry. "Ja, am besten wir gehen wieder rein und sagen, dass wir uns wieder vertragen haben.", meinte Ron. Und so gingen sie wieder zurück in den Gemeinschaftsraum, doch es schien als könnte man weder Hermine noch Siney beruhigen. "...Ich habe noch nie so etwas Streitsüchtiges wie dich erlebt!", schrie Siney. "Und ich noch nie so etwas Eingebildetes wie dich! Du kannst dich nicht zwischen uns drängen, finde dich endlich damit ab!", schrie Hermine zurück. Das ganze Gryffindor Haus war inzwischen im Gemeinschaftsraum versammelt und alle starrten sie Siney und Hermine mit offenen Mündern an. "Du bist wirklich das Allerletzte!", schrie Siney. "Mit dir kann man einfach nicht vernünftig reden!" "Warum hat Snape es bloß nicht geschafft dich mit seinem Fluch kaltzumachen? Mein Gott... Dann wäre alles wieder beim Alten!", schrie Hermine, die offenbar nicht mehr wusste, was sie da von sich gab. Sie hatte sich wohl in eine Art blinden Hass reingesteigert. "Wärst du doch bloß bei deinen Muggeleltern geblieben!", brüllte Siney zurück. "Ach, unser Reinblut hält sich mal wieder für was besseres... Gesell dich doch zu Malfoy. Ihr würdet prima zusammen passen. Und wir wären dich los! Du... du Miststück!", keifte Hermine. Plötzlich griff Siney in ihren Umhang und Harry hatte das ungute Gefühl sie würde jeden Moment ihren Zauberstab herausholen und ihn auf Hermine richten. Diese steckte ebenfalls die Hand in ihre Umhangtasche und tatsächlich zogen sie beide ihre Zauberstäbe heraus. Harry konnte nicht hinsehen. Hermine und Siney hatten einiges auf dem Kasten. Sie würden sich sicher nicht mit Funken besprühen, dachte Harry. "Jetzt reicht es mir entgültig!", flüsterte Siney und sie hob ihren Zauberstab. Hermine hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass Siney ihr wirklich etwas antun würde. Sie sah inzwischen ängstlich aus. Siney hatte bereits, wenn auch unabsichtlich, Snape außer Gefecht gesetzt... "Siney, jetzt beruhig dich doch!", flüsterte Harry ihr zu und Ron tat eben dies auch bei Hermine. Plötzlich schwang das Portrait der Fetten Dame zur Seite und Professor McGonagall trat ein. Sie bebte vor Zorn. "Was ist hier los?", fragte sie mit zitternder Stimme. Alle sahen sie an. Auch Siney und Hermine verstummten. Sie ließen ihre Zauberstäbe schnell sinken und versuchten
61 sie hinter ihren Rücken zu verstecken, damit Professor McGonagall nicht auf falsche Gedanken kam. "Ihr Unterricht hat vor zehn Minuten begonnen, meine Herrschaften! Miss Granger, warum sind sie noch hier?", fragte sie. "Sie als Vertrauensschülerin." "Wir... wir müssen die Zeit vergessen haben.", sagte sie mit heiserer Stimme. "Die Zeit vergessen, soso... Los, alle zum Unterricht!", rief Professor McGonagall. "Außer Miss Granger. Sie bleiben noch kurz hier!" Harry und Ron sahen Hermine mitleidend an. Sie sah ängstlich aus. Schnell machten sich alle anderen auf den Weg zum Unterricht. Hermine sah ihnen hinterher. Wie weit war dieser Streit nur ausgeartet... So eine schlechte Stimmung hatte sich noch nie zwischen den Gryffindors ausgebreitet. Der Hass zwischen Hermine und Siney schien den bisherigen Höhepunkt erreicht zu haben. So konnte das doch nicht weitergehen, dachte Harry. "Hermine steckt jetzt wohl ganz schön in Schwierigkeiten, oder?", fragte Siney und zu Harrys Überraschung schien sie das überhaupt nicht zu freuen. "Ich denke schon.", erwiderte Harry knapp, bevor sie in Professor Lupins Klassenzimmer eintraten.
Es wäre sicherlich ein interessanter Schulvormittag gewesen, dachte Harry beim Mittagessen, wenn die Stimmung innerhalb der Klasse nicht so schlecht gewesen wäre. In Verteidigung gegen die dunklen Künste sprachen sie noch immer über Metamorphen und andere magische Tiere, die es auf die dunkle Seite gezogen hat. In Zauberkunst waren sie inzwischen so weit lebende Käfer verschwinden und an einer anderen Stelle wieder auftauchen zu lassen, doch heute war keiner so richtig konzentriert, was viele der Käfer diese Stunde mit ihrem Leben bezahlen mussten. Professor Snape biss heute mit seinen Sticheleien auf Granit, denn keiner hörte ihm zu. Das ärgerte ihn so sehr, dass er ihnen als Hausaufgabe einen zehnseitigen Aufsatz über die Entwicklung der Zauberflüche aufgab. Hermine war erst zur zweiten Stunde aufgetaucht. Sie sah furchtbar aus und hatte bis jetzt mit niemandem ein Wort gesprochen. Harry stocherte in seinem Mittagessen herum und aß nur widerwillig etwas. Dieser Tag war der schreckliche Abschluss einer schrecklichen Woche. Zwar hatte er sich mit Ron wieder vertragen, doch dafür sprach Hermine mit niemandem mehr und kam Harry so vor, als würde sie Siney am liebsten auf der Stelle ermorden. Ständig warf Hermine ihr hasserfüllte Blicke zu, die Siney ihr ebenso erwiderte.
Der Nachmittag zog sich unglaublich in die Länge. Alle saßen still im Gemeinschaftsraum und brüteten über dem Aufsatz für Snape. Hermine saß alleine an einem Tisch und Harry, Ron und Siney arbeiteten zusammen. Harry hatte seinen restlichen Vorrat an Schokofröschen aus seinem Schlafsaal geholt, die sie genüsslich futterten. Das alles schien Hermine gar nicht zu gefallen. Ständig warf sie missbilligende Blicke zu den dreien herüber. Plötzlich unterbrach Harry seine Arbeit und sprach das aus, weswegen auch Ron sich offenbar kaum konzentrieren konnte. "Warum gibt es in letzter Zeit eigentlich nur noch Streit?", fragte er. "Wenn ich das wüsste... Früher war Hermine sogar meist die Streitschlichterin...",
62 meinte Ron zu Siney gewandt und grinste leicht. Siney aber grinste nicht zurück. "Früher... früher! Das ist alles was ich hier höre! Erst von Hermine, jetzt auch noch von euch... Sagt doch gleich, dass ihr meint seitdem ich hier aufgetaucht bin ist alles durcheinander!" "Na bravo!", sagte Hermine mit starkem Unterton von ihrem Tisch herüber, wandte den Kopf aber nicht von ihrem Buch ab. "Der Groschen ist gefallen..." "Ach wisst ihr was, ihr könnt mich alle mal!", schrie Siney, packte hastig ihre Sachen zusammen, wobei alle Schokofrösche auf die Erde fielen. Schnell hob sie sie auf, steckte sie unüberlegt in ihre Tasche und marschierte hinaus auf dem Gemeinschaftsraum, wobei ihr aller Blicke folgten. "Ganz schön dicke Luft hier heute, was?", sagte Harry. "Jaah...", sagte Ron. Plötzlich erhob sich Hermine von ihrem Platz und ging auf Harry und Ron zu. Sie setzte sich zu ihnen und lächelte sie an. Harry und Ron lächelten zwar nicht zurück, sagten aber auch nichts, da sie keine besonders große Lust auf einen weiteren Streit hatten. "Wie weit bist du mit deinem Aufsatz?", fragte Ron, offenbar um Hermine von Siney abzulenken, denn er hatte auch keine Lust sich ihre Lästereien anzuhören. "Schon fertig! Ich brüte gerade über Arithmantik...", erwiderte Hermine. "Ach so.", sagte Ron eigentlich nicht sonderlich interessiert. Am liebsten wäre er, wie auch Harry hinter Siney hergegangen, doch das ließ er in dieser Runde lieber nicht verlauten. Auch Hermine bemerkte, dass eine Unterhaltung nicht so richtig in Gang kommen wollte, also setzte sie zu einem neuen Versuch an. "Freut ihr euch auch schon auf Thaddäus' Fun Paradise?", fragte sie. "Wir drei gehen doch zusammen da hin, oder?" Es war komisch, dass Hermine das fragte. Normalerweise war es immer selbstverständlich, dass Harry, Ron und Hermine alles gemeinsam unternahmen, und nun fragte sie vorher. "Ja natürlich.", sagte Harry. "Gut!", sagte Hermine begeistert. "Hoffentlich ist Siney an dem Tag krank." "Hermine, musst du denn schon wieder damit anfangen?", fragte Harry. "Tut mir leid...", sagte diese und zu Harry und Rons großer Überraschung ließ sie dieses Thema auch weiterhin aus. Sie schien das Gefühl zu haben, sich gegenüber Harry und Ron keinen Fehltritt erlauben zu dürfen. "Also dann... Ich... Ich muss noch was lesen... für Arithmantik... Ihr entschuldigt mich?", sagte Hermine. "Wir sehen uns dann beim Abendessen." "Ja, bis dann.", sagten Harry und Ron und Hermine verschwand durch das Portraitloch nach draußen, wahrscheinlich in die Bibliothek, dachte Harry. "Sie hätte ihr Arithmantikbuch mitnehmen sollen...", sagte Harry und deutete auf den Tisch, an dem Hermine gesessen hatte. Darauf lag aufgeschlagen der dicke Wälzer. "Ich hoffe dieser Alptraum nimmt bald ein Ende!", sagte Ron. "Wir können uns doch auch mit Siney so gut verstehen wie früher, oder?" "Ich werde gleich noch mal versuchen mit Siney zu reden. Nach dem Abendessen. Immerhin hat sie mir meine Schokofrösche geklaut!", sagte Harry und lachte. "Ich hoffe das bringt was.", meinte Ron. Und den Rest des Nachmittags verbrachten die beiden damit, ihren Aufsatz fertig zu schreiben.
63 Als Harry und Ron ihre Schulsachen am Abend in ihren Schlafsaal bringen wollten, trafen sie unterwegs auf Neville. Er sah Harry schweigend an. "Was ist denn, Neville?", fragte Harry. "Wohl eher, was ist mit euch!?", erwiderte Neville. "Was... was meinst du?", fragte Ron. "Siney und Hermine hassen sich ganz schön, oder?", fragte Neville. "Naja...", begann Harry. "Ich möchte nicht, dass Siney Hermine noch mal so in Schwierigkeiten bringt, wie heute morgen! Schließlich ist Hermine Vertrauensschülerin! Und das soll sie auch bleiben...", sagte Neville. "Sie sollten sich beide ein bisschen zusammenreißen!", meinte Ron nur. "Ich weiß nicht... Siney hat Snape angegriffen!", sagte Neville. "Das war ein Unfall!", sagte Harry. "Und wir müssen jetzt auch weiter. Wir sehen uns beim Abendessen. Bis gleich!" "Tschau.", sagte Neville und er stolperte die Treppe hinunter. "Hermine macht Siney auch bei jedem schlecht.", sagte Ron. "Aber Neville hat recht. Es wäre wirklich schade, wenn Hermine ihren Vertrauensschülerjob verlieren würde!" "Daran wäre sie selbst aber nicht ganz unschuldig, so wie sie sich momentan aufführt!", erwiderte Harry. Harry und Ron brachten ihre Sachen in den Schlafsaal und machten sich dann ebenfalls auf den Weg in die Große Halle zum Abendessen. In den Gängen konnten sie schon die verlockenden Speisen riechen. Nach dem Tag hatten sie nun wirklich einen Riesenhunger! Sie betraten die Große Halle und setzten sich zu Hermine, die vor einem gefüllten Teller saß und wartete. "Heute gibt es Fisch mit grünen Bohnen! Lecker, nicht?", sagte Hermine. "... Ja, sehr... Vor allem die Bohnen...", sagte Ron und zog eine Grimasse. "Hauptsache was zu essen! Ich liebe Fisch!", sagte Harry und tat sich etwas von dem frischen Fisch auf. Doch plötzlich fiel ihm auf, dass Siney nicht anwesend war. "Wo ist Siney?", fragte Ron und sprach so das aus, was Harry dachte. Hermine schaute Ron böse an und zuckte mit den Schultern. "Meinst du sie ist noch sauer?", fragte Ron zu Harry gewandt. "Ich glaub schon...", sagte Harry zögernd. "Mhhh, schmeckt das gut! Ich hatte aber auch einen Hunger nach der ganzen Schreiberei heute!", sagte Hermine plötzlich laut. "Ich hoffe Snape ist mit meinem Aufsatz zufrieden!" "Der ist doch nie zufrieden!", sagte Ron. Der Rest des Abendessens verlief recht angenehm. Harry, Ron und Hermine sprachen wieder halbwegs normal miteinander. Sie lästerten wie so oft über Snape, sprachen über das Apparieren bei Professor Flitwick, was allen sehr viel Spaß machte und über Thaddäus' Fun Paradise, worauf sie sich jeden Tag mehr freuten. Sowohl Hermine als auch Ron und Harry erwähnten Siney mit keinem Wort, allerdings war sie während des gesamten Abendessens nicht aufgetaucht. Harry beschloss sich gleich nach dem Nachtisch auf die Suche nach ihr zu machen, was Hermine aber besser nicht erfahren sollte. Zum Nachtisch gab es leckeres Zitronenmousse, passend zum Fisch, und als Harry, Ron und Hermine ihre Schälchen leergegessen hatte, stand Harry auf und verließ mit
64 dem Vorwand Hedwig in der Eulerei zu besuchen die Große Halle. Ron ließ er mit Hermine zurück, die mit ihm noch eine Partie Snape explodiert spielen wollte. Als erstes lief Harry hoch in den Gryffindor Gemeinschaftsraum, doch dort fand er Siney ebenso wenig, wie im Mädchenschlafsaal (er fragte Parvati, ob sie für ihn nachsehen könnte) oder in der Bibliothek. Wo könnte Siney bloß hingegangen sein, fragte sich Harry. Einen Moment lang belustigte ihn die Vorstellung, Siney könnte sich im kaputten Mädchenklo versteckt haben, wo die Maulende Myrte, ein äußerst missmutig gelaunter Geist, herumspukte. Wo würde ich hingehen, fragte Harry sich. Er überlegte sich viele Orte, wo er hinginge, doch diese würde Siney alle nicht kennen, schließlich war sie erst seit ein paar Monaten in Hogwarts, Harry hingegen seit mehr als fünf Jahren! Nach einer Weile kam Harry auf die Idee im Pokalzimmer nachzusehen. Immerhin war dieser Raum für jeden Schüler frei zugänglich und auch bestimmt nicht der uninteressanteste für jemanden, der noch so gut wie nichts über Hogwarts wusste. Allerdings war Harry selbst lange nicht mehr dort gewesen und er konnte sich nicht mehr so recht an den Weg erinnern. Außerdem war es bereits dunkel und in Hogwarts sahen es bestimmte Leute gar nicht gerne, wenn Schüler abends durch die Korridore spazierten. Also beschloss Harry, sich vorher schnell seinen Tarnumhang zu holen, nur um auf Nummer sicher zu gehen... Unter dem Tarnumhang war es, wie Harry erst jetzt wieder feststellte, wirklich ein Kinderspiel unbemerkt durch das Schloss zu gehen. Allerdings hätte er ihn diesmal gar nicht gebraucht, dachte er, denn es war weit und breit kein Lehrer in Sicht. Nur einmal kam Harry der Fast Kopflose Nick entgegen, der Hausgeist von Gryffindor, doch dieser war eigentlich ganz in Ordnung. Er hatte Harry sogar schon einmal zu seiner Todestagsfeier eingeladen, ein Erlebnis, an das sich Harry nicht besonders gern zurück erinnert. Nach ungefähr einer Viertelstunde hatte Harry das Stockwerk, auf dem das Pokalzimmer lag, gefunden. Er schlich leise durch die dunklen Korridore und wäre fast mit einer alten Ritterrüstung zusammen gestoßen. Harry befand sich nun im Korridor zum Pokalzimmer, doch während er seine Schritte hastig beschleunigte, stolperte Harry plötzlich über etwas, was auf dem Boden lag. "Verdammt!", zischte er in die Dunkelheit. Er zog seinen Zauberstab aus seiner Umhangstasche und murmelte "Lumos!", um den Korridor zu erhellen, damit er sehen konnte über was er da gestolpert war. Doch was er da sah brachte Harry dazu einen spitzen Schrei auszustoßen. Er starrte ungläubig auf das, was da vor ihm lag und presste sich vor Entsetzen die Hand auf den Mund. Vor ihm auf der Erde lag leblos niemand anderes als Siney! Weder bewegte sie sich, noch glaubte Harry sie atmen zu hören. Er warf sich den Tarnumhang ab und beugte sich zu ihr herunter. "Siney...", flüsterte er. "Oh mein Gott... Was zum..." Doch Harry hatte keine Zeit sich lange bei Siney aufzuhalten. Er konnte nur eines tun: So schnell wie möglich Hilfe holen! Hoffentlich ist sie nicht tot, dachte Harry immer wieder, hoffentlich ist sie nicht tot, bitte! Er rannte, so schnell ihn seine Beine tragen konnten durch die Finsternis des Schlosses. Nur durch das schwache Licht seines Zauberstabes und den Mondschein konnte er gerade sehen, wo er ungefähr hinlief. Professor Dumbledore oder Professor Lupin, dachte Harry, jeder, aber bitte, bitte nicht Professor Snape! Lauf mir jetzt nicht über den Weg! Doch es war wie verhext... kaum hatte Harry den Korridor verlassen,
65 stieß er mit jemandem zusammen. Und natürlich, wie sollte es anders sein, war es Snape! Das konnte kein Zufall sein, dachte Harry. Dieses Mal nicht! Doch er hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. "Was ist hier los!", brüllte Snape. "P-Professor... bitte, sie müssen mir folgen!", stotterte Harry. "Potter, wer sonst. Ist es nicht komisch, dass ich immer dich so spät noch erwische?", zischte Snape in drohendem Ton. Doch Harry nahm davon keinerlei Notiz. "Bitte, folgen sie mir. Siney... sie liegt vor dem Pokalzimmer... und sie... sie atmet nicht!", sagte Harry völlig außer Atem. Soweit Harry es in dem schwachen Licht erkennen konnte, sah Snape sehr unsicher aus. "Das haben sie sich sicher nur eingebildet, Potter...", sagte er mit einem Anflug von Panik in der Stimme. "Nein, Professor. Es stimmt wirklich! Glauben sie mir doch!", flehte Harry Snape an. "Jaja, schon gut... Am besten... ja! Du holst Professor Lupin und ich... sehe schon mal nach ihr...", sagte Snape und huschte schnell in die Dunkelheit davon. Tausend Gedanken kreisten Harry im Kopf herum, doch dafür hatte er jetzt keine Zeit. Er rannte zu Professor Lupins Büro. Gott sei Dank fand er es schnell, denn Harry behagte die Vorstellung, Siney mit Snape allein zu lassen überhaupt nicht. Er klopfte an Lupins Bürotür, der diese kurze Zeit später öffnete. "Harry, was machst du denn hier?", fragte Lupin erstaunt. Harry konnte kaum sprechen, so außer Atem war er. Doch mit letzter Kraft sagte er vier Worte: "Siney... bei Snape... Pokalzimmer!" Lupin hakte zu Harrys Glück nicht weiter nach. Er holte schnell seinen Zauberstab und machte sich sofort auf den Weg. Harry sank einen Moment in sich zusammen. Er atmete tief durch, machte eine kurze Pause. Doch er musste zurück. Er musste wissen, was vor dem Pokalzimmer vor sich ging! Also stand er wieder auf. Er konnte kaum mehr laufen. Völlig erschöpft machte er sich wieder auf den Weg zurück zu der Stelle, wo er Siney gefunden hatte.. Harry sah Professor Lupin und Snape schon von weitem. Lupin hatte eine Laterne bei sich. Die beiden waren tief über Siney gebeugt und es schien, als würden sie sie untersuchen. "Trank der Lebenden Toten...", sagte Snape. "Aber wie...?" Harry kam näher, Snape sah auf. "Potter, was machst du denn noch hier?", fauchte Snape. "Was ist mit ihr?", fragte Harry. "Los, verschwinde!", zischte Snape. "Severus... Ohne Mr Potter hätten wir doch gar nicht gewusst, was hier los ist!", sagte Professor Lupin, doch Harry hatte das sichere Gefühl es war genau das, was Snape ärgerte. "Natürlich, Remus, natürlich!", sagte Snape nun, allerdings ohne den hasserfüllten Blick von Harry abzuwenden. "Also, was hat sie?", fragte Harry noch einmal. "Sie ist schwer vergiftet worden...", sagte Lupin. "Ist sie...", fing Harry an, doch Lupin schüttelte zu Harrys Erleichterung schnell den Kopf. "Aber wenn wir nur wüssten, wie...", sagte Lupin. "Remus, sieh dir das hier an!", flüsterte Snape auf einmal und deutete dorthin, wo
66 Sineys Hand lag. Professor Lupin richtete seine Laterne an die Stelle, auf die Snape deutete und dort lag etwas, etwas kleines, was Siney beim Aufschlag auf den Boden aus der Hand gefallen sein muss. Harry konnte es nicht erkennen. Er war zu weit entfernt. "Ein Schokofrosch!", sagte Lupin. "Ein angebissener Schokofrosch!", fügte Snape hinzu. "Ich denke, den sollten wir mitnehmen.", sagte Lupin. "Und das hier auch!", sagte Snape mit triumphierendem Blick. Er hielt etwas in der Hand, ein fließendes Stück Stoff, und Harry fragte sich wie viel Pech ein Mensch nur haben konnte. "Tja, Mr Potter. Passen sie demnächst ein bisschen besser auf ihre Sachen auf und lassen sie solch kostbare Stücke nicht einfach so rumliegen..." In der Hand hielt Snape, der ein ekelhaftes Grinsen aufgesetzt hatte, Harrys Tarnumhang. Jeder einzelne von Snapes Träumen schien an diesem Abend in Erfüllung gegangen zu sein.
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