Waffenstillstand
Siney war wieder den gesamten Schulvormittag nicht anzutreffen. Harry saß stumm auf seinem Platz und lauschte gelangweilt einem Vortrag von Professor Flitwick, der wie so oft auf die Gefahren des Apparierens hinwies. Harrys Gedanken jedoch waren ganz woanders, bei Siney nämlich, um die er sich Sorgen machte. Wer weiß, ob sie wieder auf den Beinen war. Sie lag vermutlich immer noch regungslos im Krankenflügel und keiner war jetzt für sie da. Der gestrige Abend wollte einfach nicht auf Harrys Kopf verschwinden. Zu viele Gedanken musste er sich darüber machen. Jemand hatte Siney vergiftet, das stand fest. Doch wer? Und vor allem, warum? Snape zu beschuldigen kam Harry als erstes in den Sinn und diesen Gedanken konnte er auch nicht so schnell verwerfen, doch umso länger er darüber grübelte, umso alberner kam ihm das vor. Snape hasste zwar Siney, doch immerhin hatte er gestern Abend geholfen... Andererseits, warum schlich Snape sich zu genau der Zeit in genau dem dunklen Korridor herum? Irgendetwas stimmte an der ganzen Sache vorne und hinten nicht... Plötzlich wurde Harry jäh aus seinen Gedanken gerissen. Ron gab ihm einen heftigen Knuff in die Seite. "Hey, Harry!", rief er. "Was denn?", rief Harry unfreundlich zurück. "Wir sollen uns zu zweit zusammen tun! Vielleicht sollte ich es mir noch mal überlegen, mit dir zusammenzumachen, bei deiner Laune!", sagte Ron. "Sorry!", erwiderte Harry nur. "Habt ihr alle einen Partner?", quiekte Professor Flitwick von seinem Bücherstapel aus, auf dem er stehen musste. Die Schüler nickten. "Sehr schön! Wir kommen gut voran, ich muss euch loben! Ihr lernt wirklich schnell. Aber nun, da wir mit Gegenständen und Käfern gezaubert haben, ist es langsam an der Zeit, dem eigentlichen Apparieren einen Schritt näher zu kommen. Dazu stellt euch bitte eurem Partner gegenüber auf!" Die Schüler taten dies und bildeten zwei reihen, je zwei Schüler standen sich gegenüber. "Ihr werdet euch stark konzentrieren müssen. Beide Partner! Seht nun zu eurem Gegenüber herüber und konzentriert euch auf den Platz, wo er steht. Wenn alles gut geht, werdet ihr mit eurem Partner Plätze tauschen können. Aber noch mal: Dazu ist es wichtig, dass beide Partner sich konzentrieren. Oder wollt ihr auf dem Kopf eures Partners landen? Wenn beide soweit sind, sagt gleichzeitig: Apparo und euren Namen! Also, Miss Brown müsste zum Beispiel sagen Apparo Lavender und sich genau auf den Punkt konzentrieren, wo Miss Patil steht. Diese sagt Apparo Parvati und konzentriert sich wiederum auf den Platz, wo Miss Brown steht. Verstanden? Nun, dann los!", rief Professor Flitwick. In der Klasse war es mucksmäuschenstill. Keiner traute sich so recht, den Spruch zu sagen. "Los, so schwierig ist es doch nicht!", quiekte Professor Flitwick. Einige zählten bis drei, um dann den Spruch zu sagen, doch sie brachen dann abrupt ab, weil sie dachten,
68 ihr Gegenüber würde sich nicht trauen. Einige lachten über die unsicheren Gesichter einiger Schüler. "Also gut, ich sehe schon, so geht das nicht. Miss Brown, Miss Patil. Sie werden beginnen. Sind sie bereit? Auf drei! Ich zähle... eins... zwei... drei!", rief Professor Flitwick. "Apparo Lavender!" "Apparo Parvati!" Doch nichts geschah. Harry dachte Parvati und Lavender müssten das ganze noch einmal wiederholen, doch Professor Flitwick rief: "Hervorragend! Das hat ja sehr gut geklappt!" Und tatsächlich. Parvati und Lavender hatten ihre Plätze getauscht. Das war Harry gar nicht aufgefallen. Als er sich so umsah stellte er fest, dass auch die anderen sehr erstaunt aussahen. Parvati und Lavender selbst sahen sich ebenfalls verwirrt um. "So, nun habt ihr gesehen, wie man es richtig macht. Dean und Seamus...", forderte Professor Flitwick die beiden auf. Sie taten es Parvati und Lavender gleich und wechselten in einem Bruchteil einer Sekunde die Plätze.
Der reihe nach nahm Professor Flitwick nun auch die weiteren Pärchen dran und die meisten hatten sich wacker geschlagen. Als nächstes waren Hermine und Neville an der Reihe, wobei Neville leicht nervös aussah. Hermine jedoch zwinkerte ihm mutmachend zu und, zu Nevilles und Hermine großer Freude hatte es auch bei ihnen auf Anhieb geklappt. Das war zwar nicht so schwer, dachte Harry, doch Siney würde es schwer den Stoff nachzuholen. Sie hatte in der letzten Zeit schon so oft gefehlt. Wieder mit den Gedanken bei Siney nahm Harry sich vor in der Mittagspause mit Ron und Hermine (vor allem mit ihr) darüber zu sprechen. Vielleicht könnten sie Siney ja gemeinsam besuchen gehen... "AAAAAUUUUUUU!", schrie Harry auf einmal und war auf den harten Boden gefallen. Zu seiner Überraschung lag Ron über ihm. "Sag mal spinnst du? Was sollte das denn jetzt?", schrie Harry. "Aber wir waren doch dran! Wenn du nicht bei der Sache bist...", sagte Ron. Im nächsten Moment kam Professor Flitwick schon zu Harry und Ron herübergeeilt. "Mr Potter, ist alles in Ordnung mit ihnen?", rief Flitwick. "Ja, schon gut!", erwiderte Harry. "Entschuldigen sie, ich..." "Das kann doch passieren. Wollen wir es noch mal versuchen?", fragte Professor Flitwick. Ron zögerte, doch schließlich nickten er und Harry. Sie mussten beinahe Lachen. Auch die Umstehenden konnten sich das lachen offenbar nur schwer verkneifen, denn es muss wohl ziemlich komisch ausgesehen haben, wie Ron auf Harry gelegen hatte. Harry und Ron stellten sich wieder gegenüber voneinander auf, sprachen ihre Zauberformel, und wechselten wie von ihnen verlangt blitzartig die Plätze. Es war ein seltsames Gefühl dachte Harry. Auch Ron verzog leicht das Gesicht. "So, ich denke bis auf diesen kleinen Zwischenfall", Professor Flitwick selbst musste schmunzeln, "hat das doch ganz gut geklappt. Wir werden uns ab jetzt mit jeder Stunde in der Entfernung ein wenig steigern. Ach, und wenn jemand so freundlich wäre, mir Miss Eldird vorbei zu schicken, wenn sie wieder auf den Beinen ist. Ich sollte sie doch noch mal persönlich mit dem Zauber der heutigen Stunde vertraut machen. Ihr könnt jetzt gehen!", rief Professor Flitwick und die Schüler verließen seinen Klassenraum und machten sich auf den Weg in die große Halle, wo das
69 Mittagessen auf sie wartete. "Weiß einer von euch, was mit Siney wieder los ist?", fragte Ron, als sie am Tisch platzgenommen hatten. "Nö, ist mir auch ehrlich gesagt egal!", meinte Hermine. "Aber ich weiß es...", murmelte Harry leise. "Ehrlich? Was denn? Woher weißt du das?", fragte Ron neugierig. Harry erzählte Ron und Hermine (wobei Hermine nicht sonderlich interessiert schien), was er gestern Abend erlebt hatte. Er erzählte von Siney, wie sie regungslos auf der Erde lag, von Snape, den er zufällig angetroffen hat, von seinem Tarnumhang, den Snape in die Finger bekommen hatte und natürlich von der- "Vergiftung?", schrie Ron fassungslos. Aller Köpfe wandten sich zu Harry, Ron und Hermine um. "Ähm... Ehrlich... Die Muggel vergiften die Tiere die sich über ihre Pflanzen hermachen?", fragte Ron laut. "Jaah... Ähm... Das tun sie...", sagte Harry und das Interesse der anderen Schüler verschwand wieder. "Spinnst du denn?", flüsterte Harry. "Das braucht nich jeder zu erfahren, verstanden?" "Ist ja schon gut. Aber ist das denn sicher, dass... nun ja... Siney vergiftet wurde? Und ist sie...", begann Ron, doch Harry schüttelte heftig den Kopf. "Nein, sie ist noch mal davongekommen. Dank Snape und Lupin...", sagte Harry. Hermine hatte sich immer noch nicht in das Gespräch von Ron und Harry eingemischt. Sie stocherte nervös in ihren Kartoffeln herum. "W-wie... wurde Siney denn vergiftet?", fragte Ron. "Ich weiß es nicht genau... Aber Lupin und Snape haben einen angebissenen Schokofrosch neben Siney gefunden." Hermine ließ ihre Gabel fallen. "Einen Schokofrosch?", wiederholte Ron. "Aber Harry... wenn das... dein Schokofrosch war!" "Mein Schokofrosch?" "Weißt du nicht mehr? Wir haben gestern Nachmittag Schokofrösche gegessen und Siney hat sich welche mitgenommen! Oh Mann, Harry!", sagte Ron. "Du hast recht! Ron, du hast Recht! Oh nein... Hermine, sag doch auch mal was!", sagte Harry, doch Hermine starrte nur geistesabwesend auf ihren Teller. Plötzlich spürte Harry einen Schlag auf dem Rücken. Er drehte sich um und vor ihm stand: "Malfoy mal wieder!", sagte Ron. "Ich wollte eure kleine Unterhaltung nicht stören!", sagte Malfoy nur, grinste bösartig und marschierte davon. "Was war das denn jetzt?", fragte Harry. Ron zuckte mit den Schultern. "Sag mal, wollen wir gleich mal Siney im Krankenflügel besuchen?", schlug Ron vor. "Ja, das hatte ich sowieso vor. Hermine, kommst du auch mit?", fragte Harry, doch diese lachte nur einmal kurz auf und zeigte Harry einen Vogel. "Dann eben nicht!", sagte Harry. "Aber erst mal müssen wir ne Doppelstunde Snape hinter uns bringen..." "Oh, das wird schwer! Das halte ich heute ehrlich nicht aus!", sagte Ron. "Naja, wenigstens kann er nicht wieder Versuche mit Siney durchführen!", sagte Harry. "Das hat er anscheinend gestern schon...", sagte Ron unsicher.
70 Nach dem Mittagessen begab sich die gesamte Schülerschaft wieder auf Wanderung durch Hogwarts zu ihrem nächsten Unterricht. Die Gryffindors hatten das Glück zwei Stunden in Snapes dunklem Kerker verbringen zu dürfen, worüber sich wie immer ausnahmslos jeder beschwerte. Im Kellergewölbe angetroffen, trafen sie auf die Slytherins, was den Unterricht mal für mal noch viel schlimmer machte. Die Stimmung war schlecht und die Gryffindors warteten nur darauf, dass Snape sie endlich in sein Klassenzimmer bat, damit se nicht dem Getuschel und den widerlichen Blicken der Slytherins ausgesetzt waren. "Guten Morgen!", sagte Snape, als er schwungvoll die Tür geöffnet hatte. Er grinste. "Nun kommt schon rein!", sagte er und zeigte in das Innere des Klassenzimmers. Die Schüler gingen schweren Herzens hinein und setzten sich auf ihre Plätze. Harry war gespannt wie Snape auf das Fehlen Sineys reagieren würde. Doch zu seiner Überraschung machte er keinerlei abfällige Bemerkung deswegen. "Wir wollen die heutige Stunde nutzen um uns mal wieder ein wenig mit Zaubertränken zu beschäftigen. In letzter Zeit nahm der Verteidigung gegen die dunklen Künste Unterricht wirklich langsam Überhand!", sagte Snape und tat so, als würde ihm das gar nicht gefallen. "Dann will ich euch doch mal testen. Mal sehen, ob ihr mit Zaubertränken noch was anfangen könnt. Kann mir zum Beispiel jemand sagen, wie man den Trank der lebenden Toten braut?", fragte er. Hermine hob natürlich blitzartig die Hand, obwohl sie selten von Snape drangenommen wurde, wenn er sie überhaupt beachtete. Doch diesmal schien Snape sehr erfreut über die Meldung Hermines. Er sah sie durchdringend an. Harry hatte eine schlimmes Gefühl und auch Hermine schien nun bemerkt zu haben, dass Snape etwas vorhatte und sie ließ langsam und unsicher die Hand sinken. "Miss Granger, natürlich! Wer denn sonst!" Snape schien sich darüber sehr zu freuen. Seine Lippen kräuselten sich zu einem bösen Lächeln. "Na los! Ich höre.", forderte er sie unnatürlich freundlich auf. Hermine zögerte. Sie spielte nervös mit ihrem Armband herum. "M-man bringt... Affodil und Wermut zum kochen und...", begann Hermine zu sprechen doch weiter kam sie nicht. Sie sah aus als würde sie am liebsten wegrennen wollen. Harry konnte sich schon denken, was jetzt in Snape vorging. Alle anderen starrten Hermine interessiert an, vor allem Malfoy konnte ein mieses Grinsen nicht unterdrücken. "Das ist ja sehr Interessant...", sagte Snape. "Können sie mir vielleicht auch noch sagen, woher sie das wissen?" "Ich... ich..." "Sie... sie... Woher denn nun?" "Sie haben das mal erwähnt... In unserer ersten Stunde bei ihnen..." "So, habe ich das? Dann musst du aber ein ziemlich gutes Gedächtnis haben, nicht wahr?", zischte Snape. "Worauf wollen sie eigentlich hinaus?", fragte Harry auf einmal verärgert. "Das lassen sie mal lieber meine Sorge sein, Mr. Potter!", fauchte Snape. Harry sah ihn nur hasserfüllt an und Hermine stand den Tränen nahe. Den Rest der Stunde verbrachten sie damit, getrocknete Chamäleonkrallen zu zerstampfen und einen Färbungstrank herzustellen. Snape benahm sich auch wieder
71 wie immer, indem er die meisten Schüler wegen ihres fehlerhaften Trankes fertig machte. Nach der Stunde standen die meisten Slytherins zusammen und tuschelten was das Zeug hielt. Harry, Ron und Hermine konnten sich schon fast denken warum. Doch sie hatten keine Lust sich jetzt noch weiter damit zu befassen, also machten sie sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors um endlich ein wenig ausspannen zu können. Doch dieses Vorhaben wurde ihnen von jemandem vereitelt. Malfoy! "Hey, Schlammblut!", rief er Hermine hinterher, die zusammen mit Harry und Ron schon fast nicht mehr zu sehen war. "Kaum kommt so eine daher, die sogar noch schlauer ist als du, schon murkst du sie ab. Das ist aber nicht sehr nett..." Die Slytherins brachen in johlendes Gelächter aus. "Hör einfach nicht hin, Hermine!", sagte Harry. "Die arme Siney. Wird aus ihrer Familie gerissen, muss ihre Freunde verlassen, und kaum ist sie hier, willst du sie auch noch töten...", rief Malfoy. "Aber natürlich, du willst keine andere Streberin neben dir haben, was? Das kann ich natürlich verstehen!" Hermine liefen stumme Tränen über ihr Gesicht. Harry versuchte sie zu trösten. "Hör doch einfach nicht hin!", sagte er noch einmal. "Die sind es nicht wert!" "Du hast leicht reden!", schluchzte Hermine kaum hörbar. "Schließlich war es nicht einmal mein Schokofrosch!", sagte sie und lief die Stufen hoch. Ron und Harry ließ sie zurück. "Haben wir sie jetzt zum heulen gebracht?", rief Malfoy. "Aach, halt doch einfach einmal dein dreckiges Maul!", riefen Harry und Ron gleichzeitig und sie gingen hoch in ihren Gemeinschaftsraum. Hermine war ebenfalls dort. Sie saß auf einem Sessel und las ein Buch. Sie weinte immer noch. "Hermine, bitte...", begann Harry. "Es tut mir leid!", sagte Hermine. "Das eben habe ich nicht so gemeint!" "Ist schon in Ordnung.", sagte Harry. "Lass die anderen doch reden! Wir wissen, dass du nichts verbrochen hast, und ich bin mir sicher, die Lehrer sind auch nicht so bescheuert dich zu beschuldigen. Nicht einmal Snape!" "Schließlich hat er es selbst getan!", meinte Ron. "Ich weiß nicht so recht...", sagte Hermine. "Na, wer denn wohl sonst?", fragte Ron und bewirkte damit genau das, was er wollte. Weder Harry noch Hermine fiel noch jemandes anderes ein... "Warten wir erst mal ab. Wir sollten Siney später besuchen gehen. Vielleicht sagt sie uns etwas.", meinte Harry. "Aber nur, wenn du mitkommst, Hermine!" "Na gut. Das kann mir ja nicht schaden. Aber wenn sie wieder anfängt, dann..." "Das wird sie schon nicht. Sie möchte sich sicher auch mit dir vertragen.", sagte Ron. "Hoffentlich.", meinte Hermine nur. "Wir gehen nach dem Abendessen hin, okay?", sagte Harry. "Jetzt muss ich mich erst mal ein bisschen entspannen. Das war ein Tag!", und er ließ sich in einen leeren Sessel fallen. Ron tat es ihm gleich und setzte sich neben Harry und Hermine. Sie spielten Zauberschach, Snape explodiert und unterhielten sich - Eine Situation wie schon sehr lange nicht mehr.
72 Hermine hatte ihre Meinung bis zum Abend hin nicht geändert, worüber Harry sich sehr freute. Immer noch war sie damit einverstanden mit zu Siney in den Krankenflügel zu kommen. Und so machten sich Harry, Ron und Hermine auch sofort nach dem Abendessen auf den Weg. Sie nahmen etwas von dem Kuchen, den sie zum Nachtisch bekommen hatten mit um ihn Siney zu geben. Vor der Tür zum Krankenflügel angekommen, sah Harry Hermine an. Sie nickte. Harry öffnete langsam die Tür und schritt herein. Ron folgte ihm. Hermine zögerte, doch dann trat auch sie ein. Siney lag in einem Bett nahe dem Fenster. Sie lächelte als sie Harry und Ron sah. Beim Anblick Hermines allerdings warf sie Harry einen fragenden Blick zu. "Hallo!", sagte Siney fröhlich. Sie lächelte nun nur noch kaum merklich. "Was treibt euch denn zu mir?" "Wir wollten dich besuchen kommen, was sonst?", sagte Harry. "Wie geht es dir?" "Ganz gut soweit. Naja, den Umständen entsprechend eben, wenn man vergiftet wurde. Fühlt sich nicht schön an...", sagte Siney. Harry wusste nicht, ob er lächeln sollte. "Und was will die hier?", fragte Siney und deutete mit dem Zeigefinger auf Hermine, die nun ganz blass geworden war. "Ich... ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich habe mich dir gegenüber wirklich nicht korrekt verhalten...", flüsterte Hermine beinahe nur. "Das kann man wohl sagen!", sagte Siney. "Aber na gut. Jeder verdient eine zweite Chance..." "Ihr braucht ja nicht gleich die besten Freundinnen zu werden.", sagte Ron. "Hauptsache ihr geht nicht mehr bei jeder Gelegenheit aufeinander los!" Doch Harry hatte nicht den Eindruck, als würde dieser vorläufige Waffenstillstand lange anhalten, denn sowohl Siney, als auch Hermine warfen sich ständig misstrauische Blicke zu. "Und wann darfst du hier wieder raus?", fragte Harry. "Madam Pomfrey sagte, dass ich spätestens nächste Woche wieder am Unterricht teilnehmen kann.", sagte sie. "Du Glückliche. So lange keine Schule. Nur gemütlich hier rumliegen würde ich jetzt auch gerne.", sagte Ron. "So gemütlich ist das gar nicht. Ich habe immer noch teilweise ganz schöne Schmerzen!", sagte Siney. "Da würde ich sogar lieber bei Snape im Unterricht sitzen, glaube ich..." "Apropos Snape... Glaubst du, dass..." "dass Snape mich vergiftet hat?", beendete Siney den Satz. "Ich habe keine Ahnung! Ganz ehrlich!" "Ich an deiner Stelle hätte ganz schöne Angst...", meinte Ron. "So schnell kriege ich keine Angst. Nicht vor solchen Kleinigkeiten.", sagte Siney und erntete so die fragenden Blicke von Harry, Ron und Hermine. "Hey, ihr habt ja Kuchen für mich!", rief Siney plötzlich und schaute auf den Teller, den Ron in der Hand hielt. "Ja, den gab es heute zum Nachtisch. Ist echt lecker!", sagte Ron und reichte Siney den Teller. Diese nahm den Teller entgegen und holte ihren Zauberstab hervor. Harry, Ron und Hermine wussten nicht so recht, was Siney damit vorhatte.
73 Sie richtete die Spitze auf das Stück Kuchen und murmelte etwas, was Harry nicht verstehen konnte. Als sie fertig war, stieg plötzlich eine kleine, grüne Rauchwolke auf. "Was war das?", fragte Harry. "Professor Dumbledore meint ich soll alles was ich esse vorher auf Gefahr prüfen. Und wenn die Wolke die aufsteigt sich grün färbt, ist alles in Ordnung.", erklärte Siney. "Und warum prüfst du auch das, was wir dir geben? Wir wollen dich doch nicht vergiften!", sagte Harry leicht empört. "Professor Dumbledore hat mich ausdrücklich darauf hingewiesen, alles zu prüfen. Und der Schokofrosch war doch auch von dir Harry, oder?" Harry stockte der Atem. Verdächtigte Siney etwa ihn? "Du glaubst doch nicht, dass..." "Nein, natürlich nicht!", sagte Siney schnell. "Ich habe mit Dumbledore darüber gesprochen. Er hat schon einen Verdacht, was das ganze zu bedeuten haben könnte, aber er wollte nichts sagen..." "Er erzählt doch hoffentlich nicht weiter, dass der Schokofrosch von mir kam... Sonst bin ich nämlich total unten durch...", sagte Harry. "Nein, darum habe ich ihn extra gebeten. Er behält es für sich.", sagte Siney. "Danke.", sagte Harry. Plötzlich viel sein Blick wieder auf Hermine, die während der ganzen Unterhaltung noch nichts gesagt hatte. Sie spielte nervös mit ihren Haaren herum. Harry fiel ein, dass sie ebenfalls verdächtigt wurde Siney vergiftet zu haben. Zumindest von einigen dummen Schülern und Snape... Einen Moment fragte er sich, ob er dieses Thema erwähnen sollte, doch er hielt es schließlich für das beste, nichts zu sagen. Als Harry aus dem Fenster sah, bemerkte er, dass es schon fast dunkel war und sie sich langsam auf den Weg zurück in den Gemeinschaftsraum machen sollten. Im nächsten Moment kam auch schon Madam Pomfrey in den Raum gewuselt. "So, die Patientin muss jetzt schlafen!", sagte sie. "Ihr könnt sie morgen wieder besuchen." "Danke für den Kuchen!", sagte Siney und gab Harry den leeren Teller zurück. "Gute Besserung!", sagte Harry. "Tschau!", sagte Ron. "Bis dann.", sagte Hermine leise. "Danke, dass ihr gekommen seid.", sagte Siney, doch im nächsten Moment schlug Madam Pomfrey Harry, Ron und Hermine die Tür vor der Nase zu. "Na, das war doch ein ganz netter Besuch, oder?", sagte Ron. "Jaah...", meinte Harry geistesabwesend. "Was ist los, Harry?", fragte Hermine. "Wir müssen rauskriegen, ob Snape Siney vergiftet hat!", sagte Harry. "Meinst du wirklich, dass es Snape war?", fragte Hermine. "Wer denn sonst? Snape hat schon mal versucht Siney anzugreifen, nur leider ging das nach hinten los. Er läuft zu genau der zeit, als ich Siney gefunden habe in dem dunklen Korridor herum. Er versucht jetzt verzweifelt den Verdacht auf dich zu lenken Hermine. Und dann sagt Dumbledore auch noch Siney soll alles kontrollieren, als ob der, der sie vergiften will hier im Schloss ist und jederzeit die Möglichkeit hätte sie zu vergiften..."
74 Es war das einfachste wieder einmal Snape zu verdächtigen, doch es war auch das logischste. Eigentlich passte alles zusammen, doch Harry hatte trotzdem Zweifel an seiner Theorie. Allerdings fiel ihm auch niemand anderes ein, der einen Grund haben könnte, Siney zu vergiften. Wenn man überhaupt von einem Grund dafür sprechen konnte, denn diesen hätte Snape auch nicht gehabt. Zumindest keinen, der Harry bekannt war. Von Hermines Unschuld waren Harry und Ron, sowie alle anderen Gryffindors überzeugt. Sicher, Hermine und Siney waren nicht die besten Freundinnen, aber Hermine hätte Siney niemals etwas angetan. Schon gar nicht wegen ein paar in gewisser Weise doch harmlosen Streitereien. Doch in Hogwarts gab es leider nicht nur die Gryffindors, und so gab es doch eine ganze Menge von Schülern, die offenbar fest davon überzeugt waren, Hermine sei die Übeltäterin. In dieser Behauptung allen voran war natürlich Malfoy, der keine Gelegenheit ausließ, Hermine fertig zu machen. Seine schmierigen Slytherin Freunde taten es ihm natürlich gleich, und so konnte Hermine nicht mehr im Schloss umherlaufen, ohne von irgendjemandem dumm angemacht zu werden. Dies nahm sie mit der Zeit ganz schön mit und es kam nicht selten vor, dass sie weinend in den Mädchenschlafsaal verschwand. "So kann das doch nicht weitergehen!", sagte Harry eines Abends zu Ron. "Das stimmt. Aber was sollen wir machen?", fragte Ron. "Naja, beweisen, dass es Snape war...", sagte Harry unsicher. "Und wie willst du das anstellen?", erwiderte Ron mit einem Unterton als halte er Harry für verrückt. "Naja, da müssen wir uns eben etwas einfallen lassen.", sagte Harry nun etwas sicherer. "Siney könnte uns helfen. Hermine ist glaube ich nicht in der richtigen Verfassung dazu." "Siney liegt im Krankenflügel, schon vergessen?", sagte Ron. "Aber sie wird dort wohl nicht ewig bleiben, oder?", sagte Harry. "Ich glaube aber kaum, dass sie etwas dazu sagen darf. Vielleicht hat Snape sie ja sogar bedroht...", meinte Ron. "Das könnte sein. Wir müssen es trotzdem versuchen! Oder wie wäre es, wenn wir den Verdacht auf Malfoy lenken würden...", sagte Harry grinsend. "Das wäre noch besser!", sagte Ron.
Am nächsten Tag ging es Hermine schon wieder besser. Zum Glück war heute Samstag und sie hatten keine Schule, denn so mussten Harry, Ron und Hermine den Slytherins nicht zwangläufig über den Weg laufen. "Und, was haben wir heute vor?", fragte Hermine. "Naja, raus gehen können wir bei dem Regen wohl nicht.", sagte Ron und sah aus dem Fenster. Draußen prasste laut der Regen und meldete die kalte Jahreszeit an. "Ich glaube ich werde heute mal wieder Sirius schreiben. Es gibt eine ganze Menge zu erzählen.", sagte Harry. "Ja, mach das. Zeig uns den Brief aber nachher. Hermine und ich spielen eine Partie Zauberschach.", sagte Ron und Hermine nickte. "Bis gleich. Ich gehe in unseren Schlafsaal. Da ist es ruhiger.", sagte Harry und ging die Treppe hoch in den Jungenschlafsaal. Dort angekommen setzte er sich auf sein
75 Bett und holte eine Stück Pergament und eine Feder aus seiner Tasche. Gerade wollte er anfangen zu schreiben, da zwang ihn etwas dazu aus dem Fenster zu sehen. Harry wusste nicht genau, warum er das tat, doch er erhob sich und schritt langsam zum gegenüberliegendem Fenster herüber. Er sah hinaus, konnte jedoch aufgrund der Regenmassen nicht viel erkennen. Er starrte in die Ferne. Es hörte plötzlich auf zu regnen. Harry wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Er sah eine Wolke. Sie war fast schwarz, ein bisschen grünlich. Harry kam es so vor, als verformte sie sich vor seinen Augen. Es sah aus, als bekäme sie zwei Augen, einen schmalen Mund, aus dem eine... Schlange ragte! "Oh mein Gott!", schrie Harry. "Das dunkle Mal!" Er hörte Schritte. Jemand kam die Treppe hinauf. Es waren Ron und Hermine. "Harry, was ist los? Warum schreist du so?", fragte Hermine. Harry zeigte aus dem Fenster. "Das dunkle Mal. Da draußen ist es. Ich habs gesehen!", sagte er. Ron und Hermine gingen ängstlich hinüber zum Fenster. "Da ist nichts.", sagte Hermine. "Doch! Die Wolke!", sagte Harry. "Komisch... Es ist keine Wolke am Himmel... Dabei hat es gerade so geregnet...", sagte Ron. Harry ging selbst noch mal herüber zum Fenster und sah hinaus. Ron hatte Recht. Es war ein strahlend blauer Himmel. Keine Wolke war zu sehen. "Verdammt, da war das dunkle Mal! Glaubt mir doch!", sagte Harry. "Warum solltest du lügen?", sagte Hermine. "Aber vielleicht hast du dir das ja nur eingebildet." Harry starrte immer noch aus dem Fenster. Ja, vielleicht hatte er sich das nur eingebildet. Schließlich war es nur eine Wolke. Und warum sollte ausgerechnet das dunkle Mal auftauchen? "Ja, vermutlich hast du recht...", sagte Harry. "Wie weit bist du mit deinem Brief?", fraget Hermine. "Ich habe noch gar nicht angefangen.", sagte Harry. "Na gut, dann schreib mal schön. Wir sehen uns gleich!", sagte Ron und er verließ mit Hermine den Schlafsaal. Doch Harrys Gedanken waren in diesem Moment weder bei Sirius, noch bei dem Brief. Er dachte über das nach, was er gerade gesehen hatte. Kann es wirklich nur eine Einbildung gewesen sein? Warum ist er aufgestanden und zum Fenster gegangen? Warum hat es plötzlich aufgehört zu regnen? Harry beschloss all diese Fragen Sirius in seinem Brief zu stellen und fing nun endlich an zu schreiben. Er erzählte Sirius von Siney und Snapes Angriff auf sie. Von Siney Vergiftung und seinem Verdacht auf Snape. Außerdem erzählte Harry Sirius von dem dunklen Mal, das Harry vorhin gesehen hatte, was ihm sehr seltsam vorkam, denn offenbar hatte er es sich doch nur eingebildet. Nach ungefähr einer halben Stunde hielt Harry den fertigen Brief in der Hand und las ihn sich noch einmal durch. Er nahm den Brief und ging wieder hinunter in den Gemeinschaftsraum, wo Ron und Hermine in einer Partie Zauberschach vertieft waren. "Und, bist du fertig geworden?", fragte Hermine. "Ja. Kommt ihr mit in die Eulerei?", sagte Harry. "Ja klar. Lässt du uns den Brief vorher noch kurz lesen?", fragte Ron. "Sicher.", sagte Harry und gab Ron den Brief in die Hand. Er las ihn gemeinsam mit
76 Hermine durch und zeigte mit dem Daumen nach oben. Harry faltete den Brief wieder ein und machte sich zusammen mit Ron und Hermine auf den weg in die Eulerei, damit Hedwig den Brief zu Sirius bringen konnte. In der Eulerei angekommen, trafen sie auch schon auf Hedwig. Sie saß auf einer Stange neben einer süßen Eulendame. Harry zwinkerte Hedwig zu und ging zu ihr. "Jetzt kannst du deiner Freundin mal zeigen, was für eine tolle Posteule du bist...", flüsterte Harry Hedwig zu und band ihr den Brief ans Bein. "Bringst du den bitte zu Sirius?" Hedwig schu-huhte leise und spannte ihre Flügel auf. Von Harry Arm aus machte sie sich zum Flug bereit und flog aus dem Fenster der Eulerei nach draußen. "Brave Eule!", rief Harry ihr noch nach. "Hoffentlich schreibt Sirius schnell zurück.", sagte Hermine. "Ich bin mal gespannt, was er zu der ganzen Sache sagt." Nachdem Hedwig nicht mehr am Himmel zu sehen war, machten sich Harry, Ron und Hermine wieder auf den Weg in den Gemeinschaftsraum.
Nach einem insgesamt eher unspektakulärem Nachmittag kam am Abend jemand in den Gemeinschaftsraum, über dessen Erscheinen Harry sich sehr freute. Es war Siney, die offenbar endlich aus dem Krankenflügel entlassen wurde. "Hallo Leute!", rief sie gut gelaunt und setzte sich zu Harry, Ron und Hermine. "Geht es dir wieder gut?", fragte Harry. "Alles wieder in Ordnung. Zumindest bis zum nächsten Attentat auf mich.", sagte Siney und lachte. Zögernd begannen auch Harry, Ron und Hermine zu lachen. Harry, Ron und Siney unterhielten sich noch eine ganze Weile, bis Hermine die drei unterbrach: "Wir müssen langsam runter zum Abendessen.", erinnerte Hermine die anderen. "Ja, lass uns gehen!", sagte Siney. "Ich habe heute noch gar nichts gegessen." Und so machten sich Harry, Ron, Hermine und Siney zusammen auf den Weg in die Große Halle, wo das leckere Abendessen bereits auf sie wartete. Alle vier langten sie ordentlich zu und es schmeckte auch mal wieder absolut göttlich, fanden sie. Nach dem Abendessen setzten sich die vier in den Gemeinschaftsraum und unterhielten sich noch bis spät in den Abend hinein. Selbst Hermine und Siney sprachen ganz normal miteinander, worüber sich Harry und Ron sehr freuten. Es war ein schöner Abend, das fand sogar Hermine, doch irgendwann wurden auch sie alle müde und sie gingen zu Bett.
Die nächsten Wochen liefen relativ ereignislos ab. Hermine hatte nun keiner mehr als versuchte Mörderin auf dem Kieker, da sie sich mit Siney immer besser verstand und es Harry sogar so vorkam, dass nicht mehr viel fehlte, bis die beiden sich Freunde nennen konnten. Eines Nachmittags hatten die Gryffindor Schüler einen wahren Berg von Hausaufgaben aufgehalst bekommen. Besonders Snape ließ es sich nicht nehmen, ihnen einen schwierigen Aufsatz schreiben zu lassen, der rein gar nichts mit seinem jetzigen Thema zu tun hatte. "Der will uns doch nur ärgern!", meinte Ron, während er mit Hermine, Harry und Siney in der Bibliothek saß um die Hausaufgaben zu bearbeiten. Auch in Zauberkunst bekamen sie nun jedes Mal mehr auf. Manchmal waren es praktische Übungen, wie
77 etwas verschwinden und wieder auftauchen lassen, manchmal allerdings waren es auch hier wahnsinnig lange Aufsätze über die Gefahren, die Gesetze, die Wirkungen oder den historischen Hintergrund des Apparierens. Auch heute blieben die Schüler nicht verschont zusätzlich zu Snapes Aufsatz noch einen weiteren über die wichtigsten Regeln des Apparierens in ein anderes Klima zu schreiben. "Mein Gott, dass es nun so viel zum Thema apparieren zu lernen gibt, hätte ich ja nie gedacht! Ich wette, Fred und George haben sich irgendwie durch die Prüfung gemogelt. Mann, das muss ja der wahre Horror sein!", sagte Ron und die anderen nickten ihm zu. Während alle für sich selbst beschäftigt waren, stand Siney wie so oft auch um sich ein neues Buch zu besorgen. Und auch Hermine hatte offenbar noch nicht genug Informationen zusammen, denn auch sie erhob sich und schlenderte die Bücherregale entlang. Harry sah zu Ron, der ihm gegenübersaß, hinüber und bedeutete ihm mit Zeichen, dass Siney und Hermine allein waren. Er hatte kein gutes Gefühl... Obwohl sie sich inzwischen gut verstanden, war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, dass die beiden hinter den Regalen verschwunden waren. Aber Harry hörte nur das Rascheln alter Buchseiten und das Stöhnen, wenn Hermine oder Siney einen neuen, schweren Wälzer aus dem Regal hob. Doch dann plötzlich hörte Harry einen entsetzten Aufschrei! Oh nein, es ist wieder etwas zwischen den beiden passiert, dachte er und lief zu Siney und Hermine. Doch als er auf ihrer Seite des Bücherregals angekommen war, atmete er erleichtert auf. Offenbar hatte sie Siney nur irgendwie verheddert. Harry machte sich schnell wieder aus dem Staub, damit er nicht in eine peinliche Situation geriet, wenn er von Hermine oder Siney entdeckt würde. "Verdammt!", hörte er Siney fluchen. "Was ist denn los?", fragte Hermine. "Ach... nichts!", sagte Siney nur, doch Harry hörte bereits Hermines Schritte auf Siney zukommen. Er und Ron konnten nicht sehen, was die beiden da machten, doch sie hörten angestrengt zu. "Was für eine schöne Kette!", sagte Hermine. "Soll ich dir mal kurz damit helfen?" "Nein, ich schaffe das schon. Such du nur dein Buch.", sagte Siney. "Komm schon, wenn du es alleine machst geht sie vielleicht noch kaputt.", sagte Hermine. "Nein!", schrie Siney auf einmal und riss sich aus ihrer Situation, worauf die Kette, mit der sie sich verhakt hatte auf den Boden fiel. Harry sah Hermine unter dem Regal hindurch, wie sie sich bückte und die Kette aufhob. "Ist ja schon gut. Du brauchst dich nicht gleich so aufzuregen, okay?", sagte Hermine und gab Siney wahrscheinlich die Kette zurück. "Entschuldigung! Aber wenn es um die Kette geht, bin ich... nun ja... eben etwas empfindlich. Ich habe sie von meiner Mutter bekommen, weißt du? Es ist das einzige was ich noch von ihr habe.", sagte Siney. "Achso. Na dann tut es mir leid, dass ich dich so bedrängt habe. Aber sie ist gerissen, nicht wahr?", sagte Hermine. "Ja, aber mit dem passendem Spruch krieg ich sie schon wieder ganz.", sagte Siney und damit war das Gespräch beendet. Harry konnte sich gut vorstellen, welche Bedeutung die Kette für Siney haben musste, denn auch er hatte nicht viel von seinen Eltern, und das was er hatte, wie zum Beispiel den Tarnumhang, war von
78 unschätzbarer Bedeutung für Harry.
Die nächsten Tage strichen wieder schnell ins Land. Die Luft war erfüllt von Vorfreude der Schüler, einerseits, weil bald Halloween war, andererseits, weil an diesem Tag ein weiteres Großereignis stattfand: Die Eröffnung des Thaddäus' Fun Paradise und dem damit verbundenem Hogsmeade Besuch. Die Schüler zählten förmlich die Tage bis zum einunddreißigsten Oktober und konnten es kaum mehr erwarten. Auch Harry, Ron, Hermine und Siney waren mehr als nur aufgeregt, denn von dem was sie gehört hatten, sollte das Thaddäus' Fun Paradise das alte Hogsmeade um einiges übertreffen, und selbst das war immer wieder einen Besuch wert. Harry, Ron und Hermine hatten sich darauf geeinigt, als Dreiergruppe das Fun Paradise zu erkunden, da Siney bereits vor einiger Zeit von Parvati Patil und ihren Freundinnen eingeladen wurde sie zu begleiten und sie ihnen nicht absagen wollte, weil sie lieber mit Harry, Ron und Hermine gehen würde. Doch auch in dieser Zeit der Vorfreude, auch von Seiten der Lehrer aus, ging der Unterricht seinen fast gewöhnlich Gang und Harry hatte das Gefühl, der Schulstress der letzten Zeit zernage ihn langsam. Auch die anderen erschienen immer lustloser zum Unterricht. Es war wirklich Zeit für ein wenige Entspannung, dachte Harry und so dachte er fast ununterbrochen an das Thaddäus' Fun Paradise und dass dieser Tag wunderschön werden würde.
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Siney war wieder den gesamten Schulvormittag nicht anzutreffen. Harry saß stumm auf seinem Platz und lauschte gelangweilt einem Vortrag von Professor Flitwick, der wie so oft auf die Gefahren des Apparierens hinwies. Harrys Gedanken jedoch waren ganz woanders, bei Siney nämlich, um die er sich Sorgen machte. Wer weiß, ob sie wieder auf den Beinen war. Sie lag vermutlich immer noch regungslos im Krankenflügel und keiner war jetzt für sie da. Der gestrige Abend wollte einfach nicht auf Harrys Kopf verschwinden. Zu viele Gedanken musste er sich darüber machen. Jemand hatte Siney vergiftet, das stand fest. Doch wer? Und vor allem, warum? Snape zu beschuldigen kam Harry als erstes in den Sinn und diesen Gedanken konnte er auch nicht so schnell verwerfen, doch umso länger er darüber grübelte, umso alberner kam ihm das vor. Snape hasste zwar Siney, doch immerhin hatte er gestern Abend geholfen... Andererseits, warum schlich Snape sich zu genau der Zeit in genau dem dunklen Korridor herum? Irgendetwas stimmte an der ganzen Sache vorne und hinten nicht... Plötzlich wurde Harry jäh aus seinen Gedanken gerissen. Ron gab ihm einen heftigen Knuff in die Seite. "Hey, Harry!", rief er. "Was denn?", rief Harry unfreundlich zurück. "Wir sollen uns zu zweit zusammen tun! Vielleicht sollte ich es mir noch mal überlegen, mit dir zusammenzumachen, bei deiner Laune!", sagte Ron. "Sorry!", erwiderte Harry nur. "Habt ihr alle einen Partner?", quiekte Professor Flitwick von seinem Bücherstapel aus, auf dem er stehen musste. Die Schüler nickten. "Sehr schön! Wir kommen gut voran, ich muss euch loben! Ihr lernt wirklich schnell. Aber nun, da wir mit Gegenständen und Käfern gezaubert haben, ist es langsam an der Zeit, dem eigentlichen Apparieren einen Schritt näher zu kommen. Dazu stellt euch bitte eurem Partner gegenüber auf!" Die Schüler taten dies und bildeten zwei reihen, je zwei Schüler standen sich gegenüber. "Ihr werdet euch stark konzentrieren müssen. Beide Partner! Seht nun zu eurem Gegenüber herüber und konzentriert euch auf den Platz, wo er steht. Wenn alles gut geht, werdet ihr mit eurem Partner Plätze tauschen können. Aber noch mal: Dazu ist es wichtig, dass beide Partner sich konzentrieren. Oder wollt ihr auf dem Kopf eures Partners landen? Wenn beide soweit sind, sagt gleichzeitig: Apparo und euren Namen! Also, Miss Brown müsste zum Beispiel sagen Apparo Lavender und sich genau auf den Punkt konzentrieren, wo Miss Patil steht. Diese sagt Apparo Parvati und konzentriert sich wiederum auf den Platz, wo Miss Brown steht. Verstanden? Nun, dann los!", rief Professor Flitwick. In der Klasse war es mucksmäuschenstill. Keiner traute sich so recht, den Spruch zu sagen. "Los, so schwierig ist es doch nicht!", quiekte Professor Flitwick. Einige zählten bis drei, um dann den Spruch zu sagen, doch sie brachen dann abrupt ab, weil sie dachten,
68 ihr Gegenüber würde sich nicht trauen. Einige lachten über die unsicheren Gesichter einiger Schüler. "Also gut, ich sehe schon, so geht das nicht. Miss Brown, Miss Patil. Sie werden beginnen. Sind sie bereit? Auf drei! Ich zähle... eins... zwei... drei!", rief Professor Flitwick. "Apparo Lavender!" "Apparo Parvati!" Doch nichts geschah. Harry dachte Parvati und Lavender müssten das ganze noch einmal wiederholen, doch Professor Flitwick rief: "Hervorragend! Das hat ja sehr gut geklappt!" Und tatsächlich. Parvati und Lavender hatten ihre Plätze getauscht. Das war Harry gar nicht aufgefallen. Als er sich so umsah stellte er fest, dass auch die anderen sehr erstaunt aussahen. Parvati und Lavender selbst sahen sich ebenfalls verwirrt um. "So, nun habt ihr gesehen, wie man es richtig macht. Dean und Seamus...", forderte Professor Flitwick die beiden auf. Sie taten es Parvati und Lavender gleich und wechselten in einem Bruchteil einer Sekunde die Plätze.
Der reihe nach nahm Professor Flitwick nun auch die weiteren Pärchen dran und die meisten hatten sich wacker geschlagen. Als nächstes waren Hermine und Neville an der Reihe, wobei Neville leicht nervös aussah. Hermine jedoch zwinkerte ihm mutmachend zu und, zu Nevilles und Hermine großer Freude hatte es auch bei ihnen auf Anhieb geklappt. Das war zwar nicht so schwer, dachte Harry, doch Siney würde es schwer den Stoff nachzuholen. Sie hatte in der letzten Zeit schon so oft gefehlt. Wieder mit den Gedanken bei Siney nahm Harry sich vor in der Mittagspause mit Ron und Hermine (vor allem mit ihr) darüber zu sprechen. Vielleicht könnten sie Siney ja gemeinsam besuchen gehen... "AAAAAUUUUUUU!", schrie Harry auf einmal und war auf den harten Boden gefallen. Zu seiner Überraschung lag Ron über ihm. "Sag mal spinnst du? Was sollte das denn jetzt?", schrie Harry. "Aber wir waren doch dran! Wenn du nicht bei der Sache bist...", sagte Ron. Im nächsten Moment kam Professor Flitwick schon zu Harry und Ron herübergeeilt. "Mr Potter, ist alles in Ordnung mit ihnen?", rief Flitwick. "Ja, schon gut!", erwiderte Harry. "Entschuldigen sie, ich..." "Das kann doch passieren. Wollen wir es noch mal versuchen?", fragte Professor Flitwick. Ron zögerte, doch schließlich nickten er und Harry. Sie mussten beinahe Lachen. Auch die Umstehenden konnten sich das lachen offenbar nur schwer verkneifen, denn es muss wohl ziemlich komisch ausgesehen haben, wie Ron auf Harry gelegen hatte. Harry und Ron stellten sich wieder gegenüber voneinander auf, sprachen ihre Zauberformel, und wechselten wie von ihnen verlangt blitzartig die Plätze. Es war ein seltsames Gefühl dachte Harry. Auch Ron verzog leicht das Gesicht. "So, ich denke bis auf diesen kleinen Zwischenfall", Professor Flitwick selbst musste schmunzeln, "hat das doch ganz gut geklappt. Wir werden uns ab jetzt mit jeder Stunde in der Entfernung ein wenig steigern. Ach, und wenn jemand so freundlich wäre, mir Miss Eldird vorbei zu schicken, wenn sie wieder auf den Beinen ist. Ich sollte sie doch noch mal persönlich mit dem Zauber der heutigen Stunde vertraut machen. Ihr könnt jetzt gehen!", rief Professor Flitwick und die Schüler verließen seinen Klassenraum und machten sich auf den Weg in die große Halle, wo das
69 Mittagessen auf sie wartete. "Weiß einer von euch, was mit Siney wieder los ist?", fragte Ron, als sie am Tisch platzgenommen hatten. "Nö, ist mir auch ehrlich gesagt egal!", meinte Hermine. "Aber ich weiß es...", murmelte Harry leise. "Ehrlich? Was denn? Woher weißt du das?", fragte Ron neugierig. Harry erzählte Ron und Hermine (wobei Hermine nicht sonderlich interessiert schien), was er gestern Abend erlebt hatte. Er erzählte von Siney, wie sie regungslos auf der Erde lag, von Snape, den er zufällig angetroffen hat, von seinem Tarnumhang, den Snape in die Finger bekommen hatte und natürlich von der- "Vergiftung?", schrie Ron fassungslos. Aller Köpfe wandten sich zu Harry, Ron und Hermine um. "Ähm... Ehrlich... Die Muggel vergiften die Tiere die sich über ihre Pflanzen hermachen?", fragte Ron laut. "Jaah... Ähm... Das tun sie...", sagte Harry und das Interesse der anderen Schüler verschwand wieder. "Spinnst du denn?", flüsterte Harry. "Das braucht nich jeder zu erfahren, verstanden?" "Ist ja schon gut. Aber ist das denn sicher, dass... nun ja... Siney vergiftet wurde? Und ist sie...", begann Ron, doch Harry schüttelte heftig den Kopf. "Nein, sie ist noch mal davongekommen. Dank Snape und Lupin...", sagte Harry. Hermine hatte sich immer noch nicht in das Gespräch von Ron und Harry eingemischt. Sie stocherte nervös in ihren Kartoffeln herum. "W-wie... wurde Siney denn vergiftet?", fragte Ron. "Ich weiß es nicht genau... Aber Lupin und Snape haben einen angebissenen Schokofrosch neben Siney gefunden." Hermine ließ ihre Gabel fallen. "Einen Schokofrosch?", wiederholte Ron. "Aber Harry... wenn das... dein Schokofrosch war!" "Mein Schokofrosch?" "Weißt du nicht mehr? Wir haben gestern Nachmittag Schokofrösche gegessen und Siney hat sich welche mitgenommen! Oh Mann, Harry!", sagte Ron. "Du hast recht! Ron, du hast Recht! Oh nein... Hermine, sag doch auch mal was!", sagte Harry, doch Hermine starrte nur geistesabwesend auf ihren Teller. Plötzlich spürte Harry einen Schlag auf dem Rücken. Er drehte sich um und vor ihm stand: "Malfoy mal wieder!", sagte Ron. "Ich wollte eure kleine Unterhaltung nicht stören!", sagte Malfoy nur, grinste bösartig und marschierte davon. "Was war das denn jetzt?", fragte Harry. Ron zuckte mit den Schultern. "Sag mal, wollen wir gleich mal Siney im Krankenflügel besuchen?", schlug Ron vor. "Ja, das hatte ich sowieso vor. Hermine, kommst du auch mit?", fragte Harry, doch diese lachte nur einmal kurz auf und zeigte Harry einen Vogel. "Dann eben nicht!", sagte Harry. "Aber erst mal müssen wir ne Doppelstunde Snape hinter uns bringen..." "Oh, das wird schwer! Das halte ich heute ehrlich nicht aus!", sagte Ron. "Naja, wenigstens kann er nicht wieder Versuche mit Siney durchführen!", sagte Harry. "Das hat er anscheinend gestern schon...", sagte Ron unsicher.
70 Nach dem Mittagessen begab sich die gesamte Schülerschaft wieder auf Wanderung durch Hogwarts zu ihrem nächsten Unterricht. Die Gryffindors hatten das Glück zwei Stunden in Snapes dunklem Kerker verbringen zu dürfen, worüber sich wie immer ausnahmslos jeder beschwerte. Im Kellergewölbe angetroffen, trafen sie auf die Slytherins, was den Unterricht mal für mal noch viel schlimmer machte. Die Stimmung war schlecht und die Gryffindors warteten nur darauf, dass Snape sie endlich in sein Klassenzimmer bat, damit se nicht dem Getuschel und den widerlichen Blicken der Slytherins ausgesetzt waren. "Guten Morgen!", sagte Snape, als er schwungvoll die Tür geöffnet hatte. Er grinste. "Nun kommt schon rein!", sagte er und zeigte in das Innere des Klassenzimmers. Die Schüler gingen schweren Herzens hinein und setzten sich auf ihre Plätze. Harry war gespannt wie Snape auf das Fehlen Sineys reagieren würde. Doch zu seiner Überraschung machte er keinerlei abfällige Bemerkung deswegen. "Wir wollen die heutige Stunde nutzen um uns mal wieder ein wenig mit Zaubertränken zu beschäftigen. In letzter Zeit nahm der Verteidigung gegen die dunklen Künste Unterricht wirklich langsam Überhand!", sagte Snape und tat so, als würde ihm das gar nicht gefallen. "Dann will ich euch doch mal testen. Mal sehen, ob ihr mit Zaubertränken noch was anfangen könnt. Kann mir zum Beispiel jemand sagen, wie man den Trank der lebenden Toten braut?", fragte er. Hermine hob natürlich blitzartig die Hand, obwohl sie selten von Snape drangenommen wurde, wenn er sie überhaupt beachtete. Doch diesmal schien Snape sehr erfreut über die Meldung Hermines. Er sah sie durchdringend an. Harry hatte eine schlimmes Gefühl und auch Hermine schien nun bemerkt zu haben, dass Snape etwas vorhatte und sie ließ langsam und unsicher die Hand sinken. "Miss Granger, natürlich! Wer denn sonst!" Snape schien sich darüber sehr zu freuen. Seine Lippen kräuselten sich zu einem bösen Lächeln. "Na los! Ich höre.", forderte er sie unnatürlich freundlich auf. Hermine zögerte. Sie spielte nervös mit ihrem Armband herum. "M-man bringt... Affodil und Wermut zum kochen und...", begann Hermine zu sprechen doch weiter kam sie nicht. Sie sah aus als würde sie am liebsten wegrennen wollen. Harry konnte sich schon denken, was jetzt in Snape vorging. Alle anderen starrten Hermine interessiert an, vor allem Malfoy konnte ein mieses Grinsen nicht unterdrücken. "Das ist ja sehr Interessant...", sagte Snape. "Können sie mir vielleicht auch noch sagen, woher sie das wissen?" "Ich... ich..." "Sie... sie... Woher denn nun?" "Sie haben das mal erwähnt... In unserer ersten Stunde bei ihnen..." "So, habe ich das? Dann musst du aber ein ziemlich gutes Gedächtnis haben, nicht wahr?", zischte Snape. "Worauf wollen sie eigentlich hinaus?", fragte Harry auf einmal verärgert. "Das lassen sie mal lieber meine Sorge sein, Mr. Potter!", fauchte Snape. Harry sah ihn nur hasserfüllt an und Hermine stand den Tränen nahe. Den Rest der Stunde verbrachten sie damit, getrocknete Chamäleonkrallen zu zerstampfen und einen Färbungstrank herzustellen. Snape benahm sich auch wieder
71 wie immer, indem er die meisten Schüler wegen ihres fehlerhaften Trankes fertig machte. Nach der Stunde standen die meisten Slytherins zusammen und tuschelten was das Zeug hielt. Harry, Ron und Hermine konnten sich schon fast denken warum. Doch sie hatten keine Lust sich jetzt noch weiter damit zu befassen, also machten sie sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors um endlich ein wenig ausspannen zu können. Doch dieses Vorhaben wurde ihnen von jemandem vereitelt. Malfoy! "Hey, Schlammblut!", rief er Hermine hinterher, die zusammen mit Harry und Ron schon fast nicht mehr zu sehen war. "Kaum kommt so eine daher, die sogar noch schlauer ist als du, schon murkst du sie ab. Das ist aber nicht sehr nett..." Die Slytherins brachen in johlendes Gelächter aus. "Hör einfach nicht hin, Hermine!", sagte Harry. "Die arme Siney. Wird aus ihrer Familie gerissen, muss ihre Freunde verlassen, und kaum ist sie hier, willst du sie auch noch töten...", rief Malfoy. "Aber natürlich, du willst keine andere Streberin neben dir haben, was? Das kann ich natürlich verstehen!" Hermine liefen stumme Tränen über ihr Gesicht. Harry versuchte sie zu trösten. "Hör doch einfach nicht hin!", sagte er noch einmal. "Die sind es nicht wert!" "Du hast leicht reden!", schluchzte Hermine kaum hörbar. "Schließlich war es nicht einmal mein Schokofrosch!", sagte sie und lief die Stufen hoch. Ron und Harry ließ sie zurück. "Haben wir sie jetzt zum heulen gebracht?", rief Malfoy. "Aach, halt doch einfach einmal dein dreckiges Maul!", riefen Harry und Ron gleichzeitig und sie gingen hoch in ihren Gemeinschaftsraum. Hermine war ebenfalls dort. Sie saß auf einem Sessel und las ein Buch. Sie weinte immer noch. "Hermine, bitte...", begann Harry. "Es tut mir leid!", sagte Hermine. "Das eben habe ich nicht so gemeint!" "Ist schon in Ordnung.", sagte Harry. "Lass die anderen doch reden! Wir wissen, dass du nichts verbrochen hast, und ich bin mir sicher, die Lehrer sind auch nicht so bescheuert dich zu beschuldigen. Nicht einmal Snape!" "Schließlich hat er es selbst getan!", meinte Ron. "Ich weiß nicht so recht...", sagte Hermine. "Na, wer denn wohl sonst?", fragte Ron und bewirkte damit genau das, was er wollte. Weder Harry noch Hermine fiel noch jemandes anderes ein... "Warten wir erst mal ab. Wir sollten Siney später besuchen gehen. Vielleicht sagt sie uns etwas.", meinte Harry. "Aber nur, wenn du mitkommst, Hermine!" "Na gut. Das kann mir ja nicht schaden. Aber wenn sie wieder anfängt, dann..." "Das wird sie schon nicht. Sie möchte sich sicher auch mit dir vertragen.", sagte Ron. "Hoffentlich.", meinte Hermine nur. "Wir gehen nach dem Abendessen hin, okay?", sagte Harry. "Jetzt muss ich mich erst mal ein bisschen entspannen. Das war ein Tag!", und er ließ sich in einen leeren Sessel fallen. Ron tat es ihm gleich und setzte sich neben Harry und Hermine. Sie spielten Zauberschach, Snape explodiert und unterhielten sich - Eine Situation wie schon sehr lange nicht mehr.
72 Hermine hatte ihre Meinung bis zum Abend hin nicht geändert, worüber Harry sich sehr freute. Immer noch war sie damit einverstanden mit zu Siney in den Krankenflügel zu kommen. Und so machten sich Harry, Ron und Hermine auch sofort nach dem Abendessen auf den Weg. Sie nahmen etwas von dem Kuchen, den sie zum Nachtisch bekommen hatten mit um ihn Siney zu geben. Vor der Tür zum Krankenflügel angekommen, sah Harry Hermine an. Sie nickte. Harry öffnete langsam die Tür und schritt herein. Ron folgte ihm. Hermine zögerte, doch dann trat auch sie ein. Siney lag in einem Bett nahe dem Fenster. Sie lächelte als sie Harry und Ron sah. Beim Anblick Hermines allerdings warf sie Harry einen fragenden Blick zu. "Hallo!", sagte Siney fröhlich. Sie lächelte nun nur noch kaum merklich. "Was treibt euch denn zu mir?" "Wir wollten dich besuchen kommen, was sonst?", sagte Harry. "Wie geht es dir?" "Ganz gut soweit. Naja, den Umständen entsprechend eben, wenn man vergiftet wurde. Fühlt sich nicht schön an...", sagte Siney. Harry wusste nicht, ob er lächeln sollte. "Und was will die hier?", fragte Siney und deutete mit dem Zeigefinger auf Hermine, die nun ganz blass geworden war. "Ich... ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich habe mich dir gegenüber wirklich nicht korrekt verhalten...", flüsterte Hermine beinahe nur. "Das kann man wohl sagen!", sagte Siney. "Aber na gut. Jeder verdient eine zweite Chance..." "Ihr braucht ja nicht gleich die besten Freundinnen zu werden.", sagte Ron. "Hauptsache ihr geht nicht mehr bei jeder Gelegenheit aufeinander los!" Doch Harry hatte nicht den Eindruck, als würde dieser vorläufige Waffenstillstand lange anhalten, denn sowohl Siney, als auch Hermine warfen sich ständig misstrauische Blicke zu. "Und wann darfst du hier wieder raus?", fragte Harry. "Madam Pomfrey sagte, dass ich spätestens nächste Woche wieder am Unterricht teilnehmen kann.", sagte sie. "Du Glückliche. So lange keine Schule. Nur gemütlich hier rumliegen würde ich jetzt auch gerne.", sagte Ron. "So gemütlich ist das gar nicht. Ich habe immer noch teilweise ganz schöne Schmerzen!", sagte Siney. "Da würde ich sogar lieber bei Snape im Unterricht sitzen, glaube ich..." "Apropos Snape... Glaubst du, dass..." "dass Snape mich vergiftet hat?", beendete Siney den Satz. "Ich habe keine Ahnung! Ganz ehrlich!" "Ich an deiner Stelle hätte ganz schöne Angst...", meinte Ron. "So schnell kriege ich keine Angst. Nicht vor solchen Kleinigkeiten.", sagte Siney und erntete so die fragenden Blicke von Harry, Ron und Hermine. "Hey, ihr habt ja Kuchen für mich!", rief Siney plötzlich und schaute auf den Teller, den Ron in der Hand hielt. "Ja, den gab es heute zum Nachtisch. Ist echt lecker!", sagte Ron und reichte Siney den Teller. Diese nahm den Teller entgegen und holte ihren Zauberstab hervor. Harry, Ron und Hermine wussten nicht so recht, was Siney damit vorhatte.
73 Sie richtete die Spitze auf das Stück Kuchen und murmelte etwas, was Harry nicht verstehen konnte. Als sie fertig war, stieg plötzlich eine kleine, grüne Rauchwolke auf. "Was war das?", fragte Harry. "Professor Dumbledore meint ich soll alles was ich esse vorher auf Gefahr prüfen. Und wenn die Wolke die aufsteigt sich grün färbt, ist alles in Ordnung.", erklärte Siney. "Und warum prüfst du auch das, was wir dir geben? Wir wollen dich doch nicht vergiften!", sagte Harry leicht empört. "Professor Dumbledore hat mich ausdrücklich darauf hingewiesen, alles zu prüfen. Und der Schokofrosch war doch auch von dir Harry, oder?" Harry stockte der Atem. Verdächtigte Siney etwa ihn? "Du glaubst doch nicht, dass..." "Nein, natürlich nicht!", sagte Siney schnell. "Ich habe mit Dumbledore darüber gesprochen. Er hat schon einen Verdacht, was das ganze zu bedeuten haben könnte, aber er wollte nichts sagen..." "Er erzählt doch hoffentlich nicht weiter, dass der Schokofrosch von mir kam... Sonst bin ich nämlich total unten durch...", sagte Harry. "Nein, darum habe ich ihn extra gebeten. Er behält es für sich.", sagte Siney. "Danke.", sagte Harry. Plötzlich viel sein Blick wieder auf Hermine, die während der ganzen Unterhaltung noch nichts gesagt hatte. Sie spielte nervös mit ihren Haaren herum. Harry fiel ein, dass sie ebenfalls verdächtigt wurde Siney vergiftet zu haben. Zumindest von einigen dummen Schülern und Snape... Einen Moment fragte er sich, ob er dieses Thema erwähnen sollte, doch er hielt es schließlich für das beste, nichts zu sagen. Als Harry aus dem Fenster sah, bemerkte er, dass es schon fast dunkel war und sie sich langsam auf den Weg zurück in den Gemeinschaftsraum machen sollten. Im nächsten Moment kam auch schon Madam Pomfrey in den Raum gewuselt. "So, die Patientin muss jetzt schlafen!", sagte sie. "Ihr könnt sie morgen wieder besuchen." "Danke für den Kuchen!", sagte Siney und gab Harry den leeren Teller zurück. "Gute Besserung!", sagte Harry. "Tschau!", sagte Ron. "Bis dann.", sagte Hermine leise. "Danke, dass ihr gekommen seid.", sagte Siney, doch im nächsten Moment schlug Madam Pomfrey Harry, Ron und Hermine die Tür vor der Nase zu. "Na, das war doch ein ganz netter Besuch, oder?", sagte Ron. "Jaah...", meinte Harry geistesabwesend. "Was ist los, Harry?", fragte Hermine. "Wir müssen rauskriegen, ob Snape Siney vergiftet hat!", sagte Harry. "Meinst du wirklich, dass es Snape war?", fragte Hermine. "Wer denn sonst? Snape hat schon mal versucht Siney anzugreifen, nur leider ging das nach hinten los. Er läuft zu genau der zeit, als ich Siney gefunden habe in dem dunklen Korridor herum. Er versucht jetzt verzweifelt den Verdacht auf dich zu lenken Hermine. Und dann sagt Dumbledore auch noch Siney soll alles kontrollieren, als ob der, der sie vergiften will hier im Schloss ist und jederzeit die Möglichkeit hätte sie zu vergiften..."
74 Es war das einfachste wieder einmal Snape zu verdächtigen, doch es war auch das logischste. Eigentlich passte alles zusammen, doch Harry hatte trotzdem Zweifel an seiner Theorie. Allerdings fiel ihm auch niemand anderes ein, der einen Grund haben könnte, Siney zu vergiften. Wenn man überhaupt von einem Grund dafür sprechen konnte, denn diesen hätte Snape auch nicht gehabt. Zumindest keinen, der Harry bekannt war. Von Hermines Unschuld waren Harry und Ron, sowie alle anderen Gryffindors überzeugt. Sicher, Hermine und Siney waren nicht die besten Freundinnen, aber Hermine hätte Siney niemals etwas angetan. Schon gar nicht wegen ein paar in gewisser Weise doch harmlosen Streitereien. Doch in Hogwarts gab es leider nicht nur die Gryffindors, und so gab es doch eine ganze Menge von Schülern, die offenbar fest davon überzeugt waren, Hermine sei die Übeltäterin. In dieser Behauptung allen voran war natürlich Malfoy, der keine Gelegenheit ausließ, Hermine fertig zu machen. Seine schmierigen Slytherin Freunde taten es ihm natürlich gleich, und so konnte Hermine nicht mehr im Schloss umherlaufen, ohne von irgendjemandem dumm angemacht zu werden. Dies nahm sie mit der Zeit ganz schön mit und es kam nicht selten vor, dass sie weinend in den Mädchenschlafsaal verschwand. "So kann das doch nicht weitergehen!", sagte Harry eines Abends zu Ron. "Das stimmt. Aber was sollen wir machen?", fragte Ron. "Naja, beweisen, dass es Snape war...", sagte Harry unsicher. "Und wie willst du das anstellen?", erwiderte Ron mit einem Unterton als halte er Harry für verrückt. "Naja, da müssen wir uns eben etwas einfallen lassen.", sagte Harry nun etwas sicherer. "Siney könnte uns helfen. Hermine ist glaube ich nicht in der richtigen Verfassung dazu." "Siney liegt im Krankenflügel, schon vergessen?", sagte Ron. "Aber sie wird dort wohl nicht ewig bleiben, oder?", sagte Harry. "Ich glaube aber kaum, dass sie etwas dazu sagen darf. Vielleicht hat Snape sie ja sogar bedroht...", meinte Ron. "Das könnte sein. Wir müssen es trotzdem versuchen! Oder wie wäre es, wenn wir den Verdacht auf Malfoy lenken würden...", sagte Harry grinsend. "Das wäre noch besser!", sagte Ron.
Am nächsten Tag ging es Hermine schon wieder besser. Zum Glück war heute Samstag und sie hatten keine Schule, denn so mussten Harry, Ron und Hermine den Slytherins nicht zwangläufig über den Weg laufen. "Und, was haben wir heute vor?", fragte Hermine. "Naja, raus gehen können wir bei dem Regen wohl nicht.", sagte Ron und sah aus dem Fenster. Draußen prasste laut der Regen und meldete die kalte Jahreszeit an. "Ich glaube ich werde heute mal wieder Sirius schreiben. Es gibt eine ganze Menge zu erzählen.", sagte Harry. "Ja, mach das. Zeig uns den Brief aber nachher. Hermine und ich spielen eine Partie Zauberschach.", sagte Ron und Hermine nickte. "Bis gleich. Ich gehe in unseren Schlafsaal. Da ist es ruhiger.", sagte Harry und ging die Treppe hoch in den Jungenschlafsaal. Dort angekommen setzte er sich auf sein
75 Bett und holte eine Stück Pergament und eine Feder aus seiner Tasche. Gerade wollte er anfangen zu schreiben, da zwang ihn etwas dazu aus dem Fenster zu sehen. Harry wusste nicht genau, warum er das tat, doch er erhob sich und schritt langsam zum gegenüberliegendem Fenster herüber. Er sah hinaus, konnte jedoch aufgrund der Regenmassen nicht viel erkennen. Er starrte in die Ferne. Es hörte plötzlich auf zu regnen. Harry wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Er sah eine Wolke. Sie war fast schwarz, ein bisschen grünlich. Harry kam es so vor, als verformte sie sich vor seinen Augen. Es sah aus, als bekäme sie zwei Augen, einen schmalen Mund, aus dem eine... Schlange ragte! "Oh mein Gott!", schrie Harry. "Das dunkle Mal!" Er hörte Schritte. Jemand kam die Treppe hinauf. Es waren Ron und Hermine. "Harry, was ist los? Warum schreist du so?", fragte Hermine. Harry zeigte aus dem Fenster. "Das dunkle Mal. Da draußen ist es. Ich habs gesehen!", sagte er. Ron und Hermine gingen ängstlich hinüber zum Fenster. "Da ist nichts.", sagte Hermine. "Doch! Die Wolke!", sagte Harry. "Komisch... Es ist keine Wolke am Himmel... Dabei hat es gerade so geregnet...", sagte Ron. Harry ging selbst noch mal herüber zum Fenster und sah hinaus. Ron hatte Recht. Es war ein strahlend blauer Himmel. Keine Wolke war zu sehen. "Verdammt, da war das dunkle Mal! Glaubt mir doch!", sagte Harry. "Warum solltest du lügen?", sagte Hermine. "Aber vielleicht hast du dir das ja nur eingebildet." Harry starrte immer noch aus dem Fenster. Ja, vielleicht hatte er sich das nur eingebildet. Schließlich war es nur eine Wolke. Und warum sollte ausgerechnet das dunkle Mal auftauchen? "Ja, vermutlich hast du recht...", sagte Harry. "Wie weit bist du mit deinem Brief?", fraget Hermine. "Ich habe noch gar nicht angefangen.", sagte Harry. "Na gut, dann schreib mal schön. Wir sehen uns gleich!", sagte Ron und er verließ mit Hermine den Schlafsaal. Doch Harrys Gedanken waren in diesem Moment weder bei Sirius, noch bei dem Brief. Er dachte über das nach, was er gerade gesehen hatte. Kann es wirklich nur eine Einbildung gewesen sein? Warum ist er aufgestanden und zum Fenster gegangen? Warum hat es plötzlich aufgehört zu regnen? Harry beschloss all diese Fragen Sirius in seinem Brief zu stellen und fing nun endlich an zu schreiben. Er erzählte Sirius von Siney und Snapes Angriff auf sie. Von Siney Vergiftung und seinem Verdacht auf Snape. Außerdem erzählte Harry Sirius von dem dunklen Mal, das Harry vorhin gesehen hatte, was ihm sehr seltsam vorkam, denn offenbar hatte er es sich doch nur eingebildet. Nach ungefähr einer halben Stunde hielt Harry den fertigen Brief in der Hand und las ihn sich noch einmal durch. Er nahm den Brief und ging wieder hinunter in den Gemeinschaftsraum, wo Ron und Hermine in einer Partie Zauberschach vertieft waren. "Und, bist du fertig geworden?", fragte Hermine. "Ja. Kommt ihr mit in die Eulerei?", sagte Harry. "Ja klar. Lässt du uns den Brief vorher noch kurz lesen?", fragte Ron. "Sicher.", sagte Harry und gab Ron den Brief in die Hand. Er las ihn gemeinsam mit
76 Hermine durch und zeigte mit dem Daumen nach oben. Harry faltete den Brief wieder ein und machte sich zusammen mit Ron und Hermine auf den weg in die Eulerei, damit Hedwig den Brief zu Sirius bringen konnte. In der Eulerei angekommen, trafen sie auch schon auf Hedwig. Sie saß auf einer Stange neben einer süßen Eulendame. Harry zwinkerte Hedwig zu und ging zu ihr. "Jetzt kannst du deiner Freundin mal zeigen, was für eine tolle Posteule du bist...", flüsterte Harry Hedwig zu und band ihr den Brief ans Bein. "Bringst du den bitte zu Sirius?" Hedwig schu-huhte leise und spannte ihre Flügel auf. Von Harry Arm aus machte sie sich zum Flug bereit und flog aus dem Fenster der Eulerei nach draußen. "Brave Eule!", rief Harry ihr noch nach. "Hoffentlich schreibt Sirius schnell zurück.", sagte Hermine. "Ich bin mal gespannt, was er zu der ganzen Sache sagt." Nachdem Hedwig nicht mehr am Himmel zu sehen war, machten sich Harry, Ron und Hermine wieder auf den Weg in den Gemeinschaftsraum.
Nach einem insgesamt eher unspektakulärem Nachmittag kam am Abend jemand in den Gemeinschaftsraum, über dessen Erscheinen Harry sich sehr freute. Es war Siney, die offenbar endlich aus dem Krankenflügel entlassen wurde. "Hallo Leute!", rief sie gut gelaunt und setzte sich zu Harry, Ron und Hermine. "Geht es dir wieder gut?", fragte Harry. "Alles wieder in Ordnung. Zumindest bis zum nächsten Attentat auf mich.", sagte Siney und lachte. Zögernd begannen auch Harry, Ron und Hermine zu lachen. Harry, Ron und Siney unterhielten sich noch eine ganze Weile, bis Hermine die drei unterbrach: "Wir müssen langsam runter zum Abendessen.", erinnerte Hermine die anderen. "Ja, lass uns gehen!", sagte Siney. "Ich habe heute noch gar nichts gegessen." Und so machten sich Harry, Ron, Hermine und Siney zusammen auf den Weg in die Große Halle, wo das leckere Abendessen bereits auf sie wartete. Alle vier langten sie ordentlich zu und es schmeckte auch mal wieder absolut göttlich, fanden sie. Nach dem Abendessen setzten sich die vier in den Gemeinschaftsraum und unterhielten sich noch bis spät in den Abend hinein. Selbst Hermine und Siney sprachen ganz normal miteinander, worüber sich Harry und Ron sehr freuten. Es war ein schöner Abend, das fand sogar Hermine, doch irgendwann wurden auch sie alle müde und sie gingen zu Bett.
Die nächsten Wochen liefen relativ ereignislos ab. Hermine hatte nun keiner mehr als versuchte Mörderin auf dem Kieker, da sie sich mit Siney immer besser verstand und es Harry sogar so vorkam, dass nicht mehr viel fehlte, bis die beiden sich Freunde nennen konnten. Eines Nachmittags hatten die Gryffindor Schüler einen wahren Berg von Hausaufgaben aufgehalst bekommen. Besonders Snape ließ es sich nicht nehmen, ihnen einen schwierigen Aufsatz schreiben zu lassen, der rein gar nichts mit seinem jetzigen Thema zu tun hatte. "Der will uns doch nur ärgern!", meinte Ron, während er mit Hermine, Harry und Siney in der Bibliothek saß um die Hausaufgaben zu bearbeiten. Auch in Zauberkunst bekamen sie nun jedes Mal mehr auf. Manchmal waren es praktische Übungen, wie
77 etwas verschwinden und wieder auftauchen lassen, manchmal allerdings waren es auch hier wahnsinnig lange Aufsätze über die Gefahren, die Gesetze, die Wirkungen oder den historischen Hintergrund des Apparierens. Auch heute blieben die Schüler nicht verschont zusätzlich zu Snapes Aufsatz noch einen weiteren über die wichtigsten Regeln des Apparierens in ein anderes Klima zu schreiben. "Mein Gott, dass es nun so viel zum Thema apparieren zu lernen gibt, hätte ich ja nie gedacht! Ich wette, Fred und George haben sich irgendwie durch die Prüfung gemogelt. Mann, das muss ja der wahre Horror sein!", sagte Ron und die anderen nickten ihm zu. Während alle für sich selbst beschäftigt waren, stand Siney wie so oft auch um sich ein neues Buch zu besorgen. Und auch Hermine hatte offenbar noch nicht genug Informationen zusammen, denn auch sie erhob sich und schlenderte die Bücherregale entlang. Harry sah zu Ron, der ihm gegenübersaß, hinüber und bedeutete ihm mit Zeichen, dass Siney und Hermine allein waren. Er hatte kein gutes Gefühl... Obwohl sie sich inzwischen gut verstanden, war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, dass die beiden hinter den Regalen verschwunden waren. Aber Harry hörte nur das Rascheln alter Buchseiten und das Stöhnen, wenn Hermine oder Siney einen neuen, schweren Wälzer aus dem Regal hob. Doch dann plötzlich hörte Harry einen entsetzten Aufschrei! Oh nein, es ist wieder etwas zwischen den beiden passiert, dachte er und lief zu Siney und Hermine. Doch als er auf ihrer Seite des Bücherregals angekommen war, atmete er erleichtert auf. Offenbar hatte sie Siney nur irgendwie verheddert. Harry machte sich schnell wieder aus dem Staub, damit er nicht in eine peinliche Situation geriet, wenn er von Hermine oder Siney entdeckt würde. "Verdammt!", hörte er Siney fluchen. "Was ist denn los?", fragte Hermine. "Ach... nichts!", sagte Siney nur, doch Harry hörte bereits Hermines Schritte auf Siney zukommen. Er und Ron konnten nicht sehen, was die beiden da machten, doch sie hörten angestrengt zu. "Was für eine schöne Kette!", sagte Hermine. "Soll ich dir mal kurz damit helfen?" "Nein, ich schaffe das schon. Such du nur dein Buch.", sagte Siney. "Komm schon, wenn du es alleine machst geht sie vielleicht noch kaputt.", sagte Hermine. "Nein!", schrie Siney auf einmal und riss sich aus ihrer Situation, worauf die Kette, mit der sie sich verhakt hatte auf den Boden fiel. Harry sah Hermine unter dem Regal hindurch, wie sie sich bückte und die Kette aufhob. "Ist ja schon gut. Du brauchst dich nicht gleich so aufzuregen, okay?", sagte Hermine und gab Siney wahrscheinlich die Kette zurück. "Entschuldigung! Aber wenn es um die Kette geht, bin ich... nun ja... eben etwas empfindlich. Ich habe sie von meiner Mutter bekommen, weißt du? Es ist das einzige was ich noch von ihr habe.", sagte Siney. "Achso. Na dann tut es mir leid, dass ich dich so bedrängt habe. Aber sie ist gerissen, nicht wahr?", sagte Hermine. "Ja, aber mit dem passendem Spruch krieg ich sie schon wieder ganz.", sagte Siney und damit war das Gespräch beendet. Harry konnte sich gut vorstellen, welche Bedeutung die Kette für Siney haben musste, denn auch er hatte nicht viel von seinen Eltern, und das was er hatte, wie zum Beispiel den Tarnumhang, war von
78 unschätzbarer Bedeutung für Harry.
Die nächsten Tage strichen wieder schnell ins Land. Die Luft war erfüllt von Vorfreude der Schüler, einerseits, weil bald Halloween war, andererseits, weil an diesem Tag ein weiteres Großereignis stattfand: Die Eröffnung des Thaddäus' Fun Paradise und dem damit verbundenem Hogsmeade Besuch. Die Schüler zählten förmlich die Tage bis zum einunddreißigsten Oktober und konnten es kaum mehr erwarten. Auch Harry, Ron, Hermine und Siney waren mehr als nur aufgeregt, denn von dem was sie gehört hatten, sollte das Thaddäus' Fun Paradise das alte Hogsmeade um einiges übertreffen, und selbst das war immer wieder einen Besuch wert. Harry, Ron und Hermine hatten sich darauf geeinigt, als Dreiergruppe das Fun Paradise zu erkunden, da Siney bereits vor einiger Zeit von Parvati Patil und ihren Freundinnen eingeladen wurde sie zu begleiten und sie ihnen nicht absagen wollte, weil sie lieber mit Harry, Ron und Hermine gehen würde. Doch auch in dieser Zeit der Vorfreude, auch von Seiten der Lehrer aus, ging der Unterricht seinen fast gewöhnlich Gang und Harry hatte das Gefühl, der Schulstress der letzten Zeit zernage ihn langsam. Auch die anderen erschienen immer lustloser zum Unterricht. Es war wirklich Zeit für ein wenige Entspannung, dachte Harry und so dachte er fast ununterbrochen an das Thaddäus' Fun Paradise und dass dieser Tag wunderschön werden würde.
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