Dampfschwaden und Schicksalsgötter

Harry wachte in der Nacht durch ein Rufen auf. Er dachte erst, dass es in seinen Traum gehörte, denn vom Thema her schien es zu passen. Doch als er langsam erwachte hörte er das Rufen deutlicher, und er blickte verwirrt neben sich. "Verdammt, warum geht es hier denn nicht vorwärts?", vernahm er Rons Stimme aus dem Himmelbett neben ihm. "Lauft, wir müssen hier weg!" Stirnrunzelnd richtete Harry sich auf und blickte in das vom Mondlicht erleuchtete Bett. Es war eindeutig Ron, der da rief, doch er hatte seine Augen geschlossen und wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere. Kein Zweifel, auch Ron schien einen Alptraum zu haben der sich um den Angriff im Fun-Paradise drehte. Harry seufzte und drehte sich auf die andere Seite. Er hatte Angst wieder einzuschlafen und dann wieder einen schrecklichen Traum zu haben, doch die Müdigkeit siegte und er sank wieder in einen hektischen Traum zurück. Er erwachte erst als sein Wecker klingelte, stand auf und machte sich fertig für das Frühstück. Unten im Gemeinschaftsraum traf er auf Ron, der sehr müde aussah. "Na, du hast wohl auch Alpträume gehabt?", fragte Harry und sah Ron an. "Ja, das kann man wohl sagen... Ich bin ungefähr zehn mal aus dem Schlaf gerissen worden... Es war echt schlimm!", erwiderte er. "Ich habe dich rufen gehört. Muss ja ein sehr realistischer Traum gewesen sein!", sagte Harry und schaute besorgt. "Ja, es war so schrecklich! Hast du auch Alpträume gehabt?", fragte er und Harry nickte. Sie machten sich fertig und gingen dann durch den Gemeinschaftsraum zum Portraitloch. Auf halber Strecke trafen sie auf einige Erst- und Zweitklässler die nicht besser aussahen als gestern. Ein kleines Mädchen hatte ganz verweinte Augen und ließ sich von ihrer Mitschülerin trösten. "Ach komm schon, Lucy, er war doch sowieso zu alt für dich...", hörten sie sie sagen. Harry warf einen Blick zu Ron und wusste nicht ob er jetzt lachen sollte. Doch angesichts der ernsten Lage hielt er das für ziemlich makaber und so schaute er ihn nur an. Doch Ron wusste wohl wie Harry es meinte, denn er setzte eine extra ernste Miene auf, die fast in ein Lachen unterging. Sie beeilten sich dass sie aus dem Gemeinschaftsraum in die Große Halle kamen, doch dann wurden sie von Hermine eingeholt. "Ach, du bist auch schon wach?", fragte Ron und Hermine nickte unwirsch. "Natürlich, wir haben ja schließlich Unterricht!", sagte sie mit gewichtiger Miene und versuchte nicht allzu fertig auszusehen. "Hast du auch nicht richtig schlafen können?", fragte Harry und Hermine nickte. "Ja, es war einfach schrecklich!", sagte sie mit einem Schaudern in der Stimme. "Immer wieder habe ich diese Schreie gehört und diesen toten Mann gesehen! Die

96 Nacht war so schrecklich! Und das Parvati im Schlaf geschluchzt hatte machte das Ganze auch nicht besser..." Harry erzählte jetzt nicht, dass auch Ron im Schlaf geredet hatte, denn er wusste nicht ob es Ron recht war wenn er das vor Hermine erzählen würde. "Ich glaube es wird ganz schön schwer wieder alles zu vergessen, vor allem für Colin!", meinte Harry und sah sich um. Sie waren in der Großen Halle angekommen und er guckte ob Colin irgendwo saß. Doch dem war nicht so. "Tja Leute, glaubt mir: da ist jetzt Unterricht das beste Mittel um sich abzulenken!", sagte Hermine und Ron verdrehte die Augen, doch Harry hatte das eigenartige Gefühl dass sie das sagte um sich selber abzulenken. Ihr Blick war nämlich zum Lehrertisch gerichtet wo Professor McGonagall aufgestanden war. Sie sah immer noch so unheimlich traurig aus, von ihrer sonstigen Strenge war nicht viel zu merken. Harry schluckte, er sah sie in Gedanken wieder weinend neben Colin sitzen, und überhaupt erinnerte ihn auf einmal alles in der Großen Halle wieder an die traurige Rede. Er aß stumm sein Toast und schaute erst wieder auf als die morgendliche Eulenpost kam. Harry erwartete keinen Brief, doch zu seiner Freude kam Hedwig auf ihn zugeflogen, sie hatte einen Brief für ihn im Schnabel. Hermine und Ron, erleichtert über die Ablenkung, schauten Harry interessiert an. "Erwartest du Post, Harry?", fragte Hermine, während Harry den Brief öffnete und ein Lächeln ihm über das Gesicht huschte. "Sirius!", murmelte er und las sich den Brief durch. Doch nach und nach wurde sein Gesicht wieder ernster. "Komm schon, was hat er geschrieben?", drängte Ron und Harry las den Brief leise vor:

Lieber Harry, mein Gott, ich hoffe dir ist gestern nichts passiert! Bist du verletzt oder geht es dir gut? Wie steht's mit Ron und Hermine? Ich habe mir solche Sorgen gemacht als ich es gestern Abend erfuhr. Ich dachte, dass auch dir was zugestoßen ist... Als ich hörte dass ein Hogwarts-Schüler ums Leben gekommen ist habe ich sofort an dich gedacht, vor allem weil die Angreifer Todesser waren! Ich kann gar nicht in Worte fassen wie froh ich bin, dass du noch rechtzeitig entkommen bist! Aber es ist jetzt nicht vorbei, im Gegenteil. Ich möchte, dass du die Anweisungen von Dumbledore genau befolgst, denn vielleicht war oder ist man hinter dir her! Das Schloss wird jetzt zwar aufs Beste bewacht und es ist auch sehr unwahrscheinlich dass man dich im Schloss angreift, aber wenn dir irgendetwas Seltsames auffällt teile es sofort Dumbledore mit, hast du verstanden, Harry? Du hättest das dunkle Mal, von dem du mir erzählt hast ernster nehmen und Dumbledore davon in Kenntnis setzen müssen! Aber ich will die keine Vorwürfe machen, nur denk bitte das nächste mal daran! Ich wünsche, dass du auch mich über alles auf dem Laufenden hältst! Ich hätte es nämlich wissen müssen, dass so etwas wie gestern passieren würde. Man hörte einige Gerüchte und sie haben sich bestätigt! Also, denk an meine Worte, grüß deine Freunde von mir und pass auf dich auf! Sirius

97 "Mann, der macht sich ja echt Sorgen!", sagte Ron. "was hat er denn wohl für Gerüchte gehört? Mich würde immer noch interessieren warum die Todesser das Ganze eigentlich veranstaltet haben!" Und da fiel Harry noch etwas ein. "Lavender liegt ja noch im Krankenflügel, was meint ihr, gehen wir sie gleich mal besuchen?", schlug er vor. "Vielleicht weiß sie ja wirklich etwas was uns weiterhelfen könnte!" Hermine nickte zwar, doch ihr Blick verriet Zweifel. "Wenn sie etwas weiß, dann darf sie es bestimmt nicht einfach so erzählen!", mutmaßte sie. "Ich meine, vielleicht finden die Lehrer es sehr wichtig..." Harry nickte. Gedankenverloren ließ er den Blick durch die Große Halle schweifen und sah dass fast alle Schüler traurig und entsetzt aussahen. Sowieso, fand er, herrschte während des ganzen Frühstücks, welches normalerweise immer recht munter von statten lief, eine ungewohnte Stille. Viele erschienen gar nicht zum Frühstück und die, die anwesend waren sahen auch aus als hätten sie eine schlechte Nacht hinter sich. Harry fragte sich schon die ganze Zeit wie er heute den Unterricht durchhalten sollte, denn immer wieder musste er an das Fun-Paradise und dessen Folgen denken. Doch dieses Problem wurde ein paar Sekunden später von allein gelöst. Professor Dumbledore erhob sich von seinem Platz und verkündete, dass der Unterricht heute ausfallen würde. Jeder in der Großen Halle schien erleichtert zu sein, aber keiner freute sich darüber, denn freuen konnte sich heute keiner so richtig, egal worüber. Plötzlich winkte Professor Dumbledore Harry zu sich herüber. Er wusste nicht, was das heißen sollte und ging unsicher unter den neugierigen Blicken der anderen Schüler auf Dumbledore zu. Dieser führte ihn in ein kleines Zimmer hinter dem Lehrertisch. "Was kann ich für sie tun, Professor?", fragte Harry unsicher. "Ich möchte ganz sicher gehen, dass du nichts Falsches machst, hast du mich da verstanden, Harry?", sagte er leise und sah über seine krumme Adlernase streng auf ihn herab. Harry war ein wenig verblüfft und guckte ihn fragend an. "Wieso gerade ich?", platzte es aus Neugierde aus ihm heraus. "Nun, man hatte Miss Brown gestern angeblich gesagt, dass man auf der Suche nach der Person sei, die der dunkle Lord haben will!", erklärte er leise und Harry schluckte. Hatte Sirius dann Recht gehabt? "Ich will dir keine Angst machen, denn noch wurde das nicht bestätigt, und Miss Brown war gestern... nun ja, ziemlich durch den Wind, wenn wir es so sagen können...", einen Moment hielt er inne. "Aber wenn es stimmen sollte ist die Person, die der dunkle Lord haben will, gewiss kein anderer als Harry Potter! Das meinen zumindest die meisten Kollegen und deswegen wirst du dich damit abfinden müssen, dass du besonderen Schutz bekommst!" Harry stöhnte innerlich auf. Er sah sich schon mit zwei Lehrern an seiner Seite durch dass Schloss gehen. Aber Dumbledore schien seine Gedanken erraten zu haben, denn er schmunzelte und schüttelte den Kopf. "Nein, nicht so schlimm wie du es dir vielleicht vorstellst, aber wichtig ist, dass du heute keine unnötigen Ausflüge machst, schon gar nicht alleine!" Harry wollte protestieren, denn er wollte doch zu Lavender in den Krankenflügel aber im strengen Angesicht seines Schulleiters wollte er lieber auf dessen Rat hören. "Nun denn, Harry... Lesen ist auch ein netter und sinnvoller Zeitvertreib!", sagte Dumbledore und mit einem Blitzen in den Augen drehte er sich um und ging.

98 Als Harry wieder im Gemeinschaftsraum der Gryffindors ankam, hielt er nach Hermine und Ron Ausschau, die während seines Gesprächs mit Dumbledore schon gegangen waren. Er entdeckte sie zwischen ein paar jüngeren Schülern, die sehr mitgenommen aussahen und sich von Hermine trösten ließen. Ron kam zu ihm herüber und Harry meinte zu sehen, dass seine Augen feucht glänzten. "Oh Mann... die sind alle völlig fertig!", krächzte er und ließ sich in einem Sessel neben Harry nieder. "Ich kann das gar nicht mit ansehen, doch Hermine beweist mal wieder was für eine gute Vertrauensschülerin sie ist! Sie tröstet erst mal die Kleinen... aber erzähl mal, was wollte Dumbledore von dir?" Und so berichtete Harry ihm erst einmal von dem Gespräch. "Wie, Dumbledore sagte dass das Kollegium dich für die gesuchte Person hält?", fragte er als Harry ihm alles erzählt hatte, und er nickte. "Aber Dumbledore hat nicht erwähnt dass er das auch für möglich hält?", hakte Ron weiter nach. "Nö, aber ich glaube mal, dass er das auch so sieht, auch wenn er das nicht gesagt hat.", erwiderte Harry der nicht richtig wusste auf was Ron eigentlich hinauswollte. "Sieh es doch so, Harry! Wenn Dumbledore nicht ausschließlich dich als Gesuchten sieht, dann mach dir keine Sorgen, denn dann bist du es vielleicht gar nicht!", sagte Ron. "Und wer ist es dann? Und außerdem habe ich keine Angst, denn es wurde noch nicht bestätigt dass die Todesser wirklich wegen diesem Grund im Fun- Paradise gewesen sind!", sagte Harry laut. Es stimmte auf eine Weise schon, dass es letztendlich vielleicht gar nicht er war, aber er wusste nicht wen Voldemort sonst haben wollte, und so beendete er das Thema und las ein wenig. Nach einer Weile kam Seamus mit roten Kopf in den Gemeinschaftsraum zurück und erzählte Harry und Ron dass er von Dumbledore, Professor McGonagall und Snape eine gewaltige Standpauke erhalten hatte. "Und wisst ihr was fies ist?", ereiferte er sich, "Sally-Anne ist keine Vertrauensschülerin mehr!" Überrascht schauten sie sich an. "Das ist ja was!", sagte Ron. "Und, wer ist es jetzt?" Doch das wusste Seamus auch nicht. Den Rest dieses Tages verbrachte Harry mit Reden, Schachspielen und Hausaufgaben.

Am nächsten Tag fand wieder Unterricht statt, doch der normale Schulalltag wollte sich einfach nicht einstellen, denn zu nah lagen noch die Erinnerungen an den Tod von Dennis Creevy. Der Tagesprophet hatte einige Tage lang nichts anderes zu berichten als über das Massaker vom einunddreißigsten Oktober, wie es hauptsächlich genannt wurde. Es wurden Augenzeugen interviewt, Experten befragt und man versuchte auch ein Interview mit Hogwarts-Schülern zu ergattern, was Dumbledore ablehnte, besonders als man nach Harry fragte. Aber die Nachricht, dass die Todesser jemanden gesucht hatten, wurde auch nicht bestätigt, auch wenn Lavender weiterhin steif und fest behauptete genau dies gesagt bekommen zu haben. In dieser ganzen Aufregung hätte Harry am liebsten seinen Feuerblitz Primus geholt und eine fetzige Trainingsstunde eingelegt, was für ein wenig Ablenkung gesorgt hätte. Doch es blieb nach wie vor bei dem Quidditch- Verbot und Harry konnte nichts weiter tun, als sich

99 seinen Superbesen bloß anzuschauen. Am fünften Tag nach den Angriffen sahen sie zum ersten Mal Colin wieder. Er stand mit seinem Koffer neben sich in der Großen Halle, Professor McGonagall und Dumbledore waren bei ihm. Eine Frau mit rötlichen Haaren und schlanker Figur hatte eine Hand auf Colins Schulter gelegt, sie sah verweint aus und hielt sich mit der anderen Hand am Arm eines großen dünnen Mannes fest. Es waren zweifellos die Eltern von Colin. Später erzählte Ginny ihnen, dass es Colin nicht besser gegangen war und das er so schlimme Alpträume hatte, welche noch nicht einmal Madam Pomfrey kurieren konnte, sodass er jetzt für einige Zeit zu seinen Eltern nach Hause fuhr. Nach zwei Wochen wurden fast alle Sicherheitsvorkehrungen aufgehoben, jedenfalls auf dem Schlossgelände. Am Mittwochnachmittag stieg Harry mit Ron die Wendeltreppe zum Turm von Professor Trelawney empor. Harry hatte überhaupt keine Lust auf Wahrsagen und ließ sich bei Ron darüber gründlichst aus, und dieser konnte ihm nur zustimmen. "Ich hätte es wie Hermine machen sollen!", schnaubte Ron. "Ich hätte dieses Fach auch schon längst schmeißen sollen... was für ein Blödsinn es doch in Wahrheit ist..." Harry konnte seinem Freund da nur beipflichten. Seitdem sie das Fach Wahrsagen vor drei Jahren gewählt hatten sagte Professor Trelawney Harry jedes mal seinen Tod voraus, was er als äußerst lästig empfand. Gut, es war für ihn manchmal sehr knapp geworden doch er lebte immerhin auch jetzt noch... Seufzend stiegen sie die kleine Leiter zu dem Turmzimmer hoch und kaum standen sie oben prallte ihnen eine Wand stickiger Parfümluft entgegen. Harry rümpfte die Nase, er hasste diese schlechte Luft weil es einen immer so schläfrig machte. Bevor er sich auf einem der Polster um die vielen kleinen Tische niederließ schlich er zum Fenster und öffnete es einen Spalt breit. Erleichtert spürte er den Hauch frischer, kalter Novemberluft auf seinem Gesicht und atmete tief durch bevor er sich zu Ron setzte. Das Wetter war in den letzten Wochen fast unbemerkt winterlich geworden. Da sie das Schloss nur verlassen durften wenn sie zu den Gewächshäusern oder Pflege magischer Geschöpfe gingen, bekamen sie kaum etwas von dem morgendlichen Frost zu spüren bis auf den Blick auf weißlich schimmernde Wiesen. Harry sah sich um und entdeckte Seamus, Dean und Neville. Neville hatte eine kleine Porzellanschale voll Flüssigkeit umgestoßen und Dean und Seamus versuchten verzweifelt die zerbrochene Schale mit einem Zauber zu reparieren. Einen Tisch weiter saßen Siney, Parvati und Lavender vor einer mit Nebel gefüllten Kugel, mit der sie sich schon im letzten Jahr beschäftigt hatten und Professor Trelawney auf dem Tisch vergessen haben musste. Begeistert starrten Lavender und Parvati in die Kugel und zeigten ab und zu mit den Finger auf sie, während Siney weniger fasziniert aussah. Halb gelangweilt, halb amüsiert schaute sie den Beiden zu und musste sich offensichtlich mehrmals ein Lachen verkneifen. Sie schaute sich auch nach einer Weile um und traf auf Harrys Blick. Siney grinste, erhob sich und setzte sich kichernd zu ihm und Ron. "Also mal ganz ehrlich... Ich sehe in dieser Kugel nichts als Nebel, keine Wolkendrachen oder sonstige Viecher!", sagte sie glucksend und Harry und Ron lachten. "Da bist du zu hundert Prozent bestimmt nicht die Einzige!", erwiderte Harry. "Aber

100 langsam glaube ich sowieso das man in diesen Kugeln nichts sehen kann, außer man hat eine sehr lebhafte Fantasie..." Er schaute dabei zu den beiden Mädchen die ein leises "Oooh" von sich gaben und große Augen bekommen hatte. Harry hätte gerne gewusst was sie denn jetzt sehen konnten. "Doch, man kann in Kugeln manchmal etwas sehen!", sagte Siney langsam und sah auf einmal ernst aus. "Vielleicht nie etwas genaues, aber die Vorwarnungen sind manchmal sehr versteckt und schwer zu erkennen!", erklärte sie. Harry und Ron sahen sich überrascht an. Sie wussten nicht dass sich Siney für diese Sache interessierte. Das sagte Ron ihr dann auch. "Aber angenommen, man sieht wirklich etwas wie... wie Vorahnungen in einer Kugel...warum hat dann die Trelawney nichts über das Fun-Paradise gesehen?", fragte er und Siney zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung!", antwortete sie und guckte dann Harry an. "Es kann manchmal schmerzhaft und quälend sein, wenn man in eine Kugel guckt..." Harry sah ein wenig verdattert aus. Was meinte sie mit schmerzhaft? Als er dies fragte redete Siney eher mit sich selber als sie ihnen antwortete. "Es ist manchmal die Hölle, was du siehst!", sagte sie leise. "Schlimmste Sachen, die dir den Atem nehmen, aber du weißt nicht was es denn genau zu bedeuten hatte! Und das ist das Quälende an der ganzen Sache! Du weißt nicht ob es die Wahrheit ist, ob es dir oder anderen geschehen könnte... Es übt so etwas wie eine Macht auf dich aus, der du dich nicht leicht entziehen kannst..." Nachdenklich schaute sie mit leeren Blick ins Feuer, die Hände fest um ihre Kette geklammert als suchte sie Trost vor einer schrecklichen Erfahrung. Harry beschloss sie nicht weiter zu fragen denn in ihrem Gesicht spiegelten sich Trauer, Wut und Hass wider. Er hätte gerne gewusst was sie für Erfahrungen gemacht hatte, doch gerade als er sich eine behutsame Frage überlegt hatte erschien Professor Trelawney aus dem schummrigen Dunkel des Raumes. Parvati und Lavender ließen sofort von der Kugel ab und schauten sie hingerissen und verehrend an. "Hallo meine Lieben", sagte sie mit ihrer gewöhnlichen rauchigen Stimme, "ich muss euch heute schon einige Mitteilungen für das nächste Halbjahr geben!" Gespannt sahen sich alle an. "Wie ihr am Rande vielleicht erfahren habt bekommt ihr nach Weihnachten ein neues Fach, dass sozusagen in meinen Unterricht gehört. Aber dazu erfahrt ihr noch irgendwann mal was. Doch mein inneres Auge teilt mir mit..." Harry, Ron und auch Siney tauschten bedeutsame Blicke und lächelten. "...dass ich euch das Fach nicht lehren werden kann! Ich weiß nicht was die Absicht des Schicksals ist, aber ihr werdet bestimmt nicht bei mir Unterricht haben!" Lavender und Parvati sahen sehr bestürzt aus, was Professor Trelawney offensichtlich gefiel, doch fast alle anderen schien froh über diese Aussicht zu sein. Doch Professor Trelawney erzählte ihnen nichts mehr darüber, sie begann das neue Thema zu erklären. Und so saßen sie zehn Minuten später jeder vor einer Porzellanschüssel, die mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt war, und versuchten mittels ihrer Gedanken Dampfschwaden aufsteigen zu lassen die sich in bestimmter Weise formen sollten. Aber es wollte nicht so recht klappen. Doch Siney schaffte es worüber Professor Trelawney zu ihrer Verwunderung sehr beunruhigt und Siney äußerst fröhlich zu sein schien. Professor Trelawney ließ sie mit

101 der praktischen Übung aufhören und begann mit einer sehr komplizierten Theorie. "Ha, ich hab's doch gewusst!", zischte Siney Harry und Ron zu. "Das Ganze kann nie und nimmer klappen! Sie hatte gerade Angst bekommen weil ihre Fantasie bei mir Wirklichkeit wurde und wir dann merken dass es Stuss ist!" Verständnislos guckten sich Harry und Ron an, bis Siney es ihnen erklärte. "Ich habe da heimlich etwas mit meinen Zauberstab nachgeholfen", sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln, "und als die Trelawney den Dampf gesehen hat muss sie wohl Angst bekommen haben dass ihre Märchenstunde wahr wird!" Harry und Ron brachen in lautes Gelächter aus. "Ja, Märchenstunde trifft diesen Unterricht sehr gut!", kicherte Ron. Den Rest der Stunde verbrachten sie damit Professor Trelawney zu lauschen und sich über ihre Worte zu amüsieren. Als sie die Treppe wieder hinabstiegen kamen Parvati und Lavender interessiert zu Siney, die neben Harry und Ron herlief. "Siney... wie hast du das geschafft?", hauchte Parvati und sah sie mit großen Augen an. "Hast du was gesehen?" Harry merkte wie sich Siney zusammenreißen musste um nicht los zu prusten. Sie setzte eine geheimnisvolle Miene auf und raunte ihnen leise etwas zu. "Zauberei.... wilde Magie, die mir die Schicksalsgöttin gesandt hat..." Harry und Ron konnten sich nicht mehr zurückhalten und wieherten los, als Siney wild mit den Händen vor ihren ziemlich verdatterten Mitschülerinnen herumfuchtelte und dabei seltsame Worte gebrauchte die sonst nur von Professor Trelawney kommen könnten. Als sie den Gemeinschaftsraum der Gryffindors erreichten war Siney gerade bei irgendwelchen "Göttern des Qualmes" und schien ihre reine Freude an der Sache gefunden zu haben. Als sie durch das Portraitloch kletterten musste sie sich an der Wand festhalten um nicht vor Lachen hin zu fallen, denn Parvati und Lavender lauschten ihr immer noch hingerissen. Doch langsam schienen sie zu merken dass Siney sie gewaltig auf die Schippe nahm, denn sie sahen mittlerweile sehr misstrauisch aus. Rückwärts, den Blick beschwörend auf die beiden gerichtet ging Siney hinter Harry und Ron her, die sich zu Hermine gesellten, welche am Tisch saß und etwas schrieb. Sie warf Siney einen komischen Blick zu und guckte dann fragend Harry an. Dieser drehte sich um und klopfte Siney lachend auf den Rücken. "Ist okay, eine Verrückte an dieser Schule reicht schon!", sagte er und fing wieder an zu lachen als sie sich mit demselben fanatischen Ausdruck im Gesicht zu ihnen herumdrehte und die Hände beschwörend hob. Hermine huschte ein Lächeln über das Gesicht, als Siney sie ansprach. "Hüte dich, Hermine!", rief sie mit verstellter Stimme. "Der Geist der Verrückten befiehlt dir dich in die Kugeln zu versenken und zu sehen... und nicht vergessen: tief Luft holen, sonst erstickst du in den ewigen Parfümschwaden meines Zimmers!" Jetzt lachte auch Hermine mit Siney, das erste Mal seit langer Zeit, glaubte Harry. "Findest du auch das der Unterricht von dieser Verrückten Blödsinn ist?", fragte sie und Siney nickte und erzählte von der Stunde. Hermine sah so aus als wäre sie ein wenig enttäuscht dass sie nicht dabei war als Siney Professor Trelawney bloß gestellt hatte. Sie begannen ein Gespräch, und Harry hatte zeitgleich mit Ron den Eindruck dass sie die Beiden jetzt besser nicht stören sollten. "Ich hoffe dass sich die beiden mal langsam besser verstehen!", sagte Harry leise

102 während er sich mit Ron zu Dean und Seamus setzte. Ron nickte und schaute zu den Mädchen herüber. Dann fingen sie mit den Hausaufgaben an und arbeiteten solange, bis es Zeit für das Abendessen war. Sie standen ächzend auf und streckten sich und gingen dann zu Hermine und Siney, die immer noch am Reden waren. Sie fragte sie, ob sie mit zum Abendessen kommen wollten, worauf sie nickten. In der Großen Halle setzten sich Hermine und Siney sogar zusammen um weiter zu reden und Harry war darüber sehr glücklich. Er freute sich, dass sich die beiden etwas besser verstanden. Doch während des Essens betrat Professor Sinistra, ihre Lehrerin für Astrologie, die Große Halle und ging eiligen Schrittes zum Lehrertisch, die Stirn besorgt gerunzelt. Sie tuschelte mit Dumbledore und schien ihm etwas zu erklären, und kurz darauf erhob sich Dumbledore und bat um Ruhe. "Es ist nichts passiert", beruhigte er die Schüler. "Wir haben nur soeben die Nachricht erhalten das dem Lehrer für Pflege magischer Geschöpfe ein neues... sagen wir mal Tier entlaufen ist!" Die meisten Schüler atmeten sichtlich erleichtert auf als sie dies hörten. "Da Hagrid bisher noch nicht mit diesen Geschöpfen gearbeitet hat weiß er nicht wie sie sich verhalten, und die Informationen vom... vom Versand liegen noch nicht vor", erklärte Dumbledore und Harry musste grinsen. Wahrscheinlich hatte Hagrid mal wieder von fremden Leuten im Pub ein seltsames Wesen gewonnen oder abgekauft, welches nun ausgerissen war. "Als reine Vorsichtsmaßnahme bitte ich die Vertrauensschüler die Schüler in ihre jeweiligen Häuser zu begleiten wenn alle am Tisch das Essen beendet haben!", sagte Dumbledore abschließend und machte sich dann mit einigen Lehrern und einem breiten Lächeln auf den Lippen als er an Harry vorbeikam auf den Weg nach draußen. "Na, gibt's wieder nen neuen Fluffy oder Norbert?", kicherte Hermine und erklärte der unwissenden Siney von Fluffy, dem dreiköpfigen Hund, den Hagrid ebenso wie den Drachen Norbert in ihren ersten Schuljahr gewonnen hatte. Doch Harry interessierte jetzt viel mehr wer denn nun der Vertrauensschüler oder die neue Vertrauensschülerin bei den Slytherins war. Aber er konnte nichts Auffälliges sehen und wandte sich wieder seinen Tisch zu. Die meisten waren mit Essen fertig, bis dann nur noch Neville übrig blieb. Sie feuerten ihn an und Neville verschluckte sich fast an seinem Essen als jemand mit der Idee kam ihn zu füttern. Endlich war auch Neville fertig und die Gryffindors machten sich unter der Führung von Hermine, die sie stolz anführte, auf den Weg zu ihrem Gemeinschaftsraum. Doch gerade als sie die große, marmorne Treppe aufsteigen wollten ging hinter ihnen die Tür auf, und heraus traten die Slytherins. Harry dachte erst er würde spinnen, doch es schien eindeutig, dass Malfoy die Führung hatte. Und als wenn der Anblick nicht schon genug wäre, ging er höhnisch zu Hermine, die einfach nur dastand und guckte. Sally-Anne, die vorherige Vertrauensschülerin der Slytherins, blickte Malfoy mit einem verhassten Blick nach. "Hey, Hermine!", säuselte er leise und grinste Hermine schadenfroh an. "Tu mir bitte einen Gefallen und sieh´ zu, dass du das Bad der Vertrauensschüler nach dir wieder gut wischst, denn ich habe keine Lust dass ich mich in einem Becken baden muss indem schon ein Schlammblut war! Vielleicht färbt das ja ab, ich weiß es nicht..." Mit einem triumphierenden Blick ging er zu seinen Schülern zurück und wies sie mit herrischer Stimme an sich zu beeilen. Bevor er die Treppe runter verschwand winkte er

103 noch einmal Hermine, die wie vom Donner gerührt dastand. "Das gibt's doch nicht!", schnappte sie und schaute die leere Treppe hinunter. Harry, Ron und auch Siney zogen sie mit sich, doch Hermine war nun sauer. "Na toll, wie soll das denn jetzt werden, bitteschön?", fluchte sie als wieder in ihrem Gemeinschaftsraum saßen. "Dieser dreckige Schleimbeutel! War bestimmt Snapes Idee, ihn zum Vertrauensschüler zu machen!" Sie versuchten den ganzen Abend sie wieder aufzumuntern, doch es gelang ihnen nur schwer, zur groß war ihre Wut auf Malfoy und seine gemeinen Worte. Doch dann kamen Lavender und Parvati zu ihnen und fragten was los sei. Da hatte es Siney wieder erwischt! Schon als die beiden Mädchen näher kamen, fingen Harry und Ron zu glucksen und zu kichern an, und jetzt riss Siney ihre Augen auf und schaute Lavender und Parvati mit großen Augen an. "Wie, hat das euch die Schicksalsgöttin noch nicht verraten?", raunte sie und Hermine fing ein wenig an zu lächeln. Parvati sah Siney aber nur empört an. "Das ist nicht witzig!", sagte sie und Lavender stimmte ihr zu. Doch dann mussten auch sie grinsen wie Siney mit dramatischer Geste auf sie deutete, und alberten mit. "Jaaah... mein inneres Auge teilte mir mit, dass etwas Ekeliges, Schleimiges eintreffen wird!", sagte Harry laut und die anderen Schüler im Gemeinschaftsraum schauten sie schon skeptisch an, doch die meisten fingen laut an zu gackern, selbst Hermine lachte. "Etwas Schlimmes! Wenn mich mein Auge nicht täuscht, immerhin ist es ein Hühnerauge, meine Lieben..." (noch lauteres Lachen) "dann ist es... ahh, Leute!" Harry versuchte Professor Trelawney nachzuahmen wie sie immer Harrys Tod voraussagte. "Meine Lieben! Es kommen schlimme Zeiten auf uns zu! Das Hässliche, Schleimige...." Harry flüsterte nur noch und die anderen lauschten gespannt was kommen würde als Harry, ganz wie Professor Trelawney, eine dramatische Pause einlegte. Er zögerte die Spannung hinaus, bis er mit tragischer Miene den Satz zuende brachte. "... es ist... mein Gott... Malfoy!!!" Sie kringelten sich vor Lachen angesichts der guten Spielleistung Harrys und Hermine musste sich die Tränen aus den Augen wischen. "Dürfen wir uns auch während der Schulzeit betrinken?", fragte ein kleiner Junge aus der zweiten Klasse und das Lachen ging von vorne los, was die anderen noch mehr verwirrte. So hatten sie noch den ganzen Abend Spaß bis ihnen alles weh tat vor Lachen, die meisten Mitschüler hatten sich zu ihnen gesellt um an den Spaß teilzuhaben. Zu guter Letzt wollten sich Hermine und Siney an einen Beruhigungszauber ranwagen, den sie in einem Buch aus der Bibliothek gefunden hatte, nur brauchten sie dazu noch ein Versuchskaninchen. Ron meldete sich freiwillig, was er aber besser nicht getan hätte, denn der Zauber schlug fehl und bewirkte eher das Gegenteil. Alle Umstehenden kriegten sich vor Lachen kaum ein, als Ron wie ein Verrückter gackernd im Sessel saß, und nachdem bei Siney und Hermine der erste Schock über den Fehlschlag ihres Zauberspruches vergangen war machten sie sich auf die Suche nach dem Gegenzauber. Als sie eine Stunde später dann alle in ihren Betten lagen war Harry richtig erschöpft. "Was glaubst du", fragte er schläfrig Ron, "ob sich Hermine und Siney jetzt besser vertragen?" Doch Ron ließ nur ein Grunzen von sich hören, welches Harry als ein Ja interpretierte, bevor ihm die Augen zufielen und er in ein dunkles, weiches Nichts fiel.

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