### Ein ganz liebes Danke für alle Reviews! Wann immer wir eine Aufmunterung brauchen, wenden wir uns euren wundervollen Reviews zu, die mal mit mehr und mal mit weniger Worten ausdrücken, dass wir eine ganz besondere Saite in euch zum Klingen gebracht haben. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man andere Menschen (Elben, Hobbits, Zwerge, Orks und was auch immer da draußen unsere Geschichte liest) derart begeistern kann...

### Fühlt Euch alle einfach mal ganz fest gedrückt! *Autorinnen breiten die Arme aus* Und weil ihr so tolle Leser seid, gibt es heute ein etwas längeres Kapitel...
Also es sollte echt kein Cliffie werden... Oder doch? Hey, es bot sich einfach an, okay?! *g*

### Viel Spaß beim Lesen!

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Hauch des Lebens

von:
ManuKu und Salara

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~TEIL 10~

Das rege Markttreiben in der Gasse bildete die perfekte Deckung für Dassarh, der sich immer wieder unter die Käuferschar mischte und auf diese Art nicht weiter auffiel. Schon seit Tagesanbruch beobachtete er das Gasthaus, in dem Aragorn abgestiegen war, doch erst jetzt – kurz vor der Mittagsstunde – schien sich endlich etwas zu tun.

Dassarh war zu weit entfernt, als dass er das Gespräch zwischen Aragorn und Mirodas hätte verfolgen können, doch er heftete sich den beiden an die Fersen, als sie sich zusammen in Bewegung setzten und durch die engen Gassen der Unterstadt in Richtung des östlichen Stadttores gingen. Einen Moment lang kam ihm der Gedanke, dass der Fremde vielleicht aus Ardaneh abreisen wollte, doch als weder er noch Miro Anstalten machten, ein Pferd zu holen, beruhigte Dassarh sich wieder. Die nächste Ansiedlung lag viel zu weit entfernt, als dass man dorthin laufen konnte. 

Als Aragorn und Miro die Stadt schließlich verließen und den Weg einschlugen, der in den Wald hineinführte, kehrte Dassarh um. Er wusste, dass sein Kumpan nicht weit von hier in einer Schenke saß.

'Yulith muss von diesem kleinen Ausflug erfahren. Der Kerl wird auch auf dem Rückweg durch die Gerbergassen kommen. Sie sind eng und verwinkelt und beinahe ideal für einen Hinterhalt. Eine bessere Gelegenheit, an den Edelstein zu kommen, bietet sich uns vielleicht nicht wieder.'

Es war eine äußerst angenehme Vorstellung, den kommenden Abend vielleicht schon als reicher Mann zu erleben...

***

Aragorn und Miro waren seit einer halben Stunde außerhalb der Stadtmauern unterwegs, als das Gelände schließlich etwas hügeliger und felsiger wurde. Miro führte ihn ein paar dieser Hügel hinauf und anschließend in ein kleineres Waldstück hinein, ohne eine weitere Erklärung abzugeben. Aragorn wollte Miro schließlich nach dem Ziel dieses kleinen Fußmarsches fragen, als dieser stehenblieb und sich zu ihm umdrehte. Auf seinem Gesicht lag plötzlich ein so befreites, glückliches Lächeln, wie Aragorn es bisher noch nicht bei Miro gesehen hatte.

„Kommt, wir sind gleich da!"

Er nickte wortlos und schweigend gingen sie weiter.

Nach ein paar Schritten kamen sie in einen Teil des Waldes, der sehr dicht von Bäumen bestanden war. Deren ausladende Zweige verdeckten den größten Teil des blauen Himmels über ihnen, ließen aber genug Lichtbündel auf ihren Weg fallen, um die beiden Menschen in eine beinahe unwirklich scheinende Welt zu versetzen. Je tiefer Aragorn in dieses Waldstück eindrang, desto intensiver fühlte er sich an den Frieden Bruchtals erinnert. So wie dort atmete auch hier alles Ruhe, Leben und Ursprünglichkeit. Selbst das Moos, das sich nun in zunehmend dicker werdenden Schichten um Baumstämme, Felsbrocken und über den Untergrund zog, wirkte beruhigend auf Aragorns unablässig um Legolas kreisende Gedanken.

Nach einem weiteren halbstündigen Fußmarsch hatten sie die Mitte dieses Waldstücks erreicht. Aragorn sah, dass zwischen moosbewachsenen Steinen eine Quelle hervorsprudelte. Der silbrige Wasserlauf wand sich durch ein steiniges Bett, wurde dann zu einem kleinen Bach und verschwand endlich durch die Bäume in der Ferne. Miro war stehengeblieben und setzte sich nun auf einen großen Findling, der in der Nähe lag. Mit großen Augen sah er zu den Baumkronen empor, in deren diffusen Licht er Insekten, kleine Blätter und Pollen beobachtete, die fast wie schwerelos durch die Luft schwebten.

„Das ist mein Lieblingsplatz, wisst Ihr," sagte er kurz, ohne Aragorn anzusehen.

Dieser hatte gleichfalls angehalten und nahm das Bild in sich auf.

Für Miro war das hier eine andere Welt. Es war seine Welt, die ihm wohl deshalb so wichtig war, weil sie das genaue Gegenteil der Stadt darstellte. So sicher und ruhig wie an diesem Ort fühlte er sich offensichtlich sonst nirgendwo.

Nach kurzem Überlegen setzte sich Aragorn langsam neben Miro. Auch er war für die Schönheit dieses Platzes empfänglich. Er hatte nicht vermutet, dass es in der Nähe einer so grauen und irgendwie tot wirkenden Stadt wie Ardaneh etwas so Lebendiges und Schönes geben konnte.

Eine Zeitlang schwiegen sie, doch es war nichts Bedrückendes an der zwischen ihnen liegenden Stille.

„Ich bin auf dem Land aufgewachsen," flüsterte Miro irgendwann, ohne Aragorn anzusehen. Es schien fast, als würde er mit sich selbst sprechen.

„Mein Vater und ich haben das Feld bestellt, uns um die wenigen Tiere gekümmert, die wir besaßen und sind viel im Wald unterwegs gewesen. Ich war gerade sieben Jahre alt geworden und mein Vater hatte mir einen Bogen angefertigt. Eines Tages kamen wir von der Jagd zurück..."

Aragorn warf einen Seitenblick auf Miro und sah, wie Tränen in seine Augen stiegen. Die Erinnerung schien ihn zu überwältigen. Beruhigend legte er ihm eine Hand auf die Schulter, schwieg jedoch. Er begriff, dass man manchmal einfach nur zuhören musste.

„Unser Haus war zerstört, unser Feld verbrannt. Nach den Resten unserer Tiere zu urteilen, hatte eine Horde Orks dieses verheerende Chaos angerichtet. Unsere Existenz war völlig zunichte gemacht. Wollten wir nicht verhungern, mussten wir in die Stadt gehen."

Miro verstummte kurz und wischte sich mit einem verstohlenen Seitenblick auf Aragorn in einer trotzig wirkenden Geste die Tränen von den Wangen.

„Oft habe ich mir seither gewünscht, damals daheim gewesen zu sein, als die Orks auftauchten. Dann hätte mein Leben dort ein Ende gefunden, wo ich am glücklichsten gewesen bin. Alles, was danach kam, war der reinste Albtraum. Mein Vater war der Stadt nicht gewachsen. Er begann zu trinken und dann..."

Er verstummte, doch Aragorn erinnerte sich an das, was Miro vor Ilgats Haus gesagt hatte. Einmal mehr wurde ihm klar, wie behütet er dank Elronds Großzügigkeit hatte aufwachsen können. Er musterte Miro lange, dann stand sein Entschluss fest. „Komm doch mit mir, wenn ich die Stadt verlasse!"

Mirodas hielt den Atem an und sein unsicherer Blick ging zu Aragorn, dessen graue Augen ihn ernst und entschlossen ansahen. War es nicht das, was er gewollt hatte? Vielleicht war es ja sein Schicksal, den Fremden zu treffen und ihm zu helfen? Bot sich ihm jetzt die Chance, neu anzufangen? Der Junge zögerte keinen weiteren Moment. Er hatte nichts zu verlieren, doch viel zu gewinnen.

„Ich würde gern mit Euch gehen, mein Herr!"

Aragorn erkannte plötzlich überrascht, dass er sich Miro bisher nicht vorgestellt hatte. Es beschämte ihn, dass es nur ein paar Tage in der Stadt der Menschen bedurfte, um ihn seine Höflichkeit vergessen zu lassen.

„Mein Name ist Estel!" Aragorn lächelte. „Hör auf, mich Herr zu nennen!"

Miro sprang vom Stein herunter und erwiderte das Lächeln. Mit einem Schlag kam der übermütige Junge, der er nicht lange hatte sein dürfen, in ihm wieder durch.

„Dann, mein Herr Estel, lasst uns zurück nach Ardaneh gehen. Ich habe Hunger und ich könnte mir vorstellen, dass Ihr seit dem Gespräch mit Assat auch nichts mehr zu Euch genommen habt."

„Du hast recht," sagte Aragorn und stand gleichfalls auf. Er spähte durch das Blätterdach der Baumkronen in den Himmel, dann kehrte sein Blick zu Mirodas zurück. „Ich danke dir, dass du mir diesen Ort gezeigt hast. Bald werde ich dir einen ebenso schönen Platz zeigen."

Miro sah ihn an, sagte aber nichts, und Aragorn ging an ihm vorbei langsam den Weg zurück, den sie gekommen waren. Das Knacken der Zweige unter Miros Füßen verriet, dass der Junge ihm folgte.

'Vater wird das zwar nicht gefallen, aber mein Entschluß steht fest.' Aragorn stellte überrascht fest, dass er es zum ersten Mal nicht als bedrückend empfand, Verantwortung für jemand anderen zu übernehmen. Angesichts dieser Erkenntnis musste er wider Willen lächeln. 'Ich werde einen Platz in Bruchtal für dich finden, auch wenn ich noch nicht weiß, welchen.'

***

„Und du bist sicher, dass er Ardaneh nicht endgültig verlassen hat?" Yuliths misstrauischer Blick traf seinen Begleiter, der eine Armlänge hinter ihm stand und immer wieder erwartungsvoll die Gasse entlang starrte.

Dassarh wirkte angesichts der Frage gleichermaßen gekränkt wie ungeduldig.

„Ich sag dir doch, er und diese kleine Ratte sind zu Fuß unterwegs. Keiner mit ein bisschen Verstand würde zu Fuß nach Osten gehen. Du weißt so gut wie ich, dass die nächste Stadt Tagesreisen von hier entfernt ist. Ich bin mir sicher, dass sie zurückkommen werden."

„Na gut," knurrte Yulith und ließ seinen Blick durch die enge Gasse und an den vernachlässigten, schmutzigen Katen empor wandern. „Es ist alles vorbereitet. Nur zwei Gassen führen vom Osttor zum Gasthaus zurück, und beide treffen sich hier. Es ist der perfekte Platz."

„Hmm..."

Es war nicht auszumachen, ob Dassarhs Missmutsäußerung nun der Erklärung seines Kameraden oder etwas anderem galt und Yulith wollte es auch gar nicht wissen. Er war einfach nur ungeduldig und ertrug Dassarhs Nervosität nicht länger.

„Geh jetzt auf deinen Platz. Sieh zu, dass du schleunigst hierher zurückkommst, wenn du die beiden kommen siehst, und gib mir das verabredete Zeichen. Wir müssen ihn gleichzeitig in die Mangel nehmen, wenn wir überhaupt eine Chance gegen diesen Fremden haben wollen."

Yuliths Größe und sein bulliger Körperbau täuschten einen Nichteingeweihten leicht darüber hinweg, dass in dem Mann nicht nur ein beachtliches Maß an Kraft, Zähigkeit vorhanden war, sondern dass er ebenso schnell und beweglich sein konnte, wenn es darauf ankam. Das alles wurde von seiner boshaften Schläue und einem gewissen Grad an Jähzorn noch verstärkt.

Dassarh war sich der Fähigkeiten seines Kumpans dagegen durchaus bewußt.

„Schon gut, schon gut," wiegelte er ab, um keinen Streit zu provozieren, den er nur verlieren konnte. Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand in einer der benachbarten Häuser. Es war seit einiger Zeit verlassen, bot jedoch Zugang zu einem Labyrinth aus Wegen, von denen einer auch in ziemlich gerader Linie durch die Hinterhöfe der Ledergerbereien bis fast vor das östliche Stadttor führte.

Die Menschen dieses Viertels waren arm, denn die mühsame, schmutzige, stinkende Arbeit, die sie leisteten, wurde in Ardaneh sehr schlecht bezahlt. Daher hatten sie nichts dagegen, wenn gewisse Kreise ihre Verbindungswege gegen gelegentliche Bezahlung für ihre Zwecke nutzten. Diesen Umstand beabsichtigten sich Ilgats zwei Wachhunde nun zunutze zu machen.

Yulith sah zu einer Toröffnung hinüber, in deren Schatten er die Silhouette eines weiteren Mannes ausmachen konnte. Er hatte ihn im voraus dafür bezahlt, dass er auf sein Zeichen hin die Gasse mit seinem Fuhrwerk versperren und dann verschwinden würde. Dem Fremden bliebe dann nur noch ein Weg, wollte er nicht über den Karren klettern – und dieser Weg würde ihn zu Yulith führen, direkt hinein in die Falle!

***

Es war noch früh und die Sonne schob sich in der Ferne gerade erst über den Horizont, doch bereits jetzt war zu erkennen, dass ein weiterer schöner Tag bevorstand. Die morgendliche Stille im Schloss von Düsterwald wurde nur vom fröhlichen Vogelgezwitscher und den beinahe unhörbaren Schritten der Diener durchbrochen, die sich den täglichen Pflichten zu widmen begannen.

Eigentlich konnte nichts die Ruhe der Schlafenden stören.

Elrond wusste dennoch genau, wieso er die ganze Nacht über vergeblich auf Schlaf gewartet hatte. Nach langem Hinundherdrehen auf seinem Lager hatte er sich schließlich seufzend wieder erhoben, eine seiner Roben angezogen und war dann an das große Panoramafenster des Raumes getreten. Seine Hoffnung, beim Anblick des Nachtfirmaments, das in einer selten gesehenen Sternenpracht glänzte, etwas Frieden zu finden, war aber enttäuscht worden.

Die Sorgen um den Prinzen und um Estel ließen ihn seit der bedrückenden Unterredung mit Galadriel nicht mehr los.

Sie hatte ihm während der abendlichen Mahlzeit erzählt, wie dicht Legolas bereits vor den Hallen von Mandos gestanden hatte. Ihren Worten nach war es nur Thranduils Einsatz zu verdanken, dass es nicht zum Schlimmsten gekommen war, doch etwas in Elrond ahnte, dass sie ihm erneut nicht alles offenbarte. Er hatte es an der Sorge in Galadriels Augen erkennen können, jedoch nicht weiter danach gefragt. Stattdessen machte sich der Elbenfürst seine eigenen Gedanken über ihre Rolle, bis er schließlich im Stillen Ilúvatar gebeten hatte, seinen Ziehsohn bald zurückkehren zu lassen. Auch jetzt wieder weilten seine Gedanken bei Aragorn.

'Estel... Warum fällt es mir nur so schwer, dich ziehen zu lassen? So schwer fiel es mir bei Elladan und Elrohir nicht. Warum also jetzt bei dir?'

Der Elbe seufzte leise und sah gedankenverloren hinunter auf die Wipfel der Bäume, die von den ersten Sonnenstrahlen in ein goldenes Licht getaucht wurden. So schön es hier auch war – es war nichts im Vergleich zur Schönheit seines Tales. Wehmütig stellte er fest, dass ihm Bruchtal bereits zu fehlen begann.

'Ich sollte endlich zu meinen Söhnen zurückkehren. Hier gibt es nichts mehr, das ich noch tun könnte...'

Wieder und wieder hatte er in der Nacht über diese Möglichkeit nachgedacht, doch so vernünftig und verlockend sie ihm schien, so sehr widerstrebte ihm der Gedanke auch. Er hätte nicht sagen können, was genau es war, doch etwas – ein Gefühl, eine vage Ahnung, die sich gerade am Rande seiner Wahrnehmung bewegte – hielt ihn hartnäckig davon ab, den Befehl zur Abreise zu erteilen.

König Thranduil und er waren nicht unbedingt das, was man befreundet nennen würde, doch Elrond wusste, dass der König von Düsterwald ihn, um das Wohl seines Sohnes willen, auch weiterhin in seinen Mauern beherbergen würde.

Abwesend strich er über das geschwungene Holz des Fensterrahmens, während sein Blick sich im windbewegten Spiel des Laubes verlor. Der Herbst war nicht mehr weit. Seine Boten hatten bereits Einzug in die Natur gehalten und begannen damit, die ersten Blätter mit den Farben der Vergänglichkeit zu zieren. Gelb mischte sich vielfach mit dem Sommergrün des Laubes und hier und da waren schon erste rote Tupfen auf den Blättern zu erkennen.

Es war ein dunkles Rot, das Elronds Blicke anzog und festhielt, das seine um Legolas und Aragorn kreisenden Gedanken ebenso zum Verstummen brachte wie das Vogelgezwitscher im Garten, bis irgendwann nichts mehr da zu sein schien außer einem unerklärlichen Gefühl von Furcht.

Elrond registrierte es nicht, aber während sein Instinkt gegen den schnell stärker werdenden Griff einer Vision ankämpfte, begann sein Atem heftiger zu gehen und sein Herz zu rasen.

Er sah nur noch das Rot, das sich plötzlich vom Laub zu lösen schien, wie Regentropfen es im Sonnenlicht taten. Gleich diesen rollten die Farbtropfen, die mehr und mehr Blut ähnelten, glitzernd hinab zur Spitze der Blätter und stauten sich dort auf, bis sie zu Boden fielen. Immer mehr rote Tropfen lösten sich vor Elronds Augen vom Laub, blieben auf der Erde liegen, bis sich endlich eine Pfütze gebildet hatte. Der Elbe sah, dass diese Lache nicht versickerte, sondern sich sammelte wie in einer flachen steinernen Schale, die man jeden Augenblick umstoßen konnte. Es war etwas Fremdes an diesem Anblick, etwas Bedrohliches, dessen Ursprung er sich nicht erklären konnte.

Noch während er versuchte, sich aus dem lähmenden Griff dieses Anblickes zu befreien, bewegten sich unvermittelt einige Elben von der Seite her in sein Blickfeld. Stumm und reglos sah er zu, wie die schweigende Prozession unter seinem Fenster hinweg auf einen Pavillon zu ging.

'Richtig,' erinnerte sich ein Teil von Elronds Verstand leise, 'Thranduil hat ihn für seinen Sohn errichten lassen...'

Als wäre diese Erinnerung der Auslöser, schwebte nun auch eine Bahre in sein Sichtfeld. Die schmale Gestalt, die darauf lag und deren silbernes Haar von der Sonne tiefgolden gefärbt wurde, erkannte Elrond sofort.

'Legolas...'

Er wollte dem lautlosen Zug folgen, sich an die Seite des Prinzen gesellen, doch etwas hielt ihn erbarmungslos an seinem Platz fest. Weder war er in der Lage, seine Augen von diesem Anblick abzuwenden, noch wollte ihm seine Kehle gehorchen und ein Wort formulieren.

Die Träger der Bahre indes hatten den Pavillon erreicht. Sanft betteten sie Legolas auf das Lager, dann wandten sie sich ab und verließen ihn wieder, ohne noch ein Wort an ihn zu richten. Sie schienen nicht zu sehen, dass unweit von ihnen die blutrote Pfütze urplötzlich zu einem gespenstischen Leben erwachte. Als habe sich ein Raubtier unter ihrer Oberfläche verborgen, erzitterte sie kurz, um sich gleich darauf zusammenzuziehen. Einen Moment später begann die Flüssigkeit auf den Pavillon zuzugleiten – langsam, doch mit der Sicherheit eines Jägers auf Beutefang.

Elrond wollte die Wachen zurückrufen, wollte sie anweisen, den Prinzen in Sicherheit zu bringen, doch noch immer war seine Kehle wie zusammengeschnürt.

'Kommt zurück!' schrieen seine Gedanken, ohne dass er sich rühren konnte, 'Legolas ist in Gefahr. Seht ihr es denn nicht?'

Niemand hörte den gequälten Aufschrei seiner Gedanken, als die rote Flüssigkeit den Pavillon gleich darauf erreichte, unaufhaltsam an der Liegestatt empor glitt und sich schließlich über die Gestalt des Prinzen legte. Mit einer Heftigkeit, die nur aus Todeskampf geboren wird, bäumte sich der Prinz auf, ehe das Leben ihn zu verlassen begann und aus dem schrecklichen Rot langsam Schwarz wurde.

Es war das Schwarz, das Sterbetücher haben, begriff der Elbenfürst und kämpfte verzweifelt gegen die Starre an, die ihn noch immer gefangen hielt. Sie entließ ihn erst aus ihrem Griff, als auch die Schwärze verblasst war und eine Hand des Prinzen langsam und unzweifelhaft leblos zur Seite fiel. In fassungsloser Trauer schloss er vor diesem Anblick die Augen.

„Oh, ihr Valar, nein! Lasst es nicht zu!"

Er verstummte, als ihm klar wurde, dass das entsetzte Flüstern seine Kehle tatsächlich verlassen hatte.

Mühsam hob er die Lider und ließ seinen Blick durch die Umgebung schweifen. Nichts von dem, was seine Augen ihm gerade gezeigt hatte, war zu sehen. Noch immer stand er am Fenster seines Raumes und noch immer war sein Blick in die vom Morgenlicht beleuchteten Bäume gerichtet, doch die Hand, die zuvor verloren über den Fensterrahmen gestrichen hatte, umklammerte das Holz nun so heftig, dass die Knöchel auf seinem Handrücken weiß hervortraten.

'Eine Warnung!' Elrond rang nach Atem, während sein Herz beinahe schmerzhaft gegen den Brustkorb hämmerte. 'Eine Vision, die vielleicht noch nicht wahr geworden ist.'

Etwas sagte ihm, dass er sich beeilen musste, Legolas zu erreichen, wenn seine Vision weiterhin lediglich ein Schatten des Möglichen bleiben sollte. Seine Robe raschelte leise über den steinernen Boden, als er sich umwandte und mit schnellen Schritten sein Quartier verließ.

***

Miro und Aragorn hatten sich während des Rückweges kaum unterhalten.

Während Mirodas, der es gar nicht erwarten konnte, die Stadt zu verlassen, sich bereits seine Zukunft auszumalen begonnen hatte, waren Aragorns Gedanken schnell wieder zu Legolas, der Wartezeit und schließlich zu Assat zurückgekehrt.

'Von den zwei Tagen ist kaum erst einer vorbei,' sinnierte er, während die Stadtmauer langsam in Sicht kam. 'Noch mehr als ein ganzer Tag... Wie soll ich die Zeit nur durchstehen, ohne dass mir die Untätigkeit den Verstand raubt?'

Schweigend passierten die beiden kurz darauf das Stadttor, um sofort wieder vom Lärm und Gestank Ardanehs empfangen zu werden. Es war vor allem der beißende Geruch nach Lauge, der Aragorn angewidert das Gesicht verziehen ließ. Er tippte Miro auf die Schulter.

„Sag mal, gibt es wirklich keinen anderen Weg zu meinem Gasthaus, als den, den wir auf dem Hinweg genommen haben?"

 „Nein, es ist der einzige." Miro schüttelte den Kopf. „Auf dieser Seite Ardanehs befinden sich die ärmsten Viertel der Stadt. Jenseits des Osttores führt die Straße auf Tage durch unbewohnte Gegenden und Wälder. So gut wie niemand kommt von dort und nur selten verlässt jemand die Stadt in diese Richtung. Entsprechend wenige Händler oder Reisende verirren sich hierher. Wer auf dieser Seite der Stadt lebt, hat so gut wie nichts mehr."

„Und du?" Aragorn zögerte kurz. „Wo lebst du?"

Die Frage war Miro sichtlich unangenehm, den er antwortete zunächst nicht, sondern führte Aragorn in eine leicht nach links abbiegende Gasse hinein. Die Luft, die den beiden aus dieser Richtung entgegenschlug, war schwer und roch scharf, ätzend, sauer und nach Tierabfällen zugleich. Für Aragorn, der die reine Luft der Wälder gewohnt war, wurde das Atmen zur Qual. Dennoch wollte er eine Antwort auf seine Frage, also wiederholte er sie.

Miro sah nach vorn. „Jedenfalls nicht hier. Schlimm genug, dass ich auf den Straßen Ardanehs leben muss, seit mein Vater tot ist. Doch so etwas wie das..." Er deutete kurz auf die schmutzigen Katen, die sich hier dicht aneinander drängten. „...könnte ich nicht ertragen. Hier sind zwar ein paar Häuser leer, aber lieber schlafe ich in Hauseingängen oder auf der Straße als in diesem ewigen Gestank."

Aragorn verstand Miros Haltung und schwieg in Ermangelung einer Antwort. In ein, zwei Tagen würden sie beide Ardaneh verlassen und schon bald würde das alles hier hinter Miro liegen. Über diesen Gedanken kam vor den beiden nun ein etwas breiterer Platz in Sicht, der vom weichen Licht der Nachmittagssonne erhellt wurde. Auf ihm würde die Gasse münden, wusste Aragorn.

Es war still. Viel stiller, als es am Mittag noch gewesen war. Zu still, wie Aragorn fand.

Etwas in ihm, ein unbestimmtes Gefühl nahenden Unheils, trieb ihn dazu, alle Muskeln anzuspannen und wachsame Blicke in seine Umgebung zu schicken, während eine Hand langsam zum Schwertgriff wanderte.

Miro hatte die Veränderung im Verhalten Aragorns bemerkt und warf ihm einen fragenden Blick zu. „Was ist los?"

„Ich weiß nicht genau..." Misstrauisch musterte Aragorn seine Umgebung, doch er sah nichts weiter als einen alten Mann, der gerade dabei war, auf den Kutschbock seines Pferdekarrens zu klettern, um ihn auf die Gasse hinauszulenken. „Vielleicht ist es nichts."

Er verlangsamte seinen Schritt unmerklich und Miro passte sich ihm an. Schließlich traten die zwei aus dem Dämmerlicht der engen Gasse auf den etwas lichteren Platz hinaus, ohne dass etwas passiert war.

Aragorn war fast geneigt, seine Ahnung der Überreizung seiner Sinne durch die Stadt zuzuschreiben, als ihn lautes Gepolter herumfahren ließ. Zu seiner Erleichterung war es nur der Pferdekarren, der sich soeben aus der Toreinfahrt auf die enge Gasse hinauszuschieben begann. Er wollte sich schon abwenden, als ihm eine Frage in den Sinn kam.

'Wieso fährt der Pferdekarren in diese Gasse hinein? Sie ist doch viel zu eng...'

„Das ist ein Hinterhalt!" Das Begreifen kam einen Augenblick zu spät, denn ehe er sich herumwerfen und den Rückzug antreten konnte, hatte das Fuhrwerk die Gasse bereits in ihrer gesamten Breite versperrt. Der Kutscher kletterte soeben auf der anderen Seite des Karrens hinunter und verschwand im nächsten Hauseingang, wo sich laut krachend eine Tür hinter ihm schloss.

Es gab nur noch eine Richtung für die beiden: nach vorn!

„Lauf!" Aragorn gab dem überraschten Miro einen Stoß, während er sich im selben Augenblick in Bewegung setzte, um die Gasse zu erreichen, die auf der gegenüberliegenden Seite  weiter ins Stadtinnere hineinführte.

Er kam nicht sehr weit, denn in diesem Moment traten zwei Männer von links und rechts in seinen Weg. Aragorn blieb stehen, als wäre er gegen eine Wand geprallt. Diese beiden Kerle erkannte er sofort: es waren Ilgats Wachhunde, die ihn bereits vor dessen Haus abgefangen hatten. Aragorn wusste im gleichen Augenblick, dass sie auf den Edelstein aus waren, und dabei spielte es keine Rolle, ob sie auf eigene Rechnung oder in Ilgats Auftrag handelten.

'Versucht es nur,' dachte er und presste entschlossen die Lippen zusammen.

Der größere der beiden hatte ihn beobachtet und grinste ihn nun geringschätzig an, während er erwartungsvoll ein mehr als armlanges Schwert aus einer Lederscheide zog. Der Kleinere dagegen schickte wachsame Blicke zwischen Aragorn und Miro hin und her, ohne zunächst eine Waffe zu zeigen. Auch Aragorn zog nun sein Schwert. Als die schmale Klinge im Licht aufblitzte, hielt er kurz in seinen Bewegungen inne und sah Miro an. Mit einem Seufzen zog er schließlich einen seiner beiden Dolche und drückte ihn dem Jungen in die Hand.

„Ich habe keine Ahnung, ob du mit so einer Waffe umgehen kannst, aber ich schätze, du wirst sie gleich brauchen."

Dann wandte er sich nach vorn und trat langsam auf Yulith zu, ohne Dassarh aus den Augen zu lassen.

„So sieht man sich also wieder."

„Ihr habt etwas, das wir haben wollen. Und wir werden es uns holen."

„Versucht es ruhig. Aber ihr werdet sterben bei dem Versuch." Kampfbereit hob Aragorn sein Schwert. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Miro den Dolch fest gepackt hatte und sich unverwandt auf Dassarh konzentrierte. 'Gut, er hält mir den Rücken frei!'

„Wir werden sehen." Mit einer beinahe lässig zu nennenden und für Aragorn überraschenden Schnelligkeit kam Yulith auf ihn zu und zwang ihn, eine Reihe von vorsichtigen, aber gut durchdachten Hieben zu parieren. Aragorn hatte kaum Raum genug, eigene Angriffe anzubringen, denn die Wucht von Yuliths Schlägen trieb ihn weiter und weiter zum Pferdekarren zurück.

Während einer weiteren Reihe von Streichen, die deutlich auf seine Kehle abzielten, schob sich unvermittelt Glorfindels Stimme in seine Gedanken.

'Du musst lernen, deinen Gegner ganz genau zu beobachten...'

'Gar nicht so einfach, wenn man gerade dabei ist, sein Leben zu verteidigen,' dachte Aragorn, während er seinerseits einen Angriff startete, den abzuwehren Yulith nun schon etwas mehr Mühe hatte.

'Schau deinem Gegner nicht nur in die Augen. Die Körpersprache verrät dir viel mehr von dem, was er in den nächsten Sekunden plant...'

Während Aragorn sich unter einem hoch geführten Schwerthieb hinwegduckte, hatte er Gelegenheit, kurz nach Miro Ausschau zu halten. Er sah flüchtig, dass Dassarh und der Dieb am anderen Ende des kleinen Platzes miteinander kämpften, doch mehr zu erkennen ließ Yulith ihm keine Gelegenheit.

Es war ein ausgewogener Kampf. Aragorn stellte zwischen zwei Paraden überrascht fest, dass er ernste Mühe hatte, Yulith abzuwehren und seine nächste Aktion vorauszuahnen. Der große, bullig wirkende Mann war gut mit der Klinge – schnell und voller Finten.

Minuten vergingen, doch für Aragorn erschienen sie wie Stunden. 'Sollte ich mit heiler Haut hier herauskommen, werde ich Glorfindels Lektionen in Zukunft ernster nehmen und ein paar Übungsstunden zusätzlich mit ihm verbringen,' schwor er sich, während Yulith weiter vor ihm zurückweichen musste.

Dem schien diese Entwicklung nicht zu gefallen und sein Missfallen stieg noch, als ein schmerzerfüllter Schrei die Stille zerriss.

„Du kleine Missgeburt... Na warte, das wirst du mir büßen!" Das war eindeutig Dassarhs Wutgeheul.

Nur für einen winzigen Augenblick gestattete Aragorn es sich, einen Blick zu Miro zu werfen, doch genau diese Entscheidung entpuppte sich als schwerer Fehler.

Während des Kampfes waren er und Yulith dem Pferdekarren näher gekommen und Aragorn hatte ihn als Rückendeckung genutzt, für den Fall, dass Miro den anderen Mann nicht abwehren konnte.

Yulith nutze Aragorns kurzzeitige Unaufmerksamkeit und warf sich mit aller Kraft gegen ihn, um ihn aus dem Gleichgewicht und somit zu Boden zu bringen. Aragorn prallte mit voller Wucht gegen den Pferdekarren und der Inhalt der darauf stehenden Holzbottiche fing an überzuschwappen. Als Aragorn aufsah, bekam er einige Tropfen der übel riechenden Flüssigkeit in die Augen.

„Aaaaaaaaaahhhhhhhhhhhh...!"

Ein Teil von Aragorns Denken stellte erschreckend ruhig fest, dass er es war, der da gerade schmerzerfüllt schrie, einen Arm vor das Gesicht schlug und dann auf die Knie sank, während ein anderer Teil seiner Sinne nur noch danach verlangte, das Gesicht in Wasser tauchen zu können, um den Schmerz weg zu spülen.

„Was ist mit Euch?" fragte Yulith in gespielter Besorgnis. „Ward Ihr etwas unvorsichtig? Dies ist ein armes Viertel und doch gibt es hier unerwartet wirksame Hilfe. Glaubt Ihr immer noch, den Stein verteidigen zu können?"

„Noch kann ich kämpfen," presste Aragorn zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und erntete damit schallendes Gelächter. Es kostete ihn seine ganze Überwindungskraft, die Waffe festzuhalten und mit tränenden, nur noch spaltweit geöffneten Augen nach jenem Schatten Ausschau zu halten, hinter dem sich sein heimtückischer Gegner verbarg. Dass er auf Yulith nicht schnell genug reagieren konnte, bewies ihm der nächste brennende Schmerz, der diesmal seine noch nicht ganz verheilte Schulter durchzuckte. Yuliths Tritt gegen die immer noch nicht ganz verheilte Wunde, ließ Aragorn wieder aufschreien.  

„Noch ein letztes Wort, ehe Ihr mich zu einem reichen Mann macht?" Aragorn konnte Yulith noch immer nicht sehen, doch er hörte am Klang der Stimme, das dieser gefährlich nahe vor ihm stehen musste. In diesem Augenblick ertönte ein weiterer Schrei, von dem Aragorn nur ahnen konnte, dass er von Dassarh stammte.

„Ja, aber von mir!" Mit Mirodas' entschlossener Stimme hatte keiner von ihnen gerechnet – am allerwenigsten Aragorn.

Nach einem Herzschlag absoluter Stille ertönte das leise Sirren eines geworfenen Messers, gefolgt von Yuliths Stöhnen.

„Dein Kamerad war klüger. Er zog es vor, zu verschwinden, solange er noch beide Hände benutzen konnte. Du bist offenbar nicht so schlau..."

Miros Stimme übertönte das Stöhnen, das plötzlich in einem Schwall von Flüchen überging.

'Oh, Ilúvatar sei Dank, Miro lebt!'  Aragorn konnte es kaum glauben, doch er war erleichtert, dass er nicht länger allein auf verlorenem Posten zu stehen schien.

Etwas in Aragorns Nähe klirrte. Er hielt den Schwertgriff noch immer fest umklammert, also konnte es sich nur um Yuliths Waffe handeln! Das Geräusch sich langsam von ihm entfernender Schritte beruhigte sein wild klopfendes Herz ein wenig.

„Dafür werdet ihr büßen!" Yuliths Stimme, nun schon weiter entfernt, klang seltsam gepresst, so als würde er die Worte unter großen Schmerzen äußern. Schließlich wurden seine Schritte leiser, bis sie ganz in der Ferne verhallten.

Aragorn bekam seine Augen noch immer nicht auf. Ihr erbarmungsloses Brennen und der Schmerz in seiner Schulter ließen ihn keinen klaren Gedanken fassen und kaum mehr als ein paar mühsam formulierte Worte aus seinem Mund kommen.

„Miro... Miro, wo bist du?" Aragorn hatte nicht geglaubt, dass er so froh über die Gesellschaft des Jungen sein würde.

„Ich bin hier. Ganz ruhig." Momente später spürte er, wie sich jemand neben ihn kniete. Vorsichtige Hände tasteten über seine verletzte Schulter und ließen neue Schmerzwellen durch den gepeinigten Verstand Aragorns rollen. Wider Willen stöhnte er leise auf.

„Ich bin zwar kein Heiler, aber das sieht nicht gut aus..." Miros Stimme klang besorgt. „Was ist mit Euren Augen? Lasst mich mal sehen!"

„Ich habe eine Flüssigkeit in die Augen bekommen... auf dem Pferdekarren..." Aragorn wies hinter sich. Dann presste er die Augen fest zusammen, als könnte er so die brennende Flüssigkeit daran hindern, sich durch seine Pupillen bis ins Gehirn zu brennen. „Such' etwas Wasser, damit ich sie auswaschen kann..."

 „Gut. Ich bin gleich wieder zurück." Er spürte, dass Miro sich erhob und hörte, wie er sich hastig von ihm entfernte.

Plötzlich war Aragorn allein und Furcht kroch in sein Herz. Er konnte kaum etwas sehen und den verletzten Schwertarm nur noch unter großen Schmerzen heben. Was, wenn Yulith noch in der Nähe war, wenn er ihn beobachtete und sich seine Hilflosigkeit zunutze machte? Sein Atem ging schneller und Panik drohte sich des Menschen zu bemächtigen.

Wieso musste er schon wieder um sein Augenlicht bangen? Gab es irgendwo eine düstere Macht, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, ihn blind durch alle Gefahren taumeln zu lassen? Aragorn presste grimmig die Lippen zusammen. Warum sollte er jetzt noch daran glauben, dass er auch dieses Mal Glück haben und seinen Vater rechtzeitig erreichen würde, um sich in seine heilenden Hände zu begeben?

Nein, die Wahrscheinlichkeit dafür war eher gering, denn er war entschlossen, Ardaneh nicht eher zu verlassen, bis er das Gegenmittel in Händen hielt. Wenn der Preis für Legolas' Leben sein Augenlicht sein sollte, dann war es diesen Preis wert!

Es war, als hätte es dieses einen Gedankens bedurft, damit Aragorn zu jener inneren Ruhe fand, die er in den zurückliegenden Tagen vergeblich in sich gesucht hatte.

Mit ihrer Hilfe bekam er sich schließlich wieder unter Kontrolle. Egal, was geschehen würde: er war nicht allein, sondern hatte mit Miro eine wertvolle Hilfe gefunden. Er atmete tief durch. Noch war für Legolas nichts verloren!

***

Calean durchquerte den Gang, der ihn direkt zu den Gemächern des Prinzen bringen würde, gemessenen Schrittes. Unter dem Arm hielt er wiederum jenes Holzkästchen, in dem sich alles befand, das er für seine Kunst – und seinen Plan – benötigte.

Niemand würde sich wundern, dass er zu dieser frühen Stunde nach Legolas' Wunde sah und auch die Wachen, die Tag und Nacht vor seiner Tür standen, würden es ohne weiteres zulassen, dass er seinen Pflichten nachkam. Alles war so, wie man es erwartete, und nur er wusste, dass sein Vorhaben kurz vor der Vollendung stand. Nach dem Tod des Prinzen würde auch die gedankenlose Grausamkeit des Vaters bald ein Ende finden.

Der Heiler hatte über diesen Gedanken schließlich Legolas' Zimmer erreicht. Er trat ein und blieb neben dem Prinzen stehen. Noch schlief Thranduils Sohn, doch schon bald würden ihn die immer unerträglicher werdenden Schmerzen in seiner Schulter ein weiteres Mal wecken. Es war ein ebenso verzweifelter wie aussichtsloser Kampf und Calean wusste, dass Legolas ihn nicht gewinnen konnte.

Die Kräfte des Giftes, das langsam und gnadenlos den Tod in den zuvor so lebendigen Körper brachte, begannen nun deutlich ihren Tribut zu fordern. Wie ein Schatten hatte sich die Erschöpfung als fahle Blässe über das Antlitz des Prinzen gelegt und nicht einmal der Schlaf vermochte diese Spuren noch zu tilgen. Selbst ein flüchtiger Blick ließ erkennen, dass Legolas' Geist kaum noch Kraft zum Durchhalten hatte.

'Das Leben verlässt Euren Körper immer schneller und bald kann nicht einmal die Macht Lady Galadriels Eure Seele noch in dieser Welt halten.' Ein zufälliger Beobachter wäre vor dem Irrlichtern des Fanatismus in Caleans Augen zurückgeschreckt, mit dem dieser die Phiole mit der granatroten Flüssigkeit betrachtete, die er gleich darauf aus seinem Kästchen hervorholte.

'Keinen Tag mehr länger, keinen einzigen. Ich habe lange genug gewartet. Es muss endlich ein Ende haben...'

Vorsichtig entfernte er den Stopfen aus dem Fläschchen, dann wanderte sein Blick zu Legolas. Nur die jahrhundertelange Erfahrung als Heiler ließ ihn trotz dessen Katatonie erkennen, dass dieser gerade erwacht war.

'Es ist soweit...' Bedächtig ging er um das Bett herum, dann setzte er sich an die Seite des Elben und sah ihm in die Augen. Mühsam fokussierte sich Legolas' Blick auf ihn, noch schleppender folgte der Ausdruck des Erkennens.

Calean beugte sich etwas zu Legolas hinunter, doch es lag keine Wärme in seinen Zügen.

„Guten Morgen, mein Prinz."

Er begann mit der freien Hand Legolas' Tunika von dessen verletzter Schulter zu entfernen, bis die entzündete Wunde schließlich offen vor ihm lag. Langsam, wie unter großer Anstrengung, hob er seine Augen und suchte ein weiteres Mal Legolas' Blick.

„Wie schön, dass Ihr dieses Mal wach seid!"

Ein lange vermisster Frieden durchfloss Calean und brachte alle anderen Gedanken zum Verstummen. Er war sich dessen nicht bewusst, aber ein Ausdruck der Zufriedenheit legte sich über sein Gesicht, als er die Giftphiole über die Wunde hob, ohne den Blickkontakt zu Legolas zu unterbrechen. Endlich war er am Ziel. Diesen Augenblick wollte er sich für immer einprägen.

„Ich bin gekommen, um Euch zu töten!"

***

wird fortgesetzt

Dragon-of-the-north:
Ja, ja, der Stein ist noch da. Da haben wir uns, dank einer fleißigen Reviewerin kurzfristig noch mal umleiten lassen. Aber lass dich einfach weiter überraschen...
Atlantis:
Stimmungshoch dank FanFiction... Ja, das kennen wir auch zur Genüge. Jetzt, da wir selber schreiben, kommen wir kaum noch zum Lesen. Doch ab und zu schnappen wir uns eine Story und lassen uns ebenfalls in eine uns unbekannte Geschichte hineinziehen.
Evala:
Schön, dass wir auch mal wieder was von dir hören. Diesen Vielfrass namens Alltag kennen wir auch zur Genüge. Darum ist es um so schöner, wenn man sich in die HdR-Welt flüchten kann, um wenigstens für ein paar Stunden dem Grau der Normalität zu entfliehen. Aragorns Charakter finden wir selbst extrem interessant, weil er so viele „Schwächen" und Angriffspunkte hat. Da lassen sich Geschichten draus zaubern...
Asahi:
Hey, beschwerst du dich etwa darüber, dass die neuen Kapitel meistens schon Freitag im Netz sind und nicht Samstag? *g* Also wir bringen da wirklich nichts durcheinander ... Nee, so ist das nicht. ManuKu als Webmistress ist am Samstag leider meistens immer etwas vergesslich, weil da die Familie ihre Rechte fordert. Also sind wir auf Freitag Abend umgeschwenkt. Da fühlt sich dann so manch einer überrascht und das ist doch auch nett, oder?!
Bra:
"Kein Vater sollte sein Kind überleben!" Diese Stelle ist wirklich aus „Die zwei Türme" und weil ich [ManuKu] selber eine kleine Tochter habe, konnte ich gar nicht anders und habe die Sitzreihe im Kino mit meinem Schluchzen zum Beben gebracht. Ich habe geheult wie ein Schlosshund! Daran musste ich natürlich sofort denken, als wir die Thranduil-Szene geschrieben hatten.
Mystic Girl:
Zu zweit lässt sich einiges beim Schreiben leichter angehen. Mittels Brainstorming kommt man dann zwangsläufig auf eine Idee und dann ist es wie ein Lauffeuer. Eins gibt das andere... Vielleicht versuchst du mal, einfach in die Story hineinzuspringen... mit einem Gespräch oder einer Beobachtung. Erklärungen kannst du dann im Laufe der Geschichte einbauen. Einfach drauflos schreiben. Ändern kann man hinterher immer noch...
Kaeera:
Na klar sind wir FF-Schreiberlinge alle irgendwie durchgeknallt. Sigmund Freud würde sich alle 8 Finger und beide Daumen lecken, wenn er uns in die Hände bekommen hätte...
Queen-of-Gondor:
Vater und Sohn sind endlich wieder vereint... Familienprobleme müssen schnellstens geklärt werden, sonst knabbert man lange daran. Und bei Elben können das verdammt lange Jahrtausende werden, oder? *g*
Stoffpferd:
Ach du armes kleines Plüschpferdchen! Statt herumzutollen wie es sich für deinen übermütigen Charakter geziemt, haben wir dich also in eine Ecke deiner Stallbox verbannt und dich über einen Berg Taschentücher heulen lassen? Wir sind so schlecht! *Autorinnen versuchen gerade sehr bedrückt auszusehen, was ihnen aber nicht gelingt*
BlackPearl:
Na klar sind wir schon ein paar Kapitel weiter mit der Geschichte. Und das ist auch ganz gut so. Weißt du, wie oft wir schon in geschriebene Kapitel Änderungen einbauen mussten, damit die Story funktioniert? Frag lieber nicht! Hey, wir haben zwar geschrieben, dass wir die beiden Jungs nie töten würden, aber wir haben dabei nur von uns geredet. Wer weiß denn, was unsere Musen in Zukunft mit Legolas und Aragorn vorhaben? Vielleicht sind sie ihres Jobs müde und haben keine Lust mehr, uns zu inspirieren! Da kann es dann vielleicht schon passieren, dass wir die beiden Helden einen Heldentod sterben lassen, quasi als Abgang von der FF.net-Bühne mit Knalleffekt... Vertraue niemals einem Autor! Er liebt es, seine Leser zu überraschen!*g*
Feyween:
Dein PC spielt also wieder nach deinen Spielregeln? Gut, dass du ihm gezeigt hast, wer von euch beiden weiß, wie man eine Festplatte formatiert! *g*
Nili:
*Autorinnen ganz kleinlaut* Okay, du hast ja recht. Assat steht auf Männer! Na und? Wenn wir schon keinen Slash schreiben können/wollen, dann durfte aber eine diesbezügliche Andeutung nicht fehlen. Außerdem macht das Assat doch noch gefährlicher, in zweierlei Hinsicht oder?! Also, wenn sich jemand wie du, dermaßen auf Schmerzen freut (deine Review machte dies recht deutlich), dann fragen wir uns, wer hier wohl Sadist ist?! *g*
Lady-of-Gondor:
Deine Review war alles andere als chaotisch. Sie war wirklich wunderschön.
"Seine Worte vermitteln die Liebe, die jeder von uns verdient hat und die einem wirklich über die Abgründe des Lebens helfen, einen auffangen, wenn man den Halt verliert und einem Trost spenden." Also deine Review hat uns fast zu Tränen gerührt! Du hast anscheinend all das beim Lesen gefühlt, was wir mit den Dialogen und den Gedanken ausdrücken wollten und du hast es in schönen Worten zusammengefasst. Vielen Dank dafür!