chapter XX: never thought...
Er sagte kein Wort. Nicht einmal ein Schmerzensschrei kam über seine Lippen. Er sah mir in die Augen aber ich sah nicht hin. Es tut mir so leid, es tut mir so leid, Omi! Vergib mir! Verdammt, wäre das ein anderes Leben, eine andere Welt, wäre ich nicht Ich... Wären wir keine Feinde... Verdammt, ich würde dich für immer lieben, weißt du?! ICH LIEBE DICH!!!
Er sah mir weiter in die Augen, bewegte sich nicht, nicht einmal als mein Messer seinen Schulterknochen traf. Sieh mich nicht so an! Sein Blick machte mich wahnsinnig und ich fragte mich erneut, wofür und warum ich dieses ganze Szenario spielte. Warum liebte ich ihn nur so sehr?! Warum hatte ich mich ausgerechnet in ihn verliebt? Er war nicht überdurchschnittlich hübsch, eher von der femininen Sorte, klein und zerbrechlich, er lachte die ganze Zeit und konnte nie still sein, immer musste er eine positive Sache an etwas finden, und war sie noch so klein...
Auch jetzt klammerte er sich sicherlich mit letzter Kraft an die Tatsache, dass ich immerhin bei ihm war... Wie wahnsinnig musste man sein...??
Wieso... wieso liebte ich einen so hoffnungslos positiven Menschen? Er war so... schrecklich... normal... das es schon wieder unnormal war... Wieso? Wieso ihn? Wieso Omi?
Ich liebe dich, dachte ich und fuhr mit dem Messer seine zarte Brust entlang. Blut spritzte aus dem haarfeinen Schnitt und färbte nicht nur Omis starren Körper, sondern auch das weiße Laken unter ihm mit hellrotem, metallisch riechendem Blut... Mir wurde übel, aber ich wusste, dass ich keine Anzeichen von Schwäche zeigen durfte. Ich hatte mich so angestrengt, dass er mich hasste! Ich durfte das doch nicht einfach so... jetzt... zerstören! Ich war dem Ziel so nah... Dieses langersehnte
gefürchtete
Ziel.
Mein Vögelchen! Mein Kätzchen!
Zu lang gequältes, zu sehr geliebtes...
Wenn das der einzige Weg ist, der dich retten könnte, dann werde ich den halt gehen. Ich wusste, dass das Erlischen seiner Liebe zu mir... aus mir wieder eine willenlose, automatische Puppe machen würde, aber auch dazu war ich bereit. Ich wollte einfach nicht mit ansehen, wie er zerbrach. Wegen mir zerbrach.
z
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Sein Blut bedeckte mein Gesicht, meine Hände und meinen gesamten Oberkörper, als ich ins Bad taumelte. Ich hatte den Heiß-Wasserhahn schon voll aufgedreht, als ich es mir anders überlegte und wieder aus der Dusche heraustrat. Ich glaubte noch immer die Wärme, die sein Blut ausstrahlte, zu fühlen und strich die dunkelroten, filigranen Linien behutsam nach. Traurig musterte ich mich selbst im Spiegel, das Blut auf meinem Körper, der selbe bleiche Schimmer auf der Haut, den auch Omi besaß... Mein Haar war verklebt und wegen Omis Blut verkrustet. Wir wurde erneut übel und ich ließ mich an der Wand zu Boden gleiten. Ich atmete schwer, begann meine Wange an meine blutigen Arme zu schmiegen und schließlich das klebrige Blut wegzuküssen.
Ich vermisste ihn.
Schon jetzt konnte ich es kaum aushalten ohne ihn und jede Sekunde schien mir eine Ewigkeit. Eine Träne kullerte keine Wange entlang und ich begann haltlos loszuschluchzen. Mein Körper bebte und zitterte und lange Zeit konnte ich nichts tun, als zu weinen und Omis Namen immer wieder zu flüstern... Sein Blut auch im Gesicht verschmiert und dessen Geschmack im Mund
wurde mir zum ersten mal bewusst
das Liebe nichts anderes als verkleideter Wahnsinn war, nichts anderes als einfache Lust und Sucht, ein Begehren, eine Besessenheit und nichts mehr... Aber so etwas wurde einem wahrscheinlich nur bewusst, wenn man die Liebe verboten bekommt.
Wann hatte Omi eigentlich das letzte mal Ich liebe dich gesagt und mich gemeint?
Never thought I could want someone so much...
tbc
