chapter XXII: confession


Ich öffnete meine Augen langsam. Omi lag neben mir, er hatte seine Arme [beinahe] zärtlich um mich geschlungen und seinen Kopf an meine Brust gelegt. Ich lächelte. Man könnte glatt glauben, wir liebten uns. Ich strich vorsichtig über seinen Rücken, musterte ihn genauestens. Die Wunden in seinem Gesicht waren beinahe alle verheilt, nur ein langer, gezackter Schnitt zog sich seinen Hals entlang bis knapp unter das Auge. Das würde keine schöne Narbe werden, dachte ich missmutig. Es hatte sicher weh getan, überlegte ich und fuhr die Wunde mit dem Zeigefinger nach.

Seine Augenlider flackerten und Omi erwachte langsam. Noch ehe er die Augen vollständig öffnen konnte, hatte ich mich schon aufgesetzt und ihn beinahe grob von mir geschoben. Omi rieb sich die Augen und sah zu mir auf, ohne etwas zu sagen [und ich war ihm dankbar dafür].

Ich zog mir dieselben Sachen vom Vortag an und wusch mein Gesicht mit dem kalten Wasser aus dem zimmer-eigenen Waschbecken. Omi sah mir schweigend zu, ohne sich aufzusetzen oder sich sonst irgendwie zu bewegen. Mein Haar war unordentlich und verstrubbelt und missmutig versuchte ich es mit Wasser zu glätten, aber egal, wie sehr ich es mit den Fingern notdürftig oder mit immer mehr Wasser befeuchtete – es blieb, wie es war.


Gehst du schon?, fragte Omi leise. Ich hörte keine wirkliche Trauer aus seiner Stimme heraus und auch nicht die übliche Depression. Gleichgültig sah er hoch zu mir und machte sich nicht einmal die Mühe, seine Blöße zu bedecken.

Ich antwortete nicht, trat ans Fenster und öffnete es weit. Frische und eisige Luft strömte in das Zimmer und ließ mich einen Moment frösteln.

Kommst du heute Nacht wieder?, fragte Omi. Seine Gleichgültigkeit versetzte mir einen Stich und ich drehte mich herum, an die Wand neben dem Fenster gelehnt und auf ihn nieder sehend.

Soll ich? Ich konnte es kaum glauben, was ich mich selbst sprechen hörte.

Wie du willst., sagte Omi, zuckte andeutungsweise mit den Schultern und sah an mir vorbei aus dem Fenster. Seine Worte taten weh. Ich hatte nicht gedacht, dass es mich wirklich noch interessieren würde was er mir sagte, aber das traf wohl nur zu, wenn er...

... mich liebte?!

Ich verstand nicht. Ich verstand mich selbst nicht mehr; andere zu verstehen hatte ich schon vor Jahren aufgegeben. Ich wollte doch selbst, dass er aufhörte, mich zu lieben. Das hatte ich die ganze Zeit gewollt, deshalb habe ich ihn gequält, deshalb habe ich ihn beinahe getötet.

... oder?

Ich sah ihn an, wie er mich nicht ansah, wie er beinahe apathisch auf dem Bett lag und nur aus dem Fenster sah.

Ich wollte doch, dass du mich nicht mehr liebst!...

Ich konnte seine Augen in der Dämmerung nicht ausmachen, aber ich wusste genau, welche Farbe sie hatten. Ich wusste genau, wie seine Augen zu jeder Tageszeit aussahen, ich wusste genau, wie sie im Licht einer Neonlampe oder einer Straßenlaterne scheinen, ich wusste genau, wie sie traurig aussahen oder wie sie lachten, ich wusste genau, wie sie aussahen.

Schließlich habe ich ihn mit jeder Faser meines Körpers geliebt...

Ich sah ihn an, sah, dass mein Ziel greifbar nahe lag, wusste, gleich würde er endgültig wahnsinnig werden. Endgültig durchdrehen. Endgültig mein sein.

War das die einzige Ebene, auf der wir uns wieder konnten? Die des Wahnsinns? Mir wurde übel und ich murmelte leise:

Dazu hat niemand das recht...

Omi reagierte nicht, falls er überhaupt noch meine Anwesenheit in diesem Raum wahrnahm. Du hast mir einmal gesagt... niemand hätte das recht, uns das... unmöglich zu machen. Omi schwieg und auch ich gab es auf.

Es war zu spät. Und im Grunde war ich selbst Schuld. Ich hätte bemerken sollen, dass er daran zerbrechen würde. Wie hatte ich glauben können, dass er mich für immer lieben würde, wenn er wie ich sein würde? Wie hatte ich glauben können, er wäre mein für immer, wenn auch er das letzte Weiß aus seiner Seele verlieren würde? Wie hatte ich glauben können...

... es gäbe eine Zukunft? Ich hatte alles falsch gemacht, aber auch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Was jetzt noch zählte, war...

... die Wahrheit. Ich hatte mich davor versteckt, meine Gefühle maskiert und selbst nicht einmal bemerkt, dass ich das tat.

Ich liebe dich, Omi.


Aber es war ja zu spät. Ich ging aus dem Zimmer und ließ die Tür hinter mir geräuschlos ins Schloss fallen.

War ich jetzt noch als vorher? Oder ich wieder, nachdem ich das erste mal wieder die Wahrheit gesprochen hatte? Ich wusste es nicht, und vielleicht war das gut so. Mein Herz war leer und ausgebrannt, aber

immerhin hatte ich es wiedergefunden.


tbc


@neko: ARGH! Was soll ich denn noch alles retten?! Erst die Fingernägel, jetzt deine Haare!! @__@;; Naaaa guuut, für dich tu ich's doch gerne! *hugs neko-chan*