Kapitel 2 - Die frühen Jahre I oder unfreiwillige Erkenntnisse von Molly
Die Rivalität zwischen den Häusern Gryffindor und Slytherin hatte bereits Tradition seit... ja eigentlich schon seit kurz nach der Gründung der Hogwarts - Schule für Hexerei und Zauberei vor über 1000 Jahren. Doch was sich in den Jahren ereignete, als James Potter und Severus Snape noch gemeinsam hier die Schulbank drückten, spottete jeder Beschreibung. Selbst die härtesten Auseinandersetzungen zwischen James's Sohn Harry und Draco Malfoy waren erklärbarer (und von völlig anderer Qualität) als die damaligen Geschehnisse. Harry und Draco haßten sich nicht zuletzt aus dem Grunde, daß Dracos Vater Lucius bis zuletzt treuer Anhänger des Mörders von Harry's Eltern war und der junge Draco seit seiner Kindheit mit den Ansichten der Todesser aufgewachsen war und sie unreflektiert wiedergab und lebte. Sehr zum Verdruss all derjenigen, deren Familien unter der Herrschaft Voldemorts zu leiden hatten. Doch zu der Zeit, als James und Severus sich ihren privaten Krieg lieferten, waren beide nicht soo emotional vorbelastet wie Harry und Draco. Wenn man einmal davon absieht, daß Severus' Abneigung gegenüber James im ersten Moment wohl darauf zurückzuführen war, daß James offensichtlich von seinen Eltern (mehr) geliebt wurde als (im Gegensatz zu) Severus.
Der Kampf, der zwischen beiden Klassen entbrannte, hatte zwar einerseits James Potter als Rädelsführer der Gryffindors, bei den Slytherins jedoch tat sich vor allem Charly Lestrange als Anführer hervor. Nicht, daß Severus keinen Anteil an den Auseinandersetzungen, aber er hielt sich meistens zumindest eher im Hintergrund. Er trug meist nur die Informationen zusammen, die die Slytherins benötigten, um einen neuen Angriff zu starten, bei dem er dann auch mitmachte, aber wie gesagt eher im Hintergrund. Nur selten griff er selbst direkt an, meist eher aus der Situation heraus, daß er beim Schnüffeln erwischt wurde.
Es verging in den ersten drei Schuljahren der Gruppen um James Potter und Severus Snape kaum ein Tag, an dem nicht einer von ihnen von irgendeinem Lehrer eine Standpauke bekam, Strafarbeiten verteilt wurden oder auffällige körperliche Verletzungen oder Verhexungen im Krankenflügel von Madam Pomfrey behandelt werden mußten. Im vierten Jahr warfen die Hauslehrer von Gryffindor und Slytherin insofern das Handtuch, daß sie die Streithähne nun nicht mehr selbst maßregelten, sondern sie direkt zu Direktor Dumbledore schickten. Dies war auch das Jahr, in dem James Potter als Sucher in die Quidditch - Mannschaft der Gryffindors aufgenommen wurde und die Slytherins Severus Snape als Treiber in ihre Mannschaft aufnahmen.
Severus versuchte während der Spiele gegen die Gryffindors überhaupt nicht mehr, die, Klatscher, deren er habhaft werden konnte, auf irgendjemand anderen als auf James Potter zu hetzen. Severus' Talent für Quidditch war eher mäßig, aber den Slytherins war er vor allem wichtig, um James so weit wie möglich auszuschalten. Und im vierten Jahr waren sie auch erfolgreich mit dieser Taktik.
"Verflucht, Snape, in meiner Mannschaft spielen noch andere außer mir!" brüllte James Potter, der erneut einem von Severus' geschlagenem Klatscher ausweichen mußte, "Wie wäre es, wenn du die auch mal mit deiner Aufmerksamkeit bedenkst?" "Nicht halb so lustig wie das hier!" höhnte Severus zurück und schlug erneut einen Klatscher gegen James. So kam James nie dazu, sich eventuell noch im Verlaufe dieses Spiel auf die Suche nach dem winzigen Schnatz zu konzentrieren. Zu oft mußte er Snape's Attacken ausweichen, der an ihm dran hing wie... Sch...ähem... eine Klette. Und so umrundeten beide stetig das Quidditch - Feld, James ausweichend und Severus grinsend hinten drein, jeden möglichen Klatscher in James' Richtung schlagend. Die Treiber der Gryffindors, die James hätten beschützen sollen, hatten selbst alle Hände voll zu tun, nicht "versehentlich" von den anderen Slytherin - Spielern im Vorbeiflug von ihren Besen gerissen zu werden. "Das ist doch wohl nicht wahr!" schrie Sirius Black und erhob sich von seinem Sitzplatz auf der Tribüne, "Ist Flitwick denn völlig blind? Sieht der das denn nicht, was Snape mit James veranstaltet?" "Ich glaube, im Moment hat er selbst etwas Schwierigkeiten, auf dem Besen zu bleiben..." bemerkte Remus Lupin und deutete auf den winzigen Zauberkunstprofessor, der gerade kopfüber an seinem Fluggerät hängend an ihrer Tribüne vorbei schoss, nachdem ein ausweichender Gryffindorspieler ihn gestreift hatte. Lily Evans hatte ihr Gesicht schon längst hinter den Händen verborgen und spähte nur noch ab und zu zwischen ihren Fingern hindurch, wenn die Buh - Rufe des restlichen Publikums besonders laut wurden. Neben ihr saß ihre Zimmergenossin Florence Farstalker, die sich ein Grinsen nur schwer verkneifen konnte. 'Eins muß man Snape ja lassen, beharrlich ist er!' dachte sie bei sich und kniff sich selbst in den Oberschenkel, um nicht laut loszulachen. Der Schmerz wirkte und ihre Miene nahm den verdrießlichen Ausdruck an, der von ihr als Gryffindor in dieser Situation erwartet wurde. Die Situation auf dem Spielfeld war aber auch einfach zu absurd. Es war das erste Spiel der diesjährigen Saison und Florence zweifelte nicht daran, daß es auch das erbittertste und brutalste der letzten und der nächsten zwanzig Jahre bleiben würde, dabei wurde erst seit einer viertel Stunde gespielt.
Sie sah hinüber zu der Lehrertribüne und entdeckte ihren Onkel Direktor Dumbledore, der auch einige Schwierigkeiten hatte, ernst zu bleiben. Er schien ihren Blick zu spüren und zwinkerte ihr kurz zu, bevor er sich wieder mit bemüht ernster Miene dem Spiel zuwandte. Bisher wußte niemand von ihrer Verwandtschaft, und so sollte es auch sein. Florence hatte eine zusätzliche Protektion von Onkel Albus auch gar nicht nötig, sie gehörte so schon zu den besten Schülern ihres Jahrganges. Ebenfalls im oberen Drittel des Jahrgangsdurchschnitts befand sich auch Severus Snape, der mindestens genauso oft in der Bibliothek seine Zeit verbrachte wie Florence. Oft genug hatten beide festgestellt, daß das Buch, welches der eine gerade haben wollte, sich bereits in Benutzung des anderen befand. Bei zufälligen Begegnungen tauschten beide meist nur böse Blicke aus, rempelten sich gegenseitig an oder zischten Unverständliches hinter dem anderen hinterher. Florence hatte ihre erste Auseinandersetzung mit Severus nie vergessen, immerhin trug sie seitdem den Spitznamen "Grüne Flo", um sie von der etwas älteren Florence Nighthawk im allgemeinen zu unterscheiden. Völlig grün gefärbt war sie in Hogwarts angekommen und so vor der versammelten Schülerschaft durch den Sorting Hat (die deutsche Version "Sprechender Hut" ist etwas schwächlich) für Gryffindor ausgewählt. Auch Severus verdankte ihrer ersten Auseinandersetzung ein bleibendes Andenken, immerhin war seine schon von Geburt an etwas gekrümmte Nase durch Flo's handfeste Revanche in ihrer Neigung zur Hakennase noch verstärkt worden, da sie trotz der Pflege von Madam Pomfrey nicht richtig zusammenwachsen wollte. Irgendwie hatten beide von diesem ersten Tag an einen gewissen Respekt einander gegenüber entwickelt, auch wenn sie dies nicht offen zeigten. Daß es zwischen beiden nicht zu öffentlichen Kampfhandlungen kam, führten die meisten anderen Schüler darauf zurück, daß beide sich aufgrund ihrer erstaunlichen Begabungen im Fach Zaubertränke respektierten. Beide waren hier die besten Schüler, was ihre Mitschüler und sie selbst neidlos anerkennen mußten. Und nun ertappte sich Florence dabei, wie sie eine gewisse Bewunderung für Severus Snape zu entwickeln begann, der als Spieler nicht halb so begabt war wie James Potter und es anscheinend nur aus purer Wut und Gehässigkeit schaffte, an James dran zu bleiben.
Die Mißfallensbekundungen des Publikums erreichten einen neuen Höhepunkt, als einer der Slytherinjäger den Hüter der Gryffindors fast vom Besen geschubst hatte. "Flo, kann ich hin gucken oder nicht?" fragte Lily, immer noch hinter ihren Händen verborgen. Florence blickte wieder hoch zu James und Severus, deren absurdes Karrusselspiel sich in den letzten Minuten nicht dramatisch verändert hatte und antwortete zynisch: "Ja, dein James scheint noch nichts weiter abbekommen zu haben!" "Das ist nicht mein James!" empörte sich Lily, doch ihr Widerspruch klang irgendwie unecht. Remus und Sirius kommentierten diese kurze Unterhaltung zwischen den Mädchen mit breitem Grinsen. Es war kein Geheimnis, daß sich James und Lily gegenseitig "anschmachteten", wie Florence sich auszudrücken pflegte, genauso wenig wie es keines war, daß Florence davon mehr als genervt war. Florence mochte James nicht wirklich, aber sie akzeptierte ihn, da er mit Remus und Sirius eng befreundet war. Lily akzeptierte sie weitaus mehr, auch wenn sie nicht enger mit ihr befreundet war. Den einzigen aus der Gruppe, den sie wirklich nicht ausstehen konnte, war der immer etwas verloren wirkende Peter Pettigrew, der ständig hinter den Jungs hinter her dackelte. Wenigstens nervte er sie nur selten mit aufgezwungenen Konversationen, nur, wenn sonst keiner aus der Gruppe in der Nähe war. Am besten kam Florence mit Remus aus, beide hatten eine fast geschwisterliche Beziehung zueinander, er war wirklich ihr Freund. Mit Sirius hatte sie spätestens seit Beginn diesen Schuljahres das Gefühl, daß etwas zwischen ihnen im Raum stand. Außerdem hatte Remus bereits öfters in letzter Zeit amüsierte Andeutungen darüber gemacht, daß Sirius etwas von ihr wollen könnte. 'Scheiß Pubertät!' dachte Florence bei sich. Erst Lily, die ständig den halben Morgen über den Waschraum belegte (Florence selbst brauchte nur wenig Zeit, da sie ihre Haare sowieso nicht bändigen konnte, versuchte sie es erst gar nicht), dann diese ewigen schmachtenden Blicke zwischen James und Lily, das absonderliche Verhalten von Sirius, Remus andauerndes wissende Gegrinse und nun auch noch... die "Bewunderung" ihrerseits für Severus Snape? Der Tag schien ihr gelaufen zu sein. Sie schnaufte hörbar und Remus blickte sie erstaunt von der Seite an und runzelte die Stirn. Gerade als er sich zu ihr herüber beugte und sie nach dem Grund fragen wollte (Florence wurde plötzlich heiß und kribbelig zumute), gewannen die Slytherins das Spiel. In all seiner Empörung und Wut würde Remus hoffentlich vergessen, sie heute noch zu fragen und sie huschte schnell von der Tribüne. Unten angekommen verharrte sie kurz und rannte dann hinüber zu den Gewächshäusern. Erst als sie kurz vorm Waldrand war, hörte sie auf zu rennen.
Nein, tagsüber konnte sie nicht in den Wald, es bestand die Gefahr, daß jemand anderer als Hagrid oder Dumbledore sie sehen könnten. Nur sie wußten davon, wie dringend notwendig es für Florence war, Kontakt mit der Natur zu halten. Zur Hälfte Elbe war dies wichtig für ihr seelisches Gleichgewicht, die Lebendigkeit des Waldes ab und an zu spüren. Sie hatten sich darauf geeinigt, daß sie nachts gehen dürfte, wenn sie wollte. Nicht zu oft, aber dennoch oft genug. Verzweifelt schaute sie sich um und wagte es doch nicht. Sie hatte das Gefühl, niemals zuvor dringender das Bedürfnis gehabt zu haben, in den Wald zu gehen. Mit Tränen in den Augen ging sie zurück zu den Gewächshäusern und ließ sich an einer Glaswand zu Boden gleiten, geschützt vor den Blicken der Schüler, die nun in Scharen vom Quidditch - Spielfeld zur Schule zurück gingen. Sie saß noch einige Zeit dort, wischte sich die Tränen aus den Augen und fragte sich, ob sie eventuell ihrem Onkel von ihrer Verwirrung erzählten sollte. Nein, der hatte gewiß besseres zu tun, als sich das Gestammel einer pubertierenden Göre anzuhören. Zudem wäre es ihr peinlich gewesen, wenn er... nein, Schluß, Aus, sie würde den Mund halten. Inzwischen waren alle wieder im Schloss und das sollte sie auch sein, wenn sie nicht auffallen wollte, also stapfte sie los und fiel beinahe über ihre Schnürsenkel. 'Ungeschickt bist du auch noch, du dumme Pute!' schalt sie sich selbst.
Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors herrschte Wut und Enttäuschung vor. James Potter schmollte in einer Ecke und rieb sich das schmerzende linke Knie, während Lily besorgt auf ihn ein sprach. 'Aha, hat Snape dich also doch noch erwischt!' freute sich Florence, nur um gleich wieder in Verzweiflung zu fallen. Remus und Sirius kamen auf sie zu und baten sie, sich doch zu ihnen zu setzen, doch Florence hatte keine Lust dazu. Sirius würde sich nur über das Spiel aufregen und Remus sie wissend angrinsen, nein danke. Sie murmelte etwas von noch zu machenden Hausaufgaben und ging nach oben in den Mädchenschlafsaal. Heute Nacht war ein Spaziergang im Wald dringend erforderlich.
Severus Snape wickelte sich fester in seinen Umhang. Es war kalt heute Nacht und oben auf dem Astronomieturm zusätzlich noch immer windig. Hierher flüchtete er sich oft nachts, wenn er das Bedürfnis hatte, allein zu sein. Und bei dem ganzen Trubel im Gemeinschaftsraum der Slytherins, die immer noch ihren Sieg über die Gryffindors feierten, stand im mehr denn je der Wunsch danach, allein zu sein. Die klare Luft tat ihm gut und befreite seinen Kopf von den vielen unklaren Gedanken. Er hatte es Potter heute gezeigt, nicht war? Das erste Mal richtig! Das Spiel war bereits gewonnen, als er im Sinkflug noch einmal das Schlagholz gegen das Knie von James zimmerte, versehentlich natürlich und so, daß es keiner mitbekam. Aber dennoch... er war nicht so fröhlich, wie er es erhofft hatte. Nein, er fühlte keine Genugtuung, zumindest nicht ausreichend. Das Spielchen wurde langsam lästig und Severus gingen inzwischen die Ideen aus, wie die Gryffindors noch zu piesacken waren. Obwohl er kaum eine Gelegenheit ausließ, hinter Potter und seiner Bande hinterher zu spionieren, kam nichts Neues dabei raus. Sie waren entweder vorsichtiger geworden oder er nachlässiger, keine Ahnung. Und er war in letzter Zeit ziemlich oft damit beschäftigt gewesen, für den Unterricht zu lernen, wenn er seine guten Noten behalten wollte. Je besser seine Noten, desto friedlicher waren die Sommerferien. Seine Eltern ließen ihn in Ruhe, wenn er sagte, er wolle noch etwas lernen und sich in sein Zimmer verzog. Nun ja, er war für seine Eltern dann wohl doch nicht so die große Enttäuschung, wie sie angenommen hatten. Gut, gelegentlich gab es böse Briefe, wenn er wieder einmal bei irgendeiner Schandtat entdeckt worden war und selbst der gutmütige Dumbledore eine Nachricht geschickt hatte, aber im großen und ganzen waren seine Eltern erträglich geworden. Daß sie stolz auf ihn waren, ließen sie nie spüren, er wertete ihr Desinteresse an ihm als Zustimmung und Anerkennung und verbrachte die meiste Zeit der großen Ferien in seinem Zimmer. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr und drehte ruckartig den Kopf in diese Richtung. Da schlich eine schwarze Gestalt über den Rasen in Richtung Wald. Es war zu dunkel, als das er etwas genaueres hätte erkennen können, zudem war er viel zu weit entfernt. 'Seltsam... wer zur Hölle ist das?' dachte er und verfolgte die Gestalt mit den Augen. Ein Lehrer? Er konnte nichts zu der Größe der Gestalt sagen, ihm fehlte der Vergleich... Und nun stolperte die Gestalt und der Wind trug ein leises Fluchen zu ihm herauf. Es war eine weibliche Stimme und sie kam ihm bekannt vor, nur woher? Wenn er ihr jetzt folgen würde, vorausgesetzt, er bliebe bei dem Gang durch das Schloß unentdeckte, so würde er die Gestalt doch nie rechtzeitig genug einholen, das stand fest. Aber vielleicht machte diese Person ja öfter nächtliche Spaziergänge in den Wald. Er nahm sich vor, seine nächtliche Einsamkeit in nächster Zeit öfter mal unten vor dem Schloß zu pflegen, vielleicht konnte er dann ja herausfinden, wer es war. Oder er schaute sich morgen im Unterricht einmal seine Mitschüler genauer an, wer denn besonders müde aussah, nur für den Fall, daß diese Aktion eine einmalige Tat gewesen sein sollte. Oder beides. Vielleicht war es ja eine Gryffindor... er grinste breit. Ja, es gab nun etwas, was ihn für heute befriedigte: er hatte ein neues Ziel für seine Schnüffeleien...!
"Flo, verflucht, steh endlich auf!" "KIIIIIIIIIIKERIKIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII" "Steh endlich auf, damit dieses Ding aufhört zu nerven!" "KIIIIIIIIIIKERIKIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII" Schütteln. Lärm. Entnervte Stimmen. Ein Blinzeln. Schmerzen vom plötzlichen Licht auf der Netzhaut. Kratzen in der Kehle. Schmerzende Glieder. Langsam wich der Schlaf aus Florence und sie nahm gewahr, daß alle Mädchen aus ihrem Schlafsaal um ihr Bett herum standen und sie wütend anfunkelten. Kein Wunder, der mechanische Goldhahn auf dem Kaminsims krähte morgens solange, bis alle aufgestanden waren. Und das tat er wohl schon eine ganze Weile, denn Florence hatte heute morgen überhaupt nichts mitbekommen und war auch nicht zu wecken gewesen. Gerade, als sie sich im Bett mühsam aufrichtete, schoß Lily aus dem Waschraum, einen nassen Waschlappen drohend schwingend. "Ach, laßt mich doch alle in Ruhe..." brummelte Florence vor sich hin, fiel aus dem Bett, rappelte sich hoch und stolperte ins Bad. Die anderen Mädchen waren nun nicht mehr wütend, eher irritiert und fast schon besorgt um Florence, wagten es aber nicht, ihr zu folgen. Es gab öfter Morgende, an denen Florence nur mühsam in die Gänge kam und meistens hatte sie dann eine echte Stinklaune. Aus Erfahrung wußten sie, daß es dann besser war, sie solange in Ruhe zu lassen, bis das für sie typische Schmunzeln wieder auf ihrem Gesicht lag.
Im Waschraum stand die nächtliche Spaziergängerin mit dem Kopf an einen großen Spiegel gelehnt da, die Arme hingen schlaff an ihren Seiten und ihre Beine machten den Versuch, unter ihr auszubrechen. So fertig hatte sich Florence noch nie gefühlt. Kein Wunder, sie war auch noch nie die ganze Nacht im Wald unterwegs gewesen. Erst kurze Zeit vor dem Wecken war sie wieder zurück ins Schloss und den Schlafsaal geschlichen. Sie war immer noch innerlich aufgewühlt und ihr Spiegelbild verriet ihr, daß sie nach einem Kampf mit einem Bergtroll wahrscheinlich besser ausgesehen hätte als jetzt. Mühsam schleppte sie sich unter die Dusche und kam gerade noch rechtzeitig mit den anderen zum Frühstück in die Große Halle. Remus und Sirius machten große Augen bei ihrem Anblick, sagten jedoch nichts. James nahm sie gar nicht wahr, denn sein Blick war (wie immer) auf Lily gerichtet. Nur der dämliche Peter wagte es, sie anzusprechen, stoppte aber, nachdem Florence ihn mit einem kehligen Fauchen bedacht hatte.
Severus Snape stocherte in seinem Frühstück herum und kämpfte mit dem Schlaf. Auch er war heute Nacht erst spät in seinen Schlafsaal zurück geschlichen. Irgendwie hatte er gehofft, die Gestalt von gestern Nacht bei der Rückkehr ins Schloss noch zu erwischen, aber als ihm immer kälter wurde, sah er ein, daß es mehr Sinn haben würde, sich die morgendliche Runde in der Großen Halle genauer anzusehen. Und genau das sollte er auch langsam tun. Also riss er sich zusammen und schaute an den langen Tischen entlang. Nun, müde schienen alle zu sein. In ihm begann sich der Verdacht zu regen, daß es sich bei der nächtlichen Gestalt um jemanden von außerhalb gehandelt hätte (aber warum war ihm dann diese Stimme so bekannt vorgekommen?), als sein Blick an Florence Farstalker hängen blieb. Schlagartig war er hellwach und bemerkte gerade noch rechtzeitig, bevor Sirius Black ihn bemerkte, daß er mit offenem Mund zum Gryffindortisch herüber gestarrt hatte. Schnell senkte er den Blick und blickte nur noch verstohlen unter seinen Stirnhaaren hervor in Richtung Florence: blaß war sie immer (er auch), doch heute schien ihr Gesicht völlig blutleer zu sein. Unter ihren geschlossenen Augen lagen tiefe Schatten und sie hielt nur mühsam ihren Kopf auf den linken Arm gestützt. Severus legt den Kopf schief und eine Flut von Gedanken strömte auf sein Hirn ein: 'Die? DIE? Nein, das muß ein Irrtum sein, das kann nicht sein... Die Lieblingsschülerin fast aller Lehrer, immer pünktlich, immer vorbereitet und zu anderen (außer mir) immer höflich, immer schmunzelnd...? Eine nächtliche Ausbrecherin?...' Seine Augen hatte sich zu schmalen Schlitzen verengt, als Charly Lestrange ihn anstupste: "Hey, Sev, was ist denn?" "Nichts..." murmelte Severus zur Antwort und setzte sich wieder normal an den Tisch. Gedankenverloren wandte er sich wieder seinem Frühstück zu und blickte nur noch ab und zu zum Gryffindortisch hinüber. Fast war er sich sicher, daß er sich täuschen mußte, immerhin hatte er Florence noch nie zuvor morgens beim Frühstück beobachtet, vielleicht war das typisch für sie, als er urplötzlich anderer Meinung wurde: Florence Farstalker, die Musterschülerin, hatte gerade ihren Kopf auf der Schulter von Sirius Black abgelegt und schien mit offenem Mund am Tisch zu schlafen.
Nach der Geschichtsstunde von Professor Binns fühlte sich Florence wieder etwas ausgeschlafener und ruhiger. Sie hatte zwar nichts mitbekommen, aber es gab auch nichts, was der einzige Geister - Lehrer sagte, was sie nicht in irgendeinem Buch kurz vor den Prüfungen nachlesen konnte, insofern... Schwamm drüber. Remus grinste sie beim Hinausgehen breit an und sie mußte schmunzeln. ER hatte natürlich als einziger mitbekommen, daß sie sich während der Stunde hinter ihren Büchern ausgeschlafen hatte. Normalerweise schrieben sie sich nämlich kleine Briefchen in dieser Stunde und kommentierten die einzelnen Halbschlaf - Haltungen der anderen Schüler. Auf dem Weg hinunter in die Kerker zum Zaubertrankunterricht schwiegen beide grinsend. Erst, als sie ihre Plätze eingenommen hatten, fragte Remus sie leise: "Und? Was Schönes geträumt?" "Sei nicht so neugierig! Außerdem..." sie grinste, "wenn, würde ich es dir nicht erzählen! Du altes Plappermaul!" "ICH?" empörte sich Remus lachend und übertrieben, "ICH doch nicht! Niemals! Aber Sirius hast du heute morgen echt verwirrt! Wußte gar nicht, daß du so anhänglich werden kannst!" Florence wollte gerade etwas entgegnen, als James ihnen zuzischte: "Schaut euch bloß mal Snape an! Der starrt die ganze Zeit hier rüber!" Sofort drehten alle ihre Köpfe zu dem Platz von Severus Snape herum, der sie mit einem bösen Blick bedachte. "Wahrscheinlich ärgert er sich, daß er dich gestern nicht besser erwischt hat und du heute nicht im Krankenflügel, sondern im Unterricht bist!" raunzte Sirius und funkelte wütend Snape an, der nun mit gewohnt arroganter Miene seine Unterrichtssachen auf seinem Tisch ordnete. Florence schoß das Blut in die Ohren und der Rest der Unterhaltung ging in dem Rauschen unter, das nur sie hören konnte. Was war, wenn er sie gestern nacht auf dem Weg in den Verbotenen Wald beobachtet hatte? Er schnüffelte oft genug für die Slytherins im Schloss herum und es war ihm durchaus zu zutrauen, daß er auch nachts heimlich unterwegs war. Schließlich konnte sie ihre nächtlichen Ausflüge nicht einfach so unterlassen! Sie mußte heute noch dringend mit ihrem Onkel, Albus Dumbledore sprechen...
Direktor Dumbledore ging nervös in seinem Büro auf und ab, nachdem seine Nichte Florence gegangen war. Es war ihm zwar gelungen, sie zu beruhigen, aber er selbst war es ganz und gar nicht. Es war ein offenes Geheimnis, daß Severus Snape's Eltern Anhänger der schwarzen Künste waren. Und die Dunkelheit begann sich in diesen Tagen über das Land zu senken, zuerst unmerklich, aber die Zeichen hatten in der letzten Zeit zugenommen. Es war besonders einer, dem sie alle zu folgen wollen schienen. Und dieser eine war Dumbledore nur zu vertraut. Nun nannte er sich anders, aber Albus hatte ihn wiedererkannt, trotz der ganzen Geheimnisse um ihn. Was, wenn der junge Snape schon mehr wußte? Was, wenn er seinen Eltern von ihr erzählte? Was, wenn sie zu früh in die Hände der Schwarzmagier um den einen, der sich Lord Voldemort nannte, fiel? Unvorbereitet, wo die Kämpfer des Lichts sich noch nicht versammelt hatten? Severus Snape, sein Sorgenkind. Bereits am ersten Tag war er in Schwierigkeiten geraten und auch in der folgenden Zeit nicht einfach zu handeln gewesen. Er war in der Tat brillant in einigen Bereichen, wußte viel von den schwarzen Künsten (wen wundert's bei DEN Eltern), hatte insgesamt gute Noten und kämpfte verbissen darum, sie zu behalten oder noch zu steigern. Aber er war auch verschlossen, hinterhältig und hatte Neigung zur Grausamkeit gezeigt.
Dumbledore seufzte, hielt vor dem Fenster inne und beobachtete den Sonnenuntergang. Er hatte im Laufe seines langen Lebens die Gabe entwickelt, in die Herzen der Menschen zu blicken und er was er dort fand, verwirrte ihn immer noch von Zeit zu Zeit. Er hatte schon Mörderisches in den Gütigsten und größtes Mitgefühl in den Widerwärtigsten gesehen. Bei Severus Snape war er nicht überrascht gewesen, was er sah: Einsamkeit, Verzweiflung, Unsicherheit... alles, was Menschen sowohl für die größten Heldentaten wie auch die schlimmsten Verbrechen prädestinierte. Auf seiner Suche nach Liebe und Anerkennung hatte er bisher den grausamen Pfad eingeschlagen und er schien ihn auch (vorerst) nicht verlassen zu wollen.
Sein erstes Weihnachtsgeschenk in seinem Leben hatte Severus Snape von ihm, Dumbledore, erhalten: "Heiltränke - ihre Wirkung und wie man sie zubereitet", ein kleines Buch, daß große Wirkung haben sollte. Natürlich erfuhr Severus Snape nie, wer ihm seit Beginn seiner Schulzeit jedes Jahr etwas zu Weihnachten zukommen ließ, auch wenn er es wohl ahnte. Selbst später, als er Severus ganz offen Geschenke machen konnte, hörte Dumbledore nie auf, auch ein anonymes Päckchen zu packen. Von seinen Eltern hatte Severus nie etwas zu Weihnachten bekommen und es erschien Dumbledore damals nur fair, daß der Junge, wenn er schon über die Winterferien in Hogwarts blieb (und das freiwillig), ein Geschenk am Fuße seines Bettes vorfinden sollte, allein schon, damit er sich nicht noch einsamer und ausgeschlossener vorkam, als sowieso. Er hätte damals gern sein Gesicht gesehen, an jenem ersten Weihnachtsmorgen in Hogwarts... Dumbledore grinste. Nein, der Junge war nicht von Grund auf schlecht, nur verwirrt und zu leicht von den schwarzen Künsten zu beeindrucken.
Vielleicht... vielleicht hatte er sich ja die ganzen letzten Jahre über geirrt? Albus schüttelte den Kopf: Sirius Black - der Dunkle, der aus den Schatten treten mußte... die Verbindung erschien ihm plötzlich zu leicht zu schlußfolgern. Wenn Frowin ihm doch nur einmal eine genaue Antwort zu einem Rätsel geben würde und nicht nur wieder ein neues Rätsel... Rasende Kopfschmerzen plagten den Direktor plötzlich und er rieb sich die Schläfen. 'Es wird Zeit, daß ich mir ein Denkarium zulege!' dachte er und beschloss gleichzeitig, Florence Farstalker so bald wie möglich von der Prophezeiung zu berichten.
Severus Snape stand zwischen den Bücherregalen in der Bibliothek und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Seit der Nacht, als er die Gestalt über den Rasen vorm Schloss hatte huschen sehen, verfolgte er Florence Farstalker, wohin er konnte, ohne aufzufallen. Seltsamerweise mußte er seine Gewohnheiten dafür kaum ändern, da sie sich die meiste Zeit sowieso in den selben Ecken rumtrieben. Florence verbrachte die meiste freie Zeit in der Bibliothek, wie er auch. Und Unterricht hatten sie auch oft gemeinsam. Bisher hatte er den häufigen gemeinsamen Unterricht zusammen mit den Gryffindors meist nur als Belastung und Ärgernis betrachtet, zur Zeit jedoch waren das unschätzbare Möglichkeiten zur unauffälligen Beobachtung. Komisch, daß er sie vorher nie so häufig wahrgenommen hatte. Sonst wäre ihm wohl schon früher aufgefallen, wie chaotisch diese Mädchen war. Allein in der letzten dreiviertel Stunde, seit er zwischen diesen Regalen stand und durch ein paar Bücher hindurch blickte auf die andere Seite, auf der Florence an ihrem gewohnten Arbeitsplatz saß, hatte sie mehrfach mit ihrer Pergamentrolle voll Notizen gekämpft, damit sie sich nicht ständig zusammenrollte. Einmal war ihr fast das Tintenfaß über dem Tisch ausgekippt, drei Bücher waren nacheinander zu Boden gefallen und bei dem Versuch, sie wieder aufzuheben, hatte sie sich zweimal den Kopf an der Tischkante gestoßen. Gerade blickte er wieder durch die Lücke zwischen den Büchern, als sie versuchte, aufzustehen und sich fast die Beine brach. Sie hatte sich beim Schreiben mit den Beinen so unmöglich um den Stuhl geknotet, daß es ihr nun nicht zu gelingen schien, diese wieder ohne weiteres zu entwirren. Er mußte sich gewaltsam ein Lachen verkneifen, wenn er nicht auffallen wollte. 'Ach du meine Güte! Ihr Schutzengel muß ein vielbeschäftigter Mann sein, wenn sie es geschafft hatte, bis zum heutigen Tag zu überleben...' dachte er bei sich und biß sich auf die Zunge.
Am Abend, als er in seinem Bett lag, dachte er immer noch über die "Grüne Flo" nach. Seine Gedanken schienen nur noch um sie zu kreisen und ihm war komisch dabei. Er hatte nichts weiter herausgefunden, außer, daß er sich immer öfter dabei erwischte, sie einfach in den Arm zu nehmen und vor der großen bösen Welt beschützen zu wollen. Sie wirkte so hilflos, verträumt und unbeholfen, zart und zerbrechlich... er bekam es mit der Angst zu tun! Schön im eigentlichen Sinne war sie nicht. Sie war hübsch, keine Frage, verstand es jedoch nur zu gut, dies völlig zu kaschieren. Ihr dunkelgrünes Haar (er hatte immer noch nicht herausgefunden, wo diese seltsame Farbe herkam) war mehr oder weniger in einem unordentlichem Zopf gebändigt, ihr bleiches Gesicht fast immer hinter einem dicken Buch versteckt und ihre fast ausnahmslos schwarzen Privatkleider verliehen ihr irgendwie etwas von einer zu groß geratenen Fledermaus. 'Wir sind uns ziemlich ähnlich!' schoß es ihm durch den Kopf und verursachte einen heftigen Adrenalinausstoß, daß ihm heiß und kalt zugleich wurde. Sein Magen zog sich schlagartig zusammen und seine Hände wurden feucht. Unruhig wälzte er sich im Bett hin und her und versuchte verzweifelt, diesen Gedanken wieder abzuschütteln. Als er es in den frühen Morgenstunden endlich schaffte, einzuschlafen, träumte er von seltsamen Dingen: Gestalten mit weiten Kapuzenumhängen, die Gesichter im Schatten verborgen, Schreie und wütendes Weinen, grüne Blitze, die den Nachthimmel durchzuckten....
Die Rivalität zwischen den Häusern Gryffindor und Slytherin hatte bereits Tradition seit... ja eigentlich schon seit kurz nach der Gründung der Hogwarts - Schule für Hexerei und Zauberei vor über 1000 Jahren. Doch was sich in den Jahren ereignete, als James Potter und Severus Snape noch gemeinsam hier die Schulbank drückten, spottete jeder Beschreibung. Selbst die härtesten Auseinandersetzungen zwischen James's Sohn Harry und Draco Malfoy waren erklärbarer (und von völlig anderer Qualität) als die damaligen Geschehnisse. Harry und Draco haßten sich nicht zuletzt aus dem Grunde, daß Dracos Vater Lucius bis zuletzt treuer Anhänger des Mörders von Harry's Eltern war und der junge Draco seit seiner Kindheit mit den Ansichten der Todesser aufgewachsen war und sie unreflektiert wiedergab und lebte. Sehr zum Verdruss all derjenigen, deren Familien unter der Herrschaft Voldemorts zu leiden hatten. Doch zu der Zeit, als James und Severus sich ihren privaten Krieg lieferten, waren beide nicht soo emotional vorbelastet wie Harry und Draco. Wenn man einmal davon absieht, daß Severus' Abneigung gegenüber James im ersten Moment wohl darauf zurückzuführen war, daß James offensichtlich von seinen Eltern (mehr) geliebt wurde als (im Gegensatz zu) Severus.
Der Kampf, der zwischen beiden Klassen entbrannte, hatte zwar einerseits James Potter als Rädelsführer der Gryffindors, bei den Slytherins jedoch tat sich vor allem Charly Lestrange als Anführer hervor. Nicht, daß Severus keinen Anteil an den Auseinandersetzungen, aber er hielt sich meistens zumindest eher im Hintergrund. Er trug meist nur die Informationen zusammen, die die Slytherins benötigten, um einen neuen Angriff zu starten, bei dem er dann auch mitmachte, aber wie gesagt eher im Hintergrund. Nur selten griff er selbst direkt an, meist eher aus der Situation heraus, daß er beim Schnüffeln erwischt wurde.
Es verging in den ersten drei Schuljahren der Gruppen um James Potter und Severus Snape kaum ein Tag, an dem nicht einer von ihnen von irgendeinem Lehrer eine Standpauke bekam, Strafarbeiten verteilt wurden oder auffällige körperliche Verletzungen oder Verhexungen im Krankenflügel von Madam Pomfrey behandelt werden mußten. Im vierten Jahr warfen die Hauslehrer von Gryffindor und Slytherin insofern das Handtuch, daß sie die Streithähne nun nicht mehr selbst maßregelten, sondern sie direkt zu Direktor Dumbledore schickten. Dies war auch das Jahr, in dem James Potter als Sucher in die Quidditch - Mannschaft der Gryffindors aufgenommen wurde und die Slytherins Severus Snape als Treiber in ihre Mannschaft aufnahmen.
Severus versuchte während der Spiele gegen die Gryffindors überhaupt nicht mehr, die, Klatscher, deren er habhaft werden konnte, auf irgendjemand anderen als auf James Potter zu hetzen. Severus' Talent für Quidditch war eher mäßig, aber den Slytherins war er vor allem wichtig, um James so weit wie möglich auszuschalten. Und im vierten Jahr waren sie auch erfolgreich mit dieser Taktik.
"Verflucht, Snape, in meiner Mannschaft spielen noch andere außer mir!" brüllte James Potter, der erneut einem von Severus' geschlagenem Klatscher ausweichen mußte, "Wie wäre es, wenn du die auch mal mit deiner Aufmerksamkeit bedenkst?" "Nicht halb so lustig wie das hier!" höhnte Severus zurück und schlug erneut einen Klatscher gegen James. So kam James nie dazu, sich eventuell noch im Verlaufe dieses Spiel auf die Suche nach dem winzigen Schnatz zu konzentrieren. Zu oft mußte er Snape's Attacken ausweichen, der an ihm dran hing wie... Sch...ähem... eine Klette. Und so umrundeten beide stetig das Quidditch - Feld, James ausweichend und Severus grinsend hinten drein, jeden möglichen Klatscher in James' Richtung schlagend. Die Treiber der Gryffindors, die James hätten beschützen sollen, hatten selbst alle Hände voll zu tun, nicht "versehentlich" von den anderen Slytherin - Spielern im Vorbeiflug von ihren Besen gerissen zu werden. "Das ist doch wohl nicht wahr!" schrie Sirius Black und erhob sich von seinem Sitzplatz auf der Tribüne, "Ist Flitwick denn völlig blind? Sieht der das denn nicht, was Snape mit James veranstaltet?" "Ich glaube, im Moment hat er selbst etwas Schwierigkeiten, auf dem Besen zu bleiben..." bemerkte Remus Lupin und deutete auf den winzigen Zauberkunstprofessor, der gerade kopfüber an seinem Fluggerät hängend an ihrer Tribüne vorbei schoss, nachdem ein ausweichender Gryffindorspieler ihn gestreift hatte. Lily Evans hatte ihr Gesicht schon längst hinter den Händen verborgen und spähte nur noch ab und zu zwischen ihren Fingern hindurch, wenn die Buh - Rufe des restlichen Publikums besonders laut wurden. Neben ihr saß ihre Zimmergenossin Florence Farstalker, die sich ein Grinsen nur schwer verkneifen konnte. 'Eins muß man Snape ja lassen, beharrlich ist er!' dachte sie bei sich und kniff sich selbst in den Oberschenkel, um nicht laut loszulachen. Der Schmerz wirkte und ihre Miene nahm den verdrießlichen Ausdruck an, der von ihr als Gryffindor in dieser Situation erwartet wurde. Die Situation auf dem Spielfeld war aber auch einfach zu absurd. Es war das erste Spiel der diesjährigen Saison und Florence zweifelte nicht daran, daß es auch das erbittertste und brutalste der letzten und der nächsten zwanzig Jahre bleiben würde, dabei wurde erst seit einer viertel Stunde gespielt.
Sie sah hinüber zu der Lehrertribüne und entdeckte ihren Onkel Direktor Dumbledore, der auch einige Schwierigkeiten hatte, ernst zu bleiben. Er schien ihren Blick zu spüren und zwinkerte ihr kurz zu, bevor er sich wieder mit bemüht ernster Miene dem Spiel zuwandte. Bisher wußte niemand von ihrer Verwandtschaft, und so sollte es auch sein. Florence hatte eine zusätzliche Protektion von Onkel Albus auch gar nicht nötig, sie gehörte so schon zu den besten Schülern ihres Jahrganges. Ebenfalls im oberen Drittel des Jahrgangsdurchschnitts befand sich auch Severus Snape, der mindestens genauso oft in der Bibliothek seine Zeit verbrachte wie Florence. Oft genug hatten beide festgestellt, daß das Buch, welches der eine gerade haben wollte, sich bereits in Benutzung des anderen befand. Bei zufälligen Begegnungen tauschten beide meist nur böse Blicke aus, rempelten sich gegenseitig an oder zischten Unverständliches hinter dem anderen hinterher. Florence hatte ihre erste Auseinandersetzung mit Severus nie vergessen, immerhin trug sie seitdem den Spitznamen "Grüne Flo", um sie von der etwas älteren Florence Nighthawk im allgemeinen zu unterscheiden. Völlig grün gefärbt war sie in Hogwarts angekommen und so vor der versammelten Schülerschaft durch den Sorting Hat (die deutsche Version "Sprechender Hut" ist etwas schwächlich) für Gryffindor ausgewählt. Auch Severus verdankte ihrer ersten Auseinandersetzung ein bleibendes Andenken, immerhin war seine schon von Geburt an etwas gekrümmte Nase durch Flo's handfeste Revanche in ihrer Neigung zur Hakennase noch verstärkt worden, da sie trotz der Pflege von Madam Pomfrey nicht richtig zusammenwachsen wollte. Irgendwie hatten beide von diesem ersten Tag an einen gewissen Respekt einander gegenüber entwickelt, auch wenn sie dies nicht offen zeigten. Daß es zwischen beiden nicht zu öffentlichen Kampfhandlungen kam, führten die meisten anderen Schüler darauf zurück, daß beide sich aufgrund ihrer erstaunlichen Begabungen im Fach Zaubertränke respektierten. Beide waren hier die besten Schüler, was ihre Mitschüler und sie selbst neidlos anerkennen mußten. Und nun ertappte sich Florence dabei, wie sie eine gewisse Bewunderung für Severus Snape zu entwickeln begann, der als Spieler nicht halb so begabt war wie James Potter und es anscheinend nur aus purer Wut und Gehässigkeit schaffte, an James dran zu bleiben.
Die Mißfallensbekundungen des Publikums erreichten einen neuen Höhepunkt, als einer der Slytherinjäger den Hüter der Gryffindors fast vom Besen geschubst hatte. "Flo, kann ich hin gucken oder nicht?" fragte Lily, immer noch hinter ihren Händen verborgen. Florence blickte wieder hoch zu James und Severus, deren absurdes Karrusselspiel sich in den letzten Minuten nicht dramatisch verändert hatte und antwortete zynisch: "Ja, dein James scheint noch nichts weiter abbekommen zu haben!" "Das ist nicht mein James!" empörte sich Lily, doch ihr Widerspruch klang irgendwie unecht. Remus und Sirius kommentierten diese kurze Unterhaltung zwischen den Mädchen mit breitem Grinsen. Es war kein Geheimnis, daß sich James und Lily gegenseitig "anschmachteten", wie Florence sich auszudrücken pflegte, genauso wenig wie es keines war, daß Florence davon mehr als genervt war. Florence mochte James nicht wirklich, aber sie akzeptierte ihn, da er mit Remus und Sirius eng befreundet war. Lily akzeptierte sie weitaus mehr, auch wenn sie nicht enger mit ihr befreundet war. Den einzigen aus der Gruppe, den sie wirklich nicht ausstehen konnte, war der immer etwas verloren wirkende Peter Pettigrew, der ständig hinter den Jungs hinter her dackelte. Wenigstens nervte er sie nur selten mit aufgezwungenen Konversationen, nur, wenn sonst keiner aus der Gruppe in der Nähe war. Am besten kam Florence mit Remus aus, beide hatten eine fast geschwisterliche Beziehung zueinander, er war wirklich ihr Freund. Mit Sirius hatte sie spätestens seit Beginn diesen Schuljahres das Gefühl, daß etwas zwischen ihnen im Raum stand. Außerdem hatte Remus bereits öfters in letzter Zeit amüsierte Andeutungen darüber gemacht, daß Sirius etwas von ihr wollen könnte. 'Scheiß Pubertät!' dachte Florence bei sich. Erst Lily, die ständig den halben Morgen über den Waschraum belegte (Florence selbst brauchte nur wenig Zeit, da sie ihre Haare sowieso nicht bändigen konnte, versuchte sie es erst gar nicht), dann diese ewigen schmachtenden Blicke zwischen James und Lily, das absonderliche Verhalten von Sirius, Remus andauerndes wissende Gegrinse und nun auch noch... die "Bewunderung" ihrerseits für Severus Snape? Der Tag schien ihr gelaufen zu sein. Sie schnaufte hörbar und Remus blickte sie erstaunt von der Seite an und runzelte die Stirn. Gerade als er sich zu ihr herüber beugte und sie nach dem Grund fragen wollte (Florence wurde plötzlich heiß und kribbelig zumute), gewannen die Slytherins das Spiel. In all seiner Empörung und Wut würde Remus hoffentlich vergessen, sie heute noch zu fragen und sie huschte schnell von der Tribüne. Unten angekommen verharrte sie kurz und rannte dann hinüber zu den Gewächshäusern. Erst als sie kurz vorm Waldrand war, hörte sie auf zu rennen.
Nein, tagsüber konnte sie nicht in den Wald, es bestand die Gefahr, daß jemand anderer als Hagrid oder Dumbledore sie sehen könnten. Nur sie wußten davon, wie dringend notwendig es für Florence war, Kontakt mit der Natur zu halten. Zur Hälfte Elbe war dies wichtig für ihr seelisches Gleichgewicht, die Lebendigkeit des Waldes ab und an zu spüren. Sie hatten sich darauf geeinigt, daß sie nachts gehen dürfte, wenn sie wollte. Nicht zu oft, aber dennoch oft genug. Verzweifelt schaute sie sich um und wagte es doch nicht. Sie hatte das Gefühl, niemals zuvor dringender das Bedürfnis gehabt zu haben, in den Wald zu gehen. Mit Tränen in den Augen ging sie zurück zu den Gewächshäusern und ließ sich an einer Glaswand zu Boden gleiten, geschützt vor den Blicken der Schüler, die nun in Scharen vom Quidditch - Spielfeld zur Schule zurück gingen. Sie saß noch einige Zeit dort, wischte sich die Tränen aus den Augen und fragte sich, ob sie eventuell ihrem Onkel von ihrer Verwirrung erzählten sollte. Nein, der hatte gewiß besseres zu tun, als sich das Gestammel einer pubertierenden Göre anzuhören. Zudem wäre es ihr peinlich gewesen, wenn er... nein, Schluß, Aus, sie würde den Mund halten. Inzwischen waren alle wieder im Schloss und das sollte sie auch sein, wenn sie nicht auffallen wollte, also stapfte sie los und fiel beinahe über ihre Schnürsenkel. 'Ungeschickt bist du auch noch, du dumme Pute!' schalt sie sich selbst.
Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors herrschte Wut und Enttäuschung vor. James Potter schmollte in einer Ecke und rieb sich das schmerzende linke Knie, während Lily besorgt auf ihn ein sprach. 'Aha, hat Snape dich also doch noch erwischt!' freute sich Florence, nur um gleich wieder in Verzweiflung zu fallen. Remus und Sirius kamen auf sie zu und baten sie, sich doch zu ihnen zu setzen, doch Florence hatte keine Lust dazu. Sirius würde sich nur über das Spiel aufregen und Remus sie wissend angrinsen, nein danke. Sie murmelte etwas von noch zu machenden Hausaufgaben und ging nach oben in den Mädchenschlafsaal. Heute Nacht war ein Spaziergang im Wald dringend erforderlich.
Severus Snape wickelte sich fester in seinen Umhang. Es war kalt heute Nacht und oben auf dem Astronomieturm zusätzlich noch immer windig. Hierher flüchtete er sich oft nachts, wenn er das Bedürfnis hatte, allein zu sein. Und bei dem ganzen Trubel im Gemeinschaftsraum der Slytherins, die immer noch ihren Sieg über die Gryffindors feierten, stand im mehr denn je der Wunsch danach, allein zu sein. Die klare Luft tat ihm gut und befreite seinen Kopf von den vielen unklaren Gedanken. Er hatte es Potter heute gezeigt, nicht war? Das erste Mal richtig! Das Spiel war bereits gewonnen, als er im Sinkflug noch einmal das Schlagholz gegen das Knie von James zimmerte, versehentlich natürlich und so, daß es keiner mitbekam. Aber dennoch... er war nicht so fröhlich, wie er es erhofft hatte. Nein, er fühlte keine Genugtuung, zumindest nicht ausreichend. Das Spielchen wurde langsam lästig und Severus gingen inzwischen die Ideen aus, wie die Gryffindors noch zu piesacken waren. Obwohl er kaum eine Gelegenheit ausließ, hinter Potter und seiner Bande hinterher zu spionieren, kam nichts Neues dabei raus. Sie waren entweder vorsichtiger geworden oder er nachlässiger, keine Ahnung. Und er war in letzter Zeit ziemlich oft damit beschäftigt gewesen, für den Unterricht zu lernen, wenn er seine guten Noten behalten wollte. Je besser seine Noten, desto friedlicher waren die Sommerferien. Seine Eltern ließen ihn in Ruhe, wenn er sagte, er wolle noch etwas lernen und sich in sein Zimmer verzog. Nun ja, er war für seine Eltern dann wohl doch nicht so die große Enttäuschung, wie sie angenommen hatten. Gut, gelegentlich gab es böse Briefe, wenn er wieder einmal bei irgendeiner Schandtat entdeckt worden war und selbst der gutmütige Dumbledore eine Nachricht geschickt hatte, aber im großen und ganzen waren seine Eltern erträglich geworden. Daß sie stolz auf ihn waren, ließen sie nie spüren, er wertete ihr Desinteresse an ihm als Zustimmung und Anerkennung und verbrachte die meiste Zeit der großen Ferien in seinem Zimmer. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr und drehte ruckartig den Kopf in diese Richtung. Da schlich eine schwarze Gestalt über den Rasen in Richtung Wald. Es war zu dunkel, als das er etwas genaueres hätte erkennen können, zudem war er viel zu weit entfernt. 'Seltsam... wer zur Hölle ist das?' dachte er und verfolgte die Gestalt mit den Augen. Ein Lehrer? Er konnte nichts zu der Größe der Gestalt sagen, ihm fehlte der Vergleich... Und nun stolperte die Gestalt und der Wind trug ein leises Fluchen zu ihm herauf. Es war eine weibliche Stimme und sie kam ihm bekannt vor, nur woher? Wenn er ihr jetzt folgen würde, vorausgesetzt, er bliebe bei dem Gang durch das Schloß unentdeckte, so würde er die Gestalt doch nie rechtzeitig genug einholen, das stand fest. Aber vielleicht machte diese Person ja öfter nächtliche Spaziergänge in den Wald. Er nahm sich vor, seine nächtliche Einsamkeit in nächster Zeit öfter mal unten vor dem Schloß zu pflegen, vielleicht konnte er dann ja herausfinden, wer es war. Oder er schaute sich morgen im Unterricht einmal seine Mitschüler genauer an, wer denn besonders müde aussah, nur für den Fall, daß diese Aktion eine einmalige Tat gewesen sein sollte. Oder beides. Vielleicht war es ja eine Gryffindor... er grinste breit. Ja, es gab nun etwas, was ihn für heute befriedigte: er hatte ein neues Ziel für seine Schnüffeleien...!
"Flo, verflucht, steh endlich auf!" "KIIIIIIIIIIKERIKIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII" "Steh endlich auf, damit dieses Ding aufhört zu nerven!" "KIIIIIIIIIIKERIKIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII" Schütteln. Lärm. Entnervte Stimmen. Ein Blinzeln. Schmerzen vom plötzlichen Licht auf der Netzhaut. Kratzen in der Kehle. Schmerzende Glieder. Langsam wich der Schlaf aus Florence und sie nahm gewahr, daß alle Mädchen aus ihrem Schlafsaal um ihr Bett herum standen und sie wütend anfunkelten. Kein Wunder, der mechanische Goldhahn auf dem Kaminsims krähte morgens solange, bis alle aufgestanden waren. Und das tat er wohl schon eine ganze Weile, denn Florence hatte heute morgen überhaupt nichts mitbekommen und war auch nicht zu wecken gewesen. Gerade, als sie sich im Bett mühsam aufrichtete, schoß Lily aus dem Waschraum, einen nassen Waschlappen drohend schwingend. "Ach, laßt mich doch alle in Ruhe..." brummelte Florence vor sich hin, fiel aus dem Bett, rappelte sich hoch und stolperte ins Bad. Die anderen Mädchen waren nun nicht mehr wütend, eher irritiert und fast schon besorgt um Florence, wagten es aber nicht, ihr zu folgen. Es gab öfter Morgende, an denen Florence nur mühsam in die Gänge kam und meistens hatte sie dann eine echte Stinklaune. Aus Erfahrung wußten sie, daß es dann besser war, sie solange in Ruhe zu lassen, bis das für sie typische Schmunzeln wieder auf ihrem Gesicht lag.
Im Waschraum stand die nächtliche Spaziergängerin mit dem Kopf an einen großen Spiegel gelehnt da, die Arme hingen schlaff an ihren Seiten und ihre Beine machten den Versuch, unter ihr auszubrechen. So fertig hatte sich Florence noch nie gefühlt. Kein Wunder, sie war auch noch nie die ganze Nacht im Wald unterwegs gewesen. Erst kurze Zeit vor dem Wecken war sie wieder zurück ins Schloss und den Schlafsaal geschlichen. Sie war immer noch innerlich aufgewühlt und ihr Spiegelbild verriet ihr, daß sie nach einem Kampf mit einem Bergtroll wahrscheinlich besser ausgesehen hätte als jetzt. Mühsam schleppte sie sich unter die Dusche und kam gerade noch rechtzeitig mit den anderen zum Frühstück in die Große Halle. Remus und Sirius machten große Augen bei ihrem Anblick, sagten jedoch nichts. James nahm sie gar nicht wahr, denn sein Blick war (wie immer) auf Lily gerichtet. Nur der dämliche Peter wagte es, sie anzusprechen, stoppte aber, nachdem Florence ihn mit einem kehligen Fauchen bedacht hatte.
Severus Snape stocherte in seinem Frühstück herum und kämpfte mit dem Schlaf. Auch er war heute Nacht erst spät in seinen Schlafsaal zurück geschlichen. Irgendwie hatte er gehofft, die Gestalt von gestern Nacht bei der Rückkehr ins Schloss noch zu erwischen, aber als ihm immer kälter wurde, sah er ein, daß es mehr Sinn haben würde, sich die morgendliche Runde in der Großen Halle genauer anzusehen. Und genau das sollte er auch langsam tun. Also riss er sich zusammen und schaute an den langen Tischen entlang. Nun, müde schienen alle zu sein. In ihm begann sich der Verdacht zu regen, daß es sich bei der nächtlichen Gestalt um jemanden von außerhalb gehandelt hätte (aber warum war ihm dann diese Stimme so bekannt vorgekommen?), als sein Blick an Florence Farstalker hängen blieb. Schlagartig war er hellwach und bemerkte gerade noch rechtzeitig, bevor Sirius Black ihn bemerkte, daß er mit offenem Mund zum Gryffindortisch herüber gestarrt hatte. Schnell senkte er den Blick und blickte nur noch verstohlen unter seinen Stirnhaaren hervor in Richtung Florence: blaß war sie immer (er auch), doch heute schien ihr Gesicht völlig blutleer zu sein. Unter ihren geschlossenen Augen lagen tiefe Schatten und sie hielt nur mühsam ihren Kopf auf den linken Arm gestützt. Severus legt den Kopf schief und eine Flut von Gedanken strömte auf sein Hirn ein: 'Die? DIE? Nein, das muß ein Irrtum sein, das kann nicht sein... Die Lieblingsschülerin fast aller Lehrer, immer pünktlich, immer vorbereitet und zu anderen (außer mir) immer höflich, immer schmunzelnd...? Eine nächtliche Ausbrecherin?...' Seine Augen hatte sich zu schmalen Schlitzen verengt, als Charly Lestrange ihn anstupste: "Hey, Sev, was ist denn?" "Nichts..." murmelte Severus zur Antwort und setzte sich wieder normal an den Tisch. Gedankenverloren wandte er sich wieder seinem Frühstück zu und blickte nur noch ab und zu zum Gryffindortisch hinüber. Fast war er sich sicher, daß er sich täuschen mußte, immerhin hatte er Florence noch nie zuvor morgens beim Frühstück beobachtet, vielleicht war das typisch für sie, als er urplötzlich anderer Meinung wurde: Florence Farstalker, die Musterschülerin, hatte gerade ihren Kopf auf der Schulter von Sirius Black abgelegt und schien mit offenem Mund am Tisch zu schlafen.
Nach der Geschichtsstunde von Professor Binns fühlte sich Florence wieder etwas ausgeschlafener und ruhiger. Sie hatte zwar nichts mitbekommen, aber es gab auch nichts, was der einzige Geister - Lehrer sagte, was sie nicht in irgendeinem Buch kurz vor den Prüfungen nachlesen konnte, insofern... Schwamm drüber. Remus grinste sie beim Hinausgehen breit an und sie mußte schmunzeln. ER hatte natürlich als einziger mitbekommen, daß sie sich während der Stunde hinter ihren Büchern ausgeschlafen hatte. Normalerweise schrieben sie sich nämlich kleine Briefchen in dieser Stunde und kommentierten die einzelnen Halbschlaf - Haltungen der anderen Schüler. Auf dem Weg hinunter in die Kerker zum Zaubertrankunterricht schwiegen beide grinsend. Erst, als sie ihre Plätze eingenommen hatten, fragte Remus sie leise: "Und? Was Schönes geträumt?" "Sei nicht so neugierig! Außerdem..." sie grinste, "wenn, würde ich es dir nicht erzählen! Du altes Plappermaul!" "ICH?" empörte sich Remus lachend und übertrieben, "ICH doch nicht! Niemals! Aber Sirius hast du heute morgen echt verwirrt! Wußte gar nicht, daß du so anhänglich werden kannst!" Florence wollte gerade etwas entgegnen, als James ihnen zuzischte: "Schaut euch bloß mal Snape an! Der starrt die ganze Zeit hier rüber!" Sofort drehten alle ihre Köpfe zu dem Platz von Severus Snape herum, der sie mit einem bösen Blick bedachte. "Wahrscheinlich ärgert er sich, daß er dich gestern nicht besser erwischt hat und du heute nicht im Krankenflügel, sondern im Unterricht bist!" raunzte Sirius und funkelte wütend Snape an, der nun mit gewohnt arroganter Miene seine Unterrichtssachen auf seinem Tisch ordnete. Florence schoß das Blut in die Ohren und der Rest der Unterhaltung ging in dem Rauschen unter, das nur sie hören konnte. Was war, wenn er sie gestern nacht auf dem Weg in den Verbotenen Wald beobachtet hatte? Er schnüffelte oft genug für die Slytherins im Schloss herum und es war ihm durchaus zu zutrauen, daß er auch nachts heimlich unterwegs war. Schließlich konnte sie ihre nächtlichen Ausflüge nicht einfach so unterlassen! Sie mußte heute noch dringend mit ihrem Onkel, Albus Dumbledore sprechen...
Direktor Dumbledore ging nervös in seinem Büro auf und ab, nachdem seine Nichte Florence gegangen war. Es war ihm zwar gelungen, sie zu beruhigen, aber er selbst war es ganz und gar nicht. Es war ein offenes Geheimnis, daß Severus Snape's Eltern Anhänger der schwarzen Künste waren. Und die Dunkelheit begann sich in diesen Tagen über das Land zu senken, zuerst unmerklich, aber die Zeichen hatten in der letzten Zeit zugenommen. Es war besonders einer, dem sie alle zu folgen wollen schienen. Und dieser eine war Dumbledore nur zu vertraut. Nun nannte er sich anders, aber Albus hatte ihn wiedererkannt, trotz der ganzen Geheimnisse um ihn. Was, wenn der junge Snape schon mehr wußte? Was, wenn er seinen Eltern von ihr erzählte? Was, wenn sie zu früh in die Hände der Schwarzmagier um den einen, der sich Lord Voldemort nannte, fiel? Unvorbereitet, wo die Kämpfer des Lichts sich noch nicht versammelt hatten? Severus Snape, sein Sorgenkind. Bereits am ersten Tag war er in Schwierigkeiten geraten und auch in der folgenden Zeit nicht einfach zu handeln gewesen. Er war in der Tat brillant in einigen Bereichen, wußte viel von den schwarzen Künsten (wen wundert's bei DEN Eltern), hatte insgesamt gute Noten und kämpfte verbissen darum, sie zu behalten oder noch zu steigern. Aber er war auch verschlossen, hinterhältig und hatte Neigung zur Grausamkeit gezeigt.
Dumbledore seufzte, hielt vor dem Fenster inne und beobachtete den Sonnenuntergang. Er hatte im Laufe seines langen Lebens die Gabe entwickelt, in die Herzen der Menschen zu blicken und er was er dort fand, verwirrte ihn immer noch von Zeit zu Zeit. Er hatte schon Mörderisches in den Gütigsten und größtes Mitgefühl in den Widerwärtigsten gesehen. Bei Severus Snape war er nicht überrascht gewesen, was er sah: Einsamkeit, Verzweiflung, Unsicherheit... alles, was Menschen sowohl für die größten Heldentaten wie auch die schlimmsten Verbrechen prädestinierte. Auf seiner Suche nach Liebe und Anerkennung hatte er bisher den grausamen Pfad eingeschlagen und er schien ihn auch (vorerst) nicht verlassen zu wollen.
Sein erstes Weihnachtsgeschenk in seinem Leben hatte Severus Snape von ihm, Dumbledore, erhalten: "Heiltränke - ihre Wirkung und wie man sie zubereitet", ein kleines Buch, daß große Wirkung haben sollte. Natürlich erfuhr Severus Snape nie, wer ihm seit Beginn seiner Schulzeit jedes Jahr etwas zu Weihnachten zukommen ließ, auch wenn er es wohl ahnte. Selbst später, als er Severus ganz offen Geschenke machen konnte, hörte Dumbledore nie auf, auch ein anonymes Päckchen zu packen. Von seinen Eltern hatte Severus nie etwas zu Weihnachten bekommen und es erschien Dumbledore damals nur fair, daß der Junge, wenn er schon über die Winterferien in Hogwarts blieb (und das freiwillig), ein Geschenk am Fuße seines Bettes vorfinden sollte, allein schon, damit er sich nicht noch einsamer und ausgeschlossener vorkam, als sowieso. Er hätte damals gern sein Gesicht gesehen, an jenem ersten Weihnachtsmorgen in Hogwarts... Dumbledore grinste. Nein, der Junge war nicht von Grund auf schlecht, nur verwirrt und zu leicht von den schwarzen Künsten zu beeindrucken.
Vielleicht... vielleicht hatte er sich ja die ganzen letzten Jahre über geirrt? Albus schüttelte den Kopf: Sirius Black - der Dunkle, der aus den Schatten treten mußte... die Verbindung erschien ihm plötzlich zu leicht zu schlußfolgern. Wenn Frowin ihm doch nur einmal eine genaue Antwort zu einem Rätsel geben würde und nicht nur wieder ein neues Rätsel... Rasende Kopfschmerzen plagten den Direktor plötzlich und er rieb sich die Schläfen. 'Es wird Zeit, daß ich mir ein Denkarium zulege!' dachte er und beschloss gleichzeitig, Florence Farstalker so bald wie möglich von der Prophezeiung zu berichten.
Severus Snape stand zwischen den Bücherregalen in der Bibliothek und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Seit der Nacht, als er die Gestalt über den Rasen vorm Schloss hatte huschen sehen, verfolgte er Florence Farstalker, wohin er konnte, ohne aufzufallen. Seltsamerweise mußte er seine Gewohnheiten dafür kaum ändern, da sie sich die meiste Zeit sowieso in den selben Ecken rumtrieben. Florence verbrachte die meiste freie Zeit in der Bibliothek, wie er auch. Und Unterricht hatten sie auch oft gemeinsam. Bisher hatte er den häufigen gemeinsamen Unterricht zusammen mit den Gryffindors meist nur als Belastung und Ärgernis betrachtet, zur Zeit jedoch waren das unschätzbare Möglichkeiten zur unauffälligen Beobachtung. Komisch, daß er sie vorher nie so häufig wahrgenommen hatte. Sonst wäre ihm wohl schon früher aufgefallen, wie chaotisch diese Mädchen war. Allein in der letzten dreiviertel Stunde, seit er zwischen diesen Regalen stand und durch ein paar Bücher hindurch blickte auf die andere Seite, auf der Florence an ihrem gewohnten Arbeitsplatz saß, hatte sie mehrfach mit ihrer Pergamentrolle voll Notizen gekämpft, damit sie sich nicht ständig zusammenrollte. Einmal war ihr fast das Tintenfaß über dem Tisch ausgekippt, drei Bücher waren nacheinander zu Boden gefallen und bei dem Versuch, sie wieder aufzuheben, hatte sie sich zweimal den Kopf an der Tischkante gestoßen. Gerade blickte er wieder durch die Lücke zwischen den Büchern, als sie versuchte, aufzustehen und sich fast die Beine brach. Sie hatte sich beim Schreiben mit den Beinen so unmöglich um den Stuhl geknotet, daß es ihr nun nicht zu gelingen schien, diese wieder ohne weiteres zu entwirren. Er mußte sich gewaltsam ein Lachen verkneifen, wenn er nicht auffallen wollte. 'Ach du meine Güte! Ihr Schutzengel muß ein vielbeschäftigter Mann sein, wenn sie es geschafft hatte, bis zum heutigen Tag zu überleben...' dachte er bei sich und biß sich auf die Zunge.
Am Abend, als er in seinem Bett lag, dachte er immer noch über die "Grüne Flo" nach. Seine Gedanken schienen nur noch um sie zu kreisen und ihm war komisch dabei. Er hatte nichts weiter herausgefunden, außer, daß er sich immer öfter dabei erwischte, sie einfach in den Arm zu nehmen und vor der großen bösen Welt beschützen zu wollen. Sie wirkte so hilflos, verträumt und unbeholfen, zart und zerbrechlich... er bekam es mit der Angst zu tun! Schön im eigentlichen Sinne war sie nicht. Sie war hübsch, keine Frage, verstand es jedoch nur zu gut, dies völlig zu kaschieren. Ihr dunkelgrünes Haar (er hatte immer noch nicht herausgefunden, wo diese seltsame Farbe herkam) war mehr oder weniger in einem unordentlichem Zopf gebändigt, ihr bleiches Gesicht fast immer hinter einem dicken Buch versteckt und ihre fast ausnahmslos schwarzen Privatkleider verliehen ihr irgendwie etwas von einer zu groß geratenen Fledermaus. 'Wir sind uns ziemlich ähnlich!' schoß es ihm durch den Kopf und verursachte einen heftigen Adrenalinausstoß, daß ihm heiß und kalt zugleich wurde. Sein Magen zog sich schlagartig zusammen und seine Hände wurden feucht. Unruhig wälzte er sich im Bett hin und her und versuchte verzweifelt, diesen Gedanken wieder abzuschütteln. Als er es in den frühen Morgenstunden endlich schaffte, einzuschlafen, träumte er von seltsamen Dingen: Gestalten mit weiten Kapuzenumhängen, die Gesichter im Schatten verborgen, Schreie und wütendes Weinen, grüne Blitze, die den Nachthimmel durchzuckten....
