Kapitel 4 - Die frühen Jahre III oder Kleinigkeiten und Katastrophen von
Molly
Die Sommerferien schienen einfach kein Ende nehmen zu wollen. Severus verließ sein Zimmer anfangs fast nur noch für die gemeinsamen Mahlzeiten mit seinen Eltern, und das war schon quälend genug, doch nun kam auch noch ständig Besuch ins Haus. Und das hieß, daß er jedesmal vorgestellt wurde, wobei sein Vater ständig auf die guten Noten verwies, die sein Sohn mit nach Haus gebracht hatte.
Ihm gegenüber hatte Mr. Snape nie in den letzten Jahren auch nur das kleinste bißchen davon durchblicken lassen, daß er stolz auf Severus war. Und Severus selbst glaubte auch nicht daran, da sein Vater sein Verhalten ihm gegenüber nicht geändert hatte oder etwas Nettes zu ihm sagte, wenn kein Besuch in der Nähe war. Sobald wieder einer dieser ominösen Besucher das Haus der Familie Snape betrat, wurde Severus vorgeführt wie eine Zirkusattraktion und danach wieder auf sein Zimmer geschickt. Auch für den heutigen Abend hatte sein Vater wieder einen Besucher "von größter Bedeutung" angedroht und Severus wünschte sich nichts sehnlicher als eine plötzliche Erkrankung, die ihn vor der anstehenden peinlichen Vorführung bewahren würde. Doch soviel Glück hatte er natürlich nicht.
Allerdings wäre es fast soweit gekommen, wenn seine Mutter nicht mittlerweile soviel Übung darin gehabt hätte, ihren Sohn wieder zusammen zu flicken. Mrs. Snape schien noch nie so aufgeregt gewesen zu sein, wie an diesem Tag. Als sie allerdings Severus die mittlerweile fast schulterlangen Haare kürzen wollte, sträubte sich der 15jährige energisch dagegen. Dies hatte zur Folge, daß sein Vater, der ebenfalls ziemlich aufgeregt schien, ihm einen fröhlichen Cruciatus - Fluch verpaßte und diesen erst spät und nur auf Drängen seiner Frau aufhob.
Solche Schmerzen hatte Severus bisher erst selten erleben müssen und war schon bereit zu sterben, damit sie endlich nachließen, als er sich plötzlich fast liebevoll von seiner Mutter umsorgt in seinem Bett wiederfand. "Severus, ich entschuldige mich für das Benehmen deines Vaters. Er ist nervös. Unser Besuch von heute Abend ist wirklich ausgesprochen wichtig für uns alle. Wir möchten nur, daß du einen guten Eindruck machst. Das könnte über deine gesamte Zukunft entscheiden, glaube mir... Und nun mach den Mund auf und trink das hier, dann geht es dir gleich besser!" Widerwillig tat Severus wie geheißen und schluckte einen ekelhaft riechenden Trank, der noch ekelhafter schmeckte, als er roch.
Gegen abend war er wieder in der Lage, aufzustehen und nicht allzu schmerzverzerrt auszusehen. Als er schließlich das Speisezimmer betrat, war der Besucher bereits eingetroffen. Es war ein älterer, unglaublich dürrer Zauberer mit einem Gesicht, das ein bißchen an eine Schlange erinnerte. Seine rotglühenden Augen richteten sich auf Severus und dem Jungen wurde plötzlich speiübel. "Ah, ich bemerke, daß Sie ihren Sohn recht hart zu zügeln wissen, Snape. Gut, gut. Was hat der Schlingel denn heute angestellt, daß Sie ihm gleich einen Unverzeihlichen antun mußten?" fragte der Fremde lächelnd, ohne den Blick von dem Jungen zu nehmen. "Er hat es gewagt, seiner Mutter zu widersprechen, Mylord!" antwortete Mr. Snape kalt. Severus war wie hypnotisiert von den roten Augen des fremden Magiers und spürte, wie seine Beine ihm bald den Dienst versagen würden, als seine Mutter ihn sanft am Arm nahm und zu seinem Platz am Eßtisch führte. Auch ihr schien nicht wohl zu sein bei dem Besucher. Wie hatte sein Vater den Mann genannt? Mylord? Daß er ein mächtiger Zauberer sein mußte, war Severus schon klar, aber jemanden gleich Mylord zu nennen? Der Fremde stierte ihn immer noch an, kalt und berechnend. "Ich habe gehört, du seist auf dem Wege, ein guter Giftmischer zu werden. Ist dem so?" fragte er nun nicht mehr lächelnd. Severus blickte unsicher zu seinem Vater, der ihm mit einem Nicken anwies, zu antworten. "Ich gebe mir Mühe." antwortete er und versuchte nicht so verschüchtert zu klingen, wie er sich fühlte. Der Fremde war ihm unangenehm und er kämpfte verzweifelt seine aufkommende Angst nieder. Der Fremde starrte ihn noch kurz an, bevor er seinen Blick endlich von ihm nahm und sich wieder kalt lächelnd an Mr. Snape wandte. "Ja, der Junge könnte noch eine interessante Entwicklung machen. Talent, Stolz und den nötigen Ernst hat er. Ich werde sicher ein Auge auf ihn behalten." ließ er sich vernehmen und wandte sich nun völlig anderen Themen zu, wofür Severus unglaublich dankbar war. Da er immer noch geschwächt war, wurde ihm erlaubt, zurück in sein Zimmer zu kehren, nachdem das Abendessen vorüber war.
Er legte sich sofort ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Wer war dieser Mann? Und was sollte das heißen, er würde ein Auge auf ihn haben? Was hatten seine Eltern für seine Zukunft denn geplant? Severus wußte selbst noch überhaupt nicht, was später aus ihm werden sollte, aber er hatte ja auch noch drei Jahre Schule vor sich, Zeit genug, wie er fand, um sich etwas zu überlegen. Erschöpft schlief er letztendlich ein, mit den Gedanken wieder in der Schule und voll der Hoffnung, dieses Jahr endlich den Mut und die Gelegenheit zu finden, ein normales Gespräch mit Florence Farstalker zu beginnen. Er vermißte sie.
Mitten in der Nacht schreckte Severus hoch und bemerkte, daß er nicht allein im Zimmer war. Seine Mutter saß auf seiner Bettkante und Tränen glitzerten in ihren Augen, das konnte er sogar im blassen Mondlicht, das durch das Fenster ins Zimmer schien, erkennen. Sie drückte ihn sanft zurück in die Kissen und flüsterte, er solle sich still verhalten. Noch nie hatte er seine Mutter so erlebt und er gehorchte überrascht. "Dein Vater hat heute die Weichen für deine Zukunft gestellt und du tust gut daran, ihm zu gehorchen. Der Dunkle Lord ist bereits sehr mächtig und er wird gut für die Seinen sorgen, wenn er die Macht errungen hat." flüsterte sie schnell und deckte ihren Sohn zu, bevor sie leise das Zimmer verließ.
Im Nachhinein stellte sich Severus oft die Frage, ob er den Selbstmord seiner Mutter vielleicht doch noch hätte verhindern können, wenn er in dieser Nacht versucht hätte, mit ihr zu reden. Am nächsten Morgen wachte sie nicht mehr auf. In ihrer rechten Hand hielt sie noch die kleine Phiole, in der das tödliche Gift enthalten gewesen war. Sie hinterließ keine Nachricht, nur einen von Trauer gelähmten Sohn, dessen Vater auf ihren Tod keinerlei Reaktion zeigte. Er war vom vorherigen Abend an einer der ersten Todesser im Gefolge Lord Voldemorts und der Tod seiner zweifelnden Ehefrau nahm ihm die Bürde ab, selbst dafür zu sorgen. Mrs. Snape wurde schnell und ohne große Feier beerdigt, unter den wenigen Trauergästen waren vor allem die neuen "Freunde" von Severus' Vater. Evan Rosiers Vater bot an, Severus für die letzten Wochen der Ferien zu sich und seiner Familie zu nehmen, ein Angebot, das Mr. Snape ohne zu zögern annahm, er hatte schließlich viel zu tun in der nächsten Zeit. In diesen Ferien brach das erste größere Stück aus der Seele von Severus Snape und viele sollten in den nächsten Jahren noch folgen.
Albus Dumbledore stand vor dem Käfig seines Phönix und fütterte ihn mit Zitronenkeksen. Wie er mochte auch sein eigenwilliges Haustier viele der Muggel - Spezialitäten, besonders, wenn es sich um etwas mit Zitronengeschmack handelte. Aber im Grunde wartete der Direktor der Hogwarts - Schule für Hexerei und Zauberei auf einen Besucher, der zur Zeit viel Aufmerksamkeit verdiente. Es klopfte zaghaft an der Tür zu seinem Büro und Dumbledore bat darum, hereinzukommen. Im Türrahmen erschien ein Junge, der über die Ferien noch blasser, dünner und verschlossener geworden zu sein schien, als ehedem. "Ah, Severus, setz dich, setz dich..." Der Junge tat, wie ihm geheißen und blickte sich verstohlen in Dumbledores Büro um. Natürlich war er schon öfter hier gewesen, allerdings nur, nachdem er bei irgendetwas Unerlaubten erwischt worden war. Eine Einladung ohne Grund hatte er bisher noch nie erhalten. "Du fragst dich jetzt sicher, warum du hier bist, nicht wahr?" fragte Dumbledore freundlich und setzte sich selbst auf seinen Platz hinter dem Schreibtisch voller seltsamer Instrumente und Stapeln von Papieren. Der Junge nickte und schaute ihm nun direkt in die Augen. "Ich wollte dich nur fragen, ob ich etwas für dich tun kann, Severus. Ich habe natürlich von dem tragischen Tod deiner Mutter gehört..." Schweigen. "Severus?" "Ja..., Sir." "Gibt es etwas, das ich für dich tun kann?" 'Mich für immer hier lassen, daß ich nie wieder dorthin zurück muß. Mich in Ruhe lassen. Dich um mich kümmern....' vieles schoß Severus Snape durch den Kopf, doch er antwortete nur: "Nein, Sir." Dumbledore seufzte. "Nein?" sagte er und dachte 'Das glaube ich dir leider nicht, mein Junge.' Er versuchte irgendeine Regung in dem blassen Gesicht vor ihm zu erkennen. Wieder seufzte er. "Nun, wenn du deine Meinung änderst, bist du mir jederzeit willkommen. Auch Professor Dusk möchte dir helfen, wenn Du ihn läßt." Keine Reaktion, nur betretendes Schweigen. Fawkes, der Phönix fing leise an zu singen und der Junge drehte sich zu dem Vogel um. "Möchtest du ihn ein wenig füttern? Er mag Zitronenkekse, weißt du?" fragte Dumbledore lächelnd und reichte Severus einen Keks.
Es war viel schlimmer, als Dumbledore befürchtet hatte. Severus Snape stand nun endgültig auf Platz eins seiner Liste von Sorgenkindern. Dieser Junge hatte nie gelernt, irgendein anderes Gefühl als Wut und Hass auszuleben und nun war er plötzlich ohne Mutter. Und sein Vater war Dumbledore noch nie sympathisch gewesen. Zudem hatten ihm seine Informanten Dinge über Mr. Snape erzählt, die er lieber nicht gehört hätte.
Wenn er doch nur etwas tun könnte. Aber der Junge war so abweisend. Nun, er war erst seit gestern wieder hier in Hogwarts, vielleicht fing er sich noch. Und es waren erst etwas über zwei Wochen seit der Beerdigung vergangen und tiefe Wunden heilten nie so schnell, wenn überhaupt. Seine Nichte Florence trauerte ja auch noch um ihren Vater, auch wenn der Sommer ihr gut getan zu haben schien. Sie war plötzlich so erwachsen geworden. Sie stolperte zwar immer noch etwas gedankenverloren durch die Gegend, aber irgendwie schien sie in den letzten zwei Monaten gelernt zu haben, ihre Füße etwas besser zu koordinieren. Überhaupt schien sie eleganter geworden zu sein in ihrer ganzen Art. Chaotisch, aber elegant. Was für eine Beschreibung...
Als Severus Snape in diesem Schuljahr das erste Mal Florence Farstalker wiedersah, hätte er sie fast nicht erkannt. Er hatte sie irgendwie kleiner in Erinnerung. Und unbeholfener. Und unglücklicher. Nun, SIE hatte wahrscheinlich etwas angenehmere Ferien verbracht als er. Die letzten zwei Wochen bei Evan hatten ihm zwar sehr geholfen, über den ersten Schmerz hinweg zu kommen, aber er stand immer noch unter Schock. In den letzten 24 Stunden ihres Lebens war seine Mutter ihm näher gekommen als in den 15 Jahren zuvor. Und dann floh sie in den Tod. Ließ ihn allein mit seinem Schmerz und seinem Vater. Severus hatte nicht gedacht, daß ihm seine Mutter trotz ihrer kühlen Art soviel bedeutet hatte. Im Grunde war er froh, wieder in Hogwarts zu sein, denn hier war er zu Haus, wirklich zu Haus. Allerdings hatte er auch das eigentümliche Gefühl, daß ihn alle wie ein rohes Ei behandelten. Und wenn es etwas gab, was er wirklich nicht wollte, dann in Selbstmitleid zu ertrinken. Oder doch?
Natürlich hatten auch die Gryffindors davon gehört, daß Severus' Mutter in den Ferien gestorben war. Selbst Sirius, der Severus wohl am wenigsten leiden konnte, hielt sich zurück mit seinen bissigen Kommentaren. Florence wußte nun überhaupt nicht mehr, wie sie mit ihm umgehen sollte. Daß ihr eigener Vater letztes Jahr gestorben war, wußten nur wenige. Aber er war auch alt gewesen und eines natürlichen Todes gestorben. Severus' Mutter hingegen war noch jung und hatte ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt. Es erschien ihr auch nicht weiter verwunderlich, daß sich der Junge, an den sie oft in den Ferien hatte denken müssen, sich noch weiter in sich zurück gezogen hatte, aber als sie sich das erste Mal nach den Ferien wiedersahen, schien er von ihrem Anblick eher schockiert als erfreut zu sein. Und das war etwas, was wiederum Florence schockte. Sie war unbestritten enttäuscht gewesen, auch wenn sie verstand, daß er im Moment wohl an anderes denken mußte. Aber sie war enttäuscht und traurig darüber. Vielleicht hatte sie sich ja auch einfach nur zuviel eingebildet.
Die erste Schulwoche verlief ruhig und ohne große Überraschungen, zumindest bis Freitagnachmittag. Zaubertrankunterricht bei Professor Salve stand auf dem Stundenplan, Gryffindors zusammen mit den Slytherins, zwei ganze Doppelstunden im Kerker. Keiner der Schüler war davon begeistert. Severus Snape war im Moment so ziemlich alles egal, er ließ sich völlig treiben. Florence Farstalker hingegen versuchte Severus so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen, ihre anfängliche Enttäuschung war einem handfesten Liebeskummer gewichen über den sie sich zusätzlich auch noch ärgerte. Was hatte sie sich auch gedacht? Natürlich war er ihr nur hinterher geschlichen, um sie anschwärzen zu können. Und wenn er dabei nicht auch die Schulregeln hätte übertreten müssen, so daß Florence auch etwas gegen ihn in der Hand hatte, hätte er es auch ohne zu zögern getan. Als die Gryffindors im Kerkerlabor ankamen, hatten die Slytherins ihre Plätze schon eingenommen. Florence schaute sich kurz um und entdeckte einen teilnahmslos wirkenden Severus Snape zwischen seinen beiden besten Freunden Evan Rosier und Lance Wilkes sitzen. Hinter sich hörten sie Professor Salve sie anweisen, sich zu setzen, während er selbst nach vorn zu seinem Lehrerpult durchging. "Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen. Bevor ich die Anwesenheitsliste verlese, möchte ich sie darauf aufmerksam machen, daß Sie in diesem Jahr fast ausschließlich in Partnerarbeit verschiedene Projekte bearbeiten werden. Direktor Dumbledore und ich sind der Meinung, daß Ihnen schon frühzeitig die Möglichkeit gegeben werden sollte, weitestgehend freie Aufgabenstellungen bearbeiten zu können. Rezepte aus Büchern nachzubrauen haben Sie in den vergangenen vier Jahren ja schon erlernt und sollte Ihnen nicht mehr allzuviel Schwierigkeiten bereiten. In den Projekten sollen sie Ihre eigene Kreativität einbringen und zeigen, daß Sie in der Lage sind, die verschiedenen Reaktionen der einzelnen Zutaten miteinander richtig einzuschätzen. Hoffen wir einmal, daß uns nicht allzu viele Kessel um die Ohren fliegen werden...." Der Großteil der Schüler stöhnte nach dieser Ankündigung laut auf und Sirius und Remus rückten gleichzeitig ihre Stühle näher an Florence heran. Beide waren nicht unbedingt die Begabtesten im Tränke brauen. Meistens profitierten sie von Florence' fast schon unnatürlicher Begabung, die öfter Explosionen im letzten Moment verhindern mußte, wenn einer von ihnen wieder einmal etwas zu großzügig mit den Zutaten umgegangen war. Professor Salve sprach jedoch noch weiter: "...ich werde nun die Anwesenheit verlesen und sie dabei gleich Ihrem Partner zuteilen. Ich werde die Teams so zusammenstellen, daß immer zwei ungefähr gleich starke Schüler zusammenarbeiten können, was die spätere Benotung etwas fairer machen wird..." Wieder lautes Stöhnen von Seiten der Schüler. Professor Salve konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: "Und damit ich Ihnen gleich allen die Hoffnung nehmen kann, lauten die Namen des ersten Teams Florence Farstalker und Severus Snape... Sie können sich nach der Verteilung zusammensetzen! Das zweite Team...." Mehr bekam Florence nicht mehr mit. Überrascht schaute sie rüber zu Severus, der sie genauso verblüfft ansah. Neben ihr stöhnte Remus Lupin laut auf. Er war mit Lance Wilkes in einem Team, und der war trotz der ständigen Unterstützung durch Severus bekanntermaßen der Schlechteste im Kurs.
Nachdem Professor Salve die Verteilung der Schüler abgeschlossen hatte, packte Florence ihre Sachen mit einem unguten Gefühl wieder ein und machte sich gerade auf den Weg hinüber zu dem betreten drein blickenden Severus, als sie Sirius leise gezischte Warnung vernahm: "Laß dich bloß nicht aushorchen! Der Quidditch - Pokal soll schließlich dieses Jahr wieder unserer werden!" "Sonst hast du keine Sorgen?" fauchte Florence zurück. Manchmal war Sirius ein echter Hornochse. Severus schob seine Sachen ein wenig auf dem Tisch zusammen, während Florence sich setzte und einen wütenden Blick in Richtung Sirius abschoß, der sie genauso wütend anblickte, bevor Peter Pettigrew sich neben ihm niederließ. Professor Salve schrieb mit quietschender Kreide die Zutaten für einen Basistrank an die Tafel, aus dem seine Schüler einen Heiltrank gegen Erkältungen fertigen sollten. Sie schrieben die Rezeptur ab und hatten danach die Gelegenheit, sich mit ihren Partnern zu beraten. Zuerst sagten weder Severus noch Florence etwas, bis sie gleichzeitig anfingen, zu sprechen. Florence mußte lachen und ließ Severus den Vortritt, der zum ersten Mal seit Wochen ebenfalls wieder lächelte. "Ich denke hauptsächlich an Fegekraut und Glockenwurz, was meinst du?" "Herzblümchen und Dreiblatt gegen Husten und Fieber dazu. Vielleicht etwas Hundsrose?" "Nicht schlecht... noch etwas Absinth und das ganze wirkt schneller..." Ehe sie sich versahen, steckten sie mitten in einer Diskussion über Kräuter und Dosierungen der einzelnen Zutaten, was Professor Salve mit einem Lächeln und Sirius Black mit finsterstem Blick zur Kenntnis nahmen. Am Ende des Unterrichts hatten Florence und Severus einen sehr wirksamen Heiltrank zustande gebracht, dessen einziger Nachteil es war, daß den Patienten noch Stunden nach der Einnahme die Ohren rauchten. Professor Salve war mit beiden ausgesprochen zufrieden und ließ Madam Pomfrey das Rezept noch am selben Tag zukommen, immerhin stand die Erkältungszeit vor der Tür. Es war eine gute Idee von Dumbledore gewesen, die beiden zusammen zu setzen, davon war Professor Salve nun endgültig überzeugt. Von den anderen Gryffindor - Slytherin - Paarungen war er allerdings weniger begeistert: Lupin und Wilkes hatten gerade mal den Basistrank zustande gebracht und Lestrange und Potter waren nur mit Mühe davon abzuhalten gewesen, sich im Unterricht zu prügeln.
Der Unterricht hatte sowohl Severus wie auch Florence gut getan. Sie verabredeten sich für Sonntagnachmittag in der Bibliothek für die Hausaufgaben in Zaubertränke und gingen gut gelaunt ins Wochenende. Florence war sich nun sicher, daß Severus seltsames Verhalten in den letzten Tagen nichts mit ihr zu tun hatte und war beruhigt. Bis Sirius sie im Gemeinschaftsraum der Gryffindors abfing. "Na, wie lief's denn mit dem Ekel?" Florence war völlig verdattert: "Bitte? Ich glaub', ich höre nicht recht!" "Na du und Snape! Ihr scheint euch ja prächtig amüsiert zu haben!" "Entschuldige mal, ich wollte nicht mit ihm zusammen arbeiten! Professor Salve hat uns zusammengesetzt, falls du dich erinnerst!" "Das ist trotzdem kein Grund, sich gleich mit ihm anzufreunden! Ich habe gehört, wie ihr euch für Sonntag verabredet habt..." Sirius Gesicht war zornesrot und er ballte die Fäuste. "Erstens treffen wir uns nur für die Hausaufgaben und zweitens geht dich das ja wohl nichts an! Für wen hältst du dich eigentlich?" Florence gute Laune war verflogen. Im Grunde war es ihr peinlich, da Sirius zum Teil recht hatte: sie freute sich über die Möglichkeit, etwas Zeit mit Severus zu verbringen und ihn besser kennenzulernen. Trotzdem hatte er kein Recht dazu, ihr so eine Szene zu machen. "Für wen ich mich halte? Für einen Gryffindor selbstverständlich! Und zwar einen, der keinen Wert auf die Gesellschaft von Slytherins legt! Und für was hältst du dich?" An diesem Punkt schritt Remus Lupin ein, bevor Florence irgendetwas entgegnen konnte: "Hey, Sirius, das geht nun wirklich zu weit. Ich bin schließlich auch mit einem Slytherin in einem Team, obwohl ich es nicht wollte. Und wenn Flo mit Snape gut zurecht kommt im Unterricht heißt das noch lange nicht, daß sie eine schlechte Gryffindor ist!" Florence schnaubte verächtlich und rannte in den Mädchenschlafsaal hoch. Sirius war doch einfach nur eifersüchtig! Sie war so unglaublich wütend!
Severus gute Laune hingegen hielt etwas länger an. Zum ersten Mal seit Wochen erschien ihm nicht mehr alles so sinnlos. Zaubertränke hatte er schon immer gemocht und nun auch noch mit Florence in einem Team zu arbeiten ließ die Welt wieder etwas bunter für ihn erscheinen. Für einige Stunden vergaß er seinen Schmerz und sein Selbstmitleid. Für den nächsten Morgen stand Quidditch - Training auf dem Plan, das erste Spiel gegen Gryffindor stand bald an. Dadurch, daß der ehemalige Kapitän der Gryffindormannschaft dieses Jahr nicht mehr zur Schule ging, war James Potter als bester Spieler sein Nachfolger geworden. Wer allerdings die freie Stelle als Treiber einnehmen würde, hüteten die Gryffindors wie ein Staatsgeheimnis.
Sirius Black kochte vor Wut. Er stand an genau derselben Stelle wie Severus Snape letztes Jahr in der Bibliothek zwischen den Regalen und spähte durch dieselbe Lücke in den Büchern. Wie sie da saßen! Dutzende von Büchern um sich herum gestapelt, sich nett und höflich unterhaltend und sie lächelten! Und jetzt zupfte Snape ihr auch noch eine kleine Feder aus dem Haar! Das war zuviel! Er schob die Ärmel hoch und wollte gerade um die Ecke stürzen, um Severus Snape eine Abreibung zu verpassen, da traf ihn ein Schockzauber. "Irgendwann wirst du mir dafür dankbar sein..." flüsterte Remus Lupin leise und steckte seinen Zauberstab zurück in den Umhang. Lärm möglichst vermeidend zerrte er den bewußtlosen Sirius in eine etwas ruhigere und uneinsichtbarere Ecke der Bibliothek. Remus gefiel es zwar auch nicht, daß Florence so viel Zeit mit Severus verbrachte, aber es war ihre Entscheidung, wie und mit welchen Menschen sie umging. Flo war zu fast jedem nett, auch wenn sie jemanden nicht leiden konnte und er verstand, daß sie mit Snape einen höflichen Umgang pflegen mußte, immerhin waren die beiden in einer Arbeitsgruppe. Er sprang Wilkes ja schließlich auch nicht im Unterricht an die Kehle, nur weil er ein Slytherin war. Aber in dieser Beziehung waren sich Sirius und James Potter einfach zu ähnlich. Nicht auszudenken, wenn Sirius einen Slytherin als Partner bekommen hätte! Wenn es überhaupt noch eine Chance gab, Sirius und Florence zu verkuppeln, dann hätte er sie heute durch eine Prügelei mit Snape endgültig verspielt. Lily hatte Remus gebeten, ein Auge auf Sirius zu haben, da sie so etwas schon befürchtet hatte. Flo war trotzig genug, um gerade wegen so einer Aktion Dummheiten zu machen. Und daß Snape letztes Jahr ständig hinter ihr her geschlichen war, könnte auch durchaus... nun ja... Flo war auf ihre Art hübsch... und Remus hatte schon öfter bemerkt, daß die meisten Jungs ihr gegenüber Beschützergefühle entwickelten, wenn sie sie nur erst kannten... Er seufzte und setzte sich neben den immer noch betäubten Sirius auf den Boden. Er würde ihn erst aufwecken, wenn Florence und Snape die Bibliothek verlassen hatten. Es war besser, wenn sie nichts davon mitbekamen.
Die nächsten Wochen bis Halloween verliefen angespannt aber ruhig. Sirius war wütend auf Remus und sprach kein Wort mit ihm. Florence blickte er bei jeder Gelegenheit vorwurfsvoll an und hielt sich sonst an James und Lily. Remus versuchte so viel Zeit wie möglich mit Florence zu verbringen und ihre Wut auf Sirius zu dämpfen. "Warum tut er das? Ich bin doch kein kleines Kind mehr! Und ich kann sehr wohl entscheiden, mit wem ich rede und mit wem nicht!" beschwerte sich Florence und warf einen Stein in den See vorm Schloss. Remus seufzte: "Das weißt du doch..." "Er hat kein Recht dazu! Ich bin nicht mit ihm verheiratet! Und wenn er eifersüchtig ist, ist das sein Problem! Außerdem... ach, was soll's..." "Du magst ihn, stimmt's?" "Wen? Sirius? Ja, natürlich, wir sind doch eigentlich Freunde, außer, wenn er sich so hirnrissig benimmt wie zur Zeit..." Remus seufzte erneut. "Sirius meinte ich eigentlich gerade nicht... Ich meinte Snape..." Florence' Wangen bekamen einen rosa Schimmer, während sie Remus von unten anstarrte. Schnell drehte sie sich weg und suchte nach einem neuen Stein zum Werfen. "Und wenn dem so wäre? Ich meine, er ist ja nicht der Teufel in Menschengestalt, oder?" Ihre Stimme klang leicht verunsichert. "Nein, das sicher nicht. Er benimmt sich uns gegenüber nur ab und zu so, als ob..." Remus grinste und suchte nun ebenfalls einen Stein zum Werfen. "Zu mir ist er nett... außerdem macht es Spaß, mit ihm zu arbeiten. Wenigstens muß ich nicht jedes Mal befürchten, daß gleich der Kessel schmilzt, wenn ich mal zwei Minuten nicht hinschaue... Anders als mit euch beiden." Nun grinste auch Florence. "Na, na! Nu' wird mal nicht frech, ja? Können ja nicht alle solche Genies sein wie du und Snape... Ahnt er eigentlich schon, was am Samstag auf ihn zukommt?" "Wir haben nicht über Quidditch geredet, wenn du das meinst." Sie warfen noch eine Weile Steine in den See, bis Remus zu kalt wurde und das Halloween - Festessen nicht mehr so lange auf sich warten ließ.
Severus Snape war glänzender Laune, als er mit den anderen Slytherin - Spielern hinaus auf das Quidditch - Feld ging. Er hatte das letzte Spiel gegen Gryffindor noch in bester Erinnerung. "Und diesmal erwisch' Potter nach Möglichkeit richtig, ja?" hatte ihm der Kapitän seiner Mannschaft, Tim Rabanus, mit auf den Weg gegeben, und genau das hatte er auch vor. Die Gryffindorspieler drehten bereits über ihren Köpfen ein paar Aufwärmrunden. Den Slytherins war es bis zum Spiel nicht gelungen herauszufinden, wer der neue Treiber der Gryffindors war und von unten konnte Severus nicht allzuviel erkennen. Also ließ er sich einfach überraschen. Das Spiel wurde von Professor Flitwick ("Und heute will ich ein faires Spiel sehen, haben Sie mich verstanden?") angepfiffen und Severus stieg höher, um in die Nähe von James Potter zu kommen. "Ihr laßt euch auch nie was Neues einfallen, was Snape?" rief James ihm zu und grinste. Severus würdigte ihn keiner Antwort und hielt stattdessen Ausschau nach einem Klatscher. Kaum hatte er einen, schlug er ihr hart auf James zu. Keine Sekunde später mußte er genau demselben Klatscher selbst ausweichen, der neue Treiber der Gryffindors hatte sich blitzschnell zwischen Severus und James gebracht und den Ball zurückgeschlagen. Severus traute seinen Augen nicht, als er den neuen Spieler der Gryffindors erkannte: unschuldig grinsend schwebte da Florence Farstalker direkt vor ihm. "Hi Severus!" rief sie ihm zu und grinste noch breiter, bevor sie wieder in die Tiefe hinabstieß um einen Jäger der Gryffindors zu beschützen. "Wie du siehst, haben wir eine Neue dabei! Und sie wird sich ausgiebig um dich kümmern, während ich das Spiel für Gryffindor gewinne!" lachte ihm James entgegen, bevor auch er davonzog. Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, fand Severus die Idee der Gryffindors sogar ziemlich lustig. Er hatte gar nicht gewußt, daß Florence auch eine gute Fliegerin war. Wahrscheinlich war sie nur deshalb nicht schon früher in die Mannschaft aufgenommen worden, weil sie nie besonderes Interesse für Quidditch aufgebracht hatte.
Die Slytherins verloren dieses Spiel nach über zwei Stunden mit 90 zu 180 Punkten, da James Potter ziemlich lange brauchte, um den Schnatz zu fangen und die restlichen Slytherin - Spieler genauso brutal und rücksichtslos spielten, wie in der letzten Saison. Severus und Florence hingegen amüsierten sich prächtig, indem sie sich ständig gegenseitig die Klatscher um die Ohren schlugen. Für das Publikum auf den Tribünen schien es, als würden die beiden ihr eigenes Spiel betreiben, aber letztendlich ging die Rechnung der Gryffindors doch auf: Severus Snape hatte alle Hände voll zu tun, nicht von Florence vom Besen geschossen zu werden und hatte keine Zeit, sich um James Potter zu kümmern. Severus war der einzige Slytherin - Spieler, der mit einem Lächeln vom Platz ging, oder besser: humpelte. Florence hatte ihn einige Male getroffen: seine Lippe war aufgeplatzt, als er sich so schnell wegducken mußte, daß er mit dem Mund auf seinen Besenstiel geknallt war und ein Klatscher hatte seinen rechten Fuß hart gestreift. Wäre er nicht verletzt worden, hätte er sich von seinen Mitspielern wahrscheinlich eine Tracht Prügel statt nur einer Standpauke eingefangen.
Im Krankenflügel herrschte Hochbetrieb, fast wie an ihrem ersten Tag in Hogwarts. Alle Spieler hatten kleinere Blessuren und waren nach dem Spiel teils so erschöpft und durchgefroren, daß sie erst einmal von Madam Pomfrey versorgt werden mußten. Florence drückte sich einen vom Madam Pomfreys magischen "Feuer und Eis"- Beuteln (sie wurden je nach Bedarf entweder heiß oder kalt, im Momentan war ihrer eiskalt) auf ihr linkes Auge, das sich bereits bläulich zu verfärben begann. Auch Severus war nicht unbedingt sanft mit ihr umgegangen, aber wenigstens hatte dieser Nachmittag Spaß gemacht. Und sie hatten gewonnen. Sirius war direkt nach dem Spiel zu ihr gekommen und ihr gratuliert für ihre Leistung (wahrscheinlich war er nun doch wieder davon überzeugt, daß Florence eine richtige Gryffindor war) und sie zur Krankenstation gezerrt. Im Moment stand er gerade bei James Potter (verstauchter Arm nach Kontakt mit dem Kapitän der Slytherins) am Bett und plauderte mit ihm. Als jemand in das Bett neben ihr verfrachtet wurde, mußte sie den ganzen Kopf umdrehen, um zu sehen, wer es war, da der Eisbeutel ihr die Sicht in diese Richtung nahm. Neben ihr saß ein lächelnder Severus Snape auf seinem Bett, der sie wahrscheinlich noch breiter angegrinst hätte, wenn dabei nicht seine Lippe wieder aufplatzen würde. "Gutes Spiel! Nur am Ergebnis müßte noch etwas gefeilt werden!" flüsterte er ihr leise zu. "Wieso? Gryffindor hat gewonnen, das ist das Ergebnis, wie es sein sollte!" flüsterte sie lächelnd zurück. Sie unterhielten sich noch eine Weile flüsternd, bis Sirius Black sich zwischen sie stellte. Worüber sie sich unterhalten hatten, hatte er nicht verstehen können aber er wollte nicht schon wieder eine Szene machen. Die letzten Wochen waren schlimm genug gewesen, denn Remus hatte ihn öfter darauf hingewiesen, daß Florence stinksauer auf ihn war es seine Schuld war, wenn sie nicht mit ihm redete. Also räusperte er sich nur vernehmlich und ließ verlauten: "Flo, Madam Pomfrey sagt, du könntest gehen, wenn du willst. Diese Salbe sollst du auf dein Auge machen, dann wird morgen kaum noch etwas zu sehen sein!" Er reichte ihr eine kleine Salbentube und funkelte Severus wütend an. Dieser hatte nur einen verächtlichen Blick für Sirius übrig und ließ sich widerspruchslos von Madam Pomfrey, die gerade zu ihm herüber geeilt kam, verarzten. Beim Hinausgehen hatte Florence ihm noch einmal verstohlen zugelächelt und er hätte wohl den restlichen Nachmittag auf Wolke Sieben verbracht, wenn Madam Pomfrey etwas sanfter mit seinem Fuß umgegangen wäre. "Aua! Geht's noch etwas brutaler? Ich steh' auf Schmerzen!" fauchte Severus die Vorsteherin der Krankenstation an, die ihm daraufhin mit einem spöttischen Grinsen den Fuß noch etwas weiter verbog, um ihn zu bandagieren.
Die Sommerferien schienen einfach kein Ende nehmen zu wollen. Severus verließ sein Zimmer anfangs fast nur noch für die gemeinsamen Mahlzeiten mit seinen Eltern, und das war schon quälend genug, doch nun kam auch noch ständig Besuch ins Haus. Und das hieß, daß er jedesmal vorgestellt wurde, wobei sein Vater ständig auf die guten Noten verwies, die sein Sohn mit nach Haus gebracht hatte.
Ihm gegenüber hatte Mr. Snape nie in den letzten Jahren auch nur das kleinste bißchen davon durchblicken lassen, daß er stolz auf Severus war. Und Severus selbst glaubte auch nicht daran, da sein Vater sein Verhalten ihm gegenüber nicht geändert hatte oder etwas Nettes zu ihm sagte, wenn kein Besuch in der Nähe war. Sobald wieder einer dieser ominösen Besucher das Haus der Familie Snape betrat, wurde Severus vorgeführt wie eine Zirkusattraktion und danach wieder auf sein Zimmer geschickt. Auch für den heutigen Abend hatte sein Vater wieder einen Besucher "von größter Bedeutung" angedroht und Severus wünschte sich nichts sehnlicher als eine plötzliche Erkrankung, die ihn vor der anstehenden peinlichen Vorführung bewahren würde. Doch soviel Glück hatte er natürlich nicht.
Allerdings wäre es fast soweit gekommen, wenn seine Mutter nicht mittlerweile soviel Übung darin gehabt hätte, ihren Sohn wieder zusammen zu flicken. Mrs. Snape schien noch nie so aufgeregt gewesen zu sein, wie an diesem Tag. Als sie allerdings Severus die mittlerweile fast schulterlangen Haare kürzen wollte, sträubte sich der 15jährige energisch dagegen. Dies hatte zur Folge, daß sein Vater, der ebenfalls ziemlich aufgeregt schien, ihm einen fröhlichen Cruciatus - Fluch verpaßte und diesen erst spät und nur auf Drängen seiner Frau aufhob.
Solche Schmerzen hatte Severus bisher erst selten erleben müssen und war schon bereit zu sterben, damit sie endlich nachließen, als er sich plötzlich fast liebevoll von seiner Mutter umsorgt in seinem Bett wiederfand. "Severus, ich entschuldige mich für das Benehmen deines Vaters. Er ist nervös. Unser Besuch von heute Abend ist wirklich ausgesprochen wichtig für uns alle. Wir möchten nur, daß du einen guten Eindruck machst. Das könnte über deine gesamte Zukunft entscheiden, glaube mir... Und nun mach den Mund auf und trink das hier, dann geht es dir gleich besser!" Widerwillig tat Severus wie geheißen und schluckte einen ekelhaft riechenden Trank, der noch ekelhafter schmeckte, als er roch.
Gegen abend war er wieder in der Lage, aufzustehen und nicht allzu schmerzverzerrt auszusehen. Als er schließlich das Speisezimmer betrat, war der Besucher bereits eingetroffen. Es war ein älterer, unglaublich dürrer Zauberer mit einem Gesicht, das ein bißchen an eine Schlange erinnerte. Seine rotglühenden Augen richteten sich auf Severus und dem Jungen wurde plötzlich speiübel. "Ah, ich bemerke, daß Sie ihren Sohn recht hart zu zügeln wissen, Snape. Gut, gut. Was hat der Schlingel denn heute angestellt, daß Sie ihm gleich einen Unverzeihlichen antun mußten?" fragte der Fremde lächelnd, ohne den Blick von dem Jungen zu nehmen. "Er hat es gewagt, seiner Mutter zu widersprechen, Mylord!" antwortete Mr. Snape kalt. Severus war wie hypnotisiert von den roten Augen des fremden Magiers und spürte, wie seine Beine ihm bald den Dienst versagen würden, als seine Mutter ihn sanft am Arm nahm und zu seinem Platz am Eßtisch führte. Auch ihr schien nicht wohl zu sein bei dem Besucher. Wie hatte sein Vater den Mann genannt? Mylord? Daß er ein mächtiger Zauberer sein mußte, war Severus schon klar, aber jemanden gleich Mylord zu nennen? Der Fremde stierte ihn immer noch an, kalt und berechnend. "Ich habe gehört, du seist auf dem Wege, ein guter Giftmischer zu werden. Ist dem so?" fragte er nun nicht mehr lächelnd. Severus blickte unsicher zu seinem Vater, der ihm mit einem Nicken anwies, zu antworten. "Ich gebe mir Mühe." antwortete er und versuchte nicht so verschüchtert zu klingen, wie er sich fühlte. Der Fremde war ihm unangenehm und er kämpfte verzweifelt seine aufkommende Angst nieder. Der Fremde starrte ihn noch kurz an, bevor er seinen Blick endlich von ihm nahm und sich wieder kalt lächelnd an Mr. Snape wandte. "Ja, der Junge könnte noch eine interessante Entwicklung machen. Talent, Stolz und den nötigen Ernst hat er. Ich werde sicher ein Auge auf ihn behalten." ließ er sich vernehmen und wandte sich nun völlig anderen Themen zu, wofür Severus unglaublich dankbar war. Da er immer noch geschwächt war, wurde ihm erlaubt, zurück in sein Zimmer zu kehren, nachdem das Abendessen vorüber war.
Er legte sich sofort ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Wer war dieser Mann? Und was sollte das heißen, er würde ein Auge auf ihn haben? Was hatten seine Eltern für seine Zukunft denn geplant? Severus wußte selbst noch überhaupt nicht, was später aus ihm werden sollte, aber er hatte ja auch noch drei Jahre Schule vor sich, Zeit genug, wie er fand, um sich etwas zu überlegen. Erschöpft schlief er letztendlich ein, mit den Gedanken wieder in der Schule und voll der Hoffnung, dieses Jahr endlich den Mut und die Gelegenheit zu finden, ein normales Gespräch mit Florence Farstalker zu beginnen. Er vermißte sie.
Mitten in der Nacht schreckte Severus hoch und bemerkte, daß er nicht allein im Zimmer war. Seine Mutter saß auf seiner Bettkante und Tränen glitzerten in ihren Augen, das konnte er sogar im blassen Mondlicht, das durch das Fenster ins Zimmer schien, erkennen. Sie drückte ihn sanft zurück in die Kissen und flüsterte, er solle sich still verhalten. Noch nie hatte er seine Mutter so erlebt und er gehorchte überrascht. "Dein Vater hat heute die Weichen für deine Zukunft gestellt und du tust gut daran, ihm zu gehorchen. Der Dunkle Lord ist bereits sehr mächtig und er wird gut für die Seinen sorgen, wenn er die Macht errungen hat." flüsterte sie schnell und deckte ihren Sohn zu, bevor sie leise das Zimmer verließ.
Im Nachhinein stellte sich Severus oft die Frage, ob er den Selbstmord seiner Mutter vielleicht doch noch hätte verhindern können, wenn er in dieser Nacht versucht hätte, mit ihr zu reden. Am nächsten Morgen wachte sie nicht mehr auf. In ihrer rechten Hand hielt sie noch die kleine Phiole, in der das tödliche Gift enthalten gewesen war. Sie hinterließ keine Nachricht, nur einen von Trauer gelähmten Sohn, dessen Vater auf ihren Tod keinerlei Reaktion zeigte. Er war vom vorherigen Abend an einer der ersten Todesser im Gefolge Lord Voldemorts und der Tod seiner zweifelnden Ehefrau nahm ihm die Bürde ab, selbst dafür zu sorgen. Mrs. Snape wurde schnell und ohne große Feier beerdigt, unter den wenigen Trauergästen waren vor allem die neuen "Freunde" von Severus' Vater. Evan Rosiers Vater bot an, Severus für die letzten Wochen der Ferien zu sich und seiner Familie zu nehmen, ein Angebot, das Mr. Snape ohne zu zögern annahm, er hatte schließlich viel zu tun in der nächsten Zeit. In diesen Ferien brach das erste größere Stück aus der Seele von Severus Snape und viele sollten in den nächsten Jahren noch folgen.
Albus Dumbledore stand vor dem Käfig seines Phönix und fütterte ihn mit Zitronenkeksen. Wie er mochte auch sein eigenwilliges Haustier viele der Muggel - Spezialitäten, besonders, wenn es sich um etwas mit Zitronengeschmack handelte. Aber im Grunde wartete der Direktor der Hogwarts - Schule für Hexerei und Zauberei auf einen Besucher, der zur Zeit viel Aufmerksamkeit verdiente. Es klopfte zaghaft an der Tür zu seinem Büro und Dumbledore bat darum, hereinzukommen. Im Türrahmen erschien ein Junge, der über die Ferien noch blasser, dünner und verschlossener geworden zu sein schien, als ehedem. "Ah, Severus, setz dich, setz dich..." Der Junge tat, wie ihm geheißen und blickte sich verstohlen in Dumbledores Büro um. Natürlich war er schon öfter hier gewesen, allerdings nur, nachdem er bei irgendetwas Unerlaubten erwischt worden war. Eine Einladung ohne Grund hatte er bisher noch nie erhalten. "Du fragst dich jetzt sicher, warum du hier bist, nicht wahr?" fragte Dumbledore freundlich und setzte sich selbst auf seinen Platz hinter dem Schreibtisch voller seltsamer Instrumente und Stapeln von Papieren. Der Junge nickte und schaute ihm nun direkt in die Augen. "Ich wollte dich nur fragen, ob ich etwas für dich tun kann, Severus. Ich habe natürlich von dem tragischen Tod deiner Mutter gehört..." Schweigen. "Severus?" "Ja..., Sir." "Gibt es etwas, das ich für dich tun kann?" 'Mich für immer hier lassen, daß ich nie wieder dorthin zurück muß. Mich in Ruhe lassen. Dich um mich kümmern....' vieles schoß Severus Snape durch den Kopf, doch er antwortete nur: "Nein, Sir." Dumbledore seufzte. "Nein?" sagte er und dachte 'Das glaube ich dir leider nicht, mein Junge.' Er versuchte irgendeine Regung in dem blassen Gesicht vor ihm zu erkennen. Wieder seufzte er. "Nun, wenn du deine Meinung änderst, bist du mir jederzeit willkommen. Auch Professor Dusk möchte dir helfen, wenn Du ihn läßt." Keine Reaktion, nur betretendes Schweigen. Fawkes, der Phönix fing leise an zu singen und der Junge drehte sich zu dem Vogel um. "Möchtest du ihn ein wenig füttern? Er mag Zitronenkekse, weißt du?" fragte Dumbledore lächelnd und reichte Severus einen Keks.
Es war viel schlimmer, als Dumbledore befürchtet hatte. Severus Snape stand nun endgültig auf Platz eins seiner Liste von Sorgenkindern. Dieser Junge hatte nie gelernt, irgendein anderes Gefühl als Wut und Hass auszuleben und nun war er plötzlich ohne Mutter. Und sein Vater war Dumbledore noch nie sympathisch gewesen. Zudem hatten ihm seine Informanten Dinge über Mr. Snape erzählt, die er lieber nicht gehört hätte.
Wenn er doch nur etwas tun könnte. Aber der Junge war so abweisend. Nun, er war erst seit gestern wieder hier in Hogwarts, vielleicht fing er sich noch. Und es waren erst etwas über zwei Wochen seit der Beerdigung vergangen und tiefe Wunden heilten nie so schnell, wenn überhaupt. Seine Nichte Florence trauerte ja auch noch um ihren Vater, auch wenn der Sommer ihr gut getan zu haben schien. Sie war plötzlich so erwachsen geworden. Sie stolperte zwar immer noch etwas gedankenverloren durch die Gegend, aber irgendwie schien sie in den letzten zwei Monaten gelernt zu haben, ihre Füße etwas besser zu koordinieren. Überhaupt schien sie eleganter geworden zu sein in ihrer ganzen Art. Chaotisch, aber elegant. Was für eine Beschreibung...
Als Severus Snape in diesem Schuljahr das erste Mal Florence Farstalker wiedersah, hätte er sie fast nicht erkannt. Er hatte sie irgendwie kleiner in Erinnerung. Und unbeholfener. Und unglücklicher. Nun, SIE hatte wahrscheinlich etwas angenehmere Ferien verbracht als er. Die letzten zwei Wochen bei Evan hatten ihm zwar sehr geholfen, über den ersten Schmerz hinweg zu kommen, aber er stand immer noch unter Schock. In den letzten 24 Stunden ihres Lebens war seine Mutter ihm näher gekommen als in den 15 Jahren zuvor. Und dann floh sie in den Tod. Ließ ihn allein mit seinem Schmerz und seinem Vater. Severus hatte nicht gedacht, daß ihm seine Mutter trotz ihrer kühlen Art soviel bedeutet hatte. Im Grunde war er froh, wieder in Hogwarts zu sein, denn hier war er zu Haus, wirklich zu Haus. Allerdings hatte er auch das eigentümliche Gefühl, daß ihn alle wie ein rohes Ei behandelten. Und wenn es etwas gab, was er wirklich nicht wollte, dann in Selbstmitleid zu ertrinken. Oder doch?
Natürlich hatten auch die Gryffindors davon gehört, daß Severus' Mutter in den Ferien gestorben war. Selbst Sirius, der Severus wohl am wenigsten leiden konnte, hielt sich zurück mit seinen bissigen Kommentaren. Florence wußte nun überhaupt nicht mehr, wie sie mit ihm umgehen sollte. Daß ihr eigener Vater letztes Jahr gestorben war, wußten nur wenige. Aber er war auch alt gewesen und eines natürlichen Todes gestorben. Severus' Mutter hingegen war noch jung und hatte ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt. Es erschien ihr auch nicht weiter verwunderlich, daß sich der Junge, an den sie oft in den Ferien hatte denken müssen, sich noch weiter in sich zurück gezogen hatte, aber als sie sich das erste Mal nach den Ferien wiedersahen, schien er von ihrem Anblick eher schockiert als erfreut zu sein. Und das war etwas, was wiederum Florence schockte. Sie war unbestritten enttäuscht gewesen, auch wenn sie verstand, daß er im Moment wohl an anderes denken mußte. Aber sie war enttäuscht und traurig darüber. Vielleicht hatte sie sich ja auch einfach nur zuviel eingebildet.
Die erste Schulwoche verlief ruhig und ohne große Überraschungen, zumindest bis Freitagnachmittag. Zaubertrankunterricht bei Professor Salve stand auf dem Stundenplan, Gryffindors zusammen mit den Slytherins, zwei ganze Doppelstunden im Kerker. Keiner der Schüler war davon begeistert. Severus Snape war im Moment so ziemlich alles egal, er ließ sich völlig treiben. Florence Farstalker hingegen versuchte Severus so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen, ihre anfängliche Enttäuschung war einem handfesten Liebeskummer gewichen über den sie sich zusätzlich auch noch ärgerte. Was hatte sie sich auch gedacht? Natürlich war er ihr nur hinterher geschlichen, um sie anschwärzen zu können. Und wenn er dabei nicht auch die Schulregeln hätte übertreten müssen, so daß Florence auch etwas gegen ihn in der Hand hatte, hätte er es auch ohne zu zögern getan. Als die Gryffindors im Kerkerlabor ankamen, hatten die Slytherins ihre Plätze schon eingenommen. Florence schaute sich kurz um und entdeckte einen teilnahmslos wirkenden Severus Snape zwischen seinen beiden besten Freunden Evan Rosier und Lance Wilkes sitzen. Hinter sich hörten sie Professor Salve sie anweisen, sich zu setzen, während er selbst nach vorn zu seinem Lehrerpult durchging. "Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen. Bevor ich die Anwesenheitsliste verlese, möchte ich sie darauf aufmerksam machen, daß Sie in diesem Jahr fast ausschließlich in Partnerarbeit verschiedene Projekte bearbeiten werden. Direktor Dumbledore und ich sind der Meinung, daß Ihnen schon frühzeitig die Möglichkeit gegeben werden sollte, weitestgehend freie Aufgabenstellungen bearbeiten zu können. Rezepte aus Büchern nachzubrauen haben Sie in den vergangenen vier Jahren ja schon erlernt und sollte Ihnen nicht mehr allzuviel Schwierigkeiten bereiten. In den Projekten sollen sie Ihre eigene Kreativität einbringen und zeigen, daß Sie in der Lage sind, die verschiedenen Reaktionen der einzelnen Zutaten miteinander richtig einzuschätzen. Hoffen wir einmal, daß uns nicht allzu viele Kessel um die Ohren fliegen werden...." Der Großteil der Schüler stöhnte nach dieser Ankündigung laut auf und Sirius und Remus rückten gleichzeitig ihre Stühle näher an Florence heran. Beide waren nicht unbedingt die Begabtesten im Tränke brauen. Meistens profitierten sie von Florence' fast schon unnatürlicher Begabung, die öfter Explosionen im letzten Moment verhindern mußte, wenn einer von ihnen wieder einmal etwas zu großzügig mit den Zutaten umgegangen war. Professor Salve sprach jedoch noch weiter: "...ich werde nun die Anwesenheit verlesen und sie dabei gleich Ihrem Partner zuteilen. Ich werde die Teams so zusammenstellen, daß immer zwei ungefähr gleich starke Schüler zusammenarbeiten können, was die spätere Benotung etwas fairer machen wird..." Wieder lautes Stöhnen von Seiten der Schüler. Professor Salve konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: "Und damit ich Ihnen gleich allen die Hoffnung nehmen kann, lauten die Namen des ersten Teams Florence Farstalker und Severus Snape... Sie können sich nach der Verteilung zusammensetzen! Das zweite Team...." Mehr bekam Florence nicht mehr mit. Überrascht schaute sie rüber zu Severus, der sie genauso verblüfft ansah. Neben ihr stöhnte Remus Lupin laut auf. Er war mit Lance Wilkes in einem Team, und der war trotz der ständigen Unterstützung durch Severus bekanntermaßen der Schlechteste im Kurs.
Nachdem Professor Salve die Verteilung der Schüler abgeschlossen hatte, packte Florence ihre Sachen mit einem unguten Gefühl wieder ein und machte sich gerade auf den Weg hinüber zu dem betreten drein blickenden Severus, als sie Sirius leise gezischte Warnung vernahm: "Laß dich bloß nicht aushorchen! Der Quidditch - Pokal soll schließlich dieses Jahr wieder unserer werden!" "Sonst hast du keine Sorgen?" fauchte Florence zurück. Manchmal war Sirius ein echter Hornochse. Severus schob seine Sachen ein wenig auf dem Tisch zusammen, während Florence sich setzte und einen wütenden Blick in Richtung Sirius abschoß, der sie genauso wütend anblickte, bevor Peter Pettigrew sich neben ihm niederließ. Professor Salve schrieb mit quietschender Kreide die Zutaten für einen Basistrank an die Tafel, aus dem seine Schüler einen Heiltrank gegen Erkältungen fertigen sollten. Sie schrieben die Rezeptur ab und hatten danach die Gelegenheit, sich mit ihren Partnern zu beraten. Zuerst sagten weder Severus noch Florence etwas, bis sie gleichzeitig anfingen, zu sprechen. Florence mußte lachen und ließ Severus den Vortritt, der zum ersten Mal seit Wochen ebenfalls wieder lächelte. "Ich denke hauptsächlich an Fegekraut und Glockenwurz, was meinst du?" "Herzblümchen und Dreiblatt gegen Husten und Fieber dazu. Vielleicht etwas Hundsrose?" "Nicht schlecht... noch etwas Absinth und das ganze wirkt schneller..." Ehe sie sich versahen, steckten sie mitten in einer Diskussion über Kräuter und Dosierungen der einzelnen Zutaten, was Professor Salve mit einem Lächeln und Sirius Black mit finsterstem Blick zur Kenntnis nahmen. Am Ende des Unterrichts hatten Florence und Severus einen sehr wirksamen Heiltrank zustande gebracht, dessen einziger Nachteil es war, daß den Patienten noch Stunden nach der Einnahme die Ohren rauchten. Professor Salve war mit beiden ausgesprochen zufrieden und ließ Madam Pomfrey das Rezept noch am selben Tag zukommen, immerhin stand die Erkältungszeit vor der Tür. Es war eine gute Idee von Dumbledore gewesen, die beiden zusammen zu setzen, davon war Professor Salve nun endgültig überzeugt. Von den anderen Gryffindor - Slytherin - Paarungen war er allerdings weniger begeistert: Lupin und Wilkes hatten gerade mal den Basistrank zustande gebracht und Lestrange und Potter waren nur mit Mühe davon abzuhalten gewesen, sich im Unterricht zu prügeln.
Der Unterricht hatte sowohl Severus wie auch Florence gut getan. Sie verabredeten sich für Sonntagnachmittag in der Bibliothek für die Hausaufgaben in Zaubertränke und gingen gut gelaunt ins Wochenende. Florence war sich nun sicher, daß Severus seltsames Verhalten in den letzten Tagen nichts mit ihr zu tun hatte und war beruhigt. Bis Sirius sie im Gemeinschaftsraum der Gryffindors abfing. "Na, wie lief's denn mit dem Ekel?" Florence war völlig verdattert: "Bitte? Ich glaub', ich höre nicht recht!" "Na du und Snape! Ihr scheint euch ja prächtig amüsiert zu haben!" "Entschuldige mal, ich wollte nicht mit ihm zusammen arbeiten! Professor Salve hat uns zusammengesetzt, falls du dich erinnerst!" "Das ist trotzdem kein Grund, sich gleich mit ihm anzufreunden! Ich habe gehört, wie ihr euch für Sonntag verabredet habt..." Sirius Gesicht war zornesrot und er ballte die Fäuste. "Erstens treffen wir uns nur für die Hausaufgaben und zweitens geht dich das ja wohl nichts an! Für wen hältst du dich eigentlich?" Florence gute Laune war verflogen. Im Grunde war es ihr peinlich, da Sirius zum Teil recht hatte: sie freute sich über die Möglichkeit, etwas Zeit mit Severus zu verbringen und ihn besser kennenzulernen. Trotzdem hatte er kein Recht dazu, ihr so eine Szene zu machen. "Für wen ich mich halte? Für einen Gryffindor selbstverständlich! Und zwar einen, der keinen Wert auf die Gesellschaft von Slytherins legt! Und für was hältst du dich?" An diesem Punkt schritt Remus Lupin ein, bevor Florence irgendetwas entgegnen konnte: "Hey, Sirius, das geht nun wirklich zu weit. Ich bin schließlich auch mit einem Slytherin in einem Team, obwohl ich es nicht wollte. Und wenn Flo mit Snape gut zurecht kommt im Unterricht heißt das noch lange nicht, daß sie eine schlechte Gryffindor ist!" Florence schnaubte verächtlich und rannte in den Mädchenschlafsaal hoch. Sirius war doch einfach nur eifersüchtig! Sie war so unglaublich wütend!
Severus gute Laune hingegen hielt etwas länger an. Zum ersten Mal seit Wochen erschien ihm nicht mehr alles so sinnlos. Zaubertränke hatte er schon immer gemocht und nun auch noch mit Florence in einem Team zu arbeiten ließ die Welt wieder etwas bunter für ihn erscheinen. Für einige Stunden vergaß er seinen Schmerz und sein Selbstmitleid. Für den nächsten Morgen stand Quidditch - Training auf dem Plan, das erste Spiel gegen Gryffindor stand bald an. Dadurch, daß der ehemalige Kapitän der Gryffindormannschaft dieses Jahr nicht mehr zur Schule ging, war James Potter als bester Spieler sein Nachfolger geworden. Wer allerdings die freie Stelle als Treiber einnehmen würde, hüteten die Gryffindors wie ein Staatsgeheimnis.
Sirius Black kochte vor Wut. Er stand an genau derselben Stelle wie Severus Snape letztes Jahr in der Bibliothek zwischen den Regalen und spähte durch dieselbe Lücke in den Büchern. Wie sie da saßen! Dutzende von Büchern um sich herum gestapelt, sich nett und höflich unterhaltend und sie lächelten! Und jetzt zupfte Snape ihr auch noch eine kleine Feder aus dem Haar! Das war zuviel! Er schob die Ärmel hoch und wollte gerade um die Ecke stürzen, um Severus Snape eine Abreibung zu verpassen, da traf ihn ein Schockzauber. "Irgendwann wirst du mir dafür dankbar sein..." flüsterte Remus Lupin leise und steckte seinen Zauberstab zurück in den Umhang. Lärm möglichst vermeidend zerrte er den bewußtlosen Sirius in eine etwas ruhigere und uneinsichtbarere Ecke der Bibliothek. Remus gefiel es zwar auch nicht, daß Florence so viel Zeit mit Severus verbrachte, aber es war ihre Entscheidung, wie und mit welchen Menschen sie umging. Flo war zu fast jedem nett, auch wenn sie jemanden nicht leiden konnte und er verstand, daß sie mit Snape einen höflichen Umgang pflegen mußte, immerhin waren die beiden in einer Arbeitsgruppe. Er sprang Wilkes ja schließlich auch nicht im Unterricht an die Kehle, nur weil er ein Slytherin war. Aber in dieser Beziehung waren sich Sirius und James Potter einfach zu ähnlich. Nicht auszudenken, wenn Sirius einen Slytherin als Partner bekommen hätte! Wenn es überhaupt noch eine Chance gab, Sirius und Florence zu verkuppeln, dann hätte er sie heute durch eine Prügelei mit Snape endgültig verspielt. Lily hatte Remus gebeten, ein Auge auf Sirius zu haben, da sie so etwas schon befürchtet hatte. Flo war trotzig genug, um gerade wegen so einer Aktion Dummheiten zu machen. Und daß Snape letztes Jahr ständig hinter ihr her geschlichen war, könnte auch durchaus... nun ja... Flo war auf ihre Art hübsch... und Remus hatte schon öfter bemerkt, daß die meisten Jungs ihr gegenüber Beschützergefühle entwickelten, wenn sie sie nur erst kannten... Er seufzte und setzte sich neben den immer noch betäubten Sirius auf den Boden. Er würde ihn erst aufwecken, wenn Florence und Snape die Bibliothek verlassen hatten. Es war besser, wenn sie nichts davon mitbekamen.
Die nächsten Wochen bis Halloween verliefen angespannt aber ruhig. Sirius war wütend auf Remus und sprach kein Wort mit ihm. Florence blickte er bei jeder Gelegenheit vorwurfsvoll an und hielt sich sonst an James und Lily. Remus versuchte so viel Zeit wie möglich mit Florence zu verbringen und ihre Wut auf Sirius zu dämpfen. "Warum tut er das? Ich bin doch kein kleines Kind mehr! Und ich kann sehr wohl entscheiden, mit wem ich rede und mit wem nicht!" beschwerte sich Florence und warf einen Stein in den See vorm Schloss. Remus seufzte: "Das weißt du doch..." "Er hat kein Recht dazu! Ich bin nicht mit ihm verheiratet! Und wenn er eifersüchtig ist, ist das sein Problem! Außerdem... ach, was soll's..." "Du magst ihn, stimmt's?" "Wen? Sirius? Ja, natürlich, wir sind doch eigentlich Freunde, außer, wenn er sich so hirnrissig benimmt wie zur Zeit..." Remus seufzte erneut. "Sirius meinte ich eigentlich gerade nicht... Ich meinte Snape..." Florence' Wangen bekamen einen rosa Schimmer, während sie Remus von unten anstarrte. Schnell drehte sie sich weg und suchte nach einem neuen Stein zum Werfen. "Und wenn dem so wäre? Ich meine, er ist ja nicht der Teufel in Menschengestalt, oder?" Ihre Stimme klang leicht verunsichert. "Nein, das sicher nicht. Er benimmt sich uns gegenüber nur ab und zu so, als ob..." Remus grinste und suchte nun ebenfalls einen Stein zum Werfen. "Zu mir ist er nett... außerdem macht es Spaß, mit ihm zu arbeiten. Wenigstens muß ich nicht jedes Mal befürchten, daß gleich der Kessel schmilzt, wenn ich mal zwei Minuten nicht hinschaue... Anders als mit euch beiden." Nun grinste auch Florence. "Na, na! Nu' wird mal nicht frech, ja? Können ja nicht alle solche Genies sein wie du und Snape... Ahnt er eigentlich schon, was am Samstag auf ihn zukommt?" "Wir haben nicht über Quidditch geredet, wenn du das meinst." Sie warfen noch eine Weile Steine in den See, bis Remus zu kalt wurde und das Halloween - Festessen nicht mehr so lange auf sich warten ließ.
Severus Snape war glänzender Laune, als er mit den anderen Slytherin - Spielern hinaus auf das Quidditch - Feld ging. Er hatte das letzte Spiel gegen Gryffindor noch in bester Erinnerung. "Und diesmal erwisch' Potter nach Möglichkeit richtig, ja?" hatte ihm der Kapitän seiner Mannschaft, Tim Rabanus, mit auf den Weg gegeben, und genau das hatte er auch vor. Die Gryffindorspieler drehten bereits über ihren Köpfen ein paar Aufwärmrunden. Den Slytherins war es bis zum Spiel nicht gelungen herauszufinden, wer der neue Treiber der Gryffindors war und von unten konnte Severus nicht allzuviel erkennen. Also ließ er sich einfach überraschen. Das Spiel wurde von Professor Flitwick ("Und heute will ich ein faires Spiel sehen, haben Sie mich verstanden?") angepfiffen und Severus stieg höher, um in die Nähe von James Potter zu kommen. "Ihr laßt euch auch nie was Neues einfallen, was Snape?" rief James ihm zu und grinste. Severus würdigte ihn keiner Antwort und hielt stattdessen Ausschau nach einem Klatscher. Kaum hatte er einen, schlug er ihr hart auf James zu. Keine Sekunde später mußte er genau demselben Klatscher selbst ausweichen, der neue Treiber der Gryffindors hatte sich blitzschnell zwischen Severus und James gebracht und den Ball zurückgeschlagen. Severus traute seinen Augen nicht, als er den neuen Spieler der Gryffindors erkannte: unschuldig grinsend schwebte da Florence Farstalker direkt vor ihm. "Hi Severus!" rief sie ihm zu und grinste noch breiter, bevor sie wieder in die Tiefe hinabstieß um einen Jäger der Gryffindors zu beschützen. "Wie du siehst, haben wir eine Neue dabei! Und sie wird sich ausgiebig um dich kümmern, während ich das Spiel für Gryffindor gewinne!" lachte ihm James entgegen, bevor auch er davonzog. Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, fand Severus die Idee der Gryffindors sogar ziemlich lustig. Er hatte gar nicht gewußt, daß Florence auch eine gute Fliegerin war. Wahrscheinlich war sie nur deshalb nicht schon früher in die Mannschaft aufgenommen worden, weil sie nie besonderes Interesse für Quidditch aufgebracht hatte.
Die Slytherins verloren dieses Spiel nach über zwei Stunden mit 90 zu 180 Punkten, da James Potter ziemlich lange brauchte, um den Schnatz zu fangen und die restlichen Slytherin - Spieler genauso brutal und rücksichtslos spielten, wie in der letzten Saison. Severus und Florence hingegen amüsierten sich prächtig, indem sie sich ständig gegenseitig die Klatscher um die Ohren schlugen. Für das Publikum auf den Tribünen schien es, als würden die beiden ihr eigenes Spiel betreiben, aber letztendlich ging die Rechnung der Gryffindors doch auf: Severus Snape hatte alle Hände voll zu tun, nicht von Florence vom Besen geschossen zu werden und hatte keine Zeit, sich um James Potter zu kümmern. Severus war der einzige Slytherin - Spieler, der mit einem Lächeln vom Platz ging, oder besser: humpelte. Florence hatte ihn einige Male getroffen: seine Lippe war aufgeplatzt, als er sich so schnell wegducken mußte, daß er mit dem Mund auf seinen Besenstiel geknallt war und ein Klatscher hatte seinen rechten Fuß hart gestreift. Wäre er nicht verletzt worden, hätte er sich von seinen Mitspielern wahrscheinlich eine Tracht Prügel statt nur einer Standpauke eingefangen.
Im Krankenflügel herrschte Hochbetrieb, fast wie an ihrem ersten Tag in Hogwarts. Alle Spieler hatten kleinere Blessuren und waren nach dem Spiel teils so erschöpft und durchgefroren, daß sie erst einmal von Madam Pomfrey versorgt werden mußten. Florence drückte sich einen vom Madam Pomfreys magischen "Feuer und Eis"- Beuteln (sie wurden je nach Bedarf entweder heiß oder kalt, im Momentan war ihrer eiskalt) auf ihr linkes Auge, das sich bereits bläulich zu verfärben begann. Auch Severus war nicht unbedingt sanft mit ihr umgegangen, aber wenigstens hatte dieser Nachmittag Spaß gemacht. Und sie hatten gewonnen. Sirius war direkt nach dem Spiel zu ihr gekommen und ihr gratuliert für ihre Leistung (wahrscheinlich war er nun doch wieder davon überzeugt, daß Florence eine richtige Gryffindor war) und sie zur Krankenstation gezerrt. Im Moment stand er gerade bei James Potter (verstauchter Arm nach Kontakt mit dem Kapitän der Slytherins) am Bett und plauderte mit ihm. Als jemand in das Bett neben ihr verfrachtet wurde, mußte sie den ganzen Kopf umdrehen, um zu sehen, wer es war, da der Eisbeutel ihr die Sicht in diese Richtung nahm. Neben ihr saß ein lächelnder Severus Snape auf seinem Bett, der sie wahrscheinlich noch breiter angegrinst hätte, wenn dabei nicht seine Lippe wieder aufplatzen würde. "Gutes Spiel! Nur am Ergebnis müßte noch etwas gefeilt werden!" flüsterte er ihr leise zu. "Wieso? Gryffindor hat gewonnen, das ist das Ergebnis, wie es sein sollte!" flüsterte sie lächelnd zurück. Sie unterhielten sich noch eine Weile flüsternd, bis Sirius Black sich zwischen sie stellte. Worüber sie sich unterhalten hatten, hatte er nicht verstehen können aber er wollte nicht schon wieder eine Szene machen. Die letzten Wochen waren schlimm genug gewesen, denn Remus hatte ihn öfter darauf hingewiesen, daß Florence stinksauer auf ihn war es seine Schuld war, wenn sie nicht mit ihm redete. Also räusperte er sich nur vernehmlich und ließ verlauten: "Flo, Madam Pomfrey sagt, du könntest gehen, wenn du willst. Diese Salbe sollst du auf dein Auge machen, dann wird morgen kaum noch etwas zu sehen sein!" Er reichte ihr eine kleine Salbentube und funkelte Severus wütend an. Dieser hatte nur einen verächtlichen Blick für Sirius übrig und ließ sich widerspruchslos von Madam Pomfrey, die gerade zu ihm herüber geeilt kam, verarzten. Beim Hinausgehen hatte Florence ihm noch einmal verstohlen zugelächelt und er hätte wohl den restlichen Nachmittag auf Wolke Sieben verbracht, wenn Madam Pomfrey etwas sanfter mit seinem Fuß umgegangen wäre. "Aua! Geht's noch etwas brutaler? Ich steh' auf Schmerzen!" fauchte Severus die Vorsteherin der Krankenstation an, die ihm daraufhin mit einem spöttischen Grinsen den Fuß noch etwas weiter verbog, um ihn zu bandagieren.
