Kapitel 6 - Die frühen Jahre V oder: Rächer von Molly

Severus Snape lag in seinem Bett und starrte die Decke an. Was war gestern überhaupt passiert? Er wußte nur noch, daß sie Ewigkeiten schweigend Hand in Hand durch die Schulgärten spaziert waren. An den Gewächshäusern und Hagrids Hütte vorbei. Immer am Waldrand entlang. Dann hatte er gedacht, daß sie wohl frieren müßte und hatte ihr angeboten, mit unter seinen Umhang zu kommen. Und wie sie dagestanden hatten, beide in seinen Umhang gehüllt und sie ihn so traurig angeschaut hatte, hatte er sie einfach geküßt. Und sie war nicht schreiend davon gerannt. Im Gegenteil: sie hatte ihn umarmt und sich auf die Zehenspitzen gestellt. Weiter wußte er nicht mehr. Es war ihm alles wie im Traum vorgekommen. Kein Zeitgefühl mehr, keine Umgebung mehr. Nur noch er und Florence Farstalker eng umarmt. Irgendwann mußten sie wohl zurückgegangen sein, denn vor dem Schloß hatte sie ihn noch ein letztes Mal geküßt, bevor sie sich losriß und hinein stürmte. Und er war allein und völlig verträumt Professor Dusk, seinem Hauslehrer in die Arme gelaufen. Doch statt ihn zu bestrafen, hatte er Severus nur angeschaut und zu lächeln angefangen. "Ab ins Bett mit Ihnen, Don Juan! Aber bitte in ihr eigenes!" hatte er gesagt. Wer oder was ist denn ein Don Juan? Severus wußte es nicht. Genauso wenig wußte er, was er heute tun sollte: war er nun mit Flo zusammen oder nicht und wie sollte er sich verhalten? Sollte er darauf warten, daß sie zu ihm käme oder sollte er zu ihr gehen? War es ihr vielleicht peinlich und sie wollte heute gar nichts mehr von ihm? Hatte sie ihn vielleicht einfach nur benutzt, um Sirius Black zu ärgern? Nein, sie war keine Slytherin...dabei fiel ihm ein, daß sie auch von ihm vermuten könnte, daß er sie nur benutzt hatte, um sich an den Gryffindors zu rächen, denn das sähe einem Slytherin ähnlich... Severus hatte das Gefühl, daß sein Kopf gleich platzen würde. Hatte er sich denn nicht gewünscht, daß genau das passieren würde? Oder wollte er sie doch nur aus der Ferne anbeten, so unerreichbar wie sie für ihn eigentlich war? Aber sie war nicht weggelaufen und ihre Küsse fühlten sich so echt an... so ein Schwachsinn, du Dummkopf hättest doch gar nichts mehr gemerkt! Hinter dir hätte eine Blaskapelle ein Konzert geben können und du hättest es nicht mitbekommen! Mit einem Satz: Severus Snape war völlig verwirrt.

Florence war nicht weniger verwirrt, allerdings war sie schon einen Schritt weiter als Severus: sie wußte, daß der Ausgang des gestrigen Abends geheim bleiben mußte. Als sie nämlich in den Gryffindorturm zurückkam, wartete dort im Gemeinschaftsraum Peter Pettigrew auf sie. "Wenn dich einer der anderen fragt, warst du den ganzen Abend auf dem Ball und hast hier noch ein bißchen mit mir geredet!" hatte er ihr zur Begrüßung gesagt. Florence dachte, sie hätte sich verhört und fragte nach. Peter erzählte ihr die ganze Geschichte: wie Remus und Sirius sich gestritten hätten, wie Lily und James dazwischen gegangen wären, wie sie nach oben in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors gegangen waren und niemand außer ihm bemerkt hatte, daß sie und Snape verschwunden waren. Peter hatte gerade geendet, als Sirius die Treppe vom Jungentrakt hinunter kam. "Was macht ihr denn hier?" hatte er gefragt und Peter hatte ihm entgegnet: "Och, wir sitzen hier schon eine ganze Weile und unterhalten uns..." "Dann bin ich jetzt dran! Peter, wärest du so freundlich...?" "Aber sicher doch!" antwortete der und ging in seinen Schlafsaal. Und dann passierte das, womit Florence am allerwenigsten gerechnet hatte: Sirius entschuldigte sich bei ihr und bemerkte, daß er natürlich wußte, daß das mit Snape nur eine Provokation gewesen wäre und überhaupt, er hätte den Denkzettel wohl gebraucht, das hätte Remus ihm klar gemacht. Und wenn sie wollte, wären sie wieder Freunde als ob nie etwas geschehen wäre. Endgültig verwirrt hatte sie zugestimmt, Sirius kurz umarmt und war in ihren Schlafsaal getaumelt. Sie mußte Severus möglichst noch vor dem Frühstück abfangen! Wenn er in irgendeiner Form etwas anders tat als sonst, wäre der Friede, den sie so seit Beginn des Schuljahres nicht mehr kannte, endgültig vorbei!

Doch Severus kam nicht zum Frühstück. Auch nicht zum Mittagessen. Es war Sonntag und alle Schüler der höheren Klassen waren noch müde vom Ballabend, die meisten hingen müde in ihren Gemeinschaftsräumen rum oder lagen auf ihren Betten und lasen, einige wenige spazierten lustlos in den Schulgärten oder am See herum. 'Wenn er nicht zum Essen erscheint, wird er wohl allein sein wollen...' dachte Flo und als sie ihn nicht in der Bibliothek fand, schlich sie sich nachmittags heimlich hoch zum Astronomieturm. Sie stürmte die Treppen hoch und hielt erst kurz vor der Tür an, um sich wieder etwas zu beruhigen. Vorsichtig öffnete sie die Tür zur Plattform und schlich hinaus. "Sev?" fragte sie ängstlich, bevor sie ganz um den Turm herum gegangen war. Es kam keine Antwort. Verzweiflung kam in ihr hoch und sie ging die letzten Meter etwas schneller, doch da war kein Severus Snape. Tränen schossen ihr in die Augen und sie klammerte sich an der Balustrade fest und schluchzte. "Warum weinst du?" flüsterte ihr eine Stimme ins Ohr. Völlig verschreckt sprang sie einen Satz zurück und landete in den Armen von Severus Snape, der sie sanft festhielt. Bevor sie irgendetwas sagen konnte, sprach Severus: "Ich habe vorhin mit Peter Pettigrew gesprochen. Ich weiß zwar nicht, wie er in unseren Gemeinschaftsraum gekommen ist, aber er hat mir alles erzählt. Keiner weiß, was gestern passiert ist und dabei sollte es auch besser bleiben. Evan und Lance denken, ich hätte wieder einen von meinen Ausflügen nach hier oben gemacht und deine Freunde denken, du warst den ganzen Abend auf dem Ball. Das ist zwar nicht so ganz das, was ich mir erhofft hatte, aber wenigstens bekommt keiner Ärger. Also brauchst du auch nicht zu heulen." Er hatte ihr bisher nicht ein einziges Mal in die Augen gesehen. Er wußte, wenn er es tat, würde er sie entweder vor Wut vom Turm schleudern oder vor ihr auf die Knie fallen und sie anbetteln, ihm zu sagen, daß Peter Unrecht hatte und sie nicht nur mit ihm gespielt hatte um Sirius zu ärgern. Florence hatte sich mittlerweile wieder gefangen und fragte kalt: "Was hat Peter dir denn genau erzählt?" Severus' gesamte Wut war dahin und Überraschung gewichen, erstaunt blickte er sie an und fragte: "Bitte?" "Ich möchte ganz genau wissen, was Peter dir erzählt hat!" "Daß du nur mit mir zum Ball gegangen wärest, um Sirius zu ärgern und zu sehen, ob er es ernst mit dir meint, bevor du etwas mit ihm anfängst..." stammelte er verwirrt. "Diese kleine Ratte!" Nun war es Florence, die vor Wut kochte, "Er weiß ganz genau, daß ich ihm ausgeliefert bin! Wenn Peter sagt, daß ich nicht den ganzen Abend auf dem Ball war und anschließend mit ihm stundenlang im Gemeinschaftsraum gesessen habe, glauben die anderen ihm aufs Wort! Und er weiß auch, daß mir der jetzige Friede unglaublich viel bedeutet... ich bring ihn um!" sie versuchte sich loszureißen, aber Severus hielt sie fest. "Dann hat er gelogen? Dann willst du gar nichts von Sirius?" fragte er ungläubig. "Bei allen Elementen, nein! Natürlich nicht! Ich will bloß keinen Streit mit ihm haben! Aber Peter kann sich auf was gefasst machen!" erneut versuchte sie sich loszureißen, aber Severus hielt sie noch fester. "Wenn du Peter jetzt zur Rede stellst, wissen die anderen, daß etwas zwischen uns passiert ist und du hast wieder Streit mit ihnen... wenn du aber nichts sagst, glaubt er, er hätte gewonnen, weil ich ihm die Geschichte abgekauft habe und er weiß sonst von nichts... Niemand weiß etwas!" Severus fühlte sich unendlich erleichtert und ließ Florence los. Diese ging einen Schritt zurück und beäugte ihn mißtrauisch. "Niemand weiß etwas wovon?" "Was meinst du damit?" "Das möchte ich gern von dir wissen! Ich renne nämlich nicht gewohnheitsmäßig durch die Gegend, knutsche mit jedem rum und hoffe, daß es niemand erfährt!" "Was? Wofür hältst du mich eigentlich? Glaubst du ernsthaft... hey, ich... ich weiß nicht was ich sagen soll! Weil ich nicht weiß, ob du mir glauben würdest, wenn ich dir sage, daß ich... daß ich... mir nichts mehr wünsche, als..." Severus war immer leiser geworden und starrte auf den Fußboden. Florence fühlte sich schuldig für ihre Verdächtigung, er schien es wirklich ernst zu meinen und so trat sie wieder auf ihn zu und legte seinen Arme um sich. "Als was?" fragte sie freundlich, schob ihre Arme unter seinen Umhang und blickte ihm in die Augen.

Es wurde schon dunkel, als sie den Turm verließen. Sie sahen beide etwas zerzaust aus und zupften auf der Treppe noch gegenseitig aneinander herum, bevor sie sich ein letztes Mal für diesen Abend küssten. Sie hatten beschlossen, die anderen in dem Glauben zu lassen, zwischen ihnen wäre nichts und sich lieber heimlich zu treffen.

Sie drei Jahren war nun Professor McGonagall Leiterin des Hauses Gryffindor und so wußte sie auch als eine der Wenigen davon, daß Remus Lupin ein Werwolf war. Zwar brachte Madam Pomfrey Remus jeden Monat zu Vollmond in die "Schreiende Hütte", aber sie zog es vor, doch lieber noch einmal selbst nachzusehen, ob ihr Schützling auch sicher für andere verstaut war. In Menschengestalt wäre es ihr unmöglich gewesen, sich ihm zu nähern, ohne daß er vielleicht doch versucht hätte, auszubrechen und sie umzubringen. Also verwandelte sie sich vor dem Schloß in ihre Animagus - Gestalt, eine getigerte Katze, und machte sich auf zur Peitschenden Weide, um durch den Geheimgang zu schleichen. Am Vollmond vor Ostern sah sie jedoch noch jemanden über den Rasen vor dem Schloß schleichen, und zwar in die entgegengesetzte Richtung, zu den Gewächshäusern. Direktor Dumbledore hatte ihr großes Vertrauen bewiesen, indem er ihr als einziger Lehrerin verriet, wer und was Florence Farstalker war. Oder er wußte nur zu gut, daß sie es irgendwann selbst herausgefunden hätte. Professor McGonagall blieb stehen und sah der Gestalt hinterher. Sie war schon überzeugt, daß es Florence war (die Gestalt war nämlich gestolpert) und wollte gerade ihren Weg zu Remus Lupin wieder einschlagen, als noch eine zweite Person aus dem Schloß kam und zu den Gewächshäusern hinüber rannte. Nun war ihre Neugier geweckt und sie rannte selbst dorthin. Sie hatte Recht gehabt, die erste Gestalt war Florence gewesen. Nur wer bei ihr war, überraschte sie ziemlich: Severus Snape. Und so, wie die beiden sich im Arm hielten, war ihr klar, daß sie sich etwas näher standen als nur freundschaftlich.

"Ich verstehe, daß Sie überrascht sind. Ich war es auch. Aber wenn das Schicksal es so will, soll es wohl so sein. Noch etwas Tee?" fragte Albus Dumbledore die etwas verdatterte Professorin. "Aber warum ausgerechnet diese beiden? Sollten wir diese Liaison nicht besser beenden?" Dumbledore schenkte ihr Tee nach und schüttelte den Kopf. "Nein. Vorläufig nicht. Es war klug von Ihnen, die beiden nicht zu stören. Sie sind gerade dabei, wie soll ich es sagen... kosmische Bande zu schmieden... Nur wer einmal Liebe erlebt hat, kann auch den Verlust bedauern und über seinen Schatten springen, um etwas zu tun, was er sonst nicht getan hätte. Und glauben sie mir, Minerva, der Schatten, der über dem jungen Snape liegt oder besser, einmal liegen wird, wird eine Menge Kraft benötigen, um überwunden zu werden." "Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz..." "Das brauchen Sie auch nicht, meine Gute... alles zu seiner Zeit... und das könnte noch ziemlich lang hin sein, wenn ich mich nicht völlig täusche!" Schweigend tranken sie Ihren Tee und Minerva McGonagall fragte sich, warum sie Albus Dumbledore eigentlich so blind vertraute.

Das 5. Schuljahr hätte zu seinem Ende hin wirklich schön werden können: Gryffindor gewann den Quidditch - Pokal, alle verstanden sich (oberflächlich) gut miteinander (nur Florence und Severus hatten gewisse Vorbehalte gegen Peter Pettigrew) und der Sommer schien schon früh zu beginnen... Alles hätte bis zu den Sommerferien so weiter laufen können, wäre da nicht die Geschichte mit Bertha Jorkins geschehen. Und wenn Severus Snape nicht so überreagiert hätte, wäre wohl auch das (mit Bestechungen) im Sande verlaufen. Aber die ewig durch die Gegend schnüffelnde Hufflepuff - Tratschtante Bertha ohne Mund fiel doch ziemlich auf. "Also, wie ist das passiert, Miß Jorkins?" fragte Albus Dumbledore streng. "Er hat mich verhext, Direktor Dumbledore, und ich wollte ihn doch nur ein wenig ärgern, Sir, ich hab doch nur gesagt, ich hätte ihn letzten Donnerstag gesehen, wie er mit Florence hinter den Gewächshäusern geknutscht hat..." antwortete Bertha Jorkins mit ihrem gerade wieder herbei gezauberten Mund. (Anm.: Das Zitat aus HP4 ist etwas abgeändert ;)) Neben Bertha saßen Severus Snape und Florence Farstalker etwas unruhig auf ihren Stühlen. Florence hatte ihren Onkel noch nie so enttäuscht gesehen und fühlte sich ziemlich unwohl in dem Büro, daß ihr doch so vertraut war. Severus hingegen schien vor Wut immer noch zu kochen und nur auf die nächste Gelegenheit zu warten, Bertha unter vier Augen zu erwischen. Dumbledore seufzte schwer, als er sagte: "Nun gut... 10 Punkte Abzug für Hufflepuff, weil Sie nachts durch die Gegend geschlichen sind, anstatt in ihrem Schlafsaal zu sein. Bertha, Sie können gehen, mit den beiden hier möchte ich mich gern allein unterhalten!" Mißmutig stampfte das Mädchen aus Dumbledores Büro. "Und Sie tun gut daran, auch die Treppe hinunter zu gehen, anstatt hinter der Tür zu lauschen, Bertha!" rief Dumbledore nach einer kurzen, sehr stillen Pause hinter ihr her. Tatsächlich bewegte sich auch etwas hinter der Tür und ein Quietschen verriet, daß sich der Wasserspeier, der den Weg zum Korridor verschloß, gerade zur Seite bewegte. "Und nun zu Euch zwei! Severus, ich weiß nicht, wo Sie den Fluch, den Sie Miß Jorkins aufgehalst haben, erlernt haben, an dieser Schule jedoch ganz sicher nicht. Ich weiß gar nicht, was ich zuerst ahnden soll: den Fluch, den Sie gar nicht kennen dürften, ihre nächtliche Herumtreiberei oder ihre heimliche Beziehung zu Miß Farstalker! Da ich nur zu gut aus eigener Erfahrung weiß, geht Liebe ihre eigenen Wege, auch wenn diese das Übertreten von Schulregeln bedeuten, werde ich Slytherin 50 Punkte abziehen für den unerlaubten Fluch und ihren Vater benachrichtigen. Er sollte sich diesen Sommer vielleicht doch etwas mehr damit beschäftigen, was Sie außerhalb der Schule erlernen." Severus blickte nun betreten und ängstlich zugleich auf den Boden: was würde sein Vater ihm bloß alles antun, jetzt wo seine Mutter ihn nicht mehr bremste? "Florence... was soll ich bloß mit dir anstellen? Ich habe deine Mutter schon überreden müssen, dich für dieses Jahr noch in Hogwarts zu lassen. Wenn ich ihr nun mitteile, womit du dich nachts beschäftigst, und das muß ich tun, nimmt sie dich endgültig von der Schule. Sie hat eine Schule in Norwegen gefunden, die dir eine vielleicht sogar noch bessere Ausbildung bietet als Hogwarts... und du wärest wieder etwas mehr in ihrer Nähe, was sie sich sehnlichst wünscht..." Florence schluckte schwer und bemühte sich, nicht zu Weinen. Hogwarts verlassen, ohne Severus, ohne ihre Freunde, und das alles nur, weil die dumme Bertha sie erwischt hatte! Bertha! Sie wird wohl gleich dem nächstbesten, der ihr über den Weg läuft, von der Geschichte erzählen! Und dann war es fraglich, ob ihre Freunde auch noch länger mit ihr befreundet sein wollten... Da war es wieder, ihr sprichwörtliches Unglück: kaum hatte sie begonnen, alles unter Kontrolle zu bringen, wischte das Schicksal ihr wieder eins aus!

Albus Dumbledore war gar nicht zufrieden mit dem, was er gerade hatte tun müssen. Severus war ein von Grund auf zorniger und nachtragender Mensch, reichte die kurze Zeit mit Florence aus, um ihn für die nachfolgenden Ereignisse genügend zu beeinflussen? Und Florence... es war wirklich besser, wenn sie Großbritannien bald verließ. Lord Voldemort hatte bereits einen Großteil der Zauberer entweder in seiner Gefolgschaft oder aber so weit eingeschüchtert, daß sie nichts mehr öffentlich gegen ihn unternahmen. Je älter Florence bei der Begegnung mit Voldemort war, desto besser waren die Chancen für "die Kämpfer des Lichts", die Dumbledore gerade erst begann, um sich zu scharen. Doch, es war besser, wenn Flo ging, solang noch niemand auf sie aufmerksam geworden war. Auch wenn das bedeutete, daß er seine Nichte erst womöglich in einigen Jahren wiedersah.

Die letzten Wochen vor den Ferien waren für Florence Farstalker der pure Horror. Sirius war buchstäblich explodiert. James sprach kein Wort mehr mit ihr. Lily vermied es, sie auch nur anzusehen. Remus hatte nichts gesagt, sich aber sehr zurück gezogen. Im Grunde war er der einzige außer Severus, der überhaupt noch ein Wort mit ihr sprach. Aber das alte Vertrauensverhältnis zwischen ihnen war dahin. Und Peter hatte seine seit Monaten ausstehende Abreibung erhalten. Gemeinsam mit Severus hatte sie ihn eines Abends, als alle anderen schon schliefen, betäubt ("Stupor") und aus dem Gemeinschaftsraum der Gryffindors gezerrt. Als Peter am nächsten Morgen erwachte, hing er gefesselt und geknebelt kopfüber über einer Toilette, einer Mädchentoilette im Unterrichtstrakt, wie er Stunden später feststellte, als das erste Mädchen, daß die Toilette benutzen wollte, sich fast die Seele aus dem Leib schrie vor Schreck. An seinen Pulli hatte jemand ein Blatt befestigt mit der Aufschrift "Verräter". Nachforschungen, wer diese Untat begangen hatte, waren erfolglos. Peter konnte nicht sagen, wer ihn angegriffen hatte und außer Severus und Florence wußte nur er, was er getan hatte, um die beiden zu trennen.

Nun, da sowieso schon die ganze Schule um die beiden wußte, waren Severus und Flo nur noch selten getrennt unterwegs. Verzweifelt vor der anstehenden Trennung verbrachten sie jede freie Minute miteinander und hätten um ein Haar die Prüfungen in den Sand gesetzt. Severus hatte Florence kurz vorher darauf aufmerksam gemacht, daß sie in jedem Fall noch lernen mußten, also übten sie zusammen, bis sie abendlich aus der Bibliothek gescheucht wurden. Der letzte Abend auf Hogwarts war der verzweifelste ihrer ganzen bisherigen Leben. Selbst nach dem Selbstmord seiner Mutter war Severus nicht so verzweifelt gewesen, wie jetzt. Und Florence mühte sich ab, nicht ständig in Tränen auszubrechen. Severus wollte in jedem Fall Kontakt mit ihr halten, doch Florence lehnte ab. "Zwei Jahre, dann ist die Schule vorbei und unsere Eltern haben uns gar nichts mehr zu sagen! Das ist nicht mehr so lange!" fing er ständig an, doch Flo schüttelte dann immer nur mit dem Kopf und sagte etwas in der Richtung von "Ganz oder gar nicht" oder "Lieber einmal kurze Schmerzen als jahrelang" und dann war Severus kurz vorm Heulen. Die ganze Nacht bis zum Morgengrauen standen sie aneinander geklammert auf dem Astronomieturm. Schweigend trennten sie sich in der Vorhalle und gingen in ihre Schlafsäle um ihre Sachen für die Abreise zu packen. Beide dachten, es wäre ein Abschied für immer und daß sie sich nichts mehr zu sagen hätten, was nicht schon gesagt war.

Als Severus Snape von seinem Vater in Kings Cross abgeholt wurde, glaubte er erst, zu träumen: sein Vater lächelte ihn an! Und er war stolz auf seinen Sohn! Mr. Snape war höchst beeindruckt von dem Fluch, den sein Sohn auf Bertha Jorkins losgelassen hatte. Und er hatte sich für den Sommer vorgenommen, tatsächlich auf das zu achten, was sein Sohn in den Ferien lernte, nur nicht ganz so, wie der Brief von Dumbledore gedacht war. Die nächsten zwei Monate über unterrichtete er Severus in den verschiedensten Flüchen, Sprüchen und Zaubertränken, die definitiv nie in Hogwarts auf dem Lehrplan stehen würden.

Florence Farstalker wurde von ihrer Mutter in Hogwarts abgeholt, die die Abreise um einen Tag verschob, um noch etwas Zeit mit dem Bruder ihres verstorbenen Mannes zu verbringen. Die Elbe war eine schöne und anmutige Frau, die Tollpatschigkeit mußte Florence also von seinem Bruder geerbt haben, waren Albus Dumbledores erste Gedanken, als er seiner Schwägerin zum ersten Mal gegenüberstand. Ihr Akzent war fürchterlich, halb elbisch (eine Art Sing - Sang mit nur wenigen eindeutigen Artikulationen), halb skandinavisch (abgehackt), aber das, was sie sagte, war von Wärme, Liebe und Sanftmut geprägt. Sie nahm es ihrer Tochter nicht übel, das erste Mal einen Freund gehabt zu haben, sie freute sich sogar darüber, aber die Zeiten in Großbritannien waren ihr schon im Jahr zuvor sehr unsicher erschienen. Nur dadurch, daß Dumbledore ihr von Frowins Prophezeiung erzählt hatte, war sie davon überzeugen gewesen, sie noch das fünfte Jahr in Hogwarts zu lassen. Doch nun stand ihr Entschluß fest, Florence in dem etwas sichereren Skandinavien unterzubringen. Auch Flo wußte, daß es das Beste für alle war und so riss sie sich zusammen. Der Sommer war mehr als nur kurz für sie. Sie hatte nur zwei Wochen Ferien, bevor in der neuen Schule der Unterricht wieder beginnen würde. Lange Sommerferien konnte man sich in einer Region, in der der Unterricht im Winter für drei Monate komplett ausfallen mußte, da niemand durch den Schnee kam, nicht leisten. Also gab es im Sommer nur 2 Wochen frei, wohin dagegen die Winterferien umso länger waren. Und sie hatte nicht so viel Zeit, um allein vor sich hin zu brüten und in Gedanken bei ihrer ersten Liebe und der verlorenen Freundschaften zu verweilen, bis sie neue Freunde fand.

Im ihrem sechsten Schuljahr fand die Auseinandersetzung zwischen Severus Snape und den Gryffindors um James Potter ihren absoluten Höhepunkt. Severus war fest davon überzeugt, daß Bertha Jorkins ihm und Florence nicht hinterher geschnüffelt hätte, wenn Sirius Black nicht ewig seine theatralischen Eifersuchtsszenen abgeliefert hätte. Und dann wären er und Flo noch zusammen und nicht für immer voneinander getrennt. Also konzentrierte er sich wieder hauptsächlich darauf, die Gryffindors in Schwierigkeiten zu bringen. Quidditch spielte er nicht mehr, auch wenn ihn nun keine Florence Farstalker davon abhalten konnte, sich während der Spiele mit aller Brutalität auf James Potter zu stürzen. Er war einfach nicht gut genug für die Mannschaft und das war etwas, was ihm einen zusätzlichen Stich verpasste. Wie in den ersten vier Jahren auf Hogwarts gelang es ihm hervorragend, die Angriffe der Slytherins zu planen und Dumbledores Büro war wieder fast täglich von Opfern und Angreifern der beiden Häuser zwecks Strafpredigt und Punktabzug besucht. Sirius Black hingegen hatte seine Chance zur Revanche an Severus Snape in einer Vollmondnacht und nutzte diese auch aus. Für Sirius war Snape der Grund, weswegen er nie von Florence erhört wurde. Sein Liebeskummer war mindestens ebenso heftig wie der von Severus, aber beide gaben sich völlig der Illusion hin, daß der jeweils andere nur aus purer Berechnung mit Florence zusammen sein wollte und sprachen damit dem anderen jede Fähigkeit zu Gefühlen ab. Wenn dem nicht so gewesen wäre, hätten sie sich vielleicht noch irgendwann verstanden in ihrem Leid. So aber, mit ihren fest verankerten Feindbildern in ihrem Kopf war es ein leichtes für Sirius, Severus Snape hinter Remus Lupin hinterher zu schicken, in einer Vollmondnacht, die aus dem netten Jungen Remus den höchst gefährlichen Werwolf Remus machen würde. "Hey, wohin bringt Madam Pomfrey euren Lupin?" fragte Snape mit bösem Lächeln Sirius, als der gerade durch die Vorhalle ging. Sirius blieb wie angewurzelt stehen. Wieder dieser Mistkerl! Langsam drehte er sich um und sah seinen Erzfeind locker an eine Säule angelehnt dastehen. Immer noch böse lächelnd zeigte er enormes Interesse an seinen eigenen Fingernägeln, bevor er Sirius provozierend anstarrte. "Nun? Keine Antwort auf Lager, Hohlkopf?" Und was für eine Sirius auf Lager hatte! "Nichts weltbewegendes, Snape... Wenn du wissen willst, was da passiert, geh doch einfach hinterher!" "In die Nähe der Peitschenden Weide? Für wie blöd hältst du mich eigentlich?" "Och, laß uns darüber ein anderes Mal diskutieren, ja? Es gibt da einen kleinen Trick... am Stamm der Weide ist eine Art Knoten... Wenn du den mit einem Stock berührst, hält die Weide lange genug still, um in den Gang zu gelangen..." Severus war mißtrauisch: "Warum erzählst du mir das?" "Nur damit du mit eigenen Augen siehst, daß wir nichts Verbotenes tun und du uns endlich in Frieden läßt! Du bist nämlich ganz schön lästig auf Dauer!" Severus Snape verbeugte sich übertrieben: "Stets zu Diensten, Eure Hohlköpfigkeit!" Siegesgewiß stiefelte Sirius die Treppe zum Gryffindorturm hinauf. Snape würde schon sehen, was er von seiner ständigen Rumschnüffelei haben würde... das sollte ihm eine Lektion fürs Leben sein...

"DU HAST WAS GETAN?" brüllte James Potter, als Sirius ihm von seiner Heldentat im Gemeinschaftsraum der Gryffindors erzählte. Etwas leiser, damit keiner der anderen etwas mitbekam sagte James: "Bist du wahnsinnig? Snape geht in jedem Fall hinterher und Remus wird ihn umbringen!" Soweit hatte Sirius gar nicht gedacht... aber Remus war mittlerweile wirklich schon ein ausgewachsener Werwolf... er würde Snape wahrscheinlich tatsächlich nicht nur etwas anknabbern, sondern eher zerfetzen! Sirius hatte noch nicht zu Ende gedacht, da war James auch schon auf dem Weg den Turm hinunter. Er mußte Snape abfangen, bevor er den ganzen Gang hinter sich gelassen und in der Schreienden Hütte dem Werwolf Lupin gegenüber stand! Er rannte so schnell er konnte, er durfte keine Sekunde Zeit verlieren!

Im schmalen Licht seines Zauberstabs tastete sich Severus Snape vorsichtig den fast endlos erscheinenden unterirdischen Gang entlang. Er rechnete mit allen möglichen Fallen und Hindernissen, umsonst hatte Sirius Black ihn garantiert nicht hier entlang geschickt. Es mußte mindestens eine Möglichkeit bestehen, daß er, Snape, sich das Genick brechen konnte und dieses wollte er nun wirklich nicht gerade.

James Potter hastete keuchend denselben Gang entlang, als er endlich einen schmalen Lichtschein vor sich sah. Gut, Snape war noch nicht in der Hütte angekommen. James lief noch etwas schneller, Wurzelgestrüpp und Steine hastig überspringend, als er in der Ferne das Gebrüll und Geknurre seines Freundes Remus Lupin vernahm, der sich anscheinend schon verwandelt hatte in eine Bestie. Nun nahm er auch schon stärkeren Lichtschein war, Snape war wohl gerade dabei, in die Hütte zu klettern! Mit einem Satz sprang James Potter vor und griff im Fallen nach dem schwarzen Stück Stoff eines Umhangs, das noch aus der Luke der Falltür in den Gang hinab baumelte. Severus Snape schlug sich bei seinem Sturz zurück in den Gang hart den Schädel an und blutete heftig aus einer Platzwunde, doch das war im Moment nebensächlich. James schlug die Falltür zu und verriegelte sie vom Gang aus, bevor er den schreckensbleichen und blutenden Severus den Gang zurück zerrte. Erst als sie draußen vor dem Schloß in sicherer Entfernung der Peitschenden Weide waren, fand Snape seine Sprache wieder. Sirius Black und Peter Pettigrew warteten dort bereits auf sie. "Du hast mich zu einem Werwolf geschickt?" waren Severus' erste Worte, die er wieder herausbrachte und sie waren an Sirius gerichtet. "Ich wollte dir nur eine Lektion erteilen, Snape!" "Oh nein, nein! Du wolltest mich umbringen lassen!" schrie Severus nun völlig außer sich, was angesichts der Gefahr, in die Sirius ihn geschickt hatte, auch irgendwie verständlich war, sogar für James Potter. Snape sprang wie ein großes schwarzes Raubtier vor und schlug auf den überraschten Sirius ein. Sie lieferten sich eine heftige Prügelei, die weder James noch Peter stoppen konnten, bis Albus Dumbledore brüllte: "Schluß jetzt! Alle bis auf Peter in mein Büro, sofort! Peter, du suchst Madam Pomfrey und bringst sie ebenfalls dorthin! Sie soll Verbände mitbringen!"

"Sirius, was hast du dir dabei eigentlich gedacht?" Schweigen. "Aha, nichts also! Genau das habe ich auch vermutet! Severus, warum um Himmels willen mußtest du so neugierig sein? Du hast dir doch denken können, daß Sirius dich in Schwierigkeiten bringen wollte!" Schweigen. "James, ich danke dir für deine Heldentat. Und Severus tut das auch, ganz bestimmt sogar! Nun los, sag was!" "Danke..." knirschte Severus durch die Zähne. Das tat mehr weh, als die vielen Beulen und Platzwunden, aus denen er blutete, aber James Potter hatte ihm wirklich das Leben gerettet. Als er nämlich in der Hütte angekommen war, war er vor Schreck erstarrt, angesichts des riesigen, zähnefletschenden Werwolfs, der sonst sein Mitschüler Remus Lupin war. Er wäre ein verflucht leichtes Opfer geworden... "Gut. Nun denn..." Albus Dumbledore war wieder etwas ruhiger geworden. Er wirkte nun nicht mehr wütend, sondern nur noch erschöpft. "Ich hoffe nur, daß ich nie wieder solche Schüler wie euch in dieser Schule erleben muß, solange ich sie leite... Seit mittlerweile sechs Jahren macht ihr nicht nur euch, sondern auch mir und der gesamten Lehrerschaft das Leben zur Hölle!" Schweigen. "James: 100 Punkte für Gryffindor für deine Tapferkeit. Severus: 10 Punkte Abzug für Slytherin wegen nächtlicher Herumschleicherei. Und noch einmal 50 Punkte Abzug für deine Dummheit! Gerade von dir hätte ich erwartet, daß du Sirius durchschaust... Sirius: 10 Punkte Abzug für Gryffindor, weil du nachts unterwegs warst. Und 150 Punkte Abzug zusätzlich und einen Brief an deine Eltern, weil du das Leben eines Mitschülers wissentlich gefährdet hast! Und nun geht ihr alle mit Madam Pomfrey in den Krankenflügel und laßt euch verarzten, schnell, bevor ich meine Meinung ändere und nicht mehr so gnädig bin!" Dies war definitiv einer der schwärzesten Tage in Dumbledores bisherigen Leben.