Kapitel 7 - Das Jubiläum von Molly
Zehn Jahre waren vergangen seit dem Machtübernahme Lord Voldemorts in Großbritannien. Und zehn Jahre war es auch her, daß Severus Snape ein glücklicher Junge war. Er konnte sich noch gut an jenen Frühlingsball in Hogwarts erinnern, der seinem Leben einen Sinn gegeben hatte, zumindest ein kurze Weile lang. Nachdem er die Schule verlassen hatte, studierte er zwei Jahre magische Medizin, bis er zum ersten Mal auf eines seiner eigenen Opfer stieß. Im St.- Mungo - Hospital für Magische Krankheiten und Verletzungen hatte seine praktische Zeit begonnen und er wurde zum ersten Mal an leibhaftigen Patienten unterrichtet. Bei der dritten Visite, der er mit fünf anderen Studenten unter Leitung ihres Professors Dr. Nightingale beiwohnte, wurde ihm speiübel. "Und hier sehen Sie Mrs. Petterson. Wie geht es Ihnen, Mrs. Petterson? Hm? Nun ja, wie Sie eindeutig erkennen können, wurde das Gedächtnis dieser Patientin weitestgehend ausgelöscht, ein Werk der Anhänger von Du - weißt - schon - wem. Und sie waren leider sehr gründlich bei dieser Schandtat vorgegangen. Mrs. Petterson wurde uns letzte Nacht eingeliefert, nachdem ihr Haus verwüstet und ... wo wollen Sie denn hin, Mr. Snape?" rief Professor Nightingale hinter seinem flüchtenden Studenten her. Severus hatte sich draußen vor dem Hospital zuerst übergeben müssen, bevor er sich auf einer Parkbank niederließ. Er kannte Mrs. Petterson, schließlich hatte er, Severus Snape, ihr Gedächtnis bearbeitet, um die neuesten Informationen über die Aktivitäten des Zaubereiministeriums gegen seinen Herrn zu erfahren. Am Abend zuvor waren er und seine kleine Gruppe von Todessern zum Haus der Ministeriumshexe geschickt worden. Während er sich mit Mrs. Pettersons Gedächtnis beschäftigte, zerlegten seine "Freunde" das Haus in seine Bestandteile. "Nun, Mr. Snape? Das war zuviel für Sie, nicht wahr? Aber, so leid es mir tut, so etwas sehen wir hier fast jede Woche. Entweder ihre Gedächtnisse werden ausgelöscht oder wir können sie nur auf ihren Weg in den Tod begleiten und ihre Schmerzen nehmen. Um die meisten Opfer kümmert sich gleich das Ministerium. Mit den Leichen haben wir hier nur selten zu tun." Professor Nightingale hatte sich neben ihn gesetzt gehabt und sprach nach einer Weile, als Severus nichts sagte, weiter: "Sie haben ein großes Potential, aber entweder gewöhnen Sie sich an derartige Anblicke, oder Sie überlegen, ob sie überhaupt mit den Patienten zu tun haben wollen. In der Apotheke des Hospitals wird demnächst eine Stelle frei. Ich könnte mit Dr. Herba sprechen. Ihre Tränke sind gut, sehr gut sogar. Sie würden wahrscheinlich ein sehr guter Apotheker werden..." Severus hatte das Angebot angenommen und arbeitete nun seit sechs Jahren in der Hospitalsapotheke. Aber direkt mit Patienten konnte er nicht arbeiten, sonst wäre er wahnsinnig geworden. Tags mischte er Heiltränke und nachts sorgte er dafür, daß die Betten des Hospitals nicht leer stehen mußten. Seine Kollegen wunderten sich oft über den verschlossenen jungen Mann, der für sein Alter bereits viel zu verbittert erschien. Sein Vater war letztes Jahr hier im Hospital gestorben. Es hatte ausgesehen wie das Werk der Anhänger Voldemorts und alle Kollegen und Ärzte waren bestürzt gewesen und Severus ihre Hilfe angeboten, doch der hatte nur abgewunken und kümmerte sich allein um die Beerdigung und den Verkauf seines Elternhauses, in dem er bis dahin mit seinem Vater zusammen gelebt hatte.
"Ah, Mr. Snape, Sie müssen der Mann sein, über den hier alle soviel Gutes erzählen! Ich habe gerade einen neuen Patienten bekommen, der tatsächlich eine Begegnung mit den Todessern fast heil überstanden hat. Aber ich brauche ein Mittel gegen seine heftigen Krampfanfälle und ihre Kollegen hier aus der Apotheke haben mich an Sie verwiesen..." der junge Arzt stockte bei seiner Erzählung, als er Severus' vernichtenden Blick bemerkte. "Symptome?" fragte der Apotheker knapp. "Krampfanfälle, immer wenn er sich an den Vorfall erinnern soll, was etwas lästig ist, denn die Männer vom Ministerium wollen ihn dringend verhören, und..." Weiter kam der neue Assistenzarzt nicht, denn Severus hatte ihm bereits ein kleines Fläschchen in die Hand gedrückt und sagte: "Je 5 Tropfen morgens und abends, mindestens eine Woche lang, wenn es dann noch nicht ohne geht, kommen Sie wieder." Der Arzt wurde aus Severus' Labor geschoben und die Tür hinter ihm heftig zugeknallt. "Tja, er ist brillant, aber wenn es um Opfer von Du - weißt - schon - wem geht, reagiert er ziemlich empfindlich." klärte ihn eine dickliche ältere Apothekerin auf, kaum daß der Arzt auf dem Gang stand. "Sein eigener Vater wurde wahrscheinlich von Todessern zu Tode gefoltert. Wenn Sie in Zukunft mit Opfern von Du - weißt - schon - wem zu tun haben, erzählen Sie ihm nur die Symptome, er weiß dann Bescheid und wird Ihnen die richtigen Tränke zur Verfügung stellen." Die ältere Frau lächelte den jungen Arzt an und geleitete ihn aus dem Laborbereich heraus, bevor sie sich seufzend umdrehte und die eben zugeknallte Tür von Severus Snape's Labor öffnete und eintrat. Ihr junger Kollege stand am Fenster und blickte nach draußen. Wie immer trug er schwarze Kleidung, sein Gesicht war extrem blaß, als käme er nie in die Sonne und sein rabenschwarzes Haar wirkte ungepflegt. Wenn er nicht so talentiert gewesen wäre, hätte Dr. Melissa Herba ihn schon längst entlassen, aber Severus Snape fand fast immer ein Rezept für einen Trank oder ein Pulver, daß die meisten Krankheiten und Fluchopfer schnell und unkompliziert kurierte. 'Die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn ist wohl wirklich fließend!' dachte Dr. Herba und räusperte sich vernehmlich. "Severus, ich muß ein Wörtchen mit dir reden!" begann sie und der junge Mann drehte sich ihr zögerlich zu. "Ich weiß, ich sollte neue Ärzte nicht so erschrecken, aber..." "Er ist eine echte Plaudertasche, nicht wahr? Darum habe ich ihn auch zu dir geschickt, und du hast ihm eine Lektion erteilt. Gut, in diesem Fall habe ich das bewußt provoziert, aber du solltest dich in Zukunft wirklich etwas zusammenreißen. Ich kann dich nicht immer in Schutz nehmen, wenn sich einer der Ärzte über dich beschwert." Severus zuckte mit den Schultern und rührte einen dampfenden Kessel um. "Wie wäre es mit etwas Urlaub? Du hast dieses Jahr noch keinen gehabt und ich glaube, ein bißchen Sonne würde dir ganz gut tun! Und wenn du diesen Trank hier fertig gebraut hast, haben wir genügend Vorräte für ein Jahr davon!" 'Oder auch nur für die nächsten Wochen, wenn das überhaupt ausreicht...' dachte Severus bei sich und fügte noch einige Florfliegen zum Schmerzmitteltrank hinzu. Lord Voldemort plante sein Jubiläum mit vielen Toten und Verletzten zu feiern und das Hospital würde völlig überfüllt sein mit Cruciatus - Opfern. Er sollte vielleicht das Angebot seiner Mentorin annehmen, dann wäre er in der schlimmsten Zeit wenigstens nicht hier. Außerdem wurde er fast jede Nacht mittlerweile gerufen und mit zwei Stunden Schlaf pro Nacht würde er eh nicht mehr lange durchhalten, ohne komplett den Verstand zu verlieren oder sich zu verraten. "Ich nehme an, Urlaub wäre ganz gut... Ich werde dann aber nicht zu erreichen sein, fürchte ich..." antwortete er leise und schaute seine Vorgesetzte und immer um ihn besorgte Mentorin Dr. Herba vorsichtig an. Er sah wirklich fürchterlich aus in letzter Zeit. Seine Augen waren nur noch glasig oder funkelten im Zorn, darunter lagen tiefe Schatten, die natürlich alle bemerken mußten. Wenigstens waren sie so klug und fragten ihn nicht danach, Severus neigte manchmal zu heftigen Überreaktionen. Den meisten seiner Kollegen war er ohnehin unheimlich und wenn sein Vater nicht offensichtlich von Voldemort - Anhängern gefoltert worden wäre, hätte sicherlich irgendwann jemand den Verdacht geäußert, daß Severus ein Todesser sei. Aber ein Sohn, der sich mit seinem Vater so gut verstand, hätte ihn doch vor den Mördern gewarnt oder beschützt, selbst wenn er seine Seele an Du - weißt - schon - wen verkauft hätte, oder nicht? Tatsächlich hatte sein Vater ihn eindringlichst davor gewarnt, eben dieses zu tun. Severus' Vater war einer der ersten Todesser im Gefolge des Dunklen Lords gewesen. Aber vor einem Jahr hatte er sich während eines Treffens der Todesser öffentlich gegen den neuesten Tick seines Herrn ausgesprochen und damit sein eigenes Todesurteil gefällt. Seit dem Sommer, in dem er Florence verlor, verstand Severus sich glänzend mit seinem Vater und wurde direkt nach der Schule ebenfalls ein Todesser, wie die meisten seiner Schulfreunde aus Hogwarts - Zeiten. Doch seinen Vater begannen in den letzten Jahren immer größere Gewissensbisse zu plagen und gelegentlich versuchte er seinem Sohn seinen Standpunkt zu erklären. Severus' hatte Angst um das Leben seines Vaters und beschwor ihn, niemals öffentlich über solche Dinge zu sprechen, aber sein Vater wollte nicht hören. Lieber wollte er sterben, als seine Zweifel ewig für sich zu behalten. Wenn Voldemort nicht schon zu Beginn seiner Herrschaft wahnsinnig war, dann war er es in den nachfolgenden Jahren geworden. Er hatte vor drei Jahren damit begonnen, Wege zur Unsterblichkeit zu suchen und Severus Snape's Talent für die unmöglichsten Tränke waren ihm sehr viel wert gewesen. Severus wurde zu Voldemorts persönlichem "Giftmischer" ernannt und verbrachte nun seine Nächte damit, Rezepte für Unsterblichkeitstränke zusammen zu stellen. Severus' Vater war davon wenig begeistert und als er seinen Beschluß gefasst hatte, sich dagegen auszusprechen, hatte er seinen Sohn dazu angehalten, nicht einzugreifen, wenn er mit seiner Äußerung nicht auf fruchtbaren Boden stoßen würde. Und das traf er wahrhaftig nicht. Severus Snape wurde zwar von Lord Voldemort nicht dazu aufgefordert, seinen Vater persönlich zu Tode zu foltern, aber er mußte die ganze Zeit zuschauen, damit sein Herr Gelegenheit hatte, Severus' Loyalität zu testen. Und Severus erwies sich als loyal. Schweigend hatte er den Folterungen beigewohnt und die letzten noch intakten Stücke seiner Seele zersplitterten in ihm, bis alles vorüber war und er mit seinem sterbendem Vater in ihrem gemeinsamen Haus wieder allein war. Als Todesser war er in einer Technik des Apparierens ausgebildet worden, die es ihm erlaubte, eine zweite Person auch gegen deren Willen auf die Reise mitzunehmen. Das war nützlich für Entführungen und wurde sonst nur Ärzten und Sanitätern sowie Auroren des Ministeriums beigebracht, da es deren Pflichten ebenfalls nützte. Und so drückte er seinen sterbenden Vater an sich und brachte ihn ins Hospital, wo er nach wenigen Stunden endgültig die Augen schloss. Das letzte Jahr über war Severus immer mehr von Voldemort in Beschlag genommen worden, so daß er kaum noch seinen Pflichten im Hospital nachkommen konnte. Alle seine Kollegen führten das auf den Tod seines Vaters zurück und damit hatten sie auch nicht ganz unrecht. Am Ende des Tages kehrte Severus in seine kleine Wohnung in der Nähe des Hospitals zurück und legte sich ins Bett. Die nächsten sechs Wochen hatte er frei, was hieß, daß er die nächsten Wochen nur für den Dunklen Lord arbeiten würde, ob er wollte oder nicht.
"Das muß sie sein!" flüsterte Lucius Malfoy seiner Ehefrau Narzissa zu und deutete mit dem Kopf auf eine kleine Frau etwas weiter vorn in der Ehrenloge. Für den Staatsbesuch des finnischen Zaubereiministers in Großbritannien war sie als Dolmetscherin mitgereist und begleitete die Minister Britanniens und Finnlands nun zu einem Quidditchspiel, auch wenn ihre Anwesenheit kaum von Nöten hierbei war. Was der finnische Minister auf dem Spielfeld sah, brauchte ja wohl nicht übersetzt werden, zudem mischte sich ständig ein Mitarbeiter des britischen Ministeriums in die Gespräche ein, der ebenfalls finnisch beherrschte. Gelangweilt sah die junge Frau dem Geschehen auf dem Spielfeld zu und unterdrückte ein Gähnen. Lucius Malfoy lächelte hämisch. Wenn alles so lief wie geplant, würde der kleinen Hexe in der nächsten Zeit nicht mehr so schnell langweilig werden, dafür wollte er schon sorgen. Er wartete nur auf eine Gelegenheit, sie unter vier Augen zu erwischen. Als er vor ein paar Tagen das erste Mal ein Bild mit ihr im Tagespropheten sah, wußte er zunächst nicht, ob es wirklich sein konnte, doch seine Nachforschungen bestätigten seine erste Vermutung. Sie würde ein wundervolles Geschenk für seinen Herrn sein zum anstehenden Jubiläum sein. Damit konnte er seine Position weiter ausbauen, ohne Frage. Narzissa riss ihn mit einem Schubser in die Seite aus seinen Gedanken. Die Hexe entschuldigte sich gerade bei ihrem Minister und stand auf, um die Tribüne zu verlassen. Er wartete einen Augenblick, bis er ihr folgte. Im Treppenaufgang war außer ihm und der jungen Frau niemand zu sehen, also zückte er seinen Zauberstab und rief leise "Stupor". Dann rannte er zu ihrem bewußtlosen Körper, drückte ihn an sich und mit einem leisen Plopp waren beide verschwunden.
"Holt mir den Giftmischer her, hier gibt es Arbeit für ihn!" rief Lord Voldemort seinen Assistenten zu und beugte sich wieder über den blutenden Körper vor ihm. Sie war stark, doch beim nächsten Neumond würde das schon anders aussehen. Dann würde er sie schon unter Kontrolle bekommen, nur bis dahin mußte sie überleben. Der Mond hatte heute wieder begonnen, zuzunehmen und er hatte das durchaus gemerkt, ihre Gegenwehr wurde wieder stärker. Eine weitere vermummte und maskierte Gestalt betrat den Kerker und die bereits Anwesenden teilten sich, um sie zu Lord Voldemort durchzulassen. "Ah, mein Giftmischer... was machen die Fortschritte? Ich habe noch ein bißchen mehr Arbeit für dich... diese Hexe muß die nächsten Wochen lebend überstehen und ich fürchte, ich war etwas grob zu ihr. Kümmere dich um sie so gut du kannst, ich will doch nicht, daß dieses äußerst wertvolle Geschenk meines Freundes Lucius umsonst war..." Mit diesen Worten ließ er Severus Snape mit der Verletzten allein, nur eine Wache blieb vor der Zelle stehen. Severus ging zu ihr hinüber und beugte sich etwas herunter, um sie so umzudrehen, daß er ihr einen Heiltrank einflößen konnte. Um ein Haar hätte er die kleine Phiole fallen lassen, so sehr erschrak er bei ihrem Anblick.
"Igor!" rief Snape einem Todesser zu und rannte hinter ihm her. Bei ihm angekommen, zerrte er ihn in eine ruhig Ecke und nahm seine Maske ab, wie es auch Igor Karkaroff tat. "Was ist denn? Ich habe noch viel zu tun heute!" beschwerte sich Karkaroff. "Was weißt du von der Gefangenen unten im Kerker?" "Wieso willst du das wissen?" "Was weißt du, will ich wissen, den Rest erzähle ich dir dann!" beharrte Severus. "Die Gefangene... die, die Malfoy angeschleppt hat? Nun, soweit ich weiß, ist das eine Halbelbe, die unser Lord zu seiner Braut machen will, allerdings weigert sie sich hartnäckig." "Wieso will er sie heiraten?" "Von heiraten kann nicht unbedingt die Rede sein, er will nur Kinder von ihr, falls das mit der Unsterblichkeit nicht gelingen sollte. Er will einen Thronerben, so reinblütig wie möglich. Und das geht eben nur mit einer Elbe. Und da keiner weiß, wo die Elben sich verstecken und sie sowieso zu nichts gezwungen werden können, kommt eine Halbelbe dem noch am nächsten und ist unter gewissen Umständen beherrschbar... was ist denn?" fragte Igor nun verwirrt den kreideweiß erbleichten Severus. "Die Halbelbe, wie du sie nennst, heißt Florence Farstalker und war mal meine Freundin..." flüsterte Severus leise, daß es niemand mitbekommen konnte. "Was? Du warst mit ihr zusammen? Wann? Und vor allem, wieso weißt du dann nichts von ihr?" "Weil mich so etwas nie interessiert hat, verflucht noch mal! Außerdem war ich damals fünfzehn und wir waren im selben Jahrgang, bis wir erwischt wurden und sie von ihrer Mutter auf eine andere Schule geschickt wurde!" zischte Severus, "Außerdem, was heißt hier beherrschbar?" "Elben sind ziemlich mächtig, auch Halbelben können noch ohne Zauberstäbe zaubern, so weit ich weiß, erschöpft es sie bloß recht schnell... und sie bekommen nur dann Kinder, wenn sie es auch wollen, und das ist zur Zeit noch Voldemorts Problem: sie weigert sich, darum versucht er sie mit allen Mitteln zu schwächen und zu Neumond wird ihr Wille am leichtesten zu brechen sein, darum sollst du sie ja auch bis dahin am Leben erhalten...bei allen Elementen, du heckst doch wohl nicht schon wieder was aus, oder?" Karkaroff deutete Severus' Gesichtsausdruck ziemlich gut. "Ich muß sie hier raus holen... und du wirst mir helfen, verstanden?" "Den Teufel wird' ich tun! Wenn du dich umbringen lassen willst, dann tu das, dein Vater hat's dir ja vorgemacht! Ich muß mich weiter um die Vorbereitungen zum Fest kümmern, wenn du mich jetzt bitte entschuldigst..." Severus entschuldigte nicht: "Darf ich dich an den kleinen Zwischenfall in Glasgow erinnern?" grinste er Karkaroff zynisch an, bevor sein Gesicht wieder ernst wurde, woraufhin nun Igor erbleichte. Damals hatte er ziemlich viel getrunken und einen der nächsten geplanten Übergriffe der Todesser in einem Pub ausgeplaudert. Acht Todesser wurden daraufhin verhaftet oder getötet und Voldemort war äußerst ungehalten gewesen. Wenn Severus ihn damals nicht gedeckt hätte, würde Igor Karkaroff nicht mehr unter den Lebenden weilen. Er stand eindeutig in Severus' Schuld. "Das kannst du nicht tun! Das würdest du nicht wagen!" "Und ob! Hör zu, mir ist etwas eingefallen, was klappen könnte..." "Er hat ihr bereits das Dunkle Mal eingebrannt! Egal, wo du sie anschließend versteckst, er wird sie irgendwann wiederfinden!" gab Igor zu bedenken. "Ich kenne einen Ort, wo er sie niemals herausholen könnte. Und wenn doch, ist es eh für uns alle zu spät..." fuhr Severus Snape leise fort.
Drei Wochen waren vergangen und die "Jubiläumsfeierlichkeiten" fast vorüber, als Severus Snape und Igor Karkaroff ihren wahnwitzigen Plan in die Tat umsetzen konnten. Severus hatte mittlerweile herausgefunden, daß die Hand- und Fußfesseln seiner ehemaligen Freundin mit Flüchen belegt waren, die er nicht brechen konnte, weshalb Florence trotz seiner Pflege immer schwächer wurde. Sie war zwar zwischenzeitlich wieder stärker geworden und schimpfte ihren täglich erscheinenden maskierten Besucher höchst unflätig aus, aber seit einer Woche ging es mit ihr rapide bergab. Sie mußten schnell handeln, aber der Vielsafttrank, den Severus zu Haus angesetzt hatte, brauchte nun einmal so lang. Der Plan war so einfach und simpel, daß so gut wie nichts schief gehen konnte. Igor Karkaroffs Fehlen würde nicht weiter bemerkt werden, da er zwischendurch oft in Rußland zugegen sein mußte. Wäre Severus aber plötzlich ohne Grund verschwunden sein aus dem "Anwesen" seiner Lordschaft (ein verwittertes altes Gut irgendwo in Wales, genau wußte niemand der Todesser wo es war, sie ließen sich im Normalfall von dem in ihren linken Unterarm eingebrannten Dunklen Mal zu ihrem Herrn leiten), würde das sehr wohl auffallen. Also mußten die beiden Verschwörer dafür sorgen, daß Severus' gesehen wurde, während er eigentlich Florence in Sicherheit brachte. Karkaroff würde durch den Vielsafttrank, den er stündlich während der Aktion einnehmen mußte, zu Severus' Ebenbild werden und dem echten Severus die nötige Zeit verschaffen. "Kommst du auch schon? Los, hier rein!" Snape winkte seinen unfreiwilligen Partner in die Laborräume, die Voldemort extra für ihn in seinem Unterschlupf hatte einrichten lassen. Bevor er die Tür schloß, versicherte er sich noch einmal, ob niemand seinen Besucher gesehen hatte. "Das ist Wahnsinn! Das geht niemals gut..." wimmerte Igor vor sich hin und zitterte am ganzen Leib. "Es wird gut gehen, wenn du dich endlich zusammenreißt! Ich habe dir alles Nötige hier hingestellt und in meinem Umhang sind auch noch ein paar nützliche Tränke, wenn er deine, oder besser meine Dienste anfordern sollte!" damit warf Severus Igor seinen Ersatzumhang zu und füllte die Flasche, aus der er in letzter Zeit oft vor anderen getrunken hatte, mit dem fertigen Vielsafttrank. Er hatte vor zwei Wochen begonnen, ein Magengeschwür vorzutäuschen und den Inhalt der Flasche (meistens Kürbissaft) als Medizin ausgegeben, die er regelmäßig benötigte. Sie hofften zwar beide, daß die Befreiung von Florence Farstalker erst am nächsten Morgen auffallen würde, aber sie waren sich nicht sicher, ob Lord Voldemort nicht doch mitten in der Nacht auf die Idee kam, Severus zu rufen oder nach seiner Gefangenen zu schauen. "Hier unten im Schrank ist noch mehr, wenn's knapp werden sollte. Aber ich werde wohl hoffentlich nicht länger als zwei Tage brauchen, bis dahin reicht's. Und jetzt trink endlich!" wies Severus Igor an, der immer noch zitterte. "Ich halte das nicht einen Tag aus, also beeil' dich gefälligst!" brachte er noch heraus, bevor er den ersten Schluck des Trankes zu sich nahm. Auch Severus war nervös, ließ sich aber nichts anmerken, sonst würde Igor vielleicht doch noch abspringen und das konnte er nicht riskieren.
Igor/Severus werkelte in seinem Labor vor sich hin, während der echte Severus Snape im Kerker die Wache betäubte. Als er die Zelle betrat, fauchte eine arg geschwächte Florence ihn wütend an: "Was willst du denn schon wieder hier? Hast du Sehnsucht oder was?" Seine Florence! Kaum in der Lage, den Kopf zu heben aber immer noch eine große Klappe... Sie hatte ihn in den letzten Wochen nicht erkannt und Severus war darüber sehr froh, dann konnte er ihr vielleicht später noch einmal unmaskiert gegenüber stehen, ohne daß sie ihn versuchte umzubringen. Und natürlich hatte er Sehnsucht nach ihr. Er hatte oft in den letzten Jahren an sie gedacht, und seine Gefühle für sie waren noch immer die gleichen wie vor zehn Jahren. "Sei still!" herrschte er sie an, "Ich hol dich hier raus!" "Wie denn? Ein Verräter? Und was hast du dir so ausgedacht?" flüsterte sie mit letzter Kraft aber dennoch eindeutig verächtlich. "Wart's ab. Erstmal muß ich diese Ketten aus der Wand bekommen, die müssen wir vorerst mitnehmen, allein bekomme ich sie nicht von dir los.." Mit Hilfe seines Zauberstabs brach er die Haken, an denen Florence' Fesseln eingehängt waren, aus der Kerkermauer. Dann drückte er ihren Körper an sich, bevor sie beide mit leisem Plopp disapparierten.
Sie tauchten direkt vor dem geschmiedeten Tor zum Hogwarts - Schulgelände wieder auf. Albus Dumbledore hatte das Gelände gleich zu Beginn der Herrschaft Voldemorts mit mehreren Bannsprüchen belegt, die ein Apparieren von und auf das Gelände verhinderten. Die letzten Kilometer würde Severus die mittlerweile bewußtlose Florence tragen müssen, aber hier war sie so sicher wie sonst nirgendwo auf der Welt. Der große Lord Voldemort würde wegen ihr nicht die offene Konfrontation mit Dumbledore suchen, dem einzigen Zauberer, vor dem selbst er Angst oder zumindest riesigen Respekt zeigte. Als Severus das Tor durchquert hatte, atmete er erleichtert auf. Teil 1 des Planes war geglückt: er war mit Florence auf dem Gelände. Nun mußten sie nur noch zum Schloß durchkommen, was sich angesichts des heftig tobenden Gewitters als relativ schwierig herausstellte. Es dauerte fast zwei Stunden, bis sie vor dem Hogwartsschloß angekommen war. Das große Flügeltor war mit einem Bann belegt, also mußte Severus es aufsprengen, was ziemlichen Lärm verursachte und alle im Schloß aufweckte. Eigentlich wollte Severus Florence nur in die Eingangshalle bringen und eine Nachricht für Dumbledore dalassen, so aber würde er nun selbst erklären müssen, warum er sie mitten in der Nacht ins Schloß gezerrt hatte. Falls man ihn überhaupt anhören würde, denn immerhin trug er noch die Todesser - Maskerade.
Professor Minerva McGonagall hatte in den letzten Jahren, seit sie in Hogwarts unterrichtete, viel seltsames gesehen und erlebt. Aber ein Todesser, der eine gefolterte und in Ketten gelegte Gefangene hinter sich her zerrte und mit dem Zauberstab wie mit einer Waffe fuchtelnd jeden bedrohte, der sich in seiner Sichtweite bewegte, war bisher noch nie dagewesen. "Ich will Dumbledore sprechen. Sofort!" schrie der Todesser nervös, schob seine Gefangene an eine Wand in der Vorhalle und stellte sich schützend davor. "Holt Direktor Dumbledore aus seinem Büro, daß Paßwort lautet 'Bonbon'" wies Professor McGonagall die Vertrauensschüler hinter sich an, die es wohl für ihre Pflicht gehalten hatten, ebenfalls nach unten zu kommen um nachzusehen, wer oder was den unglaublichen Lärm verursacht hatte. Das Eingangstor zum Schloß war völlig zerstört. Der eine Türflügel hing gerade noch an einer Angel im Türrahmen, der andere war quer durch die Vorhalle geschossen, hatte einen großen Kronleuchter erwischt und mit abgerissen, bevor er seine vorläufige Ruhe am Fuß der Treppe gefunden hatte. Durch die mangelhafte Beleuchtung der Halle wurde die ganze Szenerie in unwirkliches Licht getaucht, ab und zu taghell erleuchtet durch gelegentliche Blitze am Nachthimmel. Überall lagen Splitter und Scherben herum, während der heftige Wind den Regen in das Foyer blies und sich langsam Pfützen auf dem Boden bildeten. Immer mehr Lehrkräfte erschienen in die unterschiedlichsten Morgenmäntel gehüllt auf dieser nächtlichen Bühne und verliehen dem ganzen einen noch stärkeren Hauch von Absurdität. 'Flitwick trägt Blümchenmuster?' McGonagall mußte sich ein Lachen verkneifen. "Nicht bewegen!" herrschte sie Professor Platypus an, den neuen Lehrer zur Verteidigung gegen die dunklen Künste, der hier seine große Chance gekommen sah, sich vor seinen Kollegen zu beweisen. "Aber er ist allein! Und wir sind viele, warum versuchen wir nicht, ihn zu überwältigen?" widersprach dieser ihr flüsternd, "Er kann uns ja nicht alle gleichzeitig bekämpfen..." "Das mag wohl sein, aber er ist auch ausgesprochen nervös und wenn ich mir anschaue, was er mit dem Tor veranstaltet hat, glaube ich nicht, daß auch nur einer von uns dazu bereit ist, freiwillig das Bauernopfer in diesem Kampf zu spielen..." entgegnete McGonagall leise und die anderen Lehrer in Hörweite nickten zustimmend, "Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, daß er uns nichts tun will, sondern eher jemanden in Sicherheit bringen möchte!" Sie deutete mit dem Kopf auf die Gestalt, die hinter dem sich nervös umher wendenden Todesser auf dem Boden lag. "Warum dauert das so lange?" schrie der Todesser und aus seiner Stimme war eindeutig die Panik heraus zu hören. "Weil alte Männer nun einmal etwas langsamer sind, junger Freund!" ertönte Dumbledores Stimme freundlich in der Halle. Er kam die Treppe hinunter und verknotete unterwegs seinen rostroten Morgenmantel. Mit seinem weißen Bart und dem Mantel erinnerte der Direktor ein bißchen an die gängigen Vorstellungen vom Weihnachtsmann, zudem schmunzelte er gütig und schien sich über den nächtlichen Besucher geradezu zu freuen? So konnte auch nur Albus Dumbledore reagieren, dachte Professor McGonagall bei sich und schüttelte leicht den Kopf, während sie ihren Freund und Vorgesetzten an sich vorbeiließ. Selbstbewußt schritt der alte Mann über die Überreste des Torflügels am Fuße der Treppe und ging geradewegs auf den immer noch nervösen Todesser zu. "Ich glaube, wir sollten die Angelegenheit, weswegen Sie hier sind, in einer etwas privateren Umgebung besprechen, was meinen Sie?" fragte Dumbledore freundlich und verwies auf eine nahe Tür. Der Todesser nahm den Blick nicht von Dumbledore und den versammelten Lehrern hinter dessen Rücken, während er die zerschundene Gefangene mit einem Arm hochhob, in der anderen Hand immer noch drohend den Zauberstab erhoben. Mit dem Rücken voran trat er in den Raum, den Dumbledore für ihre Unterredung ausgesucht hatte, mißtrauisch jede Bewegung der Lehrer beobachtend. "Ach, Mr. Filch, wären Sie so gütig und könnten das Tor zumindest provisorisch reparieren? Es regnet doch ziemlich und ich möchte nicht, das die Slytherins heute Nacht noch in ihren Betten schwimmen, wenn das Wasser nach unten läuft... Die Hauselfen werden Ihnen dabei zur Hand gehen... Und Ihr laßt uns bitte allein, ja? Es gibt keinen Grund zur Besorgnis, da bin ich mir ziemlich sicher!" versicherte der Direktor seinen Lehrern, die darüber nicht sonderlich erfreut zu sein schienen, bevor er die Tür zum Nebenraum hinter sich schloß. Es war das Besucherzimmer, in dem zumeist die Eltern von Schülern warteten, wenn sie ihre Zöglinge während der Schulzeit besuchen kamen. Es war ein warmer und gemütlicher Raum, vollgestopft mit bequemen Sesseln und Sofas, alle mit weichem, schwerem Samt bezogen. Auf eines der Sofa hatte der Todesser seine Gefangene gebettet und suchte nun nach einer Decke, mit der er ihren unterkühlten Körper bedecken konnte, denn ihre Kleidung wies nicht nur erstaunlich viele Löcher und Risse auf, sondern war darüber hinaus auch noch völlig vom Regen durchnäßt. Als Albus Dumbledore seinen Zauberstab zückte, gab es einen kurzen Moment der Spannung, denn der Todesser war sich nicht sicher, was Dumbledore vorhatte. Dieser lächelte kurz und entzündete dann ein Feuer im Kamin, bevor er ein Tablett mit einer Kanne Tee, Tassen, Milch und Zucker auf einem kleinen Tischchen erscheinen ließ. Auch der Todesser war durchnäßt und schien zu frieren, während er Dumbledore aufmerksam beobachtete. "Ihre Fesseln müssen so schnell wie möglich runter, aber ich war bisher nicht dazu in der Lage, die Zeit war etwas knapp..." begann der junge Mann mit der Maske zu erklären und lüftete die Decke über den Fußgelenken seiner Gefangenen. "Hmhm..." gab der Direktor von sich, betastete die Fesseln und zerschnitt die Eisenschellen mit seinem Zauberstab. "Sie muß Voldemort eine Menge bedeuten, wenn er sich selbstpersönlich dazu herab läßt, sich um die Folterung seiner Gefangenen zu kümmern... Ja, ich kenne diese 'Handschrift', jeder Zauber trägt irgendwie die Zeichen seines Verursachers, aber das wissen nur wenige..." erklärte er und warf die Hand- und Fußfesseln ins Kaminfeuer, wo sie sich in grünliche Funken auflösten. "Sie muß hierbleiben in Hogwarts... er hat ihr das Dunkle Mal eingebrannt und wird sie überall auf der Welt finden. Wenn Sie sie nicht hier aufnehmen, war alles umsonst..." kam es kläglich und fast flehend hinter der Maske des Todessers hervor. "Keine Sorge, sie kann hierbleiben. Ich freue mich, meine kleine Nichte mal wieder zu sehen. Es ist lange her, seit dem ich sie zuletzt sah..." beruhigte ihn Dumbledore und klatschte freudig in die Hände, "Nun denn... Wie wäre es, wenn du diese häßliche Maske abnimmst, ein Tässchen Tee mit mir trinkst und dich etwas aufwärmst. Ich denke, du hast Vorbereitungen getroffen, daß deine Abwesenheit nicht so schnell auffällt, bis du wieder zurück kommst, nicht wahr, Severus?"
Zehn Jahre waren vergangen seit dem Machtübernahme Lord Voldemorts in Großbritannien. Und zehn Jahre war es auch her, daß Severus Snape ein glücklicher Junge war. Er konnte sich noch gut an jenen Frühlingsball in Hogwarts erinnern, der seinem Leben einen Sinn gegeben hatte, zumindest ein kurze Weile lang. Nachdem er die Schule verlassen hatte, studierte er zwei Jahre magische Medizin, bis er zum ersten Mal auf eines seiner eigenen Opfer stieß. Im St.- Mungo - Hospital für Magische Krankheiten und Verletzungen hatte seine praktische Zeit begonnen und er wurde zum ersten Mal an leibhaftigen Patienten unterrichtet. Bei der dritten Visite, der er mit fünf anderen Studenten unter Leitung ihres Professors Dr. Nightingale beiwohnte, wurde ihm speiübel. "Und hier sehen Sie Mrs. Petterson. Wie geht es Ihnen, Mrs. Petterson? Hm? Nun ja, wie Sie eindeutig erkennen können, wurde das Gedächtnis dieser Patientin weitestgehend ausgelöscht, ein Werk der Anhänger von Du - weißt - schon - wem. Und sie waren leider sehr gründlich bei dieser Schandtat vorgegangen. Mrs. Petterson wurde uns letzte Nacht eingeliefert, nachdem ihr Haus verwüstet und ... wo wollen Sie denn hin, Mr. Snape?" rief Professor Nightingale hinter seinem flüchtenden Studenten her. Severus hatte sich draußen vor dem Hospital zuerst übergeben müssen, bevor er sich auf einer Parkbank niederließ. Er kannte Mrs. Petterson, schließlich hatte er, Severus Snape, ihr Gedächtnis bearbeitet, um die neuesten Informationen über die Aktivitäten des Zaubereiministeriums gegen seinen Herrn zu erfahren. Am Abend zuvor waren er und seine kleine Gruppe von Todessern zum Haus der Ministeriumshexe geschickt worden. Während er sich mit Mrs. Pettersons Gedächtnis beschäftigte, zerlegten seine "Freunde" das Haus in seine Bestandteile. "Nun, Mr. Snape? Das war zuviel für Sie, nicht wahr? Aber, so leid es mir tut, so etwas sehen wir hier fast jede Woche. Entweder ihre Gedächtnisse werden ausgelöscht oder wir können sie nur auf ihren Weg in den Tod begleiten und ihre Schmerzen nehmen. Um die meisten Opfer kümmert sich gleich das Ministerium. Mit den Leichen haben wir hier nur selten zu tun." Professor Nightingale hatte sich neben ihn gesetzt gehabt und sprach nach einer Weile, als Severus nichts sagte, weiter: "Sie haben ein großes Potential, aber entweder gewöhnen Sie sich an derartige Anblicke, oder Sie überlegen, ob sie überhaupt mit den Patienten zu tun haben wollen. In der Apotheke des Hospitals wird demnächst eine Stelle frei. Ich könnte mit Dr. Herba sprechen. Ihre Tränke sind gut, sehr gut sogar. Sie würden wahrscheinlich ein sehr guter Apotheker werden..." Severus hatte das Angebot angenommen und arbeitete nun seit sechs Jahren in der Hospitalsapotheke. Aber direkt mit Patienten konnte er nicht arbeiten, sonst wäre er wahnsinnig geworden. Tags mischte er Heiltränke und nachts sorgte er dafür, daß die Betten des Hospitals nicht leer stehen mußten. Seine Kollegen wunderten sich oft über den verschlossenen jungen Mann, der für sein Alter bereits viel zu verbittert erschien. Sein Vater war letztes Jahr hier im Hospital gestorben. Es hatte ausgesehen wie das Werk der Anhänger Voldemorts und alle Kollegen und Ärzte waren bestürzt gewesen und Severus ihre Hilfe angeboten, doch der hatte nur abgewunken und kümmerte sich allein um die Beerdigung und den Verkauf seines Elternhauses, in dem er bis dahin mit seinem Vater zusammen gelebt hatte.
"Ah, Mr. Snape, Sie müssen der Mann sein, über den hier alle soviel Gutes erzählen! Ich habe gerade einen neuen Patienten bekommen, der tatsächlich eine Begegnung mit den Todessern fast heil überstanden hat. Aber ich brauche ein Mittel gegen seine heftigen Krampfanfälle und ihre Kollegen hier aus der Apotheke haben mich an Sie verwiesen..." der junge Arzt stockte bei seiner Erzählung, als er Severus' vernichtenden Blick bemerkte. "Symptome?" fragte der Apotheker knapp. "Krampfanfälle, immer wenn er sich an den Vorfall erinnern soll, was etwas lästig ist, denn die Männer vom Ministerium wollen ihn dringend verhören, und..." Weiter kam der neue Assistenzarzt nicht, denn Severus hatte ihm bereits ein kleines Fläschchen in die Hand gedrückt und sagte: "Je 5 Tropfen morgens und abends, mindestens eine Woche lang, wenn es dann noch nicht ohne geht, kommen Sie wieder." Der Arzt wurde aus Severus' Labor geschoben und die Tür hinter ihm heftig zugeknallt. "Tja, er ist brillant, aber wenn es um Opfer von Du - weißt - schon - wem geht, reagiert er ziemlich empfindlich." klärte ihn eine dickliche ältere Apothekerin auf, kaum daß der Arzt auf dem Gang stand. "Sein eigener Vater wurde wahrscheinlich von Todessern zu Tode gefoltert. Wenn Sie in Zukunft mit Opfern von Du - weißt - schon - wem zu tun haben, erzählen Sie ihm nur die Symptome, er weiß dann Bescheid und wird Ihnen die richtigen Tränke zur Verfügung stellen." Die ältere Frau lächelte den jungen Arzt an und geleitete ihn aus dem Laborbereich heraus, bevor sie sich seufzend umdrehte und die eben zugeknallte Tür von Severus Snape's Labor öffnete und eintrat. Ihr junger Kollege stand am Fenster und blickte nach draußen. Wie immer trug er schwarze Kleidung, sein Gesicht war extrem blaß, als käme er nie in die Sonne und sein rabenschwarzes Haar wirkte ungepflegt. Wenn er nicht so talentiert gewesen wäre, hätte Dr. Melissa Herba ihn schon längst entlassen, aber Severus Snape fand fast immer ein Rezept für einen Trank oder ein Pulver, daß die meisten Krankheiten und Fluchopfer schnell und unkompliziert kurierte. 'Die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn ist wohl wirklich fließend!' dachte Dr. Herba und räusperte sich vernehmlich. "Severus, ich muß ein Wörtchen mit dir reden!" begann sie und der junge Mann drehte sich ihr zögerlich zu. "Ich weiß, ich sollte neue Ärzte nicht so erschrecken, aber..." "Er ist eine echte Plaudertasche, nicht wahr? Darum habe ich ihn auch zu dir geschickt, und du hast ihm eine Lektion erteilt. Gut, in diesem Fall habe ich das bewußt provoziert, aber du solltest dich in Zukunft wirklich etwas zusammenreißen. Ich kann dich nicht immer in Schutz nehmen, wenn sich einer der Ärzte über dich beschwert." Severus zuckte mit den Schultern und rührte einen dampfenden Kessel um. "Wie wäre es mit etwas Urlaub? Du hast dieses Jahr noch keinen gehabt und ich glaube, ein bißchen Sonne würde dir ganz gut tun! Und wenn du diesen Trank hier fertig gebraut hast, haben wir genügend Vorräte für ein Jahr davon!" 'Oder auch nur für die nächsten Wochen, wenn das überhaupt ausreicht...' dachte Severus bei sich und fügte noch einige Florfliegen zum Schmerzmitteltrank hinzu. Lord Voldemort plante sein Jubiläum mit vielen Toten und Verletzten zu feiern und das Hospital würde völlig überfüllt sein mit Cruciatus - Opfern. Er sollte vielleicht das Angebot seiner Mentorin annehmen, dann wäre er in der schlimmsten Zeit wenigstens nicht hier. Außerdem wurde er fast jede Nacht mittlerweile gerufen und mit zwei Stunden Schlaf pro Nacht würde er eh nicht mehr lange durchhalten, ohne komplett den Verstand zu verlieren oder sich zu verraten. "Ich nehme an, Urlaub wäre ganz gut... Ich werde dann aber nicht zu erreichen sein, fürchte ich..." antwortete er leise und schaute seine Vorgesetzte und immer um ihn besorgte Mentorin Dr. Herba vorsichtig an. Er sah wirklich fürchterlich aus in letzter Zeit. Seine Augen waren nur noch glasig oder funkelten im Zorn, darunter lagen tiefe Schatten, die natürlich alle bemerken mußten. Wenigstens waren sie so klug und fragten ihn nicht danach, Severus neigte manchmal zu heftigen Überreaktionen. Den meisten seiner Kollegen war er ohnehin unheimlich und wenn sein Vater nicht offensichtlich von Voldemort - Anhängern gefoltert worden wäre, hätte sicherlich irgendwann jemand den Verdacht geäußert, daß Severus ein Todesser sei. Aber ein Sohn, der sich mit seinem Vater so gut verstand, hätte ihn doch vor den Mördern gewarnt oder beschützt, selbst wenn er seine Seele an Du - weißt - schon - wen verkauft hätte, oder nicht? Tatsächlich hatte sein Vater ihn eindringlichst davor gewarnt, eben dieses zu tun. Severus' Vater war einer der ersten Todesser im Gefolge des Dunklen Lords gewesen. Aber vor einem Jahr hatte er sich während eines Treffens der Todesser öffentlich gegen den neuesten Tick seines Herrn ausgesprochen und damit sein eigenes Todesurteil gefällt. Seit dem Sommer, in dem er Florence verlor, verstand Severus sich glänzend mit seinem Vater und wurde direkt nach der Schule ebenfalls ein Todesser, wie die meisten seiner Schulfreunde aus Hogwarts - Zeiten. Doch seinen Vater begannen in den letzten Jahren immer größere Gewissensbisse zu plagen und gelegentlich versuchte er seinem Sohn seinen Standpunkt zu erklären. Severus' hatte Angst um das Leben seines Vaters und beschwor ihn, niemals öffentlich über solche Dinge zu sprechen, aber sein Vater wollte nicht hören. Lieber wollte er sterben, als seine Zweifel ewig für sich zu behalten. Wenn Voldemort nicht schon zu Beginn seiner Herrschaft wahnsinnig war, dann war er es in den nachfolgenden Jahren geworden. Er hatte vor drei Jahren damit begonnen, Wege zur Unsterblichkeit zu suchen und Severus Snape's Talent für die unmöglichsten Tränke waren ihm sehr viel wert gewesen. Severus wurde zu Voldemorts persönlichem "Giftmischer" ernannt und verbrachte nun seine Nächte damit, Rezepte für Unsterblichkeitstränke zusammen zu stellen. Severus' Vater war davon wenig begeistert und als er seinen Beschluß gefasst hatte, sich dagegen auszusprechen, hatte er seinen Sohn dazu angehalten, nicht einzugreifen, wenn er mit seiner Äußerung nicht auf fruchtbaren Boden stoßen würde. Und das traf er wahrhaftig nicht. Severus Snape wurde zwar von Lord Voldemort nicht dazu aufgefordert, seinen Vater persönlich zu Tode zu foltern, aber er mußte die ganze Zeit zuschauen, damit sein Herr Gelegenheit hatte, Severus' Loyalität zu testen. Und Severus erwies sich als loyal. Schweigend hatte er den Folterungen beigewohnt und die letzten noch intakten Stücke seiner Seele zersplitterten in ihm, bis alles vorüber war und er mit seinem sterbendem Vater in ihrem gemeinsamen Haus wieder allein war. Als Todesser war er in einer Technik des Apparierens ausgebildet worden, die es ihm erlaubte, eine zweite Person auch gegen deren Willen auf die Reise mitzunehmen. Das war nützlich für Entführungen und wurde sonst nur Ärzten und Sanitätern sowie Auroren des Ministeriums beigebracht, da es deren Pflichten ebenfalls nützte. Und so drückte er seinen sterbenden Vater an sich und brachte ihn ins Hospital, wo er nach wenigen Stunden endgültig die Augen schloss. Das letzte Jahr über war Severus immer mehr von Voldemort in Beschlag genommen worden, so daß er kaum noch seinen Pflichten im Hospital nachkommen konnte. Alle seine Kollegen führten das auf den Tod seines Vaters zurück und damit hatten sie auch nicht ganz unrecht. Am Ende des Tages kehrte Severus in seine kleine Wohnung in der Nähe des Hospitals zurück und legte sich ins Bett. Die nächsten sechs Wochen hatte er frei, was hieß, daß er die nächsten Wochen nur für den Dunklen Lord arbeiten würde, ob er wollte oder nicht.
"Das muß sie sein!" flüsterte Lucius Malfoy seiner Ehefrau Narzissa zu und deutete mit dem Kopf auf eine kleine Frau etwas weiter vorn in der Ehrenloge. Für den Staatsbesuch des finnischen Zaubereiministers in Großbritannien war sie als Dolmetscherin mitgereist und begleitete die Minister Britanniens und Finnlands nun zu einem Quidditchspiel, auch wenn ihre Anwesenheit kaum von Nöten hierbei war. Was der finnische Minister auf dem Spielfeld sah, brauchte ja wohl nicht übersetzt werden, zudem mischte sich ständig ein Mitarbeiter des britischen Ministeriums in die Gespräche ein, der ebenfalls finnisch beherrschte. Gelangweilt sah die junge Frau dem Geschehen auf dem Spielfeld zu und unterdrückte ein Gähnen. Lucius Malfoy lächelte hämisch. Wenn alles so lief wie geplant, würde der kleinen Hexe in der nächsten Zeit nicht mehr so schnell langweilig werden, dafür wollte er schon sorgen. Er wartete nur auf eine Gelegenheit, sie unter vier Augen zu erwischen. Als er vor ein paar Tagen das erste Mal ein Bild mit ihr im Tagespropheten sah, wußte er zunächst nicht, ob es wirklich sein konnte, doch seine Nachforschungen bestätigten seine erste Vermutung. Sie würde ein wundervolles Geschenk für seinen Herrn sein zum anstehenden Jubiläum sein. Damit konnte er seine Position weiter ausbauen, ohne Frage. Narzissa riss ihn mit einem Schubser in die Seite aus seinen Gedanken. Die Hexe entschuldigte sich gerade bei ihrem Minister und stand auf, um die Tribüne zu verlassen. Er wartete einen Augenblick, bis er ihr folgte. Im Treppenaufgang war außer ihm und der jungen Frau niemand zu sehen, also zückte er seinen Zauberstab und rief leise "Stupor". Dann rannte er zu ihrem bewußtlosen Körper, drückte ihn an sich und mit einem leisen Plopp waren beide verschwunden.
"Holt mir den Giftmischer her, hier gibt es Arbeit für ihn!" rief Lord Voldemort seinen Assistenten zu und beugte sich wieder über den blutenden Körper vor ihm. Sie war stark, doch beim nächsten Neumond würde das schon anders aussehen. Dann würde er sie schon unter Kontrolle bekommen, nur bis dahin mußte sie überleben. Der Mond hatte heute wieder begonnen, zuzunehmen und er hatte das durchaus gemerkt, ihre Gegenwehr wurde wieder stärker. Eine weitere vermummte und maskierte Gestalt betrat den Kerker und die bereits Anwesenden teilten sich, um sie zu Lord Voldemort durchzulassen. "Ah, mein Giftmischer... was machen die Fortschritte? Ich habe noch ein bißchen mehr Arbeit für dich... diese Hexe muß die nächsten Wochen lebend überstehen und ich fürchte, ich war etwas grob zu ihr. Kümmere dich um sie so gut du kannst, ich will doch nicht, daß dieses äußerst wertvolle Geschenk meines Freundes Lucius umsonst war..." Mit diesen Worten ließ er Severus Snape mit der Verletzten allein, nur eine Wache blieb vor der Zelle stehen. Severus ging zu ihr hinüber und beugte sich etwas herunter, um sie so umzudrehen, daß er ihr einen Heiltrank einflößen konnte. Um ein Haar hätte er die kleine Phiole fallen lassen, so sehr erschrak er bei ihrem Anblick.
"Igor!" rief Snape einem Todesser zu und rannte hinter ihm her. Bei ihm angekommen, zerrte er ihn in eine ruhig Ecke und nahm seine Maske ab, wie es auch Igor Karkaroff tat. "Was ist denn? Ich habe noch viel zu tun heute!" beschwerte sich Karkaroff. "Was weißt du von der Gefangenen unten im Kerker?" "Wieso willst du das wissen?" "Was weißt du, will ich wissen, den Rest erzähle ich dir dann!" beharrte Severus. "Die Gefangene... die, die Malfoy angeschleppt hat? Nun, soweit ich weiß, ist das eine Halbelbe, die unser Lord zu seiner Braut machen will, allerdings weigert sie sich hartnäckig." "Wieso will er sie heiraten?" "Von heiraten kann nicht unbedingt die Rede sein, er will nur Kinder von ihr, falls das mit der Unsterblichkeit nicht gelingen sollte. Er will einen Thronerben, so reinblütig wie möglich. Und das geht eben nur mit einer Elbe. Und da keiner weiß, wo die Elben sich verstecken und sie sowieso zu nichts gezwungen werden können, kommt eine Halbelbe dem noch am nächsten und ist unter gewissen Umständen beherrschbar... was ist denn?" fragte Igor nun verwirrt den kreideweiß erbleichten Severus. "Die Halbelbe, wie du sie nennst, heißt Florence Farstalker und war mal meine Freundin..." flüsterte Severus leise, daß es niemand mitbekommen konnte. "Was? Du warst mit ihr zusammen? Wann? Und vor allem, wieso weißt du dann nichts von ihr?" "Weil mich so etwas nie interessiert hat, verflucht noch mal! Außerdem war ich damals fünfzehn und wir waren im selben Jahrgang, bis wir erwischt wurden und sie von ihrer Mutter auf eine andere Schule geschickt wurde!" zischte Severus, "Außerdem, was heißt hier beherrschbar?" "Elben sind ziemlich mächtig, auch Halbelben können noch ohne Zauberstäbe zaubern, so weit ich weiß, erschöpft es sie bloß recht schnell... und sie bekommen nur dann Kinder, wenn sie es auch wollen, und das ist zur Zeit noch Voldemorts Problem: sie weigert sich, darum versucht er sie mit allen Mitteln zu schwächen und zu Neumond wird ihr Wille am leichtesten zu brechen sein, darum sollst du sie ja auch bis dahin am Leben erhalten...bei allen Elementen, du heckst doch wohl nicht schon wieder was aus, oder?" Karkaroff deutete Severus' Gesichtsausdruck ziemlich gut. "Ich muß sie hier raus holen... und du wirst mir helfen, verstanden?" "Den Teufel wird' ich tun! Wenn du dich umbringen lassen willst, dann tu das, dein Vater hat's dir ja vorgemacht! Ich muß mich weiter um die Vorbereitungen zum Fest kümmern, wenn du mich jetzt bitte entschuldigst..." Severus entschuldigte nicht: "Darf ich dich an den kleinen Zwischenfall in Glasgow erinnern?" grinste er Karkaroff zynisch an, bevor sein Gesicht wieder ernst wurde, woraufhin nun Igor erbleichte. Damals hatte er ziemlich viel getrunken und einen der nächsten geplanten Übergriffe der Todesser in einem Pub ausgeplaudert. Acht Todesser wurden daraufhin verhaftet oder getötet und Voldemort war äußerst ungehalten gewesen. Wenn Severus ihn damals nicht gedeckt hätte, würde Igor Karkaroff nicht mehr unter den Lebenden weilen. Er stand eindeutig in Severus' Schuld. "Das kannst du nicht tun! Das würdest du nicht wagen!" "Und ob! Hör zu, mir ist etwas eingefallen, was klappen könnte..." "Er hat ihr bereits das Dunkle Mal eingebrannt! Egal, wo du sie anschließend versteckst, er wird sie irgendwann wiederfinden!" gab Igor zu bedenken. "Ich kenne einen Ort, wo er sie niemals herausholen könnte. Und wenn doch, ist es eh für uns alle zu spät..." fuhr Severus Snape leise fort.
Drei Wochen waren vergangen und die "Jubiläumsfeierlichkeiten" fast vorüber, als Severus Snape und Igor Karkaroff ihren wahnwitzigen Plan in die Tat umsetzen konnten. Severus hatte mittlerweile herausgefunden, daß die Hand- und Fußfesseln seiner ehemaligen Freundin mit Flüchen belegt waren, die er nicht brechen konnte, weshalb Florence trotz seiner Pflege immer schwächer wurde. Sie war zwar zwischenzeitlich wieder stärker geworden und schimpfte ihren täglich erscheinenden maskierten Besucher höchst unflätig aus, aber seit einer Woche ging es mit ihr rapide bergab. Sie mußten schnell handeln, aber der Vielsafttrank, den Severus zu Haus angesetzt hatte, brauchte nun einmal so lang. Der Plan war so einfach und simpel, daß so gut wie nichts schief gehen konnte. Igor Karkaroffs Fehlen würde nicht weiter bemerkt werden, da er zwischendurch oft in Rußland zugegen sein mußte. Wäre Severus aber plötzlich ohne Grund verschwunden sein aus dem "Anwesen" seiner Lordschaft (ein verwittertes altes Gut irgendwo in Wales, genau wußte niemand der Todesser wo es war, sie ließen sich im Normalfall von dem in ihren linken Unterarm eingebrannten Dunklen Mal zu ihrem Herrn leiten), würde das sehr wohl auffallen. Also mußten die beiden Verschwörer dafür sorgen, daß Severus' gesehen wurde, während er eigentlich Florence in Sicherheit brachte. Karkaroff würde durch den Vielsafttrank, den er stündlich während der Aktion einnehmen mußte, zu Severus' Ebenbild werden und dem echten Severus die nötige Zeit verschaffen. "Kommst du auch schon? Los, hier rein!" Snape winkte seinen unfreiwilligen Partner in die Laborräume, die Voldemort extra für ihn in seinem Unterschlupf hatte einrichten lassen. Bevor er die Tür schloß, versicherte er sich noch einmal, ob niemand seinen Besucher gesehen hatte. "Das ist Wahnsinn! Das geht niemals gut..." wimmerte Igor vor sich hin und zitterte am ganzen Leib. "Es wird gut gehen, wenn du dich endlich zusammenreißt! Ich habe dir alles Nötige hier hingestellt und in meinem Umhang sind auch noch ein paar nützliche Tränke, wenn er deine, oder besser meine Dienste anfordern sollte!" damit warf Severus Igor seinen Ersatzumhang zu und füllte die Flasche, aus der er in letzter Zeit oft vor anderen getrunken hatte, mit dem fertigen Vielsafttrank. Er hatte vor zwei Wochen begonnen, ein Magengeschwür vorzutäuschen und den Inhalt der Flasche (meistens Kürbissaft) als Medizin ausgegeben, die er regelmäßig benötigte. Sie hofften zwar beide, daß die Befreiung von Florence Farstalker erst am nächsten Morgen auffallen würde, aber sie waren sich nicht sicher, ob Lord Voldemort nicht doch mitten in der Nacht auf die Idee kam, Severus zu rufen oder nach seiner Gefangenen zu schauen. "Hier unten im Schrank ist noch mehr, wenn's knapp werden sollte. Aber ich werde wohl hoffentlich nicht länger als zwei Tage brauchen, bis dahin reicht's. Und jetzt trink endlich!" wies Severus Igor an, der immer noch zitterte. "Ich halte das nicht einen Tag aus, also beeil' dich gefälligst!" brachte er noch heraus, bevor er den ersten Schluck des Trankes zu sich nahm. Auch Severus war nervös, ließ sich aber nichts anmerken, sonst würde Igor vielleicht doch noch abspringen und das konnte er nicht riskieren.
Igor/Severus werkelte in seinem Labor vor sich hin, während der echte Severus Snape im Kerker die Wache betäubte. Als er die Zelle betrat, fauchte eine arg geschwächte Florence ihn wütend an: "Was willst du denn schon wieder hier? Hast du Sehnsucht oder was?" Seine Florence! Kaum in der Lage, den Kopf zu heben aber immer noch eine große Klappe... Sie hatte ihn in den letzten Wochen nicht erkannt und Severus war darüber sehr froh, dann konnte er ihr vielleicht später noch einmal unmaskiert gegenüber stehen, ohne daß sie ihn versuchte umzubringen. Und natürlich hatte er Sehnsucht nach ihr. Er hatte oft in den letzten Jahren an sie gedacht, und seine Gefühle für sie waren noch immer die gleichen wie vor zehn Jahren. "Sei still!" herrschte er sie an, "Ich hol dich hier raus!" "Wie denn? Ein Verräter? Und was hast du dir so ausgedacht?" flüsterte sie mit letzter Kraft aber dennoch eindeutig verächtlich. "Wart's ab. Erstmal muß ich diese Ketten aus der Wand bekommen, die müssen wir vorerst mitnehmen, allein bekomme ich sie nicht von dir los.." Mit Hilfe seines Zauberstabs brach er die Haken, an denen Florence' Fesseln eingehängt waren, aus der Kerkermauer. Dann drückte er ihren Körper an sich, bevor sie beide mit leisem Plopp disapparierten.
Sie tauchten direkt vor dem geschmiedeten Tor zum Hogwarts - Schulgelände wieder auf. Albus Dumbledore hatte das Gelände gleich zu Beginn der Herrschaft Voldemorts mit mehreren Bannsprüchen belegt, die ein Apparieren von und auf das Gelände verhinderten. Die letzten Kilometer würde Severus die mittlerweile bewußtlose Florence tragen müssen, aber hier war sie so sicher wie sonst nirgendwo auf der Welt. Der große Lord Voldemort würde wegen ihr nicht die offene Konfrontation mit Dumbledore suchen, dem einzigen Zauberer, vor dem selbst er Angst oder zumindest riesigen Respekt zeigte. Als Severus das Tor durchquert hatte, atmete er erleichtert auf. Teil 1 des Planes war geglückt: er war mit Florence auf dem Gelände. Nun mußten sie nur noch zum Schloß durchkommen, was sich angesichts des heftig tobenden Gewitters als relativ schwierig herausstellte. Es dauerte fast zwei Stunden, bis sie vor dem Hogwartsschloß angekommen war. Das große Flügeltor war mit einem Bann belegt, also mußte Severus es aufsprengen, was ziemlichen Lärm verursachte und alle im Schloß aufweckte. Eigentlich wollte Severus Florence nur in die Eingangshalle bringen und eine Nachricht für Dumbledore dalassen, so aber würde er nun selbst erklären müssen, warum er sie mitten in der Nacht ins Schloß gezerrt hatte. Falls man ihn überhaupt anhören würde, denn immerhin trug er noch die Todesser - Maskerade.
Professor Minerva McGonagall hatte in den letzten Jahren, seit sie in Hogwarts unterrichtete, viel seltsames gesehen und erlebt. Aber ein Todesser, der eine gefolterte und in Ketten gelegte Gefangene hinter sich her zerrte und mit dem Zauberstab wie mit einer Waffe fuchtelnd jeden bedrohte, der sich in seiner Sichtweite bewegte, war bisher noch nie dagewesen. "Ich will Dumbledore sprechen. Sofort!" schrie der Todesser nervös, schob seine Gefangene an eine Wand in der Vorhalle und stellte sich schützend davor. "Holt Direktor Dumbledore aus seinem Büro, daß Paßwort lautet 'Bonbon'" wies Professor McGonagall die Vertrauensschüler hinter sich an, die es wohl für ihre Pflicht gehalten hatten, ebenfalls nach unten zu kommen um nachzusehen, wer oder was den unglaublichen Lärm verursacht hatte. Das Eingangstor zum Schloß war völlig zerstört. Der eine Türflügel hing gerade noch an einer Angel im Türrahmen, der andere war quer durch die Vorhalle geschossen, hatte einen großen Kronleuchter erwischt und mit abgerissen, bevor er seine vorläufige Ruhe am Fuß der Treppe gefunden hatte. Durch die mangelhafte Beleuchtung der Halle wurde die ganze Szenerie in unwirkliches Licht getaucht, ab und zu taghell erleuchtet durch gelegentliche Blitze am Nachthimmel. Überall lagen Splitter und Scherben herum, während der heftige Wind den Regen in das Foyer blies und sich langsam Pfützen auf dem Boden bildeten. Immer mehr Lehrkräfte erschienen in die unterschiedlichsten Morgenmäntel gehüllt auf dieser nächtlichen Bühne und verliehen dem ganzen einen noch stärkeren Hauch von Absurdität. 'Flitwick trägt Blümchenmuster?' McGonagall mußte sich ein Lachen verkneifen. "Nicht bewegen!" herrschte sie Professor Platypus an, den neuen Lehrer zur Verteidigung gegen die dunklen Künste, der hier seine große Chance gekommen sah, sich vor seinen Kollegen zu beweisen. "Aber er ist allein! Und wir sind viele, warum versuchen wir nicht, ihn zu überwältigen?" widersprach dieser ihr flüsternd, "Er kann uns ja nicht alle gleichzeitig bekämpfen..." "Das mag wohl sein, aber er ist auch ausgesprochen nervös und wenn ich mir anschaue, was er mit dem Tor veranstaltet hat, glaube ich nicht, daß auch nur einer von uns dazu bereit ist, freiwillig das Bauernopfer in diesem Kampf zu spielen..." entgegnete McGonagall leise und die anderen Lehrer in Hörweite nickten zustimmend, "Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, daß er uns nichts tun will, sondern eher jemanden in Sicherheit bringen möchte!" Sie deutete mit dem Kopf auf die Gestalt, die hinter dem sich nervös umher wendenden Todesser auf dem Boden lag. "Warum dauert das so lange?" schrie der Todesser und aus seiner Stimme war eindeutig die Panik heraus zu hören. "Weil alte Männer nun einmal etwas langsamer sind, junger Freund!" ertönte Dumbledores Stimme freundlich in der Halle. Er kam die Treppe hinunter und verknotete unterwegs seinen rostroten Morgenmantel. Mit seinem weißen Bart und dem Mantel erinnerte der Direktor ein bißchen an die gängigen Vorstellungen vom Weihnachtsmann, zudem schmunzelte er gütig und schien sich über den nächtlichen Besucher geradezu zu freuen? So konnte auch nur Albus Dumbledore reagieren, dachte Professor McGonagall bei sich und schüttelte leicht den Kopf, während sie ihren Freund und Vorgesetzten an sich vorbeiließ. Selbstbewußt schritt der alte Mann über die Überreste des Torflügels am Fuße der Treppe und ging geradewegs auf den immer noch nervösen Todesser zu. "Ich glaube, wir sollten die Angelegenheit, weswegen Sie hier sind, in einer etwas privateren Umgebung besprechen, was meinen Sie?" fragte Dumbledore freundlich und verwies auf eine nahe Tür. Der Todesser nahm den Blick nicht von Dumbledore und den versammelten Lehrern hinter dessen Rücken, während er die zerschundene Gefangene mit einem Arm hochhob, in der anderen Hand immer noch drohend den Zauberstab erhoben. Mit dem Rücken voran trat er in den Raum, den Dumbledore für ihre Unterredung ausgesucht hatte, mißtrauisch jede Bewegung der Lehrer beobachtend. "Ach, Mr. Filch, wären Sie so gütig und könnten das Tor zumindest provisorisch reparieren? Es regnet doch ziemlich und ich möchte nicht, das die Slytherins heute Nacht noch in ihren Betten schwimmen, wenn das Wasser nach unten läuft... Die Hauselfen werden Ihnen dabei zur Hand gehen... Und Ihr laßt uns bitte allein, ja? Es gibt keinen Grund zur Besorgnis, da bin ich mir ziemlich sicher!" versicherte der Direktor seinen Lehrern, die darüber nicht sonderlich erfreut zu sein schienen, bevor er die Tür zum Nebenraum hinter sich schloß. Es war das Besucherzimmer, in dem zumeist die Eltern von Schülern warteten, wenn sie ihre Zöglinge während der Schulzeit besuchen kamen. Es war ein warmer und gemütlicher Raum, vollgestopft mit bequemen Sesseln und Sofas, alle mit weichem, schwerem Samt bezogen. Auf eines der Sofa hatte der Todesser seine Gefangene gebettet und suchte nun nach einer Decke, mit der er ihren unterkühlten Körper bedecken konnte, denn ihre Kleidung wies nicht nur erstaunlich viele Löcher und Risse auf, sondern war darüber hinaus auch noch völlig vom Regen durchnäßt. Als Albus Dumbledore seinen Zauberstab zückte, gab es einen kurzen Moment der Spannung, denn der Todesser war sich nicht sicher, was Dumbledore vorhatte. Dieser lächelte kurz und entzündete dann ein Feuer im Kamin, bevor er ein Tablett mit einer Kanne Tee, Tassen, Milch und Zucker auf einem kleinen Tischchen erscheinen ließ. Auch der Todesser war durchnäßt und schien zu frieren, während er Dumbledore aufmerksam beobachtete. "Ihre Fesseln müssen so schnell wie möglich runter, aber ich war bisher nicht dazu in der Lage, die Zeit war etwas knapp..." begann der junge Mann mit der Maske zu erklären und lüftete die Decke über den Fußgelenken seiner Gefangenen. "Hmhm..." gab der Direktor von sich, betastete die Fesseln und zerschnitt die Eisenschellen mit seinem Zauberstab. "Sie muß Voldemort eine Menge bedeuten, wenn er sich selbstpersönlich dazu herab läßt, sich um die Folterung seiner Gefangenen zu kümmern... Ja, ich kenne diese 'Handschrift', jeder Zauber trägt irgendwie die Zeichen seines Verursachers, aber das wissen nur wenige..." erklärte er und warf die Hand- und Fußfesseln ins Kaminfeuer, wo sie sich in grünliche Funken auflösten. "Sie muß hierbleiben in Hogwarts... er hat ihr das Dunkle Mal eingebrannt und wird sie überall auf der Welt finden. Wenn Sie sie nicht hier aufnehmen, war alles umsonst..." kam es kläglich und fast flehend hinter der Maske des Todessers hervor. "Keine Sorge, sie kann hierbleiben. Ich freue mich, meine kleine Nichte mal wieder zu sehen. Es ist lange her, seit dem ich sie zuletzt sah..." beruhigte ihn Dumbledore und klatschte freudig in die Hände, "Nun denn... Wie wäre es, wenn du diese häßliche Maske abnimmst, ein Tässchen Tee mit mir trinkst und dich etwas aufwärmst. Ich denke, du hast Vorbereitungen getroffen, daß deine Abwesenheit nicht so schnell auffällt, bis du wieder zurück kommst, nicht wahr, Severus?"
