Kapitel 9 - Nachwuchssorgen von Molly

"Crabbe..., Goyle..., Longbottom..., Malfoy..., Nott.... und Potter! Was ist das? Eine Scherzliste? Entschuldige, Albus, aber war vor circa 12 Jahren ein landesweiter Stromausfall? Ich meine, wie bitte kommt es, daß sich alle von damals in demselben Jahr vermehrt haben? Sag mir bitte, daß diese Namen nur ein Scherz sind... es können doch nicht alle 11 Jahre alt sein und im selben Jahr hier herkommen, oder?" Severus Snape hielt die Liste, von der er die Namen der zu erwartenden Schüler abgelesen hatte, immer noch in der Hand, während er eine nervöse Runde nach der nächsten durch Direktor Dumbledores Büro drehte. Albus Dumbledore schmunzelte amüsiert in deinen Bart hinein. Severus hatte manchmal wirklich geistreiche Einfälle, wie angenehme und schöne Dinge plötzlich völlig ordinär klingen konnten: vermehrt... Stromausfall... herrlich komisch! "Tja, Severus, so leid es mir tut: dies ist tatsächlich die echte Liste der Erstklässler! Offensichtlich waren die Mütter all jener Jungen ungefähr zur gleichen Zeit bereit, in einem Akt der Liebe ihre Kinder zu empfangen. Ich weiß, es klingt seltsam, aber das Schicksal hat manchmal recht merkwürdige Methoden, bestimmte Seelen immer und immer wieder miteinander kollidieren zu lassen, bis sie ihre Bestimmung erfüllt haben..." "Aber warum... und alle hier... womöglich noch alle zusammen bei mir im Unterricht! Oh nein! Malfoy's Sohn wird in jedem Fall in mein Haus kommen! Hätte es Sinn, wenn ich jetzt kündige?" Severus hatte sich mittlerweile in einen Sessel fallen lassen und zerknüllte die Liste. "Severus, du bist hier angestellt und du bleibst es auch! So hatten wir es damals mit Frank Longbottom abgemacht: ich bürge für dich und du bleibst unter meiner Aufsicht. Oder möchtest du doch lieber angeklagt werden und vielleicht noch in Askaban landen?" In dieser Angelegenheit verstand Dumbledore überhaupt keinen Spaß. "Und was Malfoy's Sohn angeht, ich denke, du könntest dir schon etwas einfallen lassen mit ihm, oder etwa nicht?" er schmunzelte wieder. Severus hatte die letzten 10 Jahre nach einer Gelegenheit gesucht, sich in irgendeiner Form an Lucius Malfoy zu rächen. Doch der hatte seinen Kopf immer wieder mittels Bestechungen oder Drohungen aus der Schlinge ziehen können. "Vielleicht... was ist mit James' Sohn?" Severus wirkte erschöpft. "Harry? Oh, der weiß, so weit ich seine Verwandten einschätzen kann, von gar nichts. Hagrid wird ihm demnächst den Aufnahmebrief persönlich zustellen. Die gute Minerva hat schon Schreibkrämpfe bekommen. Und er wird über die Angelegenheit erst aufgeklärt werden, wenn du es auch willst. Aber er ist sowieso noch zu jung, um alles auf einmal zu verkraften. Lassen wir ihm erst einmal ein paar Jahre Zeit, etwas reifer zu werden." In Gedanken setzte Albus hinzu: 'Selbst ich bin mir immer noch nicht im Klaren, was in deinem Kopf vor sich geht, wenn es James betrifft!' "...Longbottom...?" "Benimmt sich fast wie ein Squib. Ich glaube, er hat großes Potential, aber er versteckt es, aus Angst, ihm könnte das Gleiche geschehen wie seinen Eltern. Ein echtes Sorgenkind." "Aha... du bist sicher, daß du sie nicht alle im selben Jahr aufgenommen hast, um dich wegen irgendetwas an mir zu rächen?" Severus lächelte matt und entknüllte die Namensliste wieder. "Sollte ich denn?" Albus Dumbledore sah verschmitzt über seine Brille hinweg in die manchmal so leeren und oft kalten tiefschwarzen Augen seines Schützlings und erhoffte sich ein kleines Aufglimmen des alten Feuers in ihnen. Doch Severus Snape's Augen blieben heute einfach nur leer und müde.

"LONGBOTTOM!!!!" Severus Snape war am Ende des sechsten Jahres mit Harry Potter und Neville Longbottom in seiner Klasse auch am Ende seiner Nerven. Vor ein paar Sekunden war Neville's Kessel im Zaubertrankunterricht explodiert und hatte alle Anwesenden mit zähem grünen Schleim bespritzt. Danach war es totenstill gewesen für kurze Zeit, nur das Tropfen des Schleims, der sich von der Gewölbedecke in dem Verließ löste, war zu hören. Keiner lachte, keiner schrie. Nur Stille. Bis Snape der Kragen platzte. "Könnten Sie mir bitte erklären, wie es zu diesem Unfall kommen konnte?" Oh nein, Snape versuchte es zur Abwechslung mal wieder mit Pädagogik und Höflichkeit, dachte Harry, eine mittlere Katastrophe vorher ahnend. "Sir, ich glaube, Neville hatte das Wasser im Kessel zu heiß werden lassen, bevor er die Algen hinzufügte..." meldete sich Hermine zu Wort. "Miß Granger, erstens habe ich Sie nicht um ihre Meinung gebeten und zweitens möchte ich von Mr. Longbottom persönlich hören, wie er dazu in der Lage war, mit nur einer einzigen Zutat mein Labor in einen Dreckstall zu verwandeln!!!" die letzten Worte hatte Severus Snape wieder geschrien. Neville Longbottom stand winselnd am Nachbartisch von Harry, die Arme angewinkelt vor der Brust und völlig überzogen mit dem fischig stinkenden Algenschleim. "Es tut mir leid, Sir! Ich weiß es auch nicht..." Harry befürchtete schon, Snape würde wieder völlig übergeschnappt reagieren und schreiend und tobend durch das Labor rennen, doch weit gefehlt: Severus Snape ging mit schleimschmatzenden Schritten zu seinem Lehrerstuhl und ließ sich hinein fallen. "Ist schon gut... gehen Sie... alle... jetzt... der Unterricht ist für heute beendet..." Die Schüler schauten sich gegenseitig mißtrauisch an, als würden sie nicht glauben, was ihr Lehrer gerade gesagt hätte. Dann packten sie hektisch ihre Sachen und verließen fluchtartig das Labor, bevor Professor Snape es sich vielleicht doch noch anders überlegte. Nur Harry war wegen etwas anderem besorgt. Seit Severus Snape vor zwei Jahren wieder für Dumbledore bei den Todessern unter Leitung des wiederauferstandenem Lord Voldemort zu spionieren begonnen hatte, schien er immer weniger er selbst zu sein. Früher wußte Harry Snape in gewisser Weise einordnen zu können, doch nun war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Sogar seine Wutanfälle waren nicht mehr von der gleichen Intensität wie früher. Harry überlegte und kam zu dem Schluß, daß er vielleicht doch noch einmal nach Snape schauen sollte. "Ron, Hermine, ich habe noch etwas vergessen, komme gleich nach!" rief er seinen Freunden zu und kehrte in das verwüstete Labor zurück. Severus Snape saß immer noch auf seinem Stuhl, nur hatte er sich nun vornübergebeugt und hielt sein Gesicht in den Händen verborgen. "Äh, Professor Snape...Sir?" Keine Antwort. "Sir? Alles mit Ihnen in Ordnung?" Immer noch keine Reaktion. Harry stellte seine Tasche ab und ging einen Schritt auf den Lehrer zu, der ihm in den vergangenen Schuljahren immer wieder das Leben zur Hölle auf Erden gemacht hatte. Severus Snape blickte nun auf und seufzte: "Nicht mein Tag heute... hatte ich nicht gesagt, Sie könnten gehen?" Seine Augen schauten Harry leer an. "Sir, ich dachte... ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht helfen, hier aufzuräumen... wenn Sie es gestatten..." Harry war ernsthaft besorgt. Noch nie zuvor hatte er Snape so derartig verzweifelt gesehen. "Mir helfen? Mr. Potter, daß einzige, was mir im Moment helfen könnte, wäre ein gut gezielter Schlag mit der Axt! Dann könnte ich noch vor ihrem Hausgeist Sir Nicholas in die Gruppe der Kopflosen Reiter aufgenommen werden... Und aufräumen, nun ja..." Snape zückte seinen Zauberstab und nuschelte etwas, als sich der Schleim im ganzen Raum in grünen Dunst verwandelte. Noch ein paar Schwenker mit dem Zauberstab und der Raum sah aus, wie jedesmal, wenn die Schüler ihn betraten: dunkel, düster, aber sauber und aufgeräumt. "Wow! Könnten Sie mir das beibringen, damit ich mein Zimmer schneller aufräumen kann?" Ron Weasley und Hermine Granger standen in der Tür und staunten. "Raus hier! Alle! Sofort!"

"Ihr hättet nicht nachkommen sollen! Das war eindeutig zuviel für ihn! Und den Spruch hättest du dir auch verkneifen können, Ron!" Harry war wütend. "Bitte? Du verteidigst Snape? Das sind ja ganz neue Töne! Sollen wir dich zu Madam Pomfrey bringen? Vielleicht bist du krank..." Ron fand die ganze Angelegenheit immer noch zum Schreien komisch, Hermine jedoch war Harry's Meinung: "Ich glaube wirklich, es wird ihm langsam alles zu viel. Überlegt doch mal: nachts muß er sonst was tun für Du - weißt - schon - wen und tagsüber fliegen ihm die Kessel um die Ohren! Er braucht wahrscheinlich genauso dringend Ferien wie wir!" "Sicher! Und ein Hobby braucht er auch noch... warum bringst du ihm nicht Stricken bei, Hermine?" witzelte Ron. "Das war jetzt sexistisch und widerwärtig!" Hermine war stocksauer. Neville Longbottom kam zu ihrem Tisch im Gemeinschaftsraum der Gryffindors, hinter seinem linken Ohr klebte immer noch etwas grüner Schleim, der nun langsam verkrustete und sicher bald abbröckeln würde. "Worüber redet ihr? Hat Snape noch irgendwas gesagt..?" fragte er schüchtern und blieb unsicher mit nestelnden Fingern vor den Freunden stehen. "Nein, Snape hat zu dir nichts weiter gesagt. Er war bloß völlig entnervt." antwortete Harry, bevor Ron sich zu Wort melden konnte. "Ist er sehr wütend auf mich?" "Nicht mehr, als er wahrscheinlich auf jeden ist, einschließlich sich selbst." Diesmal war es Hermine, die Ron's zynischer Antwort zuvor kam. Neville nickte und ging mit besorgtem Blick weiter, seine Finger nestelten immer noch an seinem Pulli herum. "Au Mann! Neville macht sich auch schon Sorgen um Snape... Hermine, ruf doch mal wieder so eine Aktion ins Leben wie damals mit den Hauselfen! Den Namen hätte ich auch schon: B u F f S: Baldrian und Ferien für Snape! Ich wette, ganz Hogwarts würde im Moment eintreten!" Ron war wütend und stand auf. "Wenn ihr mich sucht, ich bin in unserem Schlafsaal und lese..." Kaum war Ron die Treppe hinauf gerauscht, beugte Harry sich zu Hermine vor: "Ron hat recht: im Moment scheinen sich wirklich einige Leute Gedanken um Snape zu machen. Vorhin habe ich Lavender Brown mit Parvati Patil über ihn sprechen hören. Und beide klangen sehr besorgt..." "Tja, das könnte aber auch daran liegen, daß die gute Lavender sich ein wenig in Snape verguckt hat... Du müßtest mal ihre Zaubertrank - Mappe sehen: überall glitzernde Herzchen drauf und Snape's Name in gold und rosa... uäh!" gab Hermine von sich. Harry war völlig verdattert: "Bitte? Wie kann man sich denn in Snape verknallen? Ich bitte dich!" "Frauen haben irgendwie etwas über für die einsamen... unverstandenen... und Düsteren... Außerdem sieht er gar nicht so schlecht aus... auf seine Art!" "Er sieht aus wie eine zu groß geratene Fledermaus! Trägt nur schwarz... ist unberechenbar und deshalb einsam und unverstanden! Und wenn wir nicht wüßten, daß er neben seiner Lehrtätigkeit nebenbei auch noch als Spion arbeitet, würden wir uns wahrscheinlich auch keine Sorgen machen... Hermine? Hallo? Oh nein, nicht du auch..." "Nein!" kreischte Hermine und ihr Teint färbte sich rosa, "Ich verstehe Lavender... ich meine, welcher von euch Jungs... ach, egal..." Sie starrte aus dem Fenster und ihre Ohren begannen zu glühen. Harry seufzte und versuchte das eben Gehörte irgendwie aus seinen Gedanken zu verdrängen. Als es ihm partout nicht gelingen wollte, griff er den Faden nach einer Weile noch einmal auf: "Hermine, nur eine kurze Erklärung, ja?" Hermine nickte und Harry fuhr fort: "Warum? Was hat er, was wir Jungs nicht haben?" Hermine lief nun puterrot an, mied seinen Blick und knirschte zwischen den Zähnen hervor: "Erfahrung..." "Erfahrung? Wo drin? Ich schätze, auf's Haare waschen bezieht sich das nicht gerade... oha... ich beginne zu verstehen... und ich wünschte, ich würde das nicht tun!" Harry schüttelte sich und zog eine Grimasse, die seinen Abscheu sehr deutlich machte. "Wenn Professor Lupin noch hier wäre, wäre er derjenige... Sag doch mal ehrlich: alle Lehrer und Lehrerinnen hier sind doch schon fast scheintot! Snape ist der einzige jüngere hier. Wenn wir eine gutaussehende jüngere Lehrerin hier hätten, würdet ihr Jungs genauso von ihr schwärmen, wie die meis... einige Mädchen von Snape!" rechtfertigte Hermine die Angelegenheit und war nun wieder etwas blasser geworden... eine "wissenschaftliche" Erklärung geben zu können, reichte ihr aus, um ihre Scham zu besiegen. "Wetten, nicht? Naja, wir werden es ja nächstes Jahr sehen! Der Lehrposten für die Verteidigung gegen die dunklen Künste ist ja mal wieder offen, mal schauen, wen Dumbledore einstellt!" entrüstete sich Harry und dachte grinsend an den Beginn des Schuljahres, als ihr letzter Lehrer in diesem Fach gleich in der ersten Woche fast vom Riesenkraken des Sees erschlagen worden war. Da derartige Unglücksfälle während des Jahres nicht abreißen wollten (Ron hatte damals gemutmaßt, Snape hätte seine Finger im Spiel gehabt), mußte Direktor Dumbledore den guten Professor Stooge kurz nach den Osterferien zur eigenen Sicherheit entlassen. Wie sich erwies, hatte Severus Snape nichts mit der Angelegenheit zu tun, auch war er anscheinend im Moment nicht so wild auf den Posten wie es früher der Fall war. Überhaupt war Snape nur noch ein Schatten seiner selbst, immer noch unausstehlich, hinterhältig, cholerisch, voreingenommen aber alles nicht mehr so intensiv... und er schien Harry gegenüber sogar teilweise freundlich zu werden, wenn er uninteressiert mit freundlich gleichsetzte. Harry machte sich langsam wirklich Sorgen.

"Ah, der Giftmischer! Hast du Neuigkeiten für uns?" fragte Lord Voldemort, als Severus Snape als Letzter in die Runde apparierte. Voldemort war klar, daß Snape nicht direkt vom Hogwartsgelände weg konnte und erst mit dem Besen einen Ort außerhalb der Bannmauern aufsuchen mußte, daher tolerierte er das ewige Zuspätkommen seines Spions. "Nein, noch ist nichts weiter geschehen in Hogwarts. Aber das Ministerium plant eine gründliche Durchleuchtung ihrer Mitarbeiter vorzunehmen. Inwieweit Veritaserum verwendet werden wird, weiß ich noch nicht, ich arbeite bereits an einem Gegenmittel zum Schutz." antwortete Snape und bemühte sich, nicht so erschöpft zu klingen, wie er war. "Gut, gut... Wie weit bist du?" Voldemort schien recht erfreut zu sein. "Wie man es nimmt: am Anfang oder fast fertig. Es könnte jeden Tag fertig sein... oder auch nicht. Einige der Zutaten sind instabil und verlieren ihre Wirkung, wenn sie zu lange auf dem Feuer sind... oder wenn das Gegenmittel abgefüllt wird, zu lange lagert... ich arbeite noch daran." Severus wollte vor allem die Namen der Todesser und Informanten im Ministerium, seit Monaten hatte er Dumbledore nichts brauchbares liefern können. Zudem wurde er immer seltener zu Treffen mit dem innersten Zirkel gerufen. Meistens traf er nur Lord Voldemort allein an, der ihn in sein altes Labor aus früheren Zeiten gerufen hatte. Severus nahm an, daß Voldemort sich immer noch in seinem alten "Anwesen" versteckte, wußte es aber nicht genau. Zudem hatte nie jemand wirklich außer Lucius Malfoy herausgefunden, wo sich das ehemalige Versteck befand. Malfoy hatte es geplündert und besaß daher immer noch sehr viele Andenken an Tom Riddle, den heutigen Lord Voldemort, die er hütete wie seinen Augapfel. Nur einmal vor fast sechs Jahren hatte Lucius eines der Stücke herausgegeben, an Ginny Weasley. Es war ein Taschenkalender gewesen, der das kleine Mädchen dazu gebracht hatte, die Kammer des Schreckens in Hogwarts zu öffnen. Malfoy. Sicher war er heute auch wieder hier, unter den versammelten Todessern. Und sein blasierter Sohn war in seinem Haus in Hogwarts. Und Severus mußte nett zu ihm sein. Zu beiden. 'Nun rück schon mit den Namen raus...' dachte Severus und unterdrückte ein Gähnen. Lord Voldemort hatte sich wieder den anderen in der Runde zugewandt und andere mögliche Gegenmaßnahmen besprochen, bis er sich nun wieder Severus zuwandte: "Könnten die Betroffenen sich dein Gegenmittel im Ernstfall selbst zusammen brauen, wenn sie das Rezept bekämen?" "Unwahrscheinlich. Für viele der Zutaten mußte ich besondere Genehmigungen zur Einfuhr einholen. Auch in der Nocturngasse gibt nicht einmal die Hälfte davon unter der Hand zu kaufen. Ich habe das versucht und wurde sofort von drei Auroren aufgesucht. Da ich immer noch meinen Forschungsauftrag für das St.- Mungo- Hospital besitze, bin ich mit einer Verwarnung davon gekommen und mußte alles über offizielle Quellen bestellen. Jeder andere wäre allein für den Versuch in Askaban gelandet." erklärte Snape und klang nun wirklich müde. "Und wie könnten die Betroffenen an das Gegenmittel von dir kommen, wenn es doch so instabil ist?" Voldemort wurde langsam ungehalten. "Vielleicht sollte wir ihm eine Eule schicken, wenn es brenzlig wird und er schickt es uns dann direkt zu, Mylord?" fragte einer der Vermummten aus der Runde. "Und du meinst, es fällt nicht weiter auf, wenn unser lieber Giftmischer plötzlich fünf Eulen auf einmal bekommt? Soviel bekommt er doch sonst im ganzen Jahr, nachdem seine alten Freunde entweder tot oder in Askaban sind!" witzelte Voldemort und Severus wurde wütend, denn er hatte recht: nur selten erhielt er private Briefe, meist nur von Dr. Herba oder anderen ehemaligen Kollegen aus der Hospitalsapotheke, die ihn in kniffligen Fragen um Rat baten. Und Dr. Herba's Pensionierung stand kurz bevor, dann würde sie ihm wohl auch nicht mehr schreiben. Noch hoffte sie, Severus würde irgendwann ein Geistesblitz ereilen, wie den Patienten mit den geplünderten Gedächtnissen aus Voldemorts erster Herrschaftszeit zu helfen wäre. Doch Severus hatte seit Jahren nicht mehr daran gearbeitet. Immer war irgendetwas dazwischen gekommen und er hatte das Gefühl, bereits alles probiert zu haben. Im Moment wollte er vor allem die Namen und dann ins Bett, schlafen. Schlafen und am Liebsten nie wieder aufwachen. Besonders nicht morgen, wenn Neville Longbottom wieder einmal die Gelegenheit haben würde, sein Labor zu verwüsten. Die Jahresabschlußprüfungen waren in dieser Woche, was bedeutete, daß er noch mehr zu tun hatte, als sowieso schon. Die Todesser und Voldemort hatten sich in der Zwischenzeit weiter beraten und beschlossen, nur im Notfall auf Severus zurückzukommen, auch wenn das bedeutete, daß Severus dann alle Namen der Todesser im Ministerium kennen würde. Geradezu dankbar nahm Severus das Ende des Treffens zur Kenntnis, als Voldemort ihn zurückhielt. "Ich hoffe, du weißt, was dir passiert, wenn auch nur einer von ihnen erkannt wird?" fragte er Snape und dieser erwiderte: "Wie ich schon sagte: ich arbeite noch daran. Es kann auch sein, daß ich noch gar nicht fertig bin, wenn sie in Bedrängnis kommen. Wenn Ihr wollt, daß ich nicht auffalle, muß ich auch meiner Arbeit in der Schule nachkommen. Dumbledore ist nicht so naiv, wie er sich gibt." "Hmhm... ich verstehe deine Bedenken... aber verstehe auch meine... es sind meine wertvollsten Mitarbeiter... außerdem halte ich es immer für angebracht, meinen Spionen gelegentlich den Kopf zurechtzurücken... in diesem Sinne: Crucio!" Während sich Severus vor Schmerzen am Boden krümmte, verschwand Voldemort und nur sein höhnisches Gelächter erfüllte noch eine Zeitlang die sommerlichen Nacht.

Albus Dumbledore arbeitete noch sehr lang diese Nacht. Er hätte das meiste zwar auch noch morgen erledigen können, doch er hatte nicht die Ruhe, sich schlafen zu legen. Severus Snape war noch immer nicht zurück... so lang war er schon seit Monaten nicht mehr weggeblieben. Nicht nur Harry Potter machte sich ernsthafte Sorgen um den Zaubertrankprofessor. Minerva McGonagall hatte Dumbledore kurz nach Mitternacht das letzte Mal besucht und sich nach Snape erkundigt. Auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ: sie war besorgt gewesen. Dumbledore hatte sie letztes Jahr einweihen müssen, was sein besonderes Sorgenkind heimlich nebenbei für ihn tat. Professor McGonagall schien nicht allzu überrascht zu sein, eher fühlte sie sich wohl bestätigt in einer Annahme, war es ihm damals vorgekommen. "Tja, ja... die gute Minerva... ein kluge Frau, aber das wußte ich ja schon immer!" sagte Albus laut und sein Phönix gab ein verschlafenes Krächzen von sich, überrascht von der plötzlichen Unterbrechung der nächtlichen Stille. Hatte es gerade an sein Fenster geklopft? Dumbledore dreht sich erstaunlich schnell um und sah nun eine Hand in der Dunkelheit, die wirklich an sein Fenster klopfte. Als er das Fenster geöffnet hatte, schwebte Severus Snape auf einem Besen in sein Büro in einem der höchsten Türme Hogwarts. "Ach du meine Güte! Severus, was haben bloß mit dir angestellt?" "Nichts besonderes. Nur das Übliche." Severus lächelte matt und stieg vom Besen, wobei er erheblich schwankte und sich an Dumbledores Schreibtisch festhalten mußte, um nicht umzufallen. "Es sind mindestens fünf im Ministerium. Die Namen werde ich bekommen, sobald die Untersuchungen beginnen. Ich weiß allerdings immer noch nicht, wie ich das Gegenmittel des Veritasserums so instabil halten soll, daß es während der Befragung aufhört zu wirken. Aber wenn du nichts dagegen hast, werde ich mir erst morgen darüber Gedanken machen. Ich bin müde und habe noch ein paar Verletzungen zu behandeln... Gute Nacht wünsche ich...." Er hatte im Gehen, oder eher: Humpeln, gesprochen und schon fast die Tür erreicht, den Besen hinter sich herschleifend. "Sekunde! Ich rufe Madam Pomfrey, du siehst nicht gut aus!" rief Dumbledore hinter ihm her, doch Snape winkte nur ab und schloß die Tür hinter sich, ohne sich auch nur noch einmal umzuschauen. "Tze! Hast du das mitbekommen, Fawkes?" wandte sich Dumbledore nun an seinen verschlafenen Phönix, "Ich werde Poppy Pomfrey trotzdem wecken! Sie soll ihn in seinem Zimmer aufsuchen und behandeln, so was aber auch!" Er warf etwas goldenes Pulver aus einer Dose auf dem Kaminsims ins Feuer und sagte laut: "Madam Pomfrey!" Sekunden später sah er in dem Feuer das dunkle Zimmer der Leiterin des Krankenflügels. Er kniete sich umständlich vor den Kamin und versuchte etwas zu erkennen. "Ähem, Poppy? Sind Sie wach?" Rascheln und Grummeln, dann tauchte das erleuchtete Gesicht von einer recht verschlafenen Madam Pomfrey in den Flammen auf. "Ja, Direktor?" "Ich möchte, daß Sie sich so schnell wie möglich zu Professor Snape begeben. Er dürfte in seinen Räumen sein und hat mehrere Verletzungen, die Sie sich bitte genauer ansehen. Es könnte sein, daß er Sie abweist, aber ich denke, Sie sind in der Lage, mit ihm umzugehen!" Madam Pomfrey, die nun hellwach war, grinste spöttisch (Natürlich konnte sie sich gegen Professor Snape durchsetzen! Immerhin beherrschte sie einige Tricks, widerspenstige Patienten zu zähmen und Severus Snape war schon immer irgendwann nach leichteren oder auch heftigeren Wortgefechten in "Genuß" ihrer Behandlung gekommen!) und nickte: "Bin schon unterwegs, Direktor!" Dumbledore wedelte kurz mit seinem Zauberstab und das Zimmer verschwand, das Feuer brannte normal weiter. Nachdenklich stand er auf und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Bis Madam Pomfrey sich melden würde, könnte er auch noch ein paar Akten, die er eh schon begonnen hatte zu bearbeiten, abschließen. An Schlaf war für ihn im Moment nicht zu denken. Ein paar Minuten später zischte es unmerklich in seinem Kamin und das Gesicht von Madam Pomfrey war mitten in den Flammen zu erkennen. "Direktor, es gibt ernsthafte Schwierigkeiten. Bitte kommen Sie umgehend in Professor Snape's Quartier."

Als die sechsten Klassen von Gryffindor und Slytherin am nächsten Vormittag die Zaubertranklabore im Kerker aufsuchten um ihre Jahresabschlußprüfung abzulegen, erwartete sie dort nicht wie erwartet (und von nicht wenigen befürchtet) Professor Snape, sondern Direktor Dumbledore. "Setzen Sie sich, setzen Sie sich!" übertönte Dumbledore das ausgebrochene Gemurmel. Als alle ihre Plätze eingenommen hatten, sprach er weiter: "Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß Professor Snape ernsthaft erkrankt ist und Sie deshalb in den restlichen 2 Wochen bis zu den Ferien nicht mehr unterrichten können wird." Aufgeregtes Gemurmel und einige erleichterte Seufzer wurden laut. "Denken Sie aber nicht, daß Sie um die Abschlußprüfungen herum kommen. Die Aufgaben stehen schon lange fest. Ich werde Professor Snape für die Prüfungen vertreten, der restliche Unterricht, den Sie bei ihm noch hätten fällt aber aus. Ich schreibe jetzt ihre Testaufgabe an die Tafel, Sie haben vier Stunden Zeit zur Bearbeitung." Dumbledore wollte sich schon umdrehen, als sich mehrere Hände hoben. "Ja? Miß Granger?" "Direktor Dumbledore, Sir, was hat Professor Snape denn und wird er wieder gesund?" fragte Hermine betont tonlos und die anderen Schüler ließen ihre Hände sinken. Alle hatten das Gleiche fragen wollen. "Nun, was er hat, darf ich Ihnen leider nicht sagen, aber ich versichere Ihnen, daß er wieder gesund werden wird. Es wird nur eine Weile dauern, aber im nächsten Schuljahr wird er wieder der Alte sein!" Dumbledore lächelte den Schülern aufmunternd zu und bemerkte zu seiner Verwunderung, daß die meisten Schüler darüber fast froh zu sein schienen. Offenbar hatten sie die schon seit Monaten anhaltende Erschöpfung ihres Lehrers nicht nur bemerkt, sondern waren auch besorgt gewesen. 'Seltsam... dabei möchte man meinen, daß Severus der unbeliebteste Lehrer bei den Schülern in Hogwarts ist... und dennoch sorgen sie sich...' dachte er im Stillen und schrieb die Aufgaben an die Tafel.

Harry, Ron und Hermine saßen am Nachmittag zusammen im Gemeinschaftsraum und sprachen leise über Snape. "Ich wette, er ist aufgeflogen! Wahrscheinlich haben sie ihn ordentlich in die Mangel genommen und er hat sich nur mit knapper Not retten können!" mutmaßte Ron und sah genauso besorgt aus, wie seine Freunde. "Oder er hat sich einfach nur nicht genug in seine Arbeit für Du - weißt - schon - wen hineingekniet und wurde deshalb bestraft... Immerhin hat er auch einiges für die Schule zu tun nebenbei..." Hermine war vorhin im Labor ziemlich blaß geworden, als Dumbledore auf ihre Frage geantwortet hatte. "Zumindest lebt er. Und er wird wohl im Krankenflügel bei Madam Pomfrey sein. Was haltet ihr von einem kleinen Krankenbesuch heute Nacht? Dann können wir selbst sehen, wie es ihm geht. Und es bräuchte uns auch nicht unbedingt jemand sehen, wenn wir den Tarnumhang verwenden..." Harry wollte mit eigenen Augen sehen, was Voldemort mit Snape angestellt hatte. Severus Snape war wirklich nicht sein Lieblingslehrer, aber seit dem Trimagischen Turnier vor zwei Jahren hatte Harry ihm gegenüber ein Gefühl von Respekt entwickelt und er wollte sicher gehen, daß Snape diesen auch verdiente. Ron und Hermine stimmten schweigend zu und sie verabredeten sich für zehn Uhr abends, wenn der Gemeinschaftsraum meistens leer stand und sie niemand sehen würde, wenn sie gemeinsam unter den Tarnumhang von Harry's Vater krochen.

"Wie lange er noch ohne Bewußtsein sein wird, wissen Sie das schon?" fragte Professor McGonagall gerade besorgt Direktor Dumbledore, als es Harry, Ron und Hermine unter dem Tarnumhang unbemerkt gelang, den Krankensaal zu betreten. "Poppy meint, er wird noch vier oder fünf Tage schlafen. Doch danach wird Sie ihn notfalls für eine weitere Woche ans Bett anketten, ob er will oder nicht. Um ehrlich zu sein, Minerva, ich befürchte, daß sich Severus nicht unbedingt unabsichtlich vergiftet hat mit den ganzen Mixturen... Ich denke, er wußte sehr wohl, was er tat." Dumbledore schüttelte den Kopf. "Wenn ich bedenke, was geschehen wäre, wenn ich sie nicht sofort zu ihm geschickt hätte..." "Was glauben Sie, warum hätte er das absichtlich tun sollen? Ich habe ihn nie für so labil gehalten. Ehrlich gesagt, auf je mehr Widerstand er traf, desto verbissener und entschlossener setzte er sich bisher immer durch! Er war doch nie jemand, der einfach so etwas aufgibt!" Professor McGonagall schien nicht überzeugt zu sein. "Auch wenn er in letzter Zeit ziemlich angegriffen wirkte..." "Er hat mehr aufgeben müssen, als die meisten von uns. Familie, Freunde, seinen Beruf, seine Hoffnungen... und ich denke, es wird Zeit, daß er etwas davon zurück erhält!" Den letzten Satz hatte Dumbledore mit mehr Festigkeit und Überzeugung gesagt, als alles andere bisher in diesem Gespräch. "Kommen Sie, Minerva! Es wird Zeit, daß wir einige Eulen verschicken! Die hoffentlich letzte Schlacht steht uns bald bevor! Dann hat dieser grauenhafte Spuk endlich ein Ende!" Er nahm die Lehrerin sanft am Arm und verließ mit ihr zusammen den Krankenflügel. In einem Bett lag die blasse und leblose Gestalt von Severus Snape. Er atmete flach und ruhig, als die drei Freunde unter dem Tarnumhang sich dem Bett näherten. "Ach du meine Güte!" wisperte Hermine aufgeregt, "Er ist ja halbtot!" Ron nickte nur und wandte den Blick nicht von dem Kranken. Harry war über alle Maßen entsetzt: was konnte nur vorgefallen sein, daß ausgerechnet Snape einen Selbstmord versuchte? "Ich glaube, wir haben genug gesehen. Laßt uns hier verschwinden!" flüsterte er und zog die beiden mit sich. Unbemerkt kamen sie wider in den Gryffindorgemeinschaftsraum zurück. Auf dem Weg hatte keiner von ihnen ein Wort gesprochen. "Was soll das heißen: die letzte Schlacht steht bald bevor? Meint ihr, Dumbledore ruft den Widerstand zusammen und will Du - weißt - schon - wen offen herausfordern?" durchbrach Ron die Stille, nachdem sie unter dem Tarnumhang hervor gekrochen waren. "Ja, ich denke so oder so ähnlich... Wißt ihr eigentlich, daß wir immer noch nichts über Snape wissen? Ich meine, was er getan hat, nachdem er die Schule verlassen hatte und in der Zeit, bis er wieder hierher zurückkehrte... als Lehrer!" Harry faltete den Umhang feinsäuberlich zusammen. "Was für einen Beruf mußte er aufgeben? Und wieso vertraut Dumbledore ihm so völlig?" Hermine schniefte: "Er sah so krank aus..." Ron schnaubte verächtlich: "Ja, und er wird wieder gesund! Und nächstes Jahr ist er wieder derselbe alte Widerling wie früher!" "Ron! Das ist wirklich eine ernste Angelegenheit! Niemand beschließt mal eben, sich alle möglichen Tränke einzuflößen, um nie mehr aufzuwachen!" Harry war wütend, "Besonders nicht jemand, der den ganzen Tag damit verbringt, sie herzustellen!" Hermine nickte zustimmend und fügte hinzu: "Etwas schreckliches muß vorgefallen sein! Professor Snape gibt wirklich nicht so einfach auf! Du hast doch McGonagall gehört!" "Ihr habt ja recht... Ich kann mich nur nicht so einfach damit abfinden, daß Snape zu den Guten gehört... Es ist einfacher, ihn bloß als tyrannischen Lehrer zu sehen und nicht als eine Art Held..." gab Ron kleinlaut zu. "Kommt, laßt uns ins Bett gehen. Heute Nacht kommen wir nicht weiter und wir werden spätestens nächstes Schuljahr sehen, was passiert..." Harry versuchte, beruhigt zu klingen, während er sich innerlich auf das Schlimmste gefaßt machte: eine erneute Begegnung mit Lord Voldemort, dem Mörder seiner Eltern...