Kapitel 10 - Sturm über Hogwarts von Molly

Es war wohl das erste Mal seit vielen Jahren, daß die Erstklässler Hogwarts nicht mit Booten über den See erreichten, sondern in den pferdelosen Kutschen mitfuhren. Andererseits hätten sie die Fahrt aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht alle überlebt, denn ein heftiger Orkan fegte über das Land. Kaum waren die Schüler in das Schulgebäude mehr herein geweht als gegangen, brüllte Hagrid: "Erstklässler zu mir!" und die Jüngsten trennten sich von der Masse der Schüler. "Wow, was für ein Sturm!" bemerkte Ron recht zutreffend, "Habt ihr auch gemerkt, wie es an dem Zug gewackelt hat?" "Und erst an den Kutschen!" würgte Hermine vor, immer noch grün im Gesicht. Harry schwieg. Auch ihm war leicht übel von dem Geruckel während der gesamten Fahrt. Anders als seinen Freunde graute ihm aber auch vor der Vorstellung, daß Severus Snape nicht mehr unter seinen Lehrern sein könnte. Das heißt, er hatte sie nicht danach gefragt, aber er glaubte der Einzige zu sein, der sich über den Sommer verschiedene Szenarien ausgemalt zu haben schien, die sich mit diversen Todesarten beschäftigten, die Snape in der Zwischenzeit ereilt haben könnten. Der Anblick seines Lehrers im Krankensaal, mehr tot als lebendig hatte ihn tiefer beeindruckt, als er zugeben wollte. Er hatte seinen Patenonkel Sirius Black in den letzten Ferien gebeten, ihn auf dem Laufendem zu halten, was Snape anging. Auch Sirius hatte von der "Erkrankung" seines ehemaligen Erzfeindes und jetzigen Mitstreiters gehört und war... nun ja... überrascht gewesen? Harry hatte ihm von seinem Besuch im Krankensaal und der Unterhaltung von Direktor Dumbledore und Professor McGonagall berichtet. Auch Sirius hatte gemeint, daß Snape mehr als nur ein bißchen an seinem armseligen Leben hängen würde, da er offensichtlich das Gefühl hätte, Verschiedenes wieder gut machen zu müssen und nicht eher aufgeben würde, bis alles geregelt wäre. Die Türen zur Großen Halle gingen auf und die Schüler strömten hinein, wobei sie sich auf die Tische der einzelnen Häuser verteilten. Harry wäre mehrfach fast umgerannt worden, da er mehr versuchte, in dem Gewühl einen Blick auf den Lehrertisch zu erhaschen, als auf seinen Weg zu seinem Sitzplatz zu achten. Doch, Snape war noch da! Blaß, mißmutig wie eh und je, aber definitiv am Leben. Während der Auswahlzeremonie der Erstklässler durch den Sorting Hat blickte Harry immer wieder in Snape's Gesicht, doch seine Miene war undurchdringlich. Einmal trafen sich ihre Blicke und Snape schaute schnell weg. Er sah aus, wie am Ende des letzten Schuljahres: müde und erschöpft, die Augen stumpf und unterschattet. Insgesamt sah er ziemlich abgezehrt aus. Harry's Sorgen waren wohl doch nicht ohne Grund.

"Nun, da alle auf die einzelnen Häuser verteilt sind, möchte ich noch einige Ankündigungen machen, also schenkt mir noch kurz eure Aufmerksamkeit, dann gibt es auch bald etwas zu Essen!" begann Direktor Dumbledore seine alljährliche Rede zu Schulanfang, "Wie ihr vielleicht bemerkt habt, haben wir Lehrer einen neuen Kollegen: Professor Litigant wird ab sofort den Unterricht in dem Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste übernehmen." Er wies auf einen kleinen, selbstgerecht blickenden Mann mit Halbglatze zur Linken von Professor Snape, der sich leicht im Sitzen verneigte, als die Schüler höflich klatschten und fuhr fort: "Eine weitere Kollegin wird hoffentlich noch in der nächsten Zeit eintreffen, ich denke, daß Wetter wird sie eventuell etwas aufgehalten haben. Es handelt sich um Ihre neue Fluglehrerin, die Madam Hooch in diesem Schuljahr vertreten wird, während diese für einige Studien beurlaubt ist. Ihre neue Lehrerin wird in den siebten Klassen auch den Apparationsunterricht übernehmen!" Dumbledore lächelte in Harry's Richtung und wollte weitersprechen, doch stattdessen schienen seine Augen irgendetwas an der Decke zu fixieren. Die Decke der Großen Halle war so verzaubert worden, daß man durch sie hindurch in den Himmel blicken konnte. Und in Moment war in weiter Ferne ein bewegliches Licht auszumachen, das zwischen den wütend dahintreibenden Wolken und den Regenschleiern hin und her geschleudert wurde, jedoch Hogwarts immer näher kam. "Ah, ich glaube, Ihre neue Lehrerin kommt gerade an!" rief Dumbledore erfreut und setzte sich auf seinen Stuhl. Alle Augenpaare in der Großen Halle hatten sich mittlerweile an den kleinen Lichtpunkt am Himmel geheftet. "Ach du meine Güte... das wird doch wohl nicht jemand auf einem Besen sein? Wer ist so bescheuert und fliegt bei diesem Wetter freiwillig?" raunzte Ron seinen Freunden zu. Hermine starrte nur mit offenem Mund zur Decke und Harry entgegnete grinsend, ebenfalls zur Decke starrend: "Unsere neue Fluglehrerin! Wenn sie das heil übersteht, kann sie wohl auch Neville beibringen, auf seinem Besen zu bleiben!" In der Tat wurde der Lichtpunkt recht heftig von einer Seite der durchsichtigen Hallendecke auf die andere geschleudert, bevor er seinen Weg in Richtung Schloßtor wieder aufnahm. Ein Krachen bedeutete, daß das Eingangstor wohl gerade aufgeschlagen war und der Sturm nun wütend in die Eingangshalle blies. "IIIIIIIIEEEEEEEEEKKKK! TÜR AUF!" schrie eine weibliche Stimme und die Türen zur Großen Halle flogen heftig auf. Eine enorme Windböe wehte hinein und mit ihr eine zusammengekauerte Gestalt auf einem Besen. Die Schüler mußten ihre Spitzhüte festhalten und die tausend schwebenden Kerzen flackerten wild, so heftig blies der Sturm in den Speisesaal. Die Besenreiterin drehte einige tollkühne Loopings durch die Kerzen und die Windböen, bevor sich die Türen zum Schloß und der Großen Halle wieder schlossen. In der plötzlich einsetzenden Stille setzte die unbekannte Frau sanft auf dem freien Platz direkt vor dem Lehrertisch auf und stieg von ihrem Besen: er war völlig schwarz und glänzte geheimnisvoll im Licht der Kerzen, die nun wieder ruhig weiter brannten. Die neue Lehrerin stellte ihn senkrecht neben sich, wo er in dieser Position verharrte und setzte ihren riesigen Rucksack ab, bevor sie die kleine Laterne am oberen Griff ihres Besens ausblies. "Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung, aber es ist ein bißchen windig heute!" sagte sie und zog die Kapuze ihres schwarzen und völlig durchnäßten Reiseumhangs vom Kopf. Hervor kam ein Gesicht von eigenwilliger Schönheit: blaß, dunkle und leuchtende Augen, dunkles nasses Haar und ein steinerweichendes Lächeln. In fast allen Gesichtern stand die Bewunderung für die eben vollbrachte Flugleistung, nur Direktor Dumbledore grinste verschmitzt. Harry's Blick fiel durch Zufall auf Professor Snape: er war kalkweiß geworden und schien gerade etliche Tode zu sterben in Angesicht der neuen Kollegin. "Meine lieben Schüler und Kollegen der Lehrerschaft: darf ich Ihnen unsere neue Lehrerin für Flugwesen und Apparationskunde vorstellen: Madam Farstalker!" wandte sich Dumbledore an die Versammelten und während ein gewaltiger Beifallssturm sich erhob, wrang Florence Farstalker ihre langen nassen Haare aus. Sie griff unter ihren Umhang und zog eine zerfledderte kleine Eule hervor: "Den Winzling habe ich unterwegs eingesammelt, ich denke, er wollte hierher!" sagte sie sanft und ließ die Eule losflattern. "Pig!" freute sich Ron lauthals über dir Ankunft seiner hyperaktiven Eule, die ihm von seinen Eltern nachgeschickt werden sollte und zog die Notiz von dem winzigen Bein: "Lieber Ron! Deine blöde Eule hat bei ihrer Ankunft im Fuchsbau alle meine Unterlagen durcheinandergebracht! Die Eltern sind noch nicht wieder zurück von Kings Cross, aber je eher dieses Mistvieh wieder unterwegs ist, desto eher kann ich wieder normal arbeiten!

Dein Bruder Percy"

"Nett, daß er auch an Pig denkt!" knurrte Ron und richtete seinen Blick wieder auf den Lehrertisch. Dort hatte Madam Farstalker gerade einen Platz zwischen Professor McGonagall und Direktor Dumbledore eingenommen, ihre Habseligkeiten hatte sie zunächst hinter sich verstaut. Sie schälte sich aus ihrem nassen Umhang und darunter zum Vorschein kam ein (zumindest am Oberkörper) enges und hochgeschlossenes schwarzes Kleid. Während des gesamten Festmahls unterhielt sich Madam Farstalker lächelnd mit Professor McGonagall und Direktor Dumbledore. Harry fiel auf, daß sie bald ebenso erschöpft und müde aussah wie Professor Snape, der sie unentwegt anstarrte. Was mochte wohl in seinem Kopf vorgehen? Offenbar war Madam Farstalker keine Unbekannte für ihn, aber wie stand er zu ihr? Harry wußte es nicht und vorläufig war es auch nicht herauszufinden, also wandte er sich wieder seinem Essen zu.

"Was zur Hölle tust du hier?" Severus Snape zog die bepackte Florence Farstalker in der Eingangshalle zur Seite und funkelte sie böse an, während die letzten Schüler die Halle vollgefuttert verließen um in ihre Schlafsäle zu gehen. "Hi Severus! Ich freue mich, dich zu sehen! Wie geht es dir? Mir geht es auch gut, danke der Nachfrage!" entgegnete Florence spöttisch und ließ ihren Rucksack zu Boden gleiten. Angesichts ihres entwaffnendem Lächelns seufzte Severus nur und senkte kurz den Blick, bevor er ihr wieder direkt in die Augen schaute: "Ich dachte, du bist in Sicherheit... Ich hatte dich hier nicht erwartet!" "Nun, das habe ich mitbekommen! Du hast mich angesehen, als wäre ich ein Geist... Ich dachte, du freust dich ein bißchen, mich zu sehen?" Severus Snape fühlte sich völlig überrumpelt: "Natürlich freue ich mich, dich zu sehen, es ist nur... ich wußte nichts davon! Dumbledore hat mir nichts erzählt!" "Aus gutem Grund: er wollte dich überraschen und das ist ihm wohl auch gelungen!" Florence drückte Severus ihren Rucksack in die Hand und bedeutete ihm, ihr zu ihren Räumen zu folgen. Severus sackte etwas unter dem Gewicht des Rucksacks zusammen und stöhnte: "Was ist da drin? Dein gesamter Hausstand?" "Erraten, mein Lieber! Nun komm schon, ich will noch etwas mein Zimmer einrichten, bevor ich mich unter der Dusche etwas aufwärme und Albus einen Anstandsbesuch abstatte!" sie zerrte ihn kurzerhand hinter sich die Treppe hoch und ging schnurstracks auf den Gang zu, in dem sie schon früher für zwei Jahre untergekommen war. "Außerdem können wir uns dann noch ein bißchen unterhalten!" Im dritten Stock wandte sie sich nach rechts und öffnete die Tür, hinter der zu Harry's Schulbeginn ein dreiköpfiger Hund namens Fluffy eine Falltür bewachte. Florence schritt über die Falltür hinweg und blieb vor einem Bild mit einem Ritter auf einem fetten Pony stehen. "Aha! Also wird mein Schlaf demnächst von Sir Cadogan höchstpersönlich bewacht!" "Mylady, es ist mir ein Vergnügen, Euch zu Diensten sein zu dürfen! Gestattet mir, Euch und Euren Diener eintreten zu lassen!" antwortete Sir Cadogan salbungsvoll und das Bild schwang zur Seite, wobei es eine niedrige Türöffnung freigab. "Diener? Was meint diese Mißgeburt mit Diener?" knurrte Severus und stellte den schweren Rucksack mit einem Keuchen fast direkt hinter der Tür ab. Die Zimmer waren bis auf einen großen Schreibtisch aus Eiche völlig leer geräumt. Florence zündete zuerst das Kaminfeuer an, bevor sie an Severus, der sich die dunklen Zimmer genau ansah, vorbei ging und aus ihrem Gepäck eine Kerzenhalterminiatur hervorzog. Sie tippte die Miniatur kurz mit ihrem Zauberstab an und der Kerzenhalter wuchs zu einem riesigen Stehleuchter heran. Als die Kerzen auch entzündet waren, lag ein goldenes Licht über allem. Severus Snape war nicht mehr hier gewesen, seit dem er eines Morgens in einem leeren Bett erwacht war, auf dem Kopfkissen nur eine kurze Notiz: "Es tut mir leid!" Auch jetzt fühlte er wieder den Stich in der Magengegend, der ihn damals ereilt hatte. "Warum hattest du mich damals eigentlich nicht vorgewarnt?" fragte er mit erstickter Stimme. "Weil ich so etwas wie unsere erste Verabschiedung auf dem Astronomieturm nicht noch einmal durchmachen wollte... hilfst du mir mal kurz? Ich finde meinen Kleiderschrank gerade nicht..." Sie wühlte sich durch ihren Rucksack und Severus ging neben ihr in die Hocke. "Nimm den so lang..." antwortete er ihr und hielt einen Schrank im Miniaturformat hoch, den sie bereits aus dem Rucksack heraus gezogen hatte und daneben auf dem Boden lag. "Danke schön... Wo stell ich den jetzt bloß auf? Ah, ich weiß schon!" Sie ging in den Nebenraum und stellte die Miniatur an eine leere Wand. Auch dieser wuchs schnell, nachdem sie ihn kurz mit dem Zauberstab berührt hatte. Sie öffnete die Türen und zog ein trockenes schwarzes Kleid hervor. Als sie sich umdrehte, rannte sie direkt in Severus' Arme. "Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du hier bist... und erzähl mir jetzt nicht, daß Albus keine andere Fluglehrerin finden konnte!" fragte er sie sanft und umarmte sie. "Ich bin hier, weil es für mich hier immer noch am Sichersten ist... weißt du eigentlich, wer mir die Nachricht überbracht hat, daß mein Onkel mich hier haben möchte? Dein Freund Igor Karkaroff! Und wenn mich selbst Igor finden konnte, konnte mich auch jeder andere finden... Also habe ich mich auf die Socken gemacht und bin hier her..." Florence erwiderte die Umarmung kurz und wand sich dann daraus hervor. "Sev, wir können morgen reden, ja? Ich bin müde, naß, mir ist kalt und mein Onkel will mich noch kurz sprechen... außerdem bin ich seit zwei Tagen ununterbrochen auf dem Besen gewesen..." Severus nickte traurig: "Es ist nur so lange her... morgen Abend?" "Ja, morgen Abend... und nun geh! Ich will duschen!" Florence lächelte ihn erschöpft an und schob ihn zur Tür hinaus. Draußen angekommen drehte sich Severus noch einmal um und fixierte den Ritter auf dem Bild: "Und wehe, du passt nicht gut auf sie auf!"

Kaum war die Tür hinter Severus zugegangen, glitt Florence mit einem tiefen Seufzer an der Wand entlang zu Boden. Wow, was für eine Begegnung! Aber sie hatte sich tapfer geschlagen, fand sie. Naja, wenigstens war sie nicht ohnmächtig zusammengesackt, wie es in einer ihrer schlimmsten Visionen bezüglich ihres Wiedersehens geschehen war. Eine andere Vorstellung war gewesen, daß Severus ihr vor lauter Wut den Kopf abriss. Doch die schlimmste war noch, daß er ihr gegenüber völlig kalt geblieben wäre... und nach 15 Jahren wäre das durchaus wahrscheinlich gewesen. Aber er war nicht kühl gewesen, eher überrascht, verärgert zwar, aber immer noch besorgt. Aber war sie nicht zu abweisend gewesen? Aber sie wollte doch auch in keinem Fall eine Wiederbelebung ihrer alten Beziehung, oder? Nein, sie konnten sich wieder anfreunden, aber in keinem Fall wollte sie wieder morgens regelmäßig neben ihm aufwachen... alles Lüge! Mit einem leisen Schrei löste sich die Spannung aus ihrem Körper und sie begann hemmungslos zu weinen...

Sie hatte damals lange mit Albus Dumbledore verhandelt, ob sie nicht doch in Britannien bleiben konnte, doch er hatte das für zu gefährlich gehalten. Ausgerechnet Lucius Malfoy war dem Ministerium durch die Lappen gegangen, er hatte sich mit Lügen, Erpressung und Drohungen freikaufen können. Und ohne Frage war er immer noch hinter ihr her. Und nun wußten alle Todesser, die der Verhaftung entgangen waren, was sie war. Und die waren mittlerweile eine internationale Organisation, die sie helfen konnte, zu sprengen. Severus hatte ihr mehrere Erkennungsmerkmale genannt, denn das Dunkle Mal war mit der zeitweiligen Schwächung Voldemorts zwar fast völlig ausgelöscht, doch bestimmte andere Zeichen waren für immer zu erkennen. Mehr seelisch als körperlich, bestimmte Verhaltensweisen, benötigte Pülverchen... Sie hatte ihn im Jahr nach Voldemorts Verschwinden unauffällig aber gründlich ausgehorcht. Als sie dieses doppelte Spiel nicht mehr ertragen konnte, bereitete sie ihre Abreise im geheimen vor und verschwand eines Nachts. Völlig verzweifelt hatte sie zunächst bei ihrer Mutter Unterschlupf gesucht, bis die größten Schmerzen vergangen waren. Doch dort konnte sie auch nicht bleiben. Die Elben pflegen ihre eigene Art von Rassismus und Florence war als Halbling nicht gerade besonders beliebt. Als die Elben dann begonnen hatten, auch ihre Mutter auszugrenzen, verließ sie die Wälder ihrer Kindheit endgültig. Sie packte erneut ihre gesamte Habe und reiste im Auftrag ihres Onkels durch die ganze Welt, und sie war eine sehr erfolgreiche Todesser - Jägerin geworden. Viele Zaubereiministerien hatten ihr in den letzten Jahren angeboten, als Aurorin für sie tätig zu sein, doch so lang konnte sie nirgendwo bleiben. Spätestens nach einem Monat hatte sie immer wieder ihren Unterschlupf wechseln müssen. Zu viele Todesser hatten sie ebenfalls im Visier. Über Albus Dumbledore war sie immer über Severus und die Situation in Britannien auf dem Laufendem gehalten worden. Sie wußte von Sirius, Remus, James' Sohn Harry und allen anderen. Doch als sie eines Morgens ihren letzten Unterschlupf in Ecuadors Urwald verließ und Igor Karkaroff gegenüber stand, war ihr klar, daß sie das Nomadenleben aufgeben mußte. Wahrscheinlich hatte er ein Dutzend Todesser unabsichtlich zu ihrem Versteck geführt, also mußte sie so oder so verschwinden. Es würde eine gewaltige Umstellung für sie werden, nicht mehr alle paar Wochen ihre Sachen zusammenzupacken und weiterziehen zu müssen. Solange sie auf dem Schulgelände blieb, konnte ihr nichts passieren. Außer Severus Snape. Mit den Ärmeln wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und atmete tief durch. Sie hatte in den letzten Jahren verzweifelt an der romantischen Vorstellung festgehalten, alles würde wieder gut werden, wenn sie sich das nächste Mal wiedersahen. Aber sie hatte in den letzten Jahren ja auch nichts anderes, bei Severus sah das anders aus. Er war die ganze Zeit hier gewesen und hatte Freundschaften aufbauen können, auch wenn Dumbledore ihr nie etwas darüber in seinen Briefen berichtet hatte. Aber mittlerweile war sie einigermaßen vertraut mit den Taktiken ihres Onkels, selbst wenn Severus mittlerweile glücklich verheiratet und Vater von fünf Kindern gewesen wäre, hätte er ihr nie davon etwas mitgeteilt. Denn Albus Dumbledore brauchte Florence und Florence brauchte eine Hoffnung, die er ihr nie wissentlich zerstört hätte.

"Und? Wie war euer erstes Wiedersehen?" fragte Dumbledore verschmitzt lächelnd und schaute sie über seine Brille hinweg an. "Kurz und schmerzhaft." antwortete Florence tonlos und rührte die Sahne in ihren Tee: endlich wieder richtiger Tee! "Du bist wütend auf mich, nicht wahr?" "Frowin hat mir damals etwas mehr erzählt als dir. Ich wußte in ungefähr, was auf mich zukommen würde. Aber man ist nie wirklich auf so etwas vorbereitet, nicht wahr? Nein, ich bin nicht wütend auf dich. Es ist nur eine Ewigkeit her..." "Ja, 15 Jahre sind eine lange Zeit im Reich der Sterblichen... Ich soll dich übrigens von deiner Mutter grüßen!" Er reichte ihr eine Schale mit Gebäck, doch Florence winkte ab. Das englische Essen von vorhin lag ihr noch zu schwer im Magen. Dumbledore machte sich Sorgen um seine Nichte. Ihre Augen schienen fast ebenso kalt zu sein, wie die von Severus. Sie war still geworden und sehr ernst. Was hatte er ihr bloß angetan? "Oh, mach dir deswegen keine Sorgen, wenn ich erstmal etwas ausgeruhter bin, werde ich wieder fast die Alte sein." Florence lächelte und ihr Lächeln erreichte auch ihre Augen, nachdem sie den verdutzten Gesichtsausdruck ihres Onkels sah. "Seit wann kannst du Gedanken lesen?" "Brauche ich gar nicht. Ich weiß, wie ich im Moment aussehe und was das für Überlegungen bei dir auslöst. Auch wenn wir uns schon ewig nicht mehr gesehen haben, kenne ich dich doch ein klein wenig..." Sie ergriff die Hand ihres Onkels und streichelte sie zärtlich. "Ich bin froh, wieder hier sein zu dürfen. Auch wenn nicht alle Umstände so rosig scheinen..." "Er hat dich fürchterlich vermißt, mußt du wissen..." "Ich will davon im Moment nichts hören, bitte! Ich möchte mir selbst ein Bild davon machen... und von ihm... er sieht ziemlich fertig aus..." "Du auch, meine Liebe! Ihr nehmt euch da beide nichts..." Albus war immer noch besorgt und ließ es sie deutlich spüren. "Ich sagte doch, laß mir ein wenig Zeit und fast alles ist wieder wie früher..."

Severus Snape saß inmitten der Trümmer seines Zimmers und war nun nicht mehr so wütend und enttäuscht wie vorhin, als er Florence verlassen hatte. Mühselig rappelte er sich hoch und begann, seine Einrichtung wieder zu reparieren und zu ordnen. Seit Jahren hatte er nicht mehr so reagiert und es tat fast gut... es fühlte sich lebendig an. Aber sein Verstand sagte ihm, daß diese "Ich - schlag - mal - eben - alles - kurz - und - klein" - Aktion völlig überflüssig und pubertär gewesen war. Sei's drum, er hatte sich abreagiert und das war das Ziel gewesen. Ziel erreicht - Einrichtung Sperrmüll. Was hatte er denn auch erwartet? Daß sie ihm gleich um den Hals fiel und alles wäre wie früher? Ja, genau das hatte er erwartet. Und das war ziemlich schwachsinnig gewesen. Aber wenn es um Florence ging, hatte er schon oft durchgedreht. Besonders damals, als er Sirius das erste Mal seit der Schulzeit wiedergesehen hatte. Mittlerweile hatte er mit seinem ehemaligen Nebenbuhler eine Art "Ich beachte dich nicht, du beachtest mich nicht" - Status erreicht. Immerhin arbeiteten beide für dieselbe Sache und sahen sich leider öfter, als ihnen lieb sein konnte. Und nun war ihre gemeinsame große Liebe wieder hier und es würde zwangsläufig zu neuen Eifersuchtsszenen zwischen ihnen kommen. Der Burgfrieden war wohl endgültig dahin. Severus grübelte während des Aufräumens vor sich hin, als es plötzlich an seiner Tür klopfte. "Was gibt's?" knurrte er aus alter Gewohnheit und biß sich plötzlich auf die Zunge: Was wäre wenn es Flo war? Als er sich umdrehte, stellte er erleichtert fest, daß es nur Draco Malfoy war, der mitten in der Nacht über die restlichen Trümmer stieg. "Sir, einer der Erstklässler übergibt sich ständig. Ich brauche ihre Erlaubnis, um ihn zu Madam Pomfrey zu bringen..." Draco war Vertrauensschüler der Slytherins geworden und nutzte diese Position weidlich aus, um sich bei jeder Gelegenheit bei Severus einzuschleimen. "In dieser Situation brauchen Sie keine ausdrückliche Erlaubnis, Mr. Malfoy. Spätestens wenn der Erstklässler Mr. Filch eine Probe seines Mageninhalts auf seinen Schuhen hinterlassen hat, stellt er keine Fragen mehr... wer ist es denn?" Severus seufzte. Wieder nur Schwächlinge, die sich durch Hinterhältigkeiten behaupten wollten in diesem Jahr, die in sein Haus aufgenommen worden waren... "Kevin Rabanus, Sir!" Tim hatte auch schon Kinder? Langsam fühlte sich Severus wie ein Fossil. "Hm... Bringen Sie ihn schnell nach oben in den Krankenflügel, ich werde Madam Pomfrey verständigen. Ach, und Mr. Malfoy?" Draco drehte sich noch einmal um: "Ja, Sir?" "Nehmen Sie einen Eimer mit für unterwegs... Mr. Filch kann trotz allem recht unangenehm werden..." Severus lächelte und entfachte ein Feuer in seinem Kamin, um Poppy Pomfrey aus dem Bett werfen zu können. Im Grunde war es schon lustig, Lehrer zu sein. Wenn nicht gerade ein Neville Longbottom alles in die Luft jagte, war es sogar eine dankbare Aufgabe, Wissen in kleine unschuldige Gehirne zu stopfen. Und dafür vertrauten sie ihm und hatten Respekt vor ihm... zumindest die Schüler aus seinem Haus. Selbst Harry Potter hatte Respekt gezeigt und der war einer der frechsten Schüler, die er je unterrichtet hatte. Die Slytherins vergötterten ihn manchmal zu sehr, aber jeder braucht seine Streicheleinheiten fürs Ego... "Madam Pomfrey!" sprach er in den Kamin und mußte enttäuscht feststellen, daß die Vorsteherin des Krankenflügels noch wach war. "Ja, Professor?" "Mr. Malfoy bringt ihnen gleich einen Patienten mit verdorbenem Magen nach oben. Ich wollte Sie nur vorwarnen." "Danke, Professor. Hier wimmelt es heute Nacht vor Patienten mit ähnlichen Symptomen... Mir geht langsam aber sicher der "Ruhiger - Magen" - Trank aus. Sie könnten nicht zufällig morgen noch etwas davon ansetzen?" fragte Madam Pomfrey und lächelte ihn verzeihend an. "Sicher. Ich habe auch noch etwas hier. Wenn Sie es wünschen, kann ich Ihnen gleich etwas vorbei bringen!" Wozu brauchte er denn schon Schlaf? Madam Pomfrey stimmte erleichtert zu und Severus machte sich beladen mit allen möglichen Vorräten für die Krankenabteilung auf den Weg nach oben.

"Wunderbar! Stellen Sie alles gleich hier ab! Ich habe leider nur wenig Zeit, Professor!" Madam Pomfrey war in höchster Eile und als Severus einen Blick in den Krankensaal riskierte, wußte er auch, warum. "Bei allen Elementen! Was ist denn hier los?" brach es aus ihm hervor und er schnappte sich sofort die nächstbeste Schüssel, um sie einem würgendem Schüler unter die Nase zu halten. Der Saal mit den Betten war hoffnungslos überfüllt. Über 40 Schüler und einige Lehrer waren mehr oder weniger bequem sitzend und in schwersten Fällen auch liegend untergebracht. "Eine Epidemie!" keuchte Professor Flitwick und übergab sich direkt im Anschluß äußerst geräuschvoll in einen Nachttopf. Severus verzog angewidert das Gesicht. Hinter ihm stürzte Draco Malfoy in den Krankensaal, einen würgenden Erstklässler hinter sich her zerrend. Severus hielt den Kopf des Jungen hoch und schaute ihm in das grünlich verfärbte Gesicht. "Mr. Malfoy, holen Sie Direktor Dumbledore hier her!" Er nahm ihm den kleinen Jungen ab und setzte ihn samt Eimer auf das Fußende eines schon mehrfach belegten Bettes. "Was stehen Sie hier noch rum? Bewegen Sie sich!" schnauzte er den wie versteinert dastehenden Draco an. Dann wandte er sich an den Sohn seines alten Quidditchmannschafts - Kapitäns: "Du heißt also Kevin, ja? Kannst du mir sagen, was hast du heute abend gegessen hast? Versuch dich zu erinnern, bitte!" Wenn Severus wollte, konnte er sehr sanft und väterlich mit Kindern umgehen, doch das erlebten nur Slytherin - Schüler, wenn überhaupt. "Alles, glaube ich, bis auf den Salat!" keuchte der Junge und Severus war immer noch nicht schlauer als zuvor. Er lief hinüber zu Madam Pomfrey: "Wirkt der Magentrank?" "Nicht lange..." antwortete die gestreßt. "Finden Sie heraus, was jeder hier gegessen hat. Ich glaube nicht, daß hier ein Virus umgeht, etwas muß mit dem Essen gewesen sein..." Ein paar Minuten später kamen Albus Dumbledore und Florence Farstalker zusammen in den Krankensaal gestürzt, während Severus einigen Patienten schon erfolgreich ein Gegengift verabreicht hatte. Ständig kamen neue Patienten mit diversen Grüntönen im Gesicht in die Krankenabteilung und Madam Pomfrey und er kamen überhaupt nicht mehr hinterher. "Was ist hier los?" fragte Dumbledore mit ernster Miene seinen Zaubertrankprofessor. "Direktor, Sie sollten die Hauselfen mal fragen, wo das Hühnchen für das Essen heute abend herkam. Alle, die davon gegessen haben, haben eine recht ernste Vergiftung." Severus rannte wieder hinüber zu seinem Erstklässler Kevin und nahm ihn sanft bei den Schulten, während sich dieser fast die Seele aus dem Leib reiherte. Florence hatte aus dem Haufen von Flaschen und Pulvern, die Severus vorhin mitgebracht hatte, einige kleine Phiolen herausgesucht und kam damit zu den beiden herüber. Severus hatte den weinenden und völlig erschöpften Jungen auf seinen Schoß gesetzt und hielt ihn fest in dem einen Arm, mit dem anderen hielt er den Eimer in Reichweite. Als sie dem Jungen ein einfaches Gegengift einflößte trafen sich kurz ihre Blicke. "Du hättest doch Arzt werden sollen!" flüsterte sie Severus zu, als sie aufstand. Dieser zog jedoch nur die Augenbrauen hoch und beobachtete seinen kleinen Patienten aufmerksam. 'Oder Vater, je nach dem' dachte Florence bei sich und verteilte weiter Gegengift. Nach einer Weile nahm ihr Severus einige Phiolen ab und verteilte selbst mit. Sein Erstklässler hatte sich mittlerweile beruhigt und lag schlafend auf einem Bett. Als Albus Dumbledore mit Minerva McGonagall und Professor Sprout zusammen in den Krankenflügel zurückkehrte, war der Trubel dort größtenteils vorbei. Madam Pomfrey schickte schweren Herzens alle leichteren Fälle wieder zurück ins eigene Bett, nur einige wenige konnte sie zur Beobachtung im Krankensaal lassen. Und das, wo sie ihre Patienten doch am Liebsten alle mindestens zwei Tage länger als nötig im Krankensaal behielt. "Professor Flitwick, Professor Snape, ich habe beschlossen, das morgen der Unterricht ausfällt. Fast ein Drittel der Schüler war heute nacht hier und sie werden sich morgen immer noch nicht wohl fühlen. Fangen wir also einen Tag später an... Bitte teilen sie das den Schülern ihrer Häuser mit." Severus nickte und ging zu der Gruppe Slytherinschüler, die auf ihn wartete. Er schnappte sich den kleinen Kevin Rabanus, der immer noch erschöpft schlief und scheuchte seine Schüler vor sich her, als Dumbledore ihn noch einmal zurückhielt: "Ist das der kleine Rabanus - Junge?" Severus nickte erneut und ließ Dumbledore ihn sich genauer ansehen. "Ich weiß nicht, ob ich nicht einen Fehler mit ihm gemacht habe!" flüsterte er Severus zu, "Er ist gerade erst neun geworden, aber unglaublich begabt! Ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn er früher hier her kommt, so lang niemand weiß, wie alt er ist... Pass gut auf ihn auf, ja?" Neun? Kein Wunder, daß der Kleine so fertig war. Severus guckte ihn sich noch einmal genauer an: er war schon groß genug, um ihn für einen etwas zu kleinen Elfjährigen zu halten. Aber warum hatte Albus ihm nichts davon gesagt, daß er mal wieder einen Hochbegabten im Haus hatte? Naja, es war nicht das erste Mal, daß ein jüngerer Schüler aufgenommen worden war. In den normalen Zauberergrundschulen langweilten sie die Begabteren häufig und stellten eine Menge Unfug an, wurde der unerträglich, kamen sie früher nach Hogwarts, aber meistens handelte es sich dabei schon um Zehnjährige. Severus seufzte. Je jünger die Schüler, desto anhänglicher waren sie. Also war er wieder einmal Ersatzpapa geworden... Als ob er im Moment nicht schon genug andere Sorgen hätte. Florence blickte Severus verträumt hinter her, als dieser mit dem kleinen Jungen auf dem Arm den Krankensaal verließ und seine erneut stehen gebliebenen anderen Slytherinschüler weiter schob. Offensichtlich wollten sie nicht ohne ihn gehen. Albus Dumbledore lächelte Professor McGonagall wissend zu und auch sie fing an zu grinsen. Nichts wirkte besser, als ein Mann mit einem kleinen Kind auf dem Arm... "Florence, wir haben ein Problem: hast du eine Ahnung, wer das Hühnchen vergiftet haben könnte?" fragte Dumbledore seine Nichte und riss sie damit aus ihren Gedanken. "Vergiftet? Ich dachte, bei Geflügel kommt es öfter mal vor, daß es einige Mägen in Unruhe versetzt!" antwortete sie überrascht. Sie selbst aß kein Huhn mehr, nachdem sie einmal bei einer Hexengemeinde im afrikanischen Busch eine dicke fette weiße Made nicht ablehnen durfte und diese nach Hühnchen schmeckte... Ihr drehte sich jetzt noch der Magen um bei dem Gedanken. "Nein, nein... Das Fleisch wurde vergiftet." entgegnete Dumbledore, "Vielleicht kannst du dich ja mal etwas umhören... Die Hauselfen haben allesamt begonnen, ihre Köpfe gegen irgendetwas zu donnern, als ich sie fragen wollte... Du hast ein besseres Händchen für sie... und vielleicht weiß ja auch einer deiner zahlreichen Kontakte etwas darüber!" Professor McGonagall nickte zustimmend und schaute Florence auffordernd an. Diese zog nun ein äußerst nachdenkliches Gesicht, bevor sie antwortete: "Ich kümmere mich drum. Hat es Zeit bis morgen früh? Ich falle gleich selbst um vor Müdigkeit..." und gähnte. "Sicher, mein Kind, sicher..."