Kapitel 12 - Frontenklärung von Molly

Am nächsten Tag schien eine warme Spätsommersonne auf die Ländereien von Hogwarts und nichts erinnerte mehr an den Sturm zwei Nächte zuvor. Professor Snape hatte unglaublich schlechte Laune und war wirklich fast wieder so unausstehlich wie früher. Nachdem er sie zwei quälende Stunden lang im Unterricht geärgert hatte, gingen Ron, Hermine und Harry zum Mittagessen in die Große Halle. Am Nachmittag sollten sie ihren ersten Flugunterricht bei Madam Farstalker erhalten. Zwei der jüngeren Klassen hatte heute schon bei ihr Unterricht gehabt und die Freunde lauschten aufmerksam ihren Gesprächen: "Hast du gesehen, was für eine Kurve sie vorhin geflogen ist? Unglaublich..." "Und dieser Besen... ob der wirklich verflucht ist?" "Sie war in Südamerika..."

Ron stöhnte: "Haben die denn kein anderes Thema?" Seit Harry und Hermine von ihrer Spionagetour zurückgekehrt waren, freuten sich die drei nicht mehr so auf ihre erste Stunde bei Madam Farstalker. Alle schienen ausnahmslos begeistert zu sein, nur die Freunde waren skeptisch. Daß Snape nicht eindeutig zu gut oder böse zuzuordnen war, war eine Sache, aber daß eine alte Freundin von ihm nun auch noch hier war, machte das ganze nur komplizierter. War sie ebenfalls eine ehemalige Todesserin? Oder noch aktiv? Und was hatte sie mit Igor Karkaroff zu schaffen, dem ehemaligen Schulleiter von Durmstrang?

Madam Farstalker, die schon beim Frühstück nicht zugegen war, erschien zu spät zum Essen und hetzte an der Seite durch die Halle. Am Lehrertisch angekommen, wies Dumbledore sie höflich an, sich zwischen Snape und Professor Litigant zu setzen. Litigant hatte beim Frühstück den Fehler begangen, Snape auf sein miesepetriges Gesicht anzusprechen. Was Snape geantwortet hatte, war zwar nicht zu hören gewesen, aber es war offenbar nicht unbedingt gewählt ausgedrückt, zumindest reagierte Litigant recht schockiert. Und nun sollte die Fluglehrerin wohl als Pufferzone zwischen den beiden dienen. Lächelnd setzte sie sich dazwischen und unterhielt sich angeregt mit Litigant. Nur einmal sprach sie kurz mit Snape und ihre Mienen waren nicht zu deuten gewesen.

Der Nachmittag rückte näher und damit auch der Flugunterricht. "Ich möchte mal wissen, warum wir jetzt überhaupt noch Flugunterricht bekommen! Apparationskunde ist viel wichtiger und damit fangen wir erst nach Weihnachten an... Bis auf Neville können doch alle von uns fliegen... Ich versteh das nicht!" regte sich Hermine auf. "Psst, da kommt sie!" flüsterte Ron und deutete mit dem Kopf auf die neue Lehrerin, die über den Hof gestolpert kam, die Arme voll mit Schulbesen, dazwischen steckte noch ihr eigener. Die Gryffindors hatten wieder mit den Slytherins zusammen Unterricht und Malfoy, Crabbe und Goyle hatten noch die Köpfe zusammengesteckt, als Madam Farstalker die Schüler erreichte. Harry war erstaunt, wie klein die Lehrerin war, jetzt, wo sie direkt vor ihm stand. Sie hatten sie zwar gestern den ganzen Tag beobachtet, aber das aus größerer Entfernung. Fast alle Schüler der siebten Klasse waren größer als sie. "Wenn ich dann auch um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte..." sagte sie nicht unfreundlich und sprengte damit die tuschelnden Slytherins auseinander. Täuschte sich Harry, oder war ihr Haar grün? Er blinzelte ein paar Mal, aber die Farbe blieb dieselbe... Warum war ihm das gestern noch nicht aufgefallen? "Ich nehme an, Sie fragen sich, warum Sie jetzt noch Flugunterricht erteilt bekommen, wo Apparationskunde Ihnen doch viel wichtiger erscheint!" begann Madam Farstalker und die Schüler stimmten ihr ausnahmslos zu. "Es gibt einige internationale Abkommen, die ein Apparieren über Landesgrenzen hinweg ausdrücklich verbieten. Dies wurde zum Schutz vor Schmugglern von unerlaubten Gütern beschlossen. Wenn Sie dennoch versuchen sollten, von... sagen wir... London nach Paris zu apparieren, könnte es sein, daß Sie direkt in einem Gefängnis der Zollbehörden landen, falls Sie sich überhaupt von der Stelle bewegen. Heutzutage haben die meisten Länder entlang ihrer Grenzen Bannmauern, ähnlich wie hier in Hogwarts errichtet. Wenn Sie also in ein anderes Land reisen wollen, müssen Sie einen Besen mitnehmen, um über die Grenzen zu kommen. Doch auch für Reisende per Besen sind Grenzen immer noch Grenzen und Sie werden sich in vielen Ländern ausweisen müssen bei der Einreise. Innerhalb Europas ist das nicht mehr zwingend erforderlich, könnte Ihnen aber immer noch passieren. Und da Hexen und Zauberer selten Reisepässe wie die Muggel besitzen, meist nur, wenn sie aus Muggelfamilien stammen, dient der Internationale Flugschein als Ausweis. Und eben diesen sollen Sie bis Weihnachten in meinem Unterricht erhalten. Die Prüfung findet in der letzten Woche vor den Winterferien statt. Sie sehen also, mein Unterricht wird nicht ganz so eine Zeitverschwendung sein, wie Sie anfangs wohl alle dachten. Zudem werde ich Ihnen noch einige Tips bei der Instandhaltung und Reparatur ihres Besens geben. Aber zunächst möchte ich mir ein Bild von Ihren derzeitigen Flugkünsten machen. Suchen Sie sich bitte einen Besen aus" sie deutete auf den Haufen vor ihren Füßen, "und zeigen Sie mir Ihr Können. Ach, und noch eins: falls es einer von Ihnen wagen sollte, meinen Besen auch nur anzufassen, könnten Sie sich recht schnell bei Madam Pomfrey wiederfinden. Und ich meine das so, wie ich es gesagt habe!" Sie trat zurück und lächelte wieder, als ob sie gerade eben nicht eine äußerst bedrohliche Warnung ausgesprochen hätte. "Wow! Hätte nicht gedacht, daß sie so streng ist!" raunzte Ron Harry zu und dieser entgegnete: "Was hast du erwartet: sie und Snape sind befreundet!" Die Schüler suchten sich jeder einen Besen aus und nur Draco Malfoy beschwerte sich lauthals: "Warum müssen wir überhaupt noch auf diesen uralten Shooting Stars üben? Die Dinger fallen ja fast auseinander!" "Sie sind, nehme ich an, Mr. Malfoy, ja?" Madam Farstalker hatte die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, als sie auf Draco zu schritt und sah fast aus wie Snape heute morgen, als er Neville Longbottom das erste Mal seit jenem Unfall mit den Sura - Algen vor den Ferien wiedersah. "Ja, allerdings, Madam Farstalker!" antwortete Draco mit herablassend schnarrender Stimme. "Und Sie besitzen wahrscheinlich selbst einen viel besseren Besen, als die Schule, ja?" fragte die Lehrerin leise und bedrohlich weiter. "Allerdings!" antwortete Draco spöttisch und setzte erst spät ein "Mam..." hinzu. "Nun!" Madam Farstalker grinste breit, "Warum sollten nicht alle, die einen eigenen Besen besitzen und mit zur Schule gebracht haben, auch darauf trainieren? Sie werden überrascht sein, wie viele von Ihnen freiwillig wieder auf diese 'uralten Shooting Stars' noch vor der Prüfung umsteigen werden! Rennbesen können auf Dauer ziemlich unbequem werden, die meisten sind auch nicht auf längere Strecken hin konzipiert worden und weisen oft schon nach einigen Stunden Dauerflug erhebliche Mängel auf... aber das sollten Sie selbst sehen, sonst werden Sie mir das sowieso nicht glauben!" Draco Malfoy war auf einmal nicht mehr nur überheblich, sondern auch noch ziemlich wütend, denn seine Ohren und sein Gesicht war dunkelrot vor Zorn angelaufen. "Also, wer von Ihnen einen eigenen Besen besitzt, kann ihn zum nächsten Unterricht gern mitbringen! Aber heute müssen Sie sich noch einmal mit den Schulbesen begnügen... Na los, ich will etwas von Ihnen sehen! Ab in die Luft mit Ihnen!" wandte sich Madam Farstalker vergnügt an die Klassen und Harry und Ron taten sich schwer damit, sich ein lautes Lachen zu verkneifen. "Zumindest teilt sie nicht Snape's Vorliebe für Malfoy! Ein riesengroßer Pluspunkt für sie!" kicherte Harry, während er auf den Schulbesen stieg. Im Laufe des Unterrichts erwies sich, daß Madam Farstalker gar nicht so schlimm war. Sie war wie Professor McGonagall streng aber gerecht, nur Draco gegenüber war sie strenger und wies ihn öfters in seine Grenzen, was ihm, nach Meinung der Gryffindors, aber auch mal ganz gut tat. Nachdem auch Neville Longbottom den Hindernisparkour ohne größere Schäden, dafür aber mit häufigem Eingreifen durch die Lehrerin, heil überstanden hatte, war der Unterricht auch schon vorbei. Erschöpft waren die Schüler alle, auch Harry war es nach den langen Sommerferien nicht mehr gewöhnt, so lange am Stück auf dem Besen zu sein. Harry und Ron erklärten sich freiwillig bereit, die Besen wieder in den Schuppen zurückzutragen. Als sie wieder auf den Hof kamen, sahen sie, wie sich Madam Farstalker noch mit Neville unterhielt. Sie erwarteten, daß er eine Zurechtweisung von ihr erhalten hatte, doch stattdessen kam er kurze Zeit später grinsend in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors nach. "Was hat sie denn noch von dir gewollt?" fragte Ron ihn neugierig und Neville strahlte über das ganze Gesicht, als er antwortete: "Sie will mir bis zu der Flugprüfung Nachhilfe geben! Und sie hat mir sogar angeboten, mir auch in Zaubertränken zu helfen! Ist sie nicht phantastisch?" "Wieso bietet sie dir Nachhilfe in Zaubertränken an?" platzte es aus Harry heraus. Neville lächelte nun nicht mehr: "Snape hat ihr wohl beim Mittagessen gesagt, daß ich darin einer seiner schlechtesten Schüler bin." Harry und Ron blickten sich wissend an und sagten nichts dazu. Hermine war es heute Vormittag nur um Haaresbreite gelungen, eine weitere Explosion von Neville's Kessel zu verhindern. Das kostete Gryffindor zwar fünf Punkte, war aber in jedem Fall weniger, als es gewesen wäre, wenn Hermine nicht eingegriffen hätte. Snape wäre heute bei seiner Laune wohl völlig ausgerastet.

Die Schulwoche verlief ohne weitere Zwischenfälle, Severus und Florence gingen sich weitestgehend aus dem Weg, und Albus Dumbledore hatte inzwischen auch mit Severus gesprochen. Der war zwar immer noch wütend auf Albus, hatte aber eingesehen, daß Florence' Anwesenheit in Hogwarts dem Widerstand zumindest noch bis zum Frühsommer Zeit ließ, Kräfte zu sammeln. Solang sie auf dem Gelände blieb, konnte sie nicht vor der Zeit in Voldemorts Hände fallen. Zudem hatte Severus ein neues Ziel für seine Wut ausgemacht: Professor Jonathan Litigant. Der Mann machte ihn in seiner selbstgerechten Art nahezu rasend! Er verstand nicht, warum Flo bei jeder Mahlzeit (wenn sie überhaupt erschien) mit diesem Nervtöter schwatzte. Severus konnte nicht ahnen, daß Florence dies hauptsächlich tat, um nicht mit ihm sprechen zu müssen. Außerdem fand sie Litigant höchst amüsant: er war so sehr von sich und der Richtigkeit seines Tuns überzeugt, daß er gar nicht merkte, daß sich Florence jedes Mal innerlich totlachte. Allerdings verpasste sie durch ihre Schusseligkeit ziemlich viele Mahlzeiten oder kam zu spät, besonders morgens, wenn es ihr wieder mal nicht gelang, rechtzeitig aus dem Bett zu kommen. Dumbledore hatte ihr daraufhin angeboten, sie morgens zu wecken (außerdem hatte Severus morgens immer besonders schlechte Laune und ihre Anwesenheit als Notbremse zwischen Severus und Litigant war dann dringend erforderlich), auch wenn die Hauselfen ihr sonst die Mahlzeiten in ihr Zimmer brachten. Am ersten Sonntag seit Beginn des Unterrichts hatte Albus Florence geweckt, so daß sie rechtzeitig zum Frühstück in der Großen Halle war. Severus kam kurz nach ihr und mußte sich ein Grinsen verkneifen: diesen verschlafenen Gesichtsausdruck hatte er noch von früher in bester Erinnerung! Wenn Litigant sie heute Morgen wieder mit seinen üblichen Belanglosigkeiten zutexten sollte, würde sie sich hoffentlich an Severus' Schulter zum Weiterschlafen anlehnen... Severus' schlechte Morgenlaune war fast verflogen und er grüßte sie freundlich, woraufhin sie ihn erschrocken ansah und etwas unverständliches brummelte. Mit Mühe hielt sie danach ihre Augen auf und ihren Körper gerade auf dem Stuhl, während Severus' sich im Stillen amüsierte. Okay, da war noch etwas von seiner chaotischen Flo von früher über und er fragte sich, ob sie morgens immer noch fast jedes Mal zuerst aus dem Bett fiel, anstatt wie andere Menschen einfach aufzustehen... Gegen Ende des Frühstücks flatterte die Morgenpost mit Dutzenden von Eulen in die Große Halle. Darunter war auch ein großer exotischer Vogel, der Florence ein Paket auf ihr Toast warf, bevor er sich erschöpft auf ihre Schulter setzte. Florence war plötzlich hellwach und flüsterte: "Sev, das ist von den Hexen in Guatemala: die Wurzel, von der ich dir erzählt habe..." Severus hatte fast vergessen, daß sie beide ja noch an einem Heilmittel arbeiten sollten. "Versteck das Paket, Litigant wird mir gerade zu neugierig!" flüsterte er zurück und verwies auf den immer länger werdenden Hals von Florence' linkem Sitznachbar. Florence bedachte Litigant mit einem umwerfenden (und völlig falschen) Lächeln, während sie das Paket unter dem Tisch an Severus weiter reichte. "Ein hübscher Vogel, nicht wahr?" fragte sie an Litigant gewandt und ihr Lächeln bekam in den folgenden Minuten, in denen der Lehrer für die Verteidigung gegen die Dunklen Künste sie über die Besonderheiten dieser Vogelgattung aufklärte, etwas Verkniffenes. Selbst dem Vogel schien diese Litanei zu lang zu werden, er kreischte markerschütternd und Florence stopfte ihm mit mehreren Scheiben Toast den riesigen Schnabel. Severus zupfte an ihrem rechten Ärmel und bedeutete ihr, mitzukommen. Florence setzte das Federvieh auf den Tisch und entschuldigte sich bei dem immer noch vor sich hin monologisierenden Litigant, bevor sie Severus aus der Halle folgte. In der Eingangshalle angekommen fing Severus plötzlich an zu lachen: "Du hättest eben dein Gesicht sehen sollen! Zum Schreien!" "Das hätte ich auch gleich getan, wenn er noch länger vor sich hin geschwafelt hätte! Konntest du mich nicht ein paar Minuten eher retten?" Florence fand die Situation zwar auch komisch, aber so einfach wollte sie Severus sein Betragen der letzten Tage nicht verzeihen. Erst als er sie überrascht ob ihrer Ernsthaftigkeit anblickte, lachte auch sie. Ein paar Schüler verließen die Große Halle und Severus führte sie am Arm die Treppe zu seinem Labor hinunter. "Also," begann er, "was ist das für eine Wunderwurzel?" Den Rest des Tages verbrachten sie zwischen Gläsern, Flaschen, Destilierapparaturen und Kesseln im Labor. Als es Zeit zum Abendessen wurde, stand Direktor Dumbledore grinsend in der Tür: genau so hatte er sich das vorgestellt, nicht aber, daß sie völlig die Zeit vergessen würden. "So, meine Lieben, ich muß euch jetzt leider bitten, alles weg zu räumen und mich zum Essen zu begleiten! Wenn ihr wollt, habt Ihr noch den ganzen Abend Zeit zum Experimentieren!" Während des Abendessens tuschelten Severus und Florence fast ununterbrochen miteinander, was Professor Litigant mit hochgezogenen Augenbrauen mißbilligte, zumal er nicht verstehen konnte, worum es ging.

Auch Harry, Ron und Hermine beobachteten während des Essens die beiden Lehrer, die völlig in ihrem Gespräch vertieft waren. "Möchte wissen, was die beiden sich gerade erzählen... ihren Streit haben sie wohl mittlerweile beigelegt!" bemerkte Harry und ließ die beiden kaum aus den Augen. Auch Ron wandte nicht den Blick von ihnen ab, während er seine Suppe knapp neben seinem Teller platzierte. "Himmel! Snape hat gerade gelächelt!" Ron ließ die Suppenkelle mit lautem Platschen in die Terrine fallen. Nur Hermine sagte nichts, schaute säuerlich drein und wischte sich Suppenspritzer von ihrem Hemd. "Vielleicht hat das was mit dem Paket von heute morgen zu tun... Snape hatte es vorhin unter dem Arm, als er das Frühstück verließ!" bemerkte Harry und schlürfte seine Suppe. "Ja, garantiert! Madam Farstalker ist ja direkt danach aufgestanden und hinter ihm her..." stimmte Ron zu und versuchte diesmal, beim Füllen seines Tellers mit Suppe auch zu treffen. "Tze!" ließ sich Hermine vernehmen und Ron und Harry wandten die Köpfe zu ihr um. "Was?" fragte Ron und blickte sie erstaunt an. "Wenn ihr beide heute nicht die ganze Zeit auf dem Quidditch - Feld gewesen wärt, hättet ihr mitbekommen, daß Professor Snape und Madam Farstalker den ganzen Tag im Labor verbracht haben..." erklärte Hermine in eben jenem oberlehrerhaften Ton, den sie nur noch selten verwandte. Eigentlich nur, wenn sie kurz vorm Platzen vor Wut war. "Du bist ihr heute wieder gefolgt?" fragte Harry und fühlte sich irgendwie übergangen. "Das brauchte ich nicht! Ich wollte vorhin Professor Snape aufsuchen und ihn etwas fragen wegen dem Aufsatz, den wir für ihn schreiben sollen bis Dienstag. Ihr habt wahrscheinlich noch nicht einmal damit angefangen, wenn ich eure Gesichter richtig deute... aber egal. Er war nicht in seinem Büro, aber aus dem Labor kamen Geräusche... also habe ich um die Ecke geschaut und sie haben mich nicht mal bemerkt, so beschäftigt waren sie." "Beschäftigt womit?" fragten Harry und Ron gleichzeitig. Doch statt Hermine antwortete Lavender Brown in ärgerlichem Ton: "Sich zu amüsieren..." und Parvati Patil setzte hinzu: "Falls man wirklich etwas komisch finden kann, wenn man sich mit Chemikalien beschäftigt..." "Auf jeden Fall haben sie den ganzen Tag irgendwelche Formeln an die Tafel gekritzelt und Tests mit irgend so einem blauen Zeug durchgeführt..." erklärte Hermine und schaute Harry und Ron provozierend an. "Ihr habt ihnen alle drei nachspioniert?" fragte Ron und die Mädchen liefen rot an. Übrigens nicht nur Hermine, Lavender und Parvati, sondern noch einige andere ältere Mädchen schienen sich peinlich berührt vorzukommen. "Was war das heute? Der 'Spioniert - Snape - und - Farstalker - nach' - Tag?" Ron war entsetzt. "Ich glaube eher, daß das heute ein mehr oder weniger unfreiwilliges Treffen des inoffiziellen Snape - Fanclubs war..." Harry grinste breit: die Mädchen waren eifersüchtig auf Madam Farstalker!

"Laß uns Schluß machen für heute! Ich bin todmüde!" sagte Florence und gähnte herzhaft. "Warte, eine Sekunde..." Severus war einfach nicht von den Experimenten abzubringen gewesen in der letzten halben Stunde, obwohl Florence immer wieder Andeutungen gemacht hatte, daß es mittlerweile schon sehr spät wäre, sie morgen neue Einfälle hätten, und so weiter. Langsam wurde sie wirklich etwas ungeduldig, auch wenn er heute schon den ganzen Tag einen Glanz in den Augen hatte, den sie seit ihrer Rückkehr nach Hogwarts noch nicht gesehen hatte: er war begeistert! Und Florence müde. Auch wenn es ihr unhöflich erschien, klopfte sie ihm kurz auf die Schulter und sagte: "Wie dem auch sei, ich gehe jetzt ins Bett!" "Hmp? Oh.. ja.. Ich komme gleich mit, nur noch aufräumen..." antwortete Severus gedankenverloren und ließ sein letztes Experiment kaum aus den Augen, während er die anderen Sachen vom Tisch wegräumte. "Wer sagt dir eigentlich, daß ich das möchte?" grinste Florence und verwirrte Severus damit nicht nur leicht. "Worum geht's? Ich verstehe nicht..." "Ich bemerkte nur, daß du dich angehört hast, als wolltest du in mein Bett mitkommen und wieso du annimmst, daß ich damit einverstanden wäre, nichts weiter..." Florence grinste immer noch von einem Ohr zum anderen: "Geh schlafen!" und verließ das Labor.

Diese Nacht konnte Severus einfach nicht einschlafen. Zum Einen schossen ihm ständig neue Gedanken durch den Kopf, was man mit dieser Wurzel alles anstellen könnte, zum Anderen mußte er auch immer wieder an Florence denken... Was hatte sie vorhin gemeint? Wollte sie, daß er mitkam oder nicht? Hatte er wirklich so geklungen, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt, daß er neben ihr schlief? Vieles hatte ihn heute an früher erinnert, als sie noch fast jeden Tag miteinander zu tun hatten. Sie hatten immer noch wie ein gut aufeinander eingespieltes Team im Labor gearbeitet, als wären nicht etliche Jahre seit dem vergangen, sondern höchstens ein paar Tage. In der Nacht im Krankensaal war es schon so ähnlich gewesen, sie hatten sich nur mit Blicken verständigen müssen, hatten sich trotz der drangvollen Enge nicht angerempelt und jeder Handgriff saß. Genau wie heute... So kam er nicht weiter! Er stand auf und ging zurück ins Labor nebenan. Wenn er sowieso nicht schlafen konnte, konnte er auch genauso gut etwas produktives tun.

Florence wälzte sich von einer Seite ihres Bettes auf die andere. Sie war eigentlich todmüde, aber sobald sie im Bett lag, war sie hellwach gewesen. Hätte sie sich den Spruch vorhin verkneifen sollen? Aber er hatte einfach zu niedlich geklungen... Niedlich! Das definitiv letzte Adjektiv, daß irgendjemand außer ihr auf Severus Snape, den überstrengen, cholerischen und meist schlechtgelaunten Zaubertranklehrer anwenden würde... Oh nein! Es fing schon wieder an! Die Symptome waren eindeutig: warmes Kribbeln in der Magengegend, feuchte Hände, schlaflose Nächte... Sie nahm ein Kissen von der anderen Bettseite und stellte sich vor, daß es Severus' Gesicht sei... und boxte hinein! Nachdem sie das Kissen noch ein paar Mal verdroschen, gewürgt, gebissen und schlußendlich aus dem Bett geworfen hatte, drehte sie sich auf die Seite und weinte sich still in einen unruhigen und viel zu kurzen Schlaf.

"Ähem, Professor? Professor Snape, Sir?" "Was? Ich bin wach..." erschrocken fuhr Severus aus dem Schlaf und stellte fest, daß er immer noch im Labor saß, er mußte mit dem Kopf auf den Armen auf der Tischplatte eingeschlafen sein. Und nun stand Draco Malfoy vor ihm, der mittlerweile das zweite Jahr sein morgendliches Weckkommando machte. Jeden Morgen stand Vertrauensschüler Draco vor seinem Büro und erzählte ihm, was in der Nacht im Hause Slytherin passiert sei. Und sei es auch nur, daß nichts geschehen war. Da er ihn nicht im Büro angetroffen hatte, war er wohl auf die Suche nach seinem Lieblingslehrer gegangen und mußte nicht lang suchen. Severus fühlte sich wie gerädert. Und weiter gekommen als gestern Abend war er auch nicht. Zu oft mußte er auch im Labor noch an Florence denken... Einmal hatte er sogar kurz das Gefühl, ihr Parfüm riechen zu können. Letztendlich hatte er sich nur noch an den Tisch gesetzt und ihre Aufzeichnungen durchgelesen. Sie war vor drei Jahren auf die Wurzel gestoßen und hatte unter teilweise primitivsten Umständen geforscht. Eigentlich waren ihre Aufzeichnungen mehr eine Art Tagebuch. Dort standen Dinge wie: "Die letzte Flucht hat mich um Wochen zurück geworfen... die Aufzeichnungen von zwei Monaten sind verbrannt, darunter auch mein letzter Brief von Onkel Albus... gerade noch entwischt, mußte aber die Destille zurücklassen..." Langsam aber sicher bekam er den Eindruck, daß Florence in den letzten Jahren nur von einem Versteck zum nächsten geflüchtet war, keine Zeit für Freundschaften hatte und ihre einzige Verbindung zur zivilisierten Welt Albus Dumbledore gewesen war. Er war noch nicht einmal halb durch die Niederschriften durch und er nahm sich den Rest für den heutigen Abend vor. Falls er nicht direkt nach dem letzten Unterricht heute ins Bett fiel... Hastig kramte er die Pergamente mit Florence' für Normalsterbliche nur unter Schwierigkeiten zu entziffernden unordentlichen Handschrift zusammen und fragte Draco, der immer noch vor ihm stand, nach der Uhrzeit. "Das Frühstück beginnt gleich, Sir!" antwortete Draco und wunderte sich über seinen Lehrer, der einfach nur fürchterlich aussah. "Gehen Sie nur vor, ich komme gleich nach!" brummte Severus und dachte sich: 'Sobald ich wieder wie ein Mensch aussehe...' Als er in der Großen Halle ankam, war von Florence mal wieder nichts zu sehen. Severus setzte sich auf seinen Platz und schaute die Schülertische entlang. Einige Schüler starrten ihn entsetzt an (soooo schlimm sah er heute Morgen nun auch wieder nicht aus, fand er), die meisten aber mieden peinlichst seine forschenden Blicke, was ihm bedeutend lieber war. Von der Seite her fühlte er die bohrenden Blicke seiner Kollegen und ein kaum zu unterdrückendes Gähnen befiel ihn. "Severus, soll ich deinen Unterricht für heute absagen?" wisperte Direktor Dumbledore ihm hinter dem Rücken von Professor Litigant zu. "Nein, alles in Ordnung, war nur etwas spät gestern..." flüsterte er zurück und nahm im Augenwinkel gerade noch war, daß Litigant sein Gesicht zu einer hämischen Grimasse verzogen hatte. Severus schoß einen seiner vernichtestenden Blicke in seine Richtung ab und konzentrierte sich auf sein Frühstück. "'Tschuldigung..." Florence nahm schnell neben ihm Platz und tat sich Rührei auf. "Ich möchte ja nicht oberlehrerhaft klingen, meine Liebe, aber indem Sie ständig zu spät oder gar nicht zu den Mahlzeiten kommen, sind Sie nicht gerade ein gutes Vorbild für die Schüler!" kommentierte Professor Litigant Florence' Zuspätkommen. Severus und Florence schauten ihn gleichzeitig überrascht an und Wut machte sich in ihnen breit. Gerade als er sie in Schutz nehmen wollte, trat Florence Severus unter dem Tisch auf den Fuß und er blieb stumm, im Gegensatz zu ihr: "Und ich möchte nicht sarkastisch klingen, mein Lieber, aber glauben Sie ernsthaft, Ihr Unterricht ist genug praxisbezogen? Ich glaube nicht, daß es den Schülern im Notfall etwas nützt, wenn Sie ihnen nur beibringen, andere zu Tode zu langweilen. Ich denke, Professor Snape wäre genauso gern bereit wie ich, Ihnen Nachhilfe in diversen Angriffsflüchen zu erteilen!" Das war zu viel: Severus brach in lautes Lachen aus und Professor Litigant warf entrüstet seine Serviette auf die Reste seines Frühstücks, bevor er aus der Halle stürmte. Albus Dumbledore sackte mit einem lauten Seufzen in seinem Stuhl zusammen und sagte nur: "Ihr Zwei! In mein Büro! Sofort!"

"Was soll ich bloß mit euch beiden anstellen? Soll ich euch an einen Extra - Tisch setzen?" fragte Dumbledore matt die beiden Lehrer, die immer noch grinsend vor seinem Schreibtisch saßen. "Ich denke, wenn du Litigant an einen eigenen Tisch setzt, wäre das schon genug!" kicherte Florence und Severus biß sich schmerzhaft auf die Unterlippe, um nicht noch einmal so loszuprusten wie unten in der Halle. Albus Dumbledore seufzte erneut: sie hatten ja recht, Litigant war unerträglich. Aber in den letzten sechs Jahren hatten sechs verschiedene Lehrer Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichtet und alle hatten früher oder später aufgegeben. Litigant war Kandidat Nr. 7 und brachte sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger wenigstens nicht ständig selbst in Lebensgefahr. "Ich kann es meinen Lehrern einfach nicht durchgehen lassen, wenn sie sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen! Ich habe Minerva McGonagall auch schon öfter verwarnt, wenn sie wieder etwas gegen Sybil Trelawney in Gegenwart ihrer Schüler gesagt hat!" "Aber von den Schülern hat doch gar keiner mitbekommen, um was es ging!" entrüstete sich Severus. "Das brauchten sie auch gar nicht! Dein Lachanfall und Litigant's wütender Abgang haben schon völlig ausgereicht. Und Florence: bitte kichere nie wieder so fies wie heute Morgen, ja? Und jetzt seht zu, daß ihr in eure Klassen kommt, um Litigant kümmere ich mich schon..." Dumbledore war nicht besonders erpicht darauf, sich mit dem Langweiler auseinander zusetzen, aber wenn er jetzt kündigte, hatte er einen Lehrer zu wenig... Severus und Florence verließen immer noch kichernd sein Büro. Und auch Dumbledore mußte lächeln: es war fast wieder wie in alten Zeiten.