Kapitel 14 - Schülerkram von Molly

Draco Malfoy war immer noch wütend. Professor Snape war mitten in der Nacht leise in den Slytherinbereich gekommen und hatte den schlafenden Erstklässler zurück in seinen Schlafsaal gebracht. Draco hatte nicht schlafen können und konnte Snape unbemerkt von einer dunklen Ecke des Gemeinschaftsraumes aus beobachten. Als er wieder ging, hatte er einen sorgenvollen Ausdruck im Gesicht, der Draco mißfiel. Am nächsten Morgen war er absichtlich nicht zu seinem Hauslehrer ins Büro gekommen. Was sollte er über diese Nacht auch sagen? Guten Morgen, Sir, heute Nacht habe ich gesehen, wie sie sich um einen dummen Erstklässler mehr sorgen als um mich und das gefällt mir nicht? Draco hätte Severus auch gar nicht in seinem Büro vorgefunden, aber das wußte er ja nicht. Severus Snape war noch vor dem Frühstück zu Direktor Dumbledore gegangen, um seine Sorge über seinen jüngsten Schüler zum Ausdruck zu bringen. "Kevin Rabanus ist zu jung. Wir sollten ihn erst nächstes Jahr aufnehmen." begann er direkt und ohne Umschweife. "Ich weiß, Severus, ich weiß. Aber ich habe meine Gründe, warum er jetzt schon hier sein muß!" entgegnete Albus Dumbledore und sah sich durch Severus' forschenden Blick in Erklärungszwang gebracht, schwieg aber. Vielleicht gab der Jüngere ja nach. "Könntest du mir die eventuell auch mitteilen, oder muß ich selbst herausfinden, warum ich nachts den Babysitter machen muß?" Severus war müde: er hatte jetzt schon die zweite Nacht hintereinander kaum geschlafen und konnte jederzeit wieder zu einem nächtlichen Todesser - Treffen gerufen werden, was sogar in den nächsten Tagen sehr wahrscheinlich schien. "Ich könnte und ich werde, Severus, aber nicht heute. Du mußt mir vertrauen, er ist wichtig für das Kommende..." "So wichtig für das Kommende wie deine eigene Nichte? Ist er ein weiteres Bauernopfer im Kampf gegen Voldemort?" Severus war wütend. Was verlangte Dumbledore eigentlich noch alles von ihm und den Menschen um ihn herum? "Mein Junge, weder Florence noch Kevin Rabanus oder du sind Bauernopfer. Ich wünschte, du würdest das alles nicht so sehen. Ihr alle habt euren Anteil im Kampf und keiner wird einfach so geopfert... Ich weiß, ich habe von Flo und dir bereits mehr verlangt, als die meisten bereit gewesen wären, zu geben. Aber in Kevin's Fall geschieht es zu seinem eigenen Schutz, daß er hier ist. Daß er dir vertraut und in dir einen Ersatz für seine Eltern sieht ist doch etwas Gutes!" "Und wenn wir das Ganze überleben wird er noch anhänglicher werden, als Malfoy's Sohn. Weißt du eigentlich, daß Draco jeden Morgen in mein Büro gestiefelt kommt, nur um sich einzuschleimen? Das nervt!" Severus sah ein, daß er aus seinem väterlichen Freund heute morgen rein gar nichts herausbekommen würde. Aber er konnte die Gunst der Stunde doch nutzen, um sich noch ein paar Sachen von der Seele zu reden. Erstaunt nahm er wahr, daß Dumbledore anfing, zu lächeln. "So, tut er das, ja?" Dumbledore's Lächeln wurde breiter. "Was findest du daran so komisch?" "Komisch ist das überhaupt nicht... Ich stelle nur immer wieder erneut fest, wieviel Einfluß du doch auf die schwierigsten Schüler nehmen kannst... Slytherin zu leiten ist eine der kompliziertesten Aufgaben überhaupt in Hogwarts und du erfüllst sie immer wieder mit Bravour!" Severus war verwirrt: er war gekommen, um Dumbledore zur Rede zu stellen und nun wurde er plötzlich gelobt? War Albus Dumbledore vielleicht betrunken? "Es ist Zeit fürs Frühstück, Severus! Um was wollen wir wetten, daß Flo heute wieder zu spät kommt?"

Severus Snape war an diesem Vormittag wesentlich friedlicher als die Woche zuvor. Zwar schaffte es Neville Longbottom immer noch, daß Gryffindor 5 Punkte abgezogen wurden (sein Kessel, den er sich mit Seamus teilte, war durchgeschmolzen), aber er bestrafte wenigstens nur Neville, und das sogar ohne zu schreien. Harry beobachtete Snape zweifelnd: war er etwa wieder so depressiv wie noch vor wenigen Monaten? Nein, er lächelte Malfoy zu wie immer und übersah wie üblich die Unfähigkeit von Crabbe und Goyle. Snape sah müde aus, aber nicht unglücklich. Er war einfach nur ruhiger... Ron und Hermine stritten sich leise während ihrer Partnerarbeit und Harry's Partner Dean stupste ihn an: "Harry? Bist du noch wach? Ich brauche jetzt die Hundsrose, die du eigentlich geschnitten haben solltest!" "Entschuldige, Dean... Hier..." Harry war in Gedanken immer noch bei Snape. Lavender und Parvati kicherten leise, als Snape auf seinem Kontrollgang durch das Klassenzimmer an ihnen vorbeirauschte. "Mr. Potter! Wollen Sie ihrem Partner nicht helfen bei der Zubereitung oder warum träumen Sie hier so vor sich hin?" Okay, Snape war völlig normal.

Am Nachmittag stand wieder Flugkunde auf dem Stundenplan der Siebtklässler und die meisten Schüler hatten ihre eigenen Besen mitgebracht. Madam Farstalker begutachtete alle eingehend und erklärte ihnen ausführlich, worauf sie zu achten hatten bei den verschiedenen Modellen. Bei Draco Malfoy mit seinem Nimbus 2001 mußte sie sich schwer zusammenreißen. Sie war letzte Woche zu hart mit ihm umgegangen. Er war nicht sein Vater und wußte wohl auch nichts von der Angelegenheit. "Tja, ein Nimbus... Schön und leider etwas zu teuer für die meisten... Außerdem bekommt er mit der Zeit eine leichte Schieflage... Dieser ist aber noch in Ordnung. Finden Sie ihn bequem, Mr. Malfoy?" fragte Florence freundlich und gab Draco seinen Besen zurück. "Ja, Mam." antwortete Draco und klang dabei nicht so überheblich, wie sonst. Harry und Ron warfen sich ungläubige Blicke zu. Wurde Madam Farstalker etwa auch noch friedlich? Schade eigentlich, letzte Woche hatte Draco gut zu leiden gehabt... aber wahrscheinlich hatte er mit Snape gesprochen, der seine gute Beziehung zu der Lehrerin wiederum ausgenutzt hatte, um seinen Lieblingsschüler zu schützen. "Nun, wie lang waren Sie denn bisher an einem Stück damit in der Luft?" fragte Florence Draco weiter. "Nur während der Quidditch - Spiele, eine Stunde oder so..." "Können Sie sich vorstellen, damit bis nach Frankreich zu fliegen?" Draco räusperte sich und schaute sich Hilfe suchend um, was Harry und Ron mit einem Grinsen quittierten. "Warum nicht?" fragte Draco herausfordernd und blickte der kleineren Lehrerin fest in die Augen. Florence seufzte: diese Reaktion und der Tonfall kamen ihr irgendwie bekannt vor. Angriff als Verteidigung war auch immer Severus' bevorzugte Wahl gewesen, wenn er in die Ecke gedrängt wurde. "Ich frage Sie deshalb, weil dieser Besen nur für kurze Strecken geeignet ist: gute Beschleunigung, wendig, schnell. Gut für Quidditch aber ungeeignet für längere Reisen, wo es nur geradeaus geht. Durch die Wendemanöver beim Spiel verlagern sie öfter ihr Gewicht, bei langen Reisen passiert das nur, wenn sie einem Fluggerät der Muggel ausweichen müssen. Und da sind Rennbesen allesamt sehr unbequem..." Sie ging ein paar Schritte weiter und stoppte vor Harry mit seinem Feuerblitz. Sie pfiff leise durch die Zähne, als sie den Besen in die Hand nahm: "Nicht schlecht! Und gut gepflegt!" Harry wurde rot im Gesicht. Gestern Abend hatte er seinen Besen noch auf Hochglanz poliert, nachdem er endlich zusammen mit Ron den Aufsatz für Snape fertiggestellt hatte. "Aber eben auch ein Rennbesen, Mr. Potter... Obwohl der hier bequemer aussieht als die Nimbusserie... Ich habe noch nicht allzuviele Feuerblitze bisher gesehen... Darf ich?" fragte Madam Farstalker und Harry wurde puterrot, als er nickte. Sie stieg auf seinen Besen und stieß sich kraftvoll vom Boden ab. Die Gryffindors und Slytherins starrten ihrer Lehrerin mit offenen Mündern hinterher, als diese in rasantem Tempo um die Türme des Schlosses herum sauste. Wenige Minuten später sprengten die Schüler entsetzt schreiend auseinander, als Madam Farstalker zum Sturzflug auf den Hof, in dem sie standen, ansetzte. Erst kurz vorm Boden riss sie den Besen hoch und landete nur wenige Zentimeter neben dem Platz, von dem sie gestartet war. Ihr Haare hatten sich teilweise aus dem wilden Knoten, den sie Frisur nannte, gelöst und ihre Wangen waren leicht rosa gefärbt. "Hey, habe ich etwas von Pause gesagt?" lachte sie den verschreckten Schülern entgegen. "Für einen fertig gekauften Besen ist das wirklich ein wunderbares Stück! Allerdings hat er etwas Probleme bei scharfen Rechtskurven, Mr. Potter!" Harry fragte sich ernsthaft, ob er jemals wirklich solche Kurven fliegen würde, wie seine Lehrerin gerade eben noch. Das waren keine Kurven gewesen, sondern eher totale Kehrtwenden in einem Tempo, das er bisher nur gewagt hatte, wenn es darum ging, den Schnatz zu fangen. Ohne Frage, diese Frau konnte ausgezeichnet fliegen. Harry konnte einfach nicht anders, er mußte sie fragen: "Madam Farstalker? Haben Sie früher für England in der Nationalmannschaft Quidditch gespielt?" Florence starrte ihn ungläubig an und brach dann in schallendes Gelächter aus. "Nein, Mr. Potter! Ich mag Quidditch nicht mal besonders gern! Ich habe nur in meiner Schulzeit einmal eine Saison gespielt... Aber danke für das Kompliment!" Sie lächelte breit und scheuchte sie alle in die Luft. Eine Stunde Hindernistraining war noch zu absolvieren, bevor die Lehrerin sie entließ. "Mr. Potter, Mr. Weasley und Mr. Longbottom bleiben bitte noch kurz hier, die anderen können gehen!" Harry und Ron schauten sich fragend an und zuckten mit den Schultern. Draco Malfoy ließ die Besen von Crabbe und Goyle in den Schuppen bringen, dann wandte sich Florence den dreien zu: "Mr. Longbottom, ich schlage Ihnen Samstagnachmittag gegen vier Uhr vor, ist das in Ordnung für sie?" "Ja, Madam Farstalker! Sehr gern sogar!" Neville strahlte von einem Ohr zum anderen. "Gut! Sie können dann auch gehen! Und Sie beide... nun ja: Direktor Dumbledore hielt es für eine gute Idee, Sie nicht Professor Litigant auszuliefern, aber Sie haben noch eine Strafarbeit zu erledigen. Und da ich viel zuviel um die Ohren habe, werden Sie mir zur Strafe für ihre Zettelaktion am Freitagabend zur Hand gehen... Keine Angst, ich verlange nichts Unmögliches von Ihnen, aber es wird eine recht langwierige Aktion werden, wenn ich das richtig sehe.. Ist Ihnen direkt nach dem Abendessen recht?" fragte Florence und lächelte freundlich. Harry und Ron sahen sich erneut an und antworteten gleichzeitig: "Natürlich, Mam!" Sie blickte noch kurz hinter den beiden Freunden hinterher, die dem Eingang zustrebten, als sie bemerkte, daß sie nicht allein war. Sie wand sich um und dort standen Malfoy, Crabbe und Goyle, letztere mit leerem Ausdruck im Gesicht, Draco zweifelnd und abschätzend. Diesmal hatte sie ihn nicht so runtergeputzt wie letzte Woche, aber er vertraute ihr nicht. Er bedeutete Crabbe und Goyle mit einem Kopfnicken, zurück ins Schulgebäuden zu gehen und fragte Florence: "Könnte ich Sie kurz sprechen, Mam?" "Sicher... Um was handelt es sich denn, Mr. Malfoy?" Florence lächelte nun nicht mehr, sondern war ziemlich angespannt. Was konnte der Sohn eines ihrer ehemaligen Peiniger wohl unter vier Augen mit ihr zu besprechen haben? "Mam... Ich wollte mich für mein Betragen letzte Woche bei Ihnen entschuldigen..." eigentlich wollte Draco etwas völlig anderes fragen, aber er traute sich nicht. Florence lächelte leicht : "Nun, ich bin letzte Woche Ihnen gegenüber auch nicht besonders fair gewesen, oder?" Sie stützte sich auf ihren Besen und beobachtete Draco, wie der seine Schuhspitzen fixierte. "Für mich ist die Sache damit erledigt. Das war aber nicht der einzige Grund, weswegen Sie mit mir sprechen wollten, habe ich Recht?" Draco lief rot an. Konnte sie etwa Gedanken lesen? "Nun... ich..." Stammelte er und verstummte völlig, als er wieder aufblickte und bemerkte, das Florence kaum noch einen Schritt von ihm entfernt war und ihn äußerst besorgt ansah. "Sie haben Sorgen und wissen nicht, an wen Sie sich wenden können..." bemerkte sie und Draco schluckte schwer. Wenn sie ihn weiterhin so mütterlich ansah, würde er gleich in Tränen ausbrechen. "Es ist schon gut, ich möchte Sie nicht weiter belästigen..." Draco wand sich abrupt um und rannte ins Schloß. Ich sollte Severus davon erzählen, es ist immerhin ein Schüler aus seinem Haus, dachte Florence und schüttelte den Kopf. Draco war Severus im Grunde sehr ähnlich, äußerlich völlig verschieden, aber genauso verschlossen, arrogant und hinterhältig wie es Severus in seiner Jugend gewesen war. Und mit der selben Art 'Freunde' unterwegs: dumm und unsensibel, jederzeit bereit, die Drecksarbeit für ihn zu erledigen aber nicht geeignet für tiefere Gespräche. Und aller Wahrscheinlichkeit nach wurde er mit demselben geistigen Müll zu Haus gefüttert wie ihr ehemaliger Liebhaber früher. Florence seufzte: wenn das Böse jemals ausgelöscht werden sollte, müßten bestimmten Eltern der Mund verboten werden. Solang das schwarze Gedankengut von Generation zu Generation weitergegeben wurde, würde es immer Zauberer und Hexen geben, die sich als etwas besseres aufspielten und andere als Schlammblüter bezeichneten. Und einem neuen Voldemort folgen... was war das nur für ein seltsamer Gedanke! Sie hatten doch noch nicht mal den derzeitigen Voldemort vernichtet und sie dachte schon wieder an seinen Nachfolger!

Beim Abendessen unterhielten sich Severus und Florence leise über Kevin Rabanus und Draco Malfoy, in der Hoffnung, daß keiner der anderen Lehrer oder gar Schüler etwas davon mitbekam. "Malfoy hat irgendetwas, rückt aber nicht mit der Sprache raus!" flüsterte Florence und schilderte ihm ihr kurzes Gespräch vom Nachmittag, vermied es aber, Draco mit Severus zu vergleichen. Severus zeigte sich erstaunt: "Du bist heute schon die Zweite, die mich auf Malfoy anspricht... Vielleicht sollte ich mich wirklich mal mit ihm ausführlicher unterhalten..." Er schaute kurz auf und suchte den Slytherintisch nach dem Gesicht seines Siebtklässlers ab. Der schien gerade damit beschäftigt zu sein, Harry Potter Grimassen zu schneiden, wirkte also für ihn völlig normal. Er zuckte mit den Schultern und erzählte von seinem nächtlichen Besucher, woraufhin Florence breit lächelte. "Was ist denn? Du grinst schon genauso wie dein Onkel heute morgen!" "Wie süüüüüß!" lachte Florence und Severus fühlte das Blut in seinen Kopf schießen. "Ja, macht euch doch alle lustig über mich! Ich kann das ja ab!" er war wütend und peinlich berührt zugleich. "Hey, schnapp nicht gleich ein, ja? Das zeigt doch nur, wie gut du mit dieser Brut umgehen kannst!" Florence lachte immer noch. "ICH hätte deinen Job als Hauslehrer von Slytherin schon nach einem Tag geschmissen, glaub es mir!" Severus mußte dringend das Thema wechseln: "Ich bin durch dein Gekritzel durch und hab es noch einmal sauber abgeschrieben... Du hast nur vergessen aufzuschreiben, wie die Wurzel in einen Gedächtnistrank umgewandelt wird." "Oh, das ist einfach: man nimmt einfach irgendeinen billigen Fusel, zermahlt einen Teelöffel voll von der Wurzel pro halben Liter Flüssigkeit, gibt das Pulver in den Schnaps, schüttelt und fertig ist das Wunderwerk! Und eklig schmeckt es auch noch!" "Vielleicht liegt das ja auch an dem billigen Fusel?" Severus lächelte und sah gerade noch aus dem Augenwinkel, daß Litigant sie beide beobachtet hatte. Als seine Miene einfror, schaute Florence in die gleiche Richtung: "Litigant?" "Ja!" raunzte Severus und fühlte wieder die Wut vom gestrigen Abend in ihm aufsteigen. "Mach dir keine Sorgen, er ist einfach nur in seiner Eitelkeit gekränkt und ich bin schuld daran. Ich hätte mich zusammenreißen sollen anstatt ihn zu ärgern... Ich werde mich bei ihm noch entschuldigen und dann war's das..." versuchte Florence ihn zu beruhigen. "Du wirst in keinem Fall allein mit ihm sprechen! Ich vertraue diesem Mistkerl nicht!" flüsterte er bestimmt. "Dann gehen wir zusammen zu ihm! Immerhin hättest du dich ja auch ein bißchen zurückhalten können!" Es war ihr überhaupt nicht recht, daß Severus versuchte, ihr Vorschriften zu machen, doch der bekam ihre Verstimmung gar nicht mit. Er starrte immer noch in Litigant's Richtung. "In Ordnung. Aber nicht heute! Ich muß dringend schlafen und wenn ich mich heute noch mit dem da auseinandersetzen soll, wird daraus wieder nichts... Oder ich schlafe sofort ein, wenn er den Mund aufmacht!" Beide lachten und kümmerten sich wieder um ihr Essen.

Madam Pince wollte an diesem Abend nur noch einige Bücher, die sehr nahe an den Fenstern in den Regalen standen mit neuen Registraturnummern versehen, die alten Schilder waren völlig ausgebleicht. Während des Tages kam sie nie dazu, ständig standen Schüler vor ihrem Tisch und wollten irgendetwas von ihr. Sie nutzte die Zeit nach dem Abendessen in der Woche zum Ausbessern, am Wochenende ging sie meist abends mit Professor Sinistra und eigentlich auch Madam Hooch nach Hogsmeade oder nach London in die Winkelgasse wenn ihr Dienst in der Bibliothek beendet war. Die neue Fluglehrerin wirkte nicht so, als hätte sie Interesse an den Freizeitbeschäftigungen der älteren Frauen, daher hatten sie sie bisher nicht gefragt. Außerdem war sie neuerdings meist mit Professor Snape zusammen. Ein seltsames Gespann. Sicher, beide waren jünger als die anderen Lehrer, aber Madam Pince fand es auch nach so vielen Jahren noch befremdlich, sich mit dem Zaubertranklehrer abzugeben. Von daher verstand sie nicht, was so eine junge und... ja, auch ganz hübsche Hexe an diesem Grummelkopf so interessant fand. Während sie ihren Gedanken nachhing, hörte sie, wie die Bibliothekstür geöffnet wurde und rief automatisch: "Für heute ist hier geschlossen! Kommen Sie morgen wieder!" "Oh, ich dachte nicht, daß noch jemand hier ist! Entschuldigen Sie bitte, Madam Pince!" Es war Professor Litigant, eine weitere unangenehme Gestalt aus den Reihen der Lehrer. Nun, zumindest hatte er die Berechtigung, Tag und Nacht die Bibliothek aufzusuchen und Madam Pince seufzte: "Oh, Professor! Was kann ich für Sie tun?" "Ich finde mich sicher schon zurecht, danke! Sind sie öfter abends noch hier?" fragte Litigant schmeichelnd und Madam Pince antwortete: "Ja, fast jeden Abend in der Woche... Haben Sie vor, öfter um diese Uhrzeit zu kommen, Professor?" "Jaaa, ich denke das wird wohl erforderlich werden, leider! Aber was tut man nicht alles für die Forschung, nicht wahr, meine Teuerste?" Madam Pince lächelte und dachte bei sich: 'Als ob ich irgendetwas mit der Forschung zu tun hätte! Das einzige, was dem nahe kommt, ist herauszufinden, wie die Bücher nicht noch weiter zerfallen... und wohin irgendwelche Schüler sie verstellt haben!' Litigant verschwand zwischen den Regalen und Madam Pince wechselte weiter Etiketten aus. Sie mußte sich demnächst einmal wieder an Professor Snape wenden wegen des Konservierungstranks... einige Bücher sahen schon wieder sehr mitgenommen aus. In den nächsten Wochen war Madam Pince keinen Abend allein in der Bibliothek, Professor Litigant war nun ihr ständiger stiller Gesellschafter. Nur ab und zu hörte sie ihn etwas brummeln oder Bücher bewegen.

Im Laufe der Woche kamen noch vier weitere Eulen für Professor Snape an und jedesmal verschwand er in seinem Büro, sobald er eine Nachricht erhielt. Madam Farstalker reagierte aber nicht mehr so wie an dem ersten Abend, als Snape Briefe erhielt. Ehe sie sich versahen, war es Freitagabend und Madam Farstalker wartete nach dem Essen in der Eingangshalle auf Harry und Ron. Sie lächelte den beiden aufmunternd zu und führte sie in ihr Büro im dritten Stock. Als sie den Gang entlang gingen, schauten die Jungs sich unsicher an. Hinter der Tür wartete aber kein riesengroßer dreiköpfiger Hund mit Namen Fluffy mehr auf sie, sondern das Bild von Sir Cadogan hing auf der anderen Seite des Raumes mit der Falltür. "Eine Frage!" Madam Farstalker war über der Falltür stehen geblieben, "Finden Sie nicht auch, daß es hier nach Hund riecht?" Harry und Ron mußten sich ein Grinsen verkneifen und pflichteten ihrer Lehrerin einfach nur bei. "Und ich dachte schon, ich bilde mir das nur ein..." Florence zuckte mit den Schultern und ging auf das Bild mit dem Ritter zu: "Little Big Horn" Das Bild schwang auf und Harry und Ron erblickten ein sehr gemütliches Büro, daß mehr wie ein Wohnzimmer aussah. Auf dem Boden war ein Haufen Schulbesen in unterschiedlichsten Stadien der Auflösung gestapelt. "Tja, meine Herren! Und da sind wir auch schon bei ihrer Strafarbeit! Sie haben das Vergnügen, mit mir heute diese Trauerspiele in funktionsfähige Unterrichtsmaterialien zurück zu verwandeln! Kann ich Ihnen etwas Tee anbieten?" Lächelnd nahm sie die offensichtliche Erleichterung der Schüler zur Kenntnis und zückte ihren Zauberstab. Harry und Ron hatten schon weit schlimmere Strafarbeiten aufgebrummt bekommen in den letzten Jahren und hierbei konnten sie unter Umständen sogar noch etwas lernen. Außerdem schien Madam Farstalker keinen Wert auf unnötige Strenge zu legen, sie zeigte sich bemüht, den Freunden den Abend so angenehm wie möglich zu machen. Versorgt mit Tee, Obst, Musik (teilweise sogar Harry bekannten Liedern) und Werkzeug nahmen sie sich die Besen vor und kamen über die Arbeit ins Plaudern. Harry mußte immer wieder den seltsamen Besen seiner Lehrerin anschauen, der neben der Tür zum Balkon angelehnt stand. "Ähem, Madam Farstalker?" "Ja, bitte?" "Ihr Besen... was für ein Modell ist das?" Florence grinste: "Das ist das Modell Farstalker 5!" Harry und Ron schauten sie verblüfft an. "Das ist mein fünfter und bisher erfolgreichster Versuch, mir selbst einen Besen zusammenzubauen. Sieht doch ganz lustig aus, oder?" Lustig war untertrieben. Er sah einfach phantastisch aus: schlank, schwarz, schimmernd... "Ich wollte eine Kombination von Reise- und Rennbesen. Ich habe es in der Vergangenheit öfter mal etwas eiliger gehabt und bin sehr oft sehr weite Strecken geflogen... Aber so etwas gibt es nicht zu kaufen, also mußte ich selbst basteln. Mr. Weasley, wären Sie noch einmal so freundlich, mir einen Lappen zum Polieren zu reichen?" Harry stand auf und ging auf den Besen "Farstalker 5" zu, er wollte ihn nur einmal anfassen... "Das würde ich an ihrer Stelle nicht tun!" Florence hatte nicht einmal aufgeschaut, als sie Harry zurechtwies. "Ich habe nicht übertrieben, als ich sagte, eine simple Berührung könnte Sie in den Krankensaal bringen. Ich kenne einige recht unangenehme Flüche, die sich hervorragend als Diebstahlsicherung anwenden lassen!" Harry's Hand zuckte zurück, aber er blieb immer noch vor dem Besen stehen. "Was für ein Holz ist das? Ich habe noch nie so etwas gesehen!" "Ebenholz in einer Legierung mit Feensilber... Ist etwas kompliziert herzustellen, aber ich hatte schon immer ein glückliches Händchen mit der Alchemie!" Sie legte den eben von ihr reparierten Besen auf den "Erledigt" - Haufen und ging zu Harry und dem Besen hinüber. "Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich Ihnen jetzt alle meine Betriebsgeheimnisse anvertraue, oder? Außerdem wartet da noch Arbeit auf Sie, Mr. Potter!" Nachdem sie noch eine Weile gearbeitet hatten, kam Ron auf Quidditch zu sprechen: "Sie sagten, sie hätten früher Quidditch in der Schule gespielt. Wo sind sie denn zur Schule gegangen? Ich kann ihren Akzent nicht einordnen!" Florence lächelte: "Mein Vater ist Brite gewesen, meine Mutter stammt aus Skandinavien. Ich bin in unterschiedliche Schulen gegangen, aber Quidditch habe ich zu meiner Zeit in Hogwarts gespielt..." "Echt?" sagten Harry und Ron gleichzeitig, "Welches Haus? Wann?" "Ja, echt; Gryffindor; ewig her!" "Sie sind eine Gryffindor? Wow!" Ron war begeistert. Harry hatte jedoch einen anderen Gedanken und sprach diesen auch aus: "Haben Sie meine Eltern gekannt?" Florence war das Thema nicht sonderlich angenehm, aber sie antwortete trotzdem: "Ja. Allerdings hatte ich kein gutes Verhältnis zu ihnen. Es tut mir leid, Mr. Potter. Die meisten hier mochten Ihren Vater sehr gern, ich gehörte jedoch nicht dazu. Mit Ihrer Mutter kam ich eine Zeitlang ganz gut aus, aber ich hatte andere Freunde." "Professor Snape?" platzte es aus Harry heraus und er biss sich sofort auf die Zunge. Autsch! Der Blick, den er gerade von Madam Farstalker kassierte war fast so tödlich wie Snape's Lieblingsblick. "Ja, auch Professor Snape." Wie aufs Stichwort klopfte es an der Balkontür und Florence stand auf, um die Tür zu öffnen. Herein trat ein durchnäßter Severus Snape, der Harry's und Ron's Anwesenheit mit einem genervten Blick quittierte. Er stellte seinen Besen neben den von Florence und fragte: "Ist es nicht mittlerweile etwas spät geworden für Strafarbeiten?" Florence blickte auf die Uhr: "Bei allen Elementen! Es ist schon halb zwei! Sie beide sollten schon längst im Bett liegen! Ab mit Ihnen!" und wollte die Schüler raus scheuchen, doch diese bestanden darauf, noch kurz die Besen zu Ende zu bearbeiten, die sie gerade in den Händen hatten, was nur noch einige Minuten dauern sollte. Severus zog seinen nassen Umhang aus und legte ihn über Florence' Schreibtischstuhl. Dann zerrte er Florence in eine Zimmerecke und flüsterte ihr zu: "Dr. Herba hatte recht, der Sohn vom Kaufmann ist im St. Mungo eingeliefert worden. Ich habe mit den Ärzten gesprochen: sein Gedächtnis ist ausgelöscht, beziehungsweise er ist völlig wahnsinnig geworden. Wir können ihn als Versuchskaninchen nehmen, wenn wir wollen. Wenn wir etwas bei ihm erreichen, sollten wir mit den anderen auch Glück haben." "Und, willst du?" "Ich weiß nicht! Voldemort hat mir noch nie völlig getraut. Es könnte gut sein, daß er ihn gegen seinen Willen als Spion benutzt, weil er weiß, daß ich immer noch den Forschungsauftrag vom Hospital habe... andererseits... Ich bin mir einfach nicht sicher!" Harry und Ron hatten ihre Arbeit erledigt und waren aufgestanden, um sich zu verabschieden. "Gute Nacht, Mr. Potter, Mr. Weasley! Und gehen Sie bitte ohne Umwege in ihren Schlafsaal, ja?" Florence lächelte ihnen noch zu, während Severus nur die Augenbrauen hochzog. Es war ihm nicht recht, daß ausgerechnet Harry Potter mitbekam, wie er mitten in der Nacht in Florence' Räume kam. Wer weiß, was die Schüler daraus wieder für Gerüchte machten? "Möchtest du einen Tee?" fragte ihn Florence, als die Tür zugegangen war. "Eigentlich... ja, möchte ich!" Severus war kalt, auch wenn er nur das kurze Stück über das Schulgelände geflogen war. Es schüttete wie aus Eimern heute Nacht und er wollte noch etwas mit Florence zusammen sein, bevor er wieder in seine kalten Räume im Verließ zurückkehrte. "Du warst lang weg heute Abend..." bemerkte Florence und setzte sich auf das kleine Sofa am Kamin. "Tja... Ich mußte noch einen Umweg machen. Voldemort hatte kurzfristig eine 'Mitgliederversammlung' einberufen. Im Hospital war man auch nicht so glücklich über mein spätes Eintreffen, aber Dr. Herba war noch da." "Und was haben die Todesser zu berichten gewußt?" fragte Florence und rührte ihren Tee um. "Nichts, was wir nicht auch schon wußten. Das Gegenmittel wirkt gut, verliert nach einer Stunde aber seine Wirkung." 'Und diese seltsame Frau war wieder da, aber ich habe keine Ahnung, wer es sein könnte...' dachte er und fragte sich, ob er nicht zumindest Albus etwas davon sagen sollte. Er hatte es bisher vermieden zu erwähnen, wie er auf die Idee gekommen war in "Prophezeiungen, magische Wesen und die Astronomie" die zu erwartenden Ereignisse des nächsten Sommers nachzuschlagen. "Arbeiten wir morgen weiter?" "Erst abends, ich gebe Neville Longbottom Nachhilfe am Nachmittag." Severus runzelte die Stirn. "Nachhilfe? In welchem Fach?" "Fliegen, mein Lieber. Bis zur Flugprüfung. Er kann es gebrauchen. Und nach Weihnachten auch in deinem Fach..." Florence lächelte unschuldig und bot ihm Kekse an. Severus lehnte die Kekse ab und fragte: "Warum glaubst du, daß er bei dir nicht alles in die Luft jagt?" "Weil er vor mir nicht solche Angst hat wie vor dir." "Es ist gut, wenn er Angst hat, dann platzt vielleicht irgendwann bei ihm der Knoten und er zeigt, was er wirklich drauf hat!" erwiderte Severus angesäuert. Er hatte sich schon etwas dabei gedacht, als er Neville das erste Mal angefahren hatte. Allerdings hatte sein Konzept in den letzten sechs Jahren nicht wirklich Erfolg gezeigt. "Ja, das wäre eine Möglichkeit." "Seine Großmutter hat ihn bisher nur verhätschelt. Das erste Mal, als er bewies, daß er kein Squib ist, geschah das aus Angst heraus. Einer seiner Verwandten hatte ihn aus einem Fenster fallen lassen und er mußte sich selbst retten. Aber das war bisher auch eins der wenigen Male, daß er überhaupt vernünftig gezaubert hat!" "Laß es mich auf meine Art versuchen, mach du auf deine weiter. Vielleicht kommt ja gerade dadurch etwas zustande..." Severus seufzte. Er war Neville's Vater viel schuldig, aber sein Sohn hatte ihn bisher schon mehr Nerven gekostet als alle Gryffindors zusammen, die er in den Jahren zuvor unterrichtet hatte. Mut und Tapferkeit verstanden sich nur selten mit Regeln. Er selbst hatte sich zwar auch nie besonders an Regeln gehalten, aber wenigstens war er meist so schlau gewesen, sich nicht erwischen zu lassen. Und wenn doch, verstand er es, nicht allzuviel einstecken zu müssen. Eine typische Slytherin - Gabe. Er wartete immer noch jeden Tag darauf, daß Neville Longbottom der Kragen platze und er es ihm, Severus Snape zeigen wollen würde. Wenigstens irgendetwas! Statt dessen ruinierte er einen Kessel pro Monat und verwüstete sein Labor in regelmäßigen Abständen. Meistens jedoch wurden seine Tränke einfach nur wertlose Wassersuppen. Florence gähnte, ein sicheres Zeichen dafür, daß sie ihn loswerden wollte. Er schaute sie an, lächelte und sagte: "Okay, jeder auf seine Art. Aber wenn etwas dabei rum kommt, teilen wir uns auch den Erfolg! Und ich gehe jetzt, bevor ich dich noch ins Bett tragen muß!" Florence lächelte ihn kokett an, plinkerte mit den Augen und hauchte: "Schade...." Okay, das war nur Scherz, oder? Doch war es! Sie stand auf und schob den grinsenden Severus zur Tür hinaus. Er hatte seinen Umhang vergessen und wollte gerade an das Bild klopfen, als dieses sich öffnete und eine blasse Hand ihm sein nasses Kleidungsstück entgegenhielt. Hatte er nicht noch etwas vergessen? Zur Antwort wurde ihm sein Besen heraus gereicht. "Schlaf gut!"