Kapitel 16 - Freundschaft, Tod und Teufel von Molly
Die nächsten Wochen verliefen ruhiger, als irgendjemand gedacht hätte. Mcnair, einer der Todesser im Ministerium war aufgeflogen, allerdings nicht unter Einfluß des Veritaserums, sondern durch seine eigene Unvorsichtigkeit. Voldemort tobte, hatte aber keinen Sündenbock. Dafür hatten Severus Snape und Albus Dumbledore mittlerweile sämtliche Namen der Verräter im Ministerium und Mad-Eye Moody und Arthur Weasley hatten ihre Vertrauten verstärkt auf diese angesetzt. Bei intensiver Beobachtung würden sich früher oder später alle selbst verraten. Die Aktion war für alle ein großer Erfolg, die Todesser wiegten sich in Sicherheit, Voldemort war zufrieden mit Severus und die Kämpfer des Lichts kannten die undichten Stellen im Ministerium. Severus wurde nun wieder verstärkt ins Vertrauen gezogen vom Dunklen Lord und so waren sie ihm immer einen kleinen Schritt voraus, konnten Schlimmstes verhindern und kleinere Räder im Getriebe auffliegen lassen. Abgesehen von kleineren Explosionen im Zaubertranklabor waren die Wochen wirklich friedlich. Florence und Severus experimentierten jedes Wochenende mit der Wurzel. Wenn ein Trank mal nicht in die Luft geflogen war, überprüften sie ihn auf Giftstoffe und Severus verabreichte die unbedenklichen dann dem unglückseligen Todesser - Anwärter William Butcher im St.- Mungo. Bisher allerdings ohne Erfolg. Der Kaufmannssohn hatte schon recht interessante Hautverfärbungen gezeigt nach Einnahme des Tranks. Nachdem Severus ihn zunächst leuchtend blau und eine Woche später knallrot gefärbt hatte, witzelte Dr. Herba, ob er das nicht auch in Streifenkombination hinbekäme. Nur einmal, als er sich leicht rosa verfärbt hatte, zeigte er Spuren von Ansprechbarkeit. Sofort versuchten Florence und Severus die Wirkung zu verstärken, das Ergebnis war aber nur ein purpurn gefärbter junger Mann mit wild rollenden Augen und Schaum vor dem Mund. Severus' Besuche im Hospital wurden von den meisten Angestellten dort nur noch die "Malstunde" genannt, denn bald hatten sie die gesamte Farbpalette durch. Die Wirkung ließ immer nach ein paar Tagen nach, ohne nachhaltige Erfolge zu zeigen. Draco Malfoy behütete Kevin Rabanus wie seinen Augapfel und der kleinste der Slytherins begann sich endlich einzuleben in Hogwarts. Harry, Ron und Hermine staunten nicht schlecht über ihren Erzfeind, denn die Sorge um den Jüngeren veränderte Malfoy zusehends zum Positiven. Er schien kein Interesse mehr daran zu haben, die Gryffindors zu ärgern und war teilweise sogar unbeabsichtigt freundlich. Als Lavender Brown vor dem Labor von Professor Snape ein Buch aus der Tasche fiel, hob Draco es geistesabwesend auf und gab es ihr zurück. Lavender war zunächst wie versteinert und lauerte auf einen bissigen Kommentar wie alle anderen auch, doch Draco schwieg und ging zu seinem Platz durch, als wäre nichts geschehen. In diese Stunde tuschelten Lavender und Parvati die ganze Zeit miteinander und warfen Draco mißtrauische Blicke zu. "Was ist denn mit Malfoy los?" fragte Ron Harry und der zuckte mit den Schultern. "Vielleicht wird er ja endlich erwachsen." zischte Hermine und fixierte Draco nun ebenfalls. Harry war beunruhigt. Das Spiel gegen die Slytherins stand am Samstag nach Halloween an und die Gegner verhielten sich auffällig ruhig. Wie die Ruhe vor dem Sturm, dachte Harry immer öfter und ein Frösteln durchlief ihn dann jedes Mal. Er war mittlerweile zum Kapitän der Quidditch - Mannschaft der Gryffindors ernannt worden (er war nun auch der Älteste in der Mannschaft) und er trieb seine Mitspieler nicht weniger an, als es Oliver Wood früher getan hatte. Er wollte in seinem letzten Jahr in Hogwarts noch einmal den Pokal gewinnen und die Slytherins waren seine größten Angstgegner in jeder Saison bisher gewesen. Er wußte, daß auch Draco und seine Mannschaft hart trainierten, aber Harry verbrachte durch die Nachhilfestunden mit Madam Farstalker und Neville Longbottom noch zusätzliche Stunden auf dem Besen, was nicht schaden konnte. Neville hielt sich mittlerweile recht gut und die Samstagnachmittage waren fast schon eine Institution. Als jedoch einen Samstag fast dreissig Schüler zu der Nachhilfe erschienen waren, zog die Fluglehrerin einen Schlußstrich. Nur noch die schlechtesten Schüler durften mitmachen. Und Harry, der von Anfang an dabei war. Trotzdem hatten sie noch zwei komplette Quidditchmannschaften, gemischt mit Schülern aus allen Häusern. Sie spielten nur zum Spaß und anfänglich ohne Schnatz, Harry koordinierte die Spiele und Madam Farstalker zeigte Tricks für die verschiedensten Flugmanöver. Auch einige Slytherins waren unter den Freiwilligen und es ging nur noch am Rande um Nachhilfe, vielmehr diente das Ganze den Schülern zur Verständigung untereinander. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand, außer vielleicht Albus Dumbledore, ahnen, daß die gemischten Spiele von da an zum Schulalltag gehören würden. Viele Jahre später erinnerte sich kaum noch jemand an den ursprünglichen Grund für deren Einführung, wie alles regelmäßige gehörte es irgendwann einfach zur Tradition. Ebenfalls zur Tradition wurde allerdings auch das regelmäßige Gemecker der späteren Fluglehrer über ihre zusätzlichen Arbeitsstunden an Samstagen. Normalerweise waren nur die Hauslehrer dazu verpflichtet, an den Wochenenden in Hogwarts zu bleiben, aber von den Fluglehrern wurde dies später auch verlangt. Florence hatte eine schnell anwachsende "Fangemeinde" und Harry und Ron wurden ziemlich oft von anderen Schülern über den Abend ihrer Strafarbeit ausgefragt. Ron genoss die Aufmerksamkeit, die ihm dadurch zukam so sehr, wie Harry es haßte. Eines Abends Ende Oktober schrieb er einen Brief an seinen Patenonkel Sirius Black und beschwerte sich über die anderen Schüler. Beiläufig fragte er, ob Sirius sich noch an Madam Farstalker erinnern könnte, da sie ja zumindest seine Eltern gekannt haben mußte. Umso überraschter war er, daß Hedwig bereits in derselben Nacht wieder zurück war und so lang mit dem Schnabel gegen die Scheibe hieb, bis Harry sie in den Schlafsaal hineinließ. Schlaftrunken nahm er der Eule den Brief von Sirius ab und begann im schmalen Licht seines Zauberstabs die hastig dahin gekritzelten Zeilen zu lesen: "Lieber Harry! Ja, ich erinnere mich an Deine neue Fluglehrerin. Und Remus Lupin tut das auch. Wir waren beide sehr überrascht von Deinem Brief. Wir wußten nicht, daß sie wieder in Hogwarts ist, Dumbledore hat uns nichts davon gesagt. Florence Farstalker ging mit uns und Deinen Eltern zur Schule. Wir waren alle eine Zeit befreundet, bis sie die Schule wechselte. Sie war hauptsächlich mit Remus befreundet, er möchte Dir auch noch etwas schreiben! S." In einer anderen Handschrift stand darunter: "Hallo Harry! Wie geht es Dir? Ich hoffe, Du kommst mit Madam Farstalker gut aus, sie war manchmal etwas schwierig und sehr eigensinnig, aber ich denke, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Wenn sie sich nicht völlig verändert hat, ist sie immer noch auf unserer Seite, auch wenn S. das anders sieht!
R. Lupin"
Immer noch schlaftrunken versuchte Harry einen Sinn in diesem Brief zu sehen. Erstens, warum war Lupin anderer Meinung als sein Patenonkel? Zweitens, wie konnte Madam Farstalker gleichzeitig mit den Rumtreibern, seiner Mutter und Snape befreundet gewesen sein? Drittens, was war so wichtig, daß die beiden sofort geantwortet hatten? Sirius war immer noch bei Remus Lupin untergekommen und beide waren in den vergangenen zwei Jahren öfter zu Besuch in Hogwarts gewesen. Harry wurde dann regelmäßig zu Direktor Dumbledore ins Büro gerufen und hatte Gelegenheit, mit seinem Patenonkel von Angesicht zu Angesicht zu reden. Für alle anderen hatte sich Remus Lupin einfach nur einen großen schwarzen Zottelhund zugelegt und besuchte gelegentlich seinen alten Arbeitgeber. Was Harry nicht wußte, war, daß Severus Snape jeden Monat auf Wunsch von Dumbledore eine Phiole konzentrierten Werwolftranks an Lupin schickte. Remus konnte ihn dann soweit verdünnen, daß die Auswirkungen der Vollmondnächte ihn nicht zur Raserei trieben und Sirius und er einigermaßen unerkannt bleiben konnten. Albus Dumbledore war nach Harry's drittem Schuljahr ausgesprochen wütend auf Severus Snape gewesen. Wenn Severus nicht geplaudert hätte, wäre nie heraus gekommen, daß Lupin ein Werwolf war. Severus war eingeschnappt gewesen und sein Temperament hatte er noch nie wirklich zügeln können, andererseits war er es Remus auch irgendwie schuldig. Er war damals der einzige von Florence' Freunden gewesen, der auch nach dem Bekanntwerden von der Beziehung zwischen Severus und ihr zu ihr gehalten hatte. Also schickte er regelmäßig den Trank und beruhigte ein Stück weit sein Gewissen. Albus Dumbledore wäre es zwar lieber gewesen, wenn Remus Lupin als Lehrer in Hogwarts hätte bleiben können (was Severus ja verhindert hatte), aber er stellte mit seiner Forderung an den Zaubertranklehrer dennoch sicher, daß die Bande zwischen den Männern nicht völlig abrissen. Und selbst Sirius mit seinem fast unüberwindbar scheinendem Hass auf Severus mußte sich eingestehen, daß die Versorgung mit dem Trank mehr als anständig von ihm war. Harry jedoch nahm sich vor, seinen Patenonkel und Remus Lupin bei ihrem nächsten Treffen noch einmal genauer zu befragen und legte sich für eine weitere Stunde zum Schlafen hin.
Das erste Spiel der Quidditch - Saison in diesem Jahr - Gryffindor gegen Slytherin am ersten Samstag im November. Neville verzichtete dafür gern auf seine Nachhilfe und saß gemeinsam mit Ron und Hermine auf der Gryffindortribüne. Es war ein klarer, sonnendurchfluteter Tag und noch relativ warm für die Jahreszeit. Mit tosendem Applaus wurden Harry und die anderen Gryffindorspieler begrüßt, als sie das Spielfeld betraten. Als die Slytherins aus ihrer Kabine kamen, jubelten wie erwartet nur die Schüler ihres Hauses, allerdings waren die Buhrufe der anderen Häuser weniger laut als in den letzten Jahren, fiel Harry auf. Madam Farstalker empfing beide Mannschaften mit dem für sie typischen Lächeln und ihre Augen blitzten, als sie um ein faires Spiel bat. Draco grinste Harry spöttisch an, bevor er sich vom Boden abstieß und weit nach oben in den Himmel flog. Harry folgte ihm und auch Bridget Pantryman, eine der Slytherintreiberinnen. Was dann folgte, kam nicht nur Florence Farstalker sehr bekannt vor. "Severus, ich glaube, der Trick ist so alt, daß er schon fast wieder neu ist!" raunte Albus Dumbledore Severus zu und der grinst breit. Warum hätte er der Mannschaft seines Hauses auch diese Lösung, einen überlegenen gegnerischen Sucher weitestgehend auszuschalten, verheimlichen sollen? Außerdem war er durch Florence an alte Zeiten erinnert worden... Harry war es fast unmöglich, die Drittklässlerin der Slytherins abzuschütteln. Sie hing an ihm wie eine Klette und jagte einen Klatscher nach dem nächsten in seine Richtung. Die Gryffindortreiber waren ein paar Meter tiefer genug damit beschäftigt, die rempelnden anderen Slytherins zu beschäftigen und gingen nicht weniger brutal zu Werke. Das war noch schlimmer als damals mit dem verhexten Klatscher! Währenddessen konnte Draco Malfoy sich völlig darauf konzentrieren, nach dem Schnatz Ausschau zu halten, was er auch tat. Ein gellender Pfiff ertönte und Madam Farstalker schrie: "AUSZEIT! Alle für fünf Minuten auf den Boden!" und rauschte in Richtung Lehrertribüne. "Sag mal Sev, woher kenne ich diese Taktik?" fragte Florence den immer noch grinsenden Severus. Er zuckte mit den Schultern und grinste noch spitzbübischer. Florence grinste nun auch und blickte Albus Dumbledore an, der ebenfalls mit einem aufkommenden Lachen in sich kämpfte. "Es ist immer noch nicht verboten, oder?" fragte Severus die Schiedsrichterin, bevor diese sich lächelnd zu den Spielern auf dem Boden gesellte. "Habe ich vorhin Parsel gesprochen, oder wollte mich hier niemand verstehen? Ich bat um ein faires Spiel! Und da die Hälfte der Beteiligten blutet, könnte der Verdacht aufkommen, daß sich zumindest einige von Ihnen nicht an meine Worte erinnert haben! Ah, Madam Pomfrey... versorgen Sie bitte die gröbsten Wunden, ich werde dieses Spiel zumindest noch eine Weile weiter laufen lassen! Aber ich schwöre bei den Elementen, ich stelle jeden Einzelnen von Ihnen vom Platz, wenn hier weiter gefoult wird!" Auch wenn es sie im Stillen amüsierte, war die Brutalität, mit der die Mannschaften in diesem Spiel vorgingen, von Florence nicht zu dulden. Zwar hatten die Slytherins begonnen, doch die Gryffindors waren nicht weniger rabiat in ihrer Antwort. Madam Pomfrey mußte nach dem Spiel dennoch fast alle Spieler im Krankenflügel verarzten. Slytherin hatte 160 zu 10 gewonnen und Draco Malfoy war der einzige, der ohne die geringste Schramme vom Spielfeld ging. Harry hatte sich das Bein gebrochen, als er versuchte, einem der Klatscher gegen Ende des Spiels auszuweichen und gegen eine Torstange geprallt war. Florence Farstalker rauschte in den Krankensaal und unterdrückte nur mühsam die diversen gepfefferten Ausdrücke, die sie den Schülern am Liebsten um die Ohren gehauen hätte. Stattdessen hielt sie die längste Strafpredigt, die sie jemals in ihrem Leben halten sollte. Sie nahm sich jeden Spieler einzeln vor und zerriß ihn in der Luft. Als sie schließlich endete, war sie umgeben von den zerknirschtesten Wesen zwischen Hogwarts und Feuerland und selbst den Tränen nahe, vor Wut und Enttäuschung. Madam Pomfrey stand mit offenem Mund wie angewurzelt an Harry's Bett und vergaß fast, daß sie ihn noch behandeln mußte. Diane Heart, eine der jüngeren Jägerinnen der Gryffindors durchbrach die Stille mit einem heftigen Schluchzen, und Florence blickte sie mitleidig an. Ihre gesamte Wut wollte sich gerade in Luft auflösen, als Severus Snape breit grinsend die Krankenstation betrat, um den Spielern seines Hauses zum Sieg zu gratulieren. Florence wirbelte herum und ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als sie sah, wer eingetreten war. Mit einem Fauchen rauschte sie ebenso schnell, wie sie gekommen war, aus dem Krankensaal. Severus ahnte, daß sie nicht wirklich gut auf ihn zu sprechen war...
"Flo, so schlimm war es doch gar nicht!" Severus hetzte am Abend hinter Florence die Treppen hinauf. Es war schon erstaunlich, wie schnell diese kleine Person mit ihren viel kürzeren Beinen rennen konnte. Während des gesamten Abendessens hatte sie ihn konsequent ignoriert und tat es auch jetzt noch. "Sie haben es nur ein bißchen übertrieben, das gebe ich zu..." Sie hatten bereits den Gang im dritten Stock erreicht und Florence rannte auf ihr Quartier zu, während Severus mit einer Statue um den Saum seines Umhangs kämpfte. In diesen wertvollen Sekunden schlüpfte sie durch den Spalt, den das Porträt von Sir Cadogan und seinem fetten Pony ihr freigab. Nachdem Severus um ein Haar die widerspenstige Statue eines sehr häßlichen einäugigen Zauberers umgerissen hatte, um sein Kleidungsstück zu befreien, rannte er auf das zuklappende Bild zu und prallte dagegen. "Mylady möchte heute Abend nicht mehr gestört werden!" verkündete der Ritter auf dem Bild und funkelte Severus herausfordernd an. Der wiederum schlug mit der Faust auf die Leinwand und rief: "Flo, laß mich rein!" "Nein!" kam es dumpf von der anderen Seite. Severus hob die Augenbrauen: wenigstens ignorierte sie ihn jetzt nicht mehr. "Ich finde es reichlich lächerlich für zwei erwachsene Menschen, sich durch geschlossene Türen hinweg zu unterhalten!" Schweigen. "Wie du willst: es sind Schüler und sie kennen ihre Grenzen noch nicht wirklich! Ich konnte nicht ahnen, daß sie so überreagieren! Aber die Gryffindors waren auch nicht gerade Unschuldslämmer, das mußt du doch zugeben!" Er lauschte angestrengt und Sir Cadogan verzog das Gesicht, als sich Severus' Haarschopf seiner Leinwand näherte. "Verschwinde!" kam es nun wieder dumpf hinter dem Bild hervor. Severus seufzte. Flo war noch nie einfach gewesen und derart dramatische Auftritte hatten beide in den zwei Jahren ihrer letzten Beziehung nur zu oft gehabt. Nur waren sie sich damals zumindest in einem Punkt einig gewesen: daß sie zusammen gehörten. Und genau das war nun nicht der Fall. Sie waren kein Paar mehr, nur noch schwierig befreundet. Severus hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sich jetzt verhalten sollte. Zudem ärgerte ihn das Bild. "Halt du dich da raus, ja? Ein Mucks von dir und du bewachst demnächst das Klo der Maulenden Myrte, verstanden?" fuhr er den Ritter, als dieser zum Sprechen ansetzte. Sir Cadogan war gewiß kein Feigling, etwas irre vielleicht, aber die Drohung, demnächst eine Toilette, die sowieso niemand freiwillig nutzte, zu bewachen, ließ ihn schweigen. "Flo, laß mich rein!" Etwas raschelte hinter der Tür und Severus spitzte die Ohren. Als sich nichts tat, versuchte er es noch etwas flehender: "Flo, bitte..." "VERSCHWINDE!!!" Severus seufzte erneut. "Was ist mit morgen?" Wieder raschelte es hinter der Tür, bevor sich das Bild einige Zentimeter weit öffnete. "Nach dem Frühstück?" fragte Florence und als Severus Anstalten machte, sich durch den Spalt zu quetschen, zog sie die Tür etwas weiter zu. Das war einfach lächerlich! "Ja, wie immer! Aber wenn du mich rein lässt..." Weiter kam er nicht, das Bild verschloss nun wieder völlig die Türöffnung. Sir Cadogan grinste ihn hämisch an und zuckte mit den Augenbrauen. "Wir sehen uns morgen. Bis dahin ziehe ich es vor, nicht mit dir zu reden!" erklärte Florence von ihrem Büro aus. Sie war immer noch wütend. Die Blessuren, die die Spieler beider Häuser am Nachmittag davongetragen hatten, gingen weit über das Maß des verständlichen hinaus. Das Quidditch - Spiel war kein Spiel mehr gewesen, sondern eher eine offene Kampfhandlung, die sie kurz nach der Unterbrechung fast schon endgültig abgepfiffen hätte, wenn Draco Malfoy nicht schneller im Fangen des Schnatz gewesen wäre. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, als die Spieler anschließend zusammen zu falten, was sie ja auch getan hatte. Und dabei hatte sie für die Schüler eine enorme Ähnlichkeit mit Severus bewiesen, wenn sie wütend war. Und sie war immer noch wütend. Wütend auf die Spieler und noch viel wütender auf Severus. Sie verstand diese Spieltaktik als Wink mit dem Zaunpfahl, als Erinnerung an frühere, unbeschwertere Zeiten, und so war es von Severus ja auch zum Teil beabsichtigt gewesen. Doch nun stand der wütend auf sich selbst und noch viel wütender auf das feixende Bild vor ihrer Tür und überlegte, was er sagen und tun sollte. "Okay... Wie du willst..." Er drehte sich um und rauschte den Gang entlang. Heute hatte es anscheinend keinen Sinn mehr zu diskutieren, das war ihm bewußt geworden.
In der Bibliothek wühlte sich Professor Litigant durch den Berg von Büchern, den er sich aus den Regalen gezogen hatte. Er war nahe dran, er konnte es spüren! Fast zwei Monate war er nun tagtäglich in der Bücherei gewesen und verschiedenes war ihm bereits klar geworden, aber er vermutete, noch mehr zu finden. Fast hätte er laut geschrien, als er endlich fand, was er gesucht hatte. Während er las, wurde er immer bleicher im Gesicht. Es dauerte eine Weile, nachdem er zu Ende gelesen hatte, bis er seine Gedanken geordnet hatte. Das war viel schlimmer, als er anfänglich schon befürchtet hatte! Sehr viel schlimmer!
"Sev, ich habe es dir vorhin schon gesagt, ich will heute nicht mehr mit dir reden!" fauchte Florence auf das Klopfen an ihrer Tür hin. Sie hatte sich mit einem Buch und einer Kanne Tee bewaffnet in einen Sessel vor dem Kamin gesetzt und war gerade dabei, sich wieder etwas zu beruhigen. Draußen im Gang räusperte sich jemand. "Ich bin nicht Professor Snape, Madam Farstalker! Hier ist Jonathan Litigant!" Florence blickt erstaunt von ihrer Lektüre auf. Was wollte der denn noch so spät von ihr? "Moment!" rief sie und stürzte in ihren Schlafraum zum Spiegel. Sie hatte geweint und ihre Schminke war unter den Augen verlaufen, ihre Haare standen wild in alle Richtungen, nachdem sie den Knoten gelöst hatte und ihr Kleid war tief aufgeknöpft, um es bequemer zu haben. So konnte sie diesem erzkonservativen Knilch nicht entgegen treten. Schnell band sie sich einen Zopf, knöpfte das Kleid zu und wischte sich die verlaufene Farbe weg. Sie sah immer noch fürchterlich aus, aber es war schon halb elf durch, andere lagen da schon im Bett, auch wenn es Samstag war. Allzuviel konnte er ja nun wirklich nicht erwarten! "Entschuldigen Sie die späte Störung, ich hatte eigentlich auch nicht damit gerechnet, Sie wirklich hier vorzufinden! Sind Sie sonst nicht immer noch im Labor zu Gange am Wochenende?" Litigant trat ein und schaute sich neugierig um, als Florence ihn hereinließ. 'So also sieht es bei ihr aus!' dachte er und wußte, daß sie genau das in seinem Gesicht gelesen hatte. Ihr Büro war chaotisch, vollgestopft und unaufgeräumt. Jeder andere hätte diese Atmosphäre als gemütlich und charmant eingestuft, nicht aber Jonathan Litigant! "Das Spiel vorhin war sehr anstrengend und ich wollte mich heute lieber etwas entspannen!" entgegnete Florence und runzelte die Stirn. Was wollte er denn hier, wenn er doch gar nicht mit ihr gerechnet hatte? Ganz die gute Gastgeberin bot sie Litigant etwas zu trinken und er nahm an. "Tja, nun kommen wir ja doch noch zu einer gemeinsamen Tasse Tee!" Litigant lächelte kalt, als er die dargebotene Tasse entgegennahm und drehte sich in dem Sessel etwas dem Feuer im Kamin zu. "Nur Professor Snape ist heute leider nicht dabei..." bemerkte Florence und sie beschlich ein klammes Gefühl. Obwohl sie immer noch wütend auf ihn war, wünschte sie, Severus wäre jetzt hier. Allein mit diesem... Litigant fühlte sie sich doch sehr unbehaglich. "Vielleicht sollte ich ihn rufen? Er schläft sicher noch nicht, wie ich ihn kenne!" Litigant winkte ab: "Nein, ich würde mich lieber unter vier Augen mit Ihnen unterhalten, meine Teuerste..." und zückte seinen Zauberstab.
Auch nach all den Jahren war der Astronomieturm immer noch Severus' Lieblingsort, um Nachzudenken. Wieder einmal hatte er alles vermasselt. Warum war er eigentlich nicht in der Lage, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, ohne daß er anschließend von allen gehasst wurde? Albus Dumbledore war wohl wirklich der Einzige, der mit Severus umgehen konnte. Und bis heut Abend dachte er, Florence würde ihn auch verstehen. All seine Schulfreunde waren entweder tot oder in Askaban, nachdem er sie verraten hatte. Igor Karkaroff hatte seinetwegen ebenfalls mehrere Monate in Askaban verbracht und war nun auf der Flucht. Wenn sich Severus nur etwas mehr für ihn eingesetzt hätte, könnte er heute eventuell in Hogwarts unterrichten wie er. Aber Severus Snape wollte der einzige ehemalige Todesser in der Nähe von Albus Dumbledore sein. Er brauchte diese Einmaligkeit um sich wertvoller als der Dreck unter seinen Schuhen zu fühlen, deshalb hatte er seinen väterlichen Freund nicht um Hilfe für Igor gebeten. Und Remus Lupin... mit ihm hatte er zögerlich begonnen, sich anzufreunden, in jenem Jahr, als der Werwolf hier unterrichtete. Aber dann mußte ja Sirius Black auftauchen und Severus völlig überschnappen. Und um die zögerlich Annäherung noch komplett zu vernichten hatte er auch noch die Werwolfgeschichte ausgeplaudert. Severus schüttelte den Kopf und überlegte wohl zum tausendsten Mal, ob er nicht lieber springen sollte, als weiterhin alle, die er mochte, gegen sich aufzubringen. Der Versuch diesen Sommer hatte ihn immerhin etwas näher an die Grenze gebracht, als seine ständigen Überlegungen hier oben. Es war leichter gewesen, einfach etwas zu schlucken, als erst umständlich auf die Balustrade zu klettern und dann noch wirklich zu springen... Andererseits... Flo war schon immer genauso explosiv gewesen wie er... na ja, fast... Zumindest ihm gegenüber. Er hatte sie oft genug auf die Palme gebracht und sie hatten sich jedes Mal wieder vertragen. Aber damals standen sie anders zueinander... Ein Geräusch im Turmaufgang ließ ihn zusammenzucken und er sprang instinktiv in den Schatten hinter der Statue vom Sternengucker. Er wollte nicht, daß jemand erfuhr, wo er sich am liebsten vor allen versteckte. Und wenn es Schüler waren, konnte er sie so besser überraschen. Die Tür zur Plattform schlug auf und jemand ächzte und stöhnte. Etwas Schweres wurde über den Boden geschliffen und fallen gelassen, wobei es einen dumpfen Aufschlag gab. Jemand schnaufte und holte mehrmals sehr tief Luft. Dann hörte Severus Schritte, die zuerst in seine Nähe kamen und dann wieder zurückgingen. Wieder stöhnte jemand wie unter einer Last und erneut konnte er Schleifgeräusche und schwere Schritte hören, die sich in seine Richtung bewegten. Was immer auch dort vor sich ging, es war etwas Unerlaubtes. Severus trat aus dem Schatten und blieb wie angewurzelt stehen bei dem Anblick, der sich ihm bot! "Darf ich fragen, was Sie mit Madam Farstalker vorhaben?" fragte Severus, als der erste Schock vorüber war. Litigant hatte drohend seinen Zauberstab erhoben und die bewußtlose Florence schon halb über die Balustrade gewuchtet. "Ich werde diese Welt vor dem Untergang bewahren!" Severus durchdachte schnell seine Möglichkeiten: sein eigener Zauberstab war in seinem Umhang und er war sich sicher, daß Litigant ihn schneller erledigt hätte, als er selbst bereit war zum Angriff. Wenn Severus sich für einige Sekundenbruchteile hinter der Statue in Sicherheit bringen konnte um den Stab zu zücken, könnte Litigant Florence schon nach unten geschubst haben. Und wenn er einfach hinter ihn apparierte und Florence zurückzog? Keine schlechte Idee, aber auf dem Schulgelände war das leider nicht möglich... Severus mußte Zeit gewinnen! "Und dafür sind Sie bereit, jemanden kaltblütig zu ermorden?" fragte er und hoffte, Litigant ablenken zu können. "Haben Sie nicht gehört, ich werde diese Welt retten! Und eine Tote ist es wert, Milliarden von Leben zu retten, oder nicht?" In Litigant's Augen stand der Wahnsinn geschrieben. Er war absolut überzeugt von seinem Tun und keine Worte der Welt konnten seine Meinung ändern. Severus schluckte und verspürte eine eisige Kälte in der Herzgegend. "Wie kommen Sie darauf, daß ausgerechnet Madam Farstalker diese Tote sein muß?" "Weil Sie die einzige Halbelfe ist, die es zur Zeit gibt! Und sie ist auch die Einzige, die die Tore zur Hölle öffnen kann! Ja, ich habe alles gelesen! Nächsten Sommer wird sie es tun! Sie - wissen - schon - wer wird sie dazu bringen! Erst wird er seinen Erben zeugen und dann öffnet sich der Höllenschlund, wenn die dunkle Seele in ihrem Leib Unterschlupf finden kann! Sie wird den Teufel persönlich gebären!" Litigant's Stimme war nur noch ein schrilles Schreien, offensichtlich war er nun völlig durchgedreht, aber immer noch höchst wachsam. "Ich glaube nicht an den Teufel. Es gibt genug Dämonen, die behaupten, der Teufel zu sein. Aber der Einzige, den ich kenne, der dem Teufel am nächsten kommt, ist Voldemort selbst!" Severus bemerkte das ängstliche Zucken, das Litigant durchlief, als er Voldemort's Namen aussprach. "Nennen Sie ihn nicht so! Sein Name darf nicht ausgesprochen werden!" wisperte der Wahnsinnige und Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn, während er mit dem Zauberstab in seiner Hand fuchtelte. "Ich habe auch keine Angst, den Namen meines ehemaligen Meisters auszusprechen!" Wenn er Litigant nur genug verwirrte und dieser nicht mehr auf Florence achtete, hatte er eventuell eine geringe Chance, doch noch seinen Zauberstab zu greifen. "Ja, ich war ein Todesser. Aber die Frau, die Sie gerade versuchen zu ermorden, hat meine Meinung geändert. Sie verstehen also, daß ich Ihr Tun nicht zulassen kann!" "Das wird ja immer besser! Ein Diener des Teufels auf Erden will die Mutter des Herrn der finsteren Heerscharen auch noch beschützen!" Litigant's Stimme war nur noch ein hohes Krächzen. Mußte dieser Irre sich so geschwollen ausdrücken? Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte Severus sich wahrscheinlich halb tot gelacht. "Sie sehen das etwas verschroben: ich bin hier, um Florence Farstalker vor Voldemort zu beschützen! Sie wird das Schulgelände nicht verlassen und Voldemort es niemals wagen, Hogwarts oder Dumbledore offen anzugreifen! Und wenn doch, weiß ich es vorher!" Litigant war hin und her gerissen: Wen sollte er denn nun zuerst töten? Den Diener Voldemorts oder die Unglücksbringerin? Leider bemerkte er das Zucken von Severus, als dieser in seinen Umhang greifen wollte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder voll auf ihn. "Ich glaube dir kein Wort, Todesser! Keiner seiner Anhänger verläßt den Unsäglichen und überlebt es!" Litigant hatte sich entschlossen, wer zuerst getötet werden mußte, um diese Milliarden von unschuldigen Menschen zu beschützen und trat einen Schritt auf Severus zu. Mit Erleichterung nahm Severus wahr, daß Florence' nun nicht mehr festgehaltener Körper zurück auf die Plattform glitt und auf dem Steinfußboden liegenblieb. Unglücklicherweise vertat er in dieser Sekunde auch seine Chance, nach seinem Zauberstab zu greifen und Panik kam in ihm auf. "Er heißt Voldemort! Und wenn Sie Madam Farstalker jetzt umbringen wird er dennoch eine Möglichkeit finden, einen Erben zu zeugen! Er ist fast unsterblich, nur sein Körper kann für einige Zeit verschwinden! Sie hätten das Kapitel zu Ende lesen sollen, Litigant!" Severus sprang blitzschnell hinter die Statue, als Litigant "Avada Kedavra!" brüllte und der Fluch verfehlte ihn nur knapp. Er zückte seinen Zauberstab nun endlich und sprang geduckt hinter der Statue wieder hervor: "Stupor!" Litigant wurde allerdings nicht nur von Severus' Fluch getroffen, auch Albus Dumbledore hatte ihn betäuben wollen. Durch die Macht der zwei zeitgleichen Flüche wurde der durchgedrehte Lehrer geradezu hochgeschleudert und fiel über die Balustrade in die Tiefe. Völlig außer Atem erreichten sowohl Severus wie auch Albus die Begrenzung, aber es war schon zu spät. "Schön, dich zu sehen! Hättest du nicht etwas früher kommen können?" Severus war mit den Nerven am Ende und noch nie so dankbar für die Anwesenheit seines väterlichen Freundes gewesen. "Hm. Ich denke, ich sollte schnell einen Ersatz für Professor Litigant finden! Diesen Sturz wird er wohl nicht überlebt haben!" Albus Dumbledore schüttelte immer noch nach unten blickend den Kopf, während Severus bereits nach Florence sah. "Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, hier nach zu schauen?" "Als ich an der Bibliothek vorbei kam, war die Tür offen und das Licht brannte. Litigant hatte es ziemlich eilig, nachdem er gefunden hatte, was er suchte, die Bücher lagen auch immer noch auf dem Tisch. Sir Cadogan erzählte mir dann, daß er die betäubte Florence weggezerrt hatte. Ob du es glaubst oder nicht, dieser dämliche Ritter ist ihnen bis zum Aufgang dieses Turms durch die Bilder gefolgt und hat anschließend nach Hilfe gesucht! Ich sollte ihn befördern!" Albus starrte immer noch in die Tiefe. "Und ich hatte ihm heute gedroht, ihn vor das Klo der Maulenden Myrte zu verfrachten... Ich kann das wirklich nicht glauben!" Nun war es an Severus, ungläubig den Kopf zu schütteln.
Die nächsten Wochen verliefen ruhiger, als irgendjemand gedacht hätte. Mcnair, einer der Todesser im Ministerium war aufgeflogen, allerdings nicht unter Einfluß des Veritaserums, sondern durch seine eigene Unvorsichtigkeit. Voldemort tobte, hatte aber keinen Sündenbock. Dafür hatten Severus Snape und Albus Dumbledore mittlerweile sämtliche Namen der Verräter im Ministerium und Mad-Eye Moody und Arthur Weasley hatten ihre Vertrauten verstärkt auf diese angesetzt. Bei intensiver Beobachtung würden sich früher oder später alle selbst verraten. Die Aktion war für alle ein großer Erfolg, die Todesser wiegten sich in Sicherheit, Voldemort war zufrieden mit Severus und die Kämpfer des Lichts kannten die undichten Stellen im Ministerium. Severus wurde nun wieder verstärkt ins Vertrauen gezogen vom Dunklen Lord und so waren sie ihm immer einen kleinen Schritt voraus, konnten Schlimmstes verhindern und kleinere Räder im Getriebe auffliegen lassen. Abgesehen von kleineren Explosionen im Zaubertranklabor waren die Wochen wirklich friedlich. Florence und Severus experimentierten jedes Wochenende mit der Wurzel. Wenn ein Trank mal nicht in die Luft geflogen war, überprüften sie ihn auf Giftstoffe und Severus verabreichte die unbedenklichen dann dem unglückseligen Todesser - Anwärter William Butcher im St.- Mungo. Bisher allerdings ohne Erfolg. Der Kaufmannssohn hatte schon recht interessante Hautverfärbungen gezeigt nach Einnahme des Tranks. Nachdem Severus ihn zunächst leuchtend blau und eine Woche später knallrot gefärbt hatte, witzelte Dr. Herba, ob er das nicht auch in Streifenkombination hinbekäme. Nur einmal, als er sich leicht rosa verfärbt hatte, zeigte er Spuren von Ansprechbarkeit. Sofort versuchten Florence und Severus die Wirkung zu verstärken, das Ergebnis war aber nur ein purpurn gefärbter junger Mann mit wild rollenden Augen und Schaum vor dem Mund. Severus' Besuche im Hospital wurden von den meisten Angestellten dort nur noch die "Malstunde" genannt, denn bald hatten sie die gesamte Farbpalette durch. Die Wirkung ließ immer nach ein paar Tagen nach, ohne nachhaltige Erfolge zu zeigen. Draco Malfoy behütete Kevin Rabanus wie seinen Augapfel und der kleinste der Slytherins begann sich endlich einzuleben in Hogwarts. Harry, Ron und Hermine staunten nicht schlecht über ihren Erzfeind, denn die Sorge um den Jüngeren veränderte Malfoy zusehends zum Positiven. Er schien kein Interesse mehr daran zu haben, die Gryffindors zu ärgern und war teilweise sogar unbeabsichtigt freundlich. Als Lavender Brown vor dem Labor von Professor Snape ein Buch aus der Tasche fiel, hob Draco es geistesabwesend auf und gab es ihr zurück. Lavender war zunächst wie versteinert und lauerte auf einen bissigen Kommentar wie alle anderen auch, doch Draco schwieg und ging zu seinem Platz durch, als wäre nichts geschehen. In diese Stunde tuschelten Lavender und Parvati die ganze Zeit miteinander und warfen Draco mißtrauische Blicke zu. "Was ist denn mit Malfoy los?" fragte Ron Harry und der zuckte mit den Schultern. "Vielleicht wird er ja endlich erwachsen." zischte Hermine und fixierte Draco nun ebenfalls. Harry war beunruhigt. Das Spiel gegen die Slytherins stand am Samstag nach Halloween an und die Gegner verhielten sich auffällig ruhig. Wie die Ruhe vor dem Sturm, dachte Harry immer öfter und ein Frösteln durchlief ihn dann jedes Mal. Er war mittlerweile zum Kapitän der Quidditch - Mannschaft der Gryffindors ernannt worden (er war nun auch der Älteste in der Mannschaft) und er trieb seine Mitspieler nicht weniger an, als es Oliver Wood früher getan hatte. Er wollte in seinem letzten Jahr in Hogwarts noch einmal den Pokal gewinnen und die Slytherins waren seine größten Angstgegner in jeder Saison bisher gewesen. Er wußte, daß auch Draco und seine Mannschaft hart trainierten, aber Harry verbrachte durch die Nachhilfestunden mit Madam Farstalker und Neville Longbottom noch zusätzliche Stunden auf dem Besen, was nicht schaden konnte. Neville hielt sich mittlerweile recht gut und die Samstagnachmittage waren fast schon eine Institution. Als jedoch einen Samstag fast dreissig Schüler zu der Nachhilfe erschienen waren, zog die Fluglehrerin einen Schlußstrich. Nur noch die schlechtesten Schüler durften mitmachen. Und Harry, der von Anfang an dabei war. Trotzdem hatten sie noch zwei komplette Quidditchmannschaften, gemischt mit Schülern aus allen Häusern. Sie spielten nur zum Spaß und anfänglich ohne Schnatz, Harry koordinierte die Spiele und Madam Farstalker zeigte Tricks für die verschiedensten Flugmanöver. Auch einige Slytherins waren unter den Freiwilligen und es ging nur noch am Rande um Nachhilfe, vielmehr diente das Ganze den Schülern zur Verständigung untereinander. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand, außer vielleicht Albus Dumbledore, ahnen, daß die gemischten Spiele von da an zum Schulalltag gehören würden. Viele Jahre später erinnerte sich kaum noch jemand an den ursprünglichen Grund für deren Einführung, wie alles regelmäßige gehörte es irgendwann einfach zur Tradition. Ebenfalls zur Tradition wurde allerdings auch das regelmäßige Gemecker der späteren Fluglehrer über ihre zusätzlichen Arbeitsstunden an Samstagen. Normalerweise waren nur die Hauslehrer dazu verpflichtet, an den Wochenenden in Hogwarts zu bleiben, aber von den Fluglehrern wurde dies später auch verlangt. Florence hatte eine schnell anwachsende "Fangemeinde" und Harry und Ron wurden ziemlich oft von anderen Schülern über den Abend ihrer Strafarbeit ausgefragt. Ron genoss die Aufmerksamkeit, die ihm dadurch zukam so sehr, wie Harry es haßte. Eines Abends Ende Oktober schrieb er einen Brief an seinen Patenonkel Sirius Black und beschwerte sich über die anderen Schüler. Beiläufig fragte er, ob Sirius sich noch an Madam Farstalker erinnern könnte, da sie ja zumindest seine Eltern gekannt haben mußte. Umso überraschter war er, daß Hedwig bereits in derselben Nacht wieder zurück war und so lang mit dem Schnabel gegen die Scheibe hieb, bis Harry sie in den Schlafsaal hineinließ. Schlaftrunken nahm er der Eule den Brief von Sirius ab und begann im schmalen Licht seines Zauberstabs die hastig dahin gekritzelten Zeilen zu lesen: "Lieber Harry! Ja, ich erinnere mich an Deine neue Fluglehrerin. Und Remus Lupin tut das auch. Wir waren beide sehr überrascht von Deinem Brief. Wir wußten nicht, daß sie wieder in Hogwarts ist, Dumbledore hat uns nichts davon gesagt. Florence Farstalker ging mit uns und Deinen Eltern zur Schule. Wir waren alle eine Zeit befreundet, bis sie die Schule wechselte. Sie war hauptsächlich mit Remus befreundet, er möchte Dir auch noch etwas schreiben! S." In einer anderen Handschrift stand darunter: "Hallo Harry! Wie geht es Dir? Ich hoffe, Du kommst mit Madam Farstalker gut aus, sie war manchmal etwas schwierig und sehr eigensinnig, aber ich denke, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Wenn sie sich nicht völlig verändert hat, ist sie immer noch auf unserer Seite, auch wenn S. das anders sieht!
R. Lupin"
Immer noch schlaftrunken versuchte Harry einen Sinn in diesem Brief zu sehen. Erstens, warum war Lupin anderer Meinung als sein Patenonkel? Zweitens, wie konnte Madam Farstalker gleichzeitig mit den Rumtreibern, seiner Mutter und Snape befreundet gewesen sein? Drittens, was war so wichtig, daß die beiden sofort geantwortet hatten? Sirius war immer noch bei Remus Lupin untergekommen und beide waren in den vergangenen zwei Jahren öfter zu Besuch in Hogwarts gewesen. Harry wurde dann regelmäßig zu Direktor Dumbledore ins Büro gerufen und hatte Gelegenheit, mit seinem Patenonkel von Angesicht zu Angesicht zu reden. Für alle anderen hatte sich Remus Lupin einfach nur einen großen schwarzen Zottelhund zugelegt und besuchte gelegentlich seinen alten Arbeitgeber. Was Harry nicht wußte, war, daß Severus Snape jeden Monat auf Wunsch von Dumbledore eine Phiole konzentrierten Werwolftranks an Lupin schickte. Remus konnte ihn dann soweit verdünnen, daß die Auswirkungen der Vollmondnächte ihn nicht zur Raserei trieben und Sirius und er einigermaßen unerkannt bleiben konnten. Albus Dumbledore war nach Harry's drittem Schuljahr ausgesprochen wütend auf Severus Snape gewesen. Wenn Severus nicht geplaudert hätte, wäre nie heraus gekommen, daß Lupin ein Werwolf war. Severus war eingeschnappt gewesen und sein Temperament hatte er noch nie wirklich zügeln können, andererseits war er es Remus auch irgendwie schuldig. Er war damals der einzige von Florence' Freunden gewesen, der auch nach dem Bekanntwerden von der Beziehung zwischen Severus und ihr zu ihr gehalten hatte. Also schickte er regelmäßig den Trank und beruhigte ein Stück weit sein Gewissen. Albus Dumbledore wäre es zwar lieber gewesen, wenn Remus Lupin als Lehrer in Hogwarts hätte bleiben können (was Severus ja verhindert hatte), aber er stellte mit seiner Forderung an den Zaubertranklehrer dennoch sicher, daß die Bande zwischen den Männern nicht völlig abrissen. Und selbst Sirius mit seinem fast unüberwindbar scheinendem Hass auf Severus mußte sich eingestehen, daß die Versorgung mit dem Trank mehr als anständig von ihm war. Harry jedoch nahm sich vor, seinen Patenonkel und Remus Lupin bei ihrem nächsten Treffen noch einmal genauer zu befragen und legte sich für eine weitere Stunde zum Schlafen hin.
Das erste Spiel der Quidditch - Saison in diesem Jahr - Gryffindor gegen Slytherin am ersten Samstag im November. Neville verzichtete dafür gern auf seine Nachhilfe und saß gemeinsam mit Ron und Hermine auf der Gryffindortribüne. Es war ein klarer, sonnendurchfluteter Tag und noch relativ warm für die Jahreszeit. Mit tosendem Applaus wurden Harry und die anderen Gryffindorspieler begrüßt, als sie das Spielfeld betraten. Als die Slytherins aus ihrer Kabine kamen, jubelten wie erwartet nur die Schüler ihres Hauses, allerdings waren die Buhrufe der anderen Häuser weniger laut als in den letzten Jahren, fiel Harry auf. Madam Farstalker empfing beide Mannschaften mit dem für sie typischen Lächeln und ihre Augen blitzten, als sie um ein faires Spiel bat. Draco grinste Harry spöttisch an, bevor er sich vom Boden abstieß und weit nach oben in den Himmel flog. Harry folgte ihm und auch Bridget Pantryman, eine der Slytherintreiberinnen. Was dann folgte, kam nicht nur Florence Farstalker sehr bekannt vor. "Severus, ich glaube, der Trick ist so alt, daß er schon fast wieder neu ist!" raunte Albus Dumbledore Severus zu und der grinst breit. Warum hätte er der Mannschaft seines Hauses auch diese Lösung, einen überlegenen gegnerischen Sucher weitestgehend auszuschalten, verheimlichen sollen? Außerdem war er durch Florence an alte Zeiten erinnert worden... Harry war es fast unmöglich, die Drittklässlerin der Slytherins abzuschütteln. Sie hing an ihm wie eine Klette und jagte einen Klatscher nach dem nächsten in seine Richtung. Die Gryffindortreiber waren ein paar Meter tiefer genug damit beschäftigt, die rempelnden anderen Slytherins zu beschäftigen und gingen nicht weniger brutal zu Werke. Das war noch schlimmer als damals mit dem verhexten Klatscher! Währenddessen konnte Draco Malfoy sich völlig darauf konzentrieren, nach dem Schnatz Ausschau zu halten, was er auch tat. Ein gellender Pfiff ertönte und Madam Farstalker schrie: "AUSZEIT! Alle für fünf Minuten auf den Boden!" und rauschte in Richtung Lehrertribüne. "Sag mal Sev, woher kenne ich diese Taktik?" fragte Florence den immer noch grinsenden Severus. Er zuckte mit den Schultern und grinste noch spitzbübischer. Florence grinste nun auch und blickte Albus Dumbledore an, der ebenfalls mit einem aufkommenden Lachen in sich kämpfte. "Es ist immer noch nicht verboten, oder?" fragte Severus die Schiedsrichterin, bevor diese sich lächelnd zu den Spielern auf dem Boden gesellte. "Habe ich vorhin Parsel gesprochen, oder wollte mich hier niemand verstehen? Ich bat um ein faires Spiel! Und da die Hälfte der Beteiligten blutet, könnte der Verdacht aufkommen, daß sich zumindest einige von Ihnen nicht an meine Worte erinnert haben! Ah, Madam Pomfrey... versorgen Sie bitte die gröbsten Wunden, ich werde dieses Spiel zumindest noch eine Weile weiter laufen lassen! Aber ich schwöre bei den Elementen, ich stelle jeden Einzelnen von Ihnen vom Platz, wenn hier weiter gefoult wird!" Auch wenn es sie im Stillen amüsierte, war die Brutalität, mit der die Mannschaften in diesem Spiel vorgingen, von Florence nicht zu dulden. Zwar hatten die Slytherins begonnen, doch die Gryffindors waren nicht weniger rabiat in ihrer Antwort. Madam Pomfrey mußte nach dem Spiel dennoch fast alle Spieler im Krankenflügel verarzten. Slytherin hatte 160 zu 10 gewonnen und Draco Malfoy war der einzige, der ohne die geringste Schramme vom Spielfeld ging. Harry hatte sich das Bein gebrochen, als er versuchte, einem der Klatscher gegen Ende des Spiels auszuweichen und gegen eine Torstange geprallt war. Florence Farstalker rauschte in den Krankensaal und unterdrückte nur mühsam die diversen gepfefferten Ausdrücke, die sie den Schülern am Liebsten um die Ohren gehauen hätte. Stattdessen hielt sie die längste Strafpredigt, die sie jemals in ihrem Leben halten sollte. Sie nahm sich jeden Spieler einzeln vor und zerriß ihn in der Luft. Als sie schließlich endete, war sie umgeben von den zerknirschtesten Wesen zwischen Hogwarts und Feuerland und selbst den Tränen nahe, vor Wut und Enttäuschung. Madam Pomfrey stand mit offenem Mund wie angewurzelt an Harry's Bett und vergaß fast, daß sie ihn noch behandeln mußte. Diane Heart, eine der jüngeren Jägerinnen der Gryffindors durchbrach die Stille mit einem heftigen Schluchzen, und Florence blickte sie mitleidig an. Ihre gesamte Wut wollte sich gerade in Luft auflösen, als Severus Snape breit grinsend die Krankenstation betrat, um den Spielern seines Hauses zum Sieg zu gratulieren. Florence wirbelte herum und ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als sie sah, wer eingetreten war. Mit einem Fauchen rauschte sie ebenso schnell, wie sie gekommen war, aus dem Krankensaal. Severus ahnte, daß sie nicht wirklich gut auf ihn zu sprechen war...
"Flo, so schlimm war es doch gar nicht!" Severus hetzte am Abend hinter Florence die Treppen hinauf. Es war schon erstaunlich, wie schnell diese kleine Person mit ihren viel kürzeren Beinen rennen konnte. Während des gesamten Abendessens hatte sie ihn konsequent ignoriert und tat es auch jetzt noch. "Sie haben es nur ein bißchen übertrieben, das gebe ich zu..." Sie hatten bereits den Gang im dritten Stock erreicht und Florence rannte auf ihr Quartier zu, während Severus mit einer Statue um den Saum seines Umhangs kämpfte. In diesen wertvollen Sekunden schlüpfte sie durch den Spalt, den das Porträt von Sir Cadogan und seinem fetten Pony ihr freigab. Nachdem Severus um ein Haar die widerspenstige Statue eines sehr häßlichen einäugigen Zauberers umgerissen hatte, um sein Kleidungsstück zu befreien, rannte er auf das zuklappende Bild zu und prallte dagegen. "Mylady möchte heute Abend nicht mehr gestört werden!" verkündete der Ritter auf dem Bild und funkelte Severus herausfordernd an. Der wiederum schlug mit der Faust auf die Leinwand und rief: "Flo, laß mich rein!" "Nein!" kam es dumpf von der anderen Seite. Severus hob die Augenbrauen: wenigstens ignorierte sie ihn jetzt nicht mehr. "Ich finde es reichlich lächerlich für zwei erwachsene Menschen, sich durch geschlossene Türen hinweg zu unterhalten!" Schweigen. "Wie du willst: es sind Schüler und sie kennen ihre Grenzen noch nicht wirklich! Ich konnte nicht ahnen, daß sie so überreagieren! Aber die Gryffindors waren auch nicht gerade Unschuldslämmer, das mußt du doch zugeben!" Er lauschte angestrengt und Sir Cadogan verzog das Gesicht, als sich Severus' Haarschopf seiner Leinwand näherte. "Verschwinde!" kam es nun wieder dumpf hinter dem Bild hervor. Severus seufzte. Flo war noch nie einfach gewesen und derart dramatische Auftritte hatten beide in den zwei Jahren ihrer letzten Beziehung nur zu oft gehabt. Nur waren sie sich damals zumindest in einem Punkt einig gewesen: daß sie zusammen gehörten. Und genau das war nun nicht der Fall. Sie waren kein Paar mehr, nur noch schwierig befreundet. Severus hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sich jetzt verhalten sollte. Zudem ärgerte ihn das Bild. "Halt du dich da raus, ja? Ein Mucks von dir und du bewachst demnächst das Klo der Maulenden Myrte, verstanden?" fuhr er den Ritter, als dieser zum Sprechen ansetzte. Sir Cadogan war gewiß kein Feigling, etwas irre vielleicht, aber die Drohung, demnächst eine Toilette, die sowieso niemand freiwillig nutzte, zu bewachen, ließ ihn schweigen. "Flo, laß mich rein!" Etwas raschelte hinter der Tür und Severus spitzte die Ohren. Als sich nichts tat, versuchte er es noch etwas flehender: "Flo, bitte..." "VERSCHWINDE!!!" Severus seufzte erneut. "Was ist mit morgen?" Wieder raschelte es hinter der Tür, bevor sich das Bild einige Zentimeter weit öffnete. "Nach dem Frühstück?" fragte Florence und als Severus Anstalten machte, sich durch den Spalt zu quetschen, zog sie die Tür etwas weiter zu. Das war einfach lächerlich! "Ja, wie immer! Aber wenn du mich rein lässt..." Weiter kam er nicht, das Bild verschloss nun wieder völlig die Türöffnung. Sir Cadogan grinste ihn hämisch an und zuckte mit den Augenbrauen. "Wir sehen uns morgen. Bis dahin ziehe ich es vor, nicht mit dir zu reden!" erklärte Florence von ihrem Büro aus. Sie war immer noch wütend. Die Blessuren, die die Spieler beider Häuser am Nachmittag davongetragen hatten, gingen weit über das Maß des verständlichen hinaus. Das Quidditch - Spiel war kein Spiel mehr gewesen, sondern eher eine offene Kampfhandlung, die sie kurz nach der Unterbrechung fast schon endgültig abgepfiffen hätte, wenn Draco Malfoy nicht schneller im Fangen des Schnatz gewesen wäre. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, als die Spieler anschließend zusammen zu falten, was sie ja auch getan hatte. Und dabei hatte sie für die Schüler eine enorme Ähnlichkeit mit Severus bewiesen, wenn sie wütend war. Und sie war immer noch wütend. Wütend auf die Spieler und noch viel wütender auf Severus. Sie verstand diese Spieltaktik als Wink mit dem Zaunpfahl, als Erinnerung an frühere, unbeschwertere Zeiten, und so war es von Severus ja auch zum Teil beabsichtigt gewesen. Doch nun stand der wütend auf sich selbst und noch viel wütender auf das feixende Bild vor ihrer Tür und überlegte, was er sagen und tun sollte. "Okay... Wie du willst..." Er drehte sich um und rauschte den Gang entlang. Heute hatte es anscheinend keinen Sinn mehr zu diskutieren, das war ihm bewußt geworden.
In der Bibliothek wühlte sich Professor Litigant durch den Berg von Büchern, den er sich aus den Regalen gezogen hatte. Er war nahe dran, er konnte es spüren! Fast zwei Monate war er nun tagtäglich in der Bücherei gewesen und verschiedenes war ihm bereits klar geworden, aber er vermutete, noch mehr zu finden. Fast hätte er laut geschrien, als er endlich fand, was er gesucht hatte. Während er las, wurde er immer bleicher im Gesicht. Es dauerte eine Weile, nachdem er zu Ende gelesen hatte, bis er seine Gedanken geordnet hatte. Das war viel schlimmer, als er anfänglich schon befürchtet hatte! Sehr viel schlimmer!
"Sev, ich habe es dir vorhin schon gesagt, ich will heute nicht mehr mit dir reden!" fauchte Florence auf das Klopfen an ihrer Tür hin. Sie hatte sich mit einem Buch und einer Kanne Tee bewaffnet in einen Sessel vor dem Kamin gesetzt und war gerade dabei, sich wieder etwas zu beruhigen. Draußen im Gang räusperte sich jemand. "Ich bin nicht Professor Snape, Madam Farstalker! Hier ist Jonathan Litigant!" Florence blickt erstaunt von ihrer Lektüre auf. Was wollte der denn noch so spät von ihr? "Moment!" rief sie und stürzte in ihren Schlafraum zum Spiegel. Sie hatte geweint und ihre Schminke war unter den Augen verlaufen, ihre Haare standen wild in alle Richtungen, nachdem sie den Knoten gelöst hatte und ihr Kleid war tief aufgeknöpft, um es bequemer zu haben. So konnte sie diesem erzkonservativen Knilch nicht entgegen treten. Schnell band sie sich einen Zopf, knöpfte das Kleid zu und wischte sich die verlaufene Farbe weg. Sie sah immer noch fürchterlich aus, aber es war schon halb elf durch, andere lagen da schon im Bett, auch wenn es Samstag war. Allzuviel konnte er ja nun wirklich nicht erwarten! "Entschuldigen Sie die späte Störung, ich hatte eigentlich auch nicht damit gerechnet, Sie wirklich hier vorzufinden! Sind Sie sonst nicht immer noch im Labor zu Gange am Wochenende?" Litigant trat ein und schaute sich neugierig um, als Florence ihn hereinließ. 'So also sieht es bei ihr aus!' dachte er und wußte, daß sie genau das in seinem Gesicht gelesen hatte. Ihr Büro war chaotisch, vollgestopft und unaufgeräumt. Jeder andere hätte diese Atmosphäre als gemütlich und charmant eingestuft, nicht aber Jonathan Litigant! "Das Spiel vorhin war sehr anstrengend und ich wollte mich heute lieber etwas entspannen!" entgegnete Florence und runzelte die Stirn. Was wollte er denn hier, wenn er doch gar nicht mit ihr gerechnet hatte? Ganz die gute Gastgeberin bot sie Litigant etwas zu trinken und er nahm an. "Tja, nun kommen wir ja doch noch zu einer gemeinsamen Tasse Tee!" Litigant lächelte kalt, als er die dargebotene Tasse entgegennahm und drehte sich in dem Sessel etwas dem Feuer im Kamin zu. "Nur Professor Snape ist heute leider nicht dabei..." bemerkte Florence und sie beschlich ein klammes Gefühl. Obwohl sie immer noch wütend auf ihn war, wünschte sie, Severus wäre jetzt hier. Allein mit diesem... Litigant fühlte sie sich doch sehr unbehaglich. "Vielleicht sollte ich ihn rufen? Er schläft sicher noch nicht, wie ich ihn kenne!" Litigant winkte ab: "Nein, ich würde mich lieber unter vier Augen mit Ihnen unterhalten, meine Teuerste..." und zückte seinen Zauberstab.
Auch nach all den Jahren war der Astronomieturm immer noch Severus' Lieblingsort, um Nachzudenken. Wieder einmal hatte er alles vermasselt. Warum war er eigentlich nicht in der Lage, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, ohne daß er anschließend von allen gehasst wurde? Albus Dumbledore war wohl wirklich der Einzige, der mit Severus umgehen konnte. Und bis heut Abend dachte er, Florence würde ihn auch verstehen. All seine Schulfreunde waren entweder tot oder in Askaban, nachdem er sie verraten hatte. Igor Karkaroff hatte seinetwegen ebenfalls mehrere Monate in Askaban verbracht und war nun auf der Flucht. Wenn sich Severus nur etwas mehr für ihn eingesetzt hätte, könnte er heute eventuell in Hogwarts unterrichten wie er. Aber Severus Snape wollte der einzige ehemalige Todesser in der Nähe von Albus Dumbledore sein. Er brauchte diese Einmaligkeit um sich wertvoller als der Dreck unter seinen Schuhen zu fühlen, deshalb hatte er seinen väterlichen Freund nicht um Hilfe für Igor gebeten. Und Remus Lupin... mit ihm hatte er zögerlich begonnen, sich anzufreunden, in jenem Jahr, als der Werwolf hier unterrichtete. Aber dann mußte ja Sirius Black auftauchen und Severus völlig überschnappen. Und um die zögerlich Annäherung noch komplett zu vernichten hatte er auch noch die Werwolfgeschichte ausgeplaudert. Severus schüttelte den Kopf und überlegte wohl zum tausendsten Mal, ob er nicht lieber springen sollte, als weiterhin alle, die er mochte, gegen sich aufzubringen. Der Versuch diesen Sommer hatte ihn immerhin etwas näher an die Grenze gebracht, als seine ständigen Überlegungen hier oben. Es war leichter gewesen, einfach etwas zu schlucken, als erst umständlich auf die Balustrade zu klettern und dann noch wirklich zu springen... Andererseits... Flo war schon immer genauso explosiv gewesen wie er... na ja, fast... Zumindest ihm gegenüber. Er hatte sie oft genug auf die Palme gebracht und sie hatten sich jedes Mal wieder vertragen. Aber damals standen sie anders zueinander... Ein Geräusch im Turmaufgang ließ ihn zusammenzucken und er sprang instinktiv in den Schatten hinter der Statue vom Sternengucker. Er wollte nicht, daß jemand erfuhr, wo er sich am liebsten vor allen versteckte. Und wenn es Schüler waren, konnte er sie so besser überraschen. Die Tür zur Plattform schlug auf und jemand ächzte und stöhnte. Etwas Schweres wurde über den Boden geschliffen und fallen gelassen, wobei es einen dumpfen Aufschlag gab. Jemand schnaufte und holte mehrmals sehr tief Luft. Dann hörte Severus Schritte, die zuerst in seine Nähe kamen und dann wieder zurückgingen. Wieder stöhnte jemand wie unter einer Last und erneut konnte er Schleifgeräusche und schwere Schritte hören, die sich in seine Richtung bewegten. Was immer auch dort vor sich ging, es war etwas Unerlaubtes. Severus trat aus dem Schatten und blieb wie angewurzelt stehen bei dem Anblick, der sich ihm bot! "Darf ich fragen, was Sie mit Madam Farstalker vorhaben?" fragte Severus, als der erste Schock vorüber war. Litigant hatte drohend seinen Zauberstab erhoben und die bewußtlose Florence schon halb über die Balustrade gewuchtet. "Ich werde diese Welt vor dem Untergang bewahren!" Severus durchdachte schnell seine Möglichkeiten: sein eigener Zauberstab war in seinem Umhang und er war sich sicher, daß Litigant ihn schneller erledigt hätte, als er selbst bereit war zum Angriff. Wenn Severus sich für einige Sekundenbruchteile hinter der Statue in Sicherheit bringen konnte um den Stab zu zücken, könnte Litigant Florence schon nach unten geschubst haben. Und wenn er einfach hinter ihn apparierte und Florence zurückzog? Keine schlechte Idee, aber auf dem Schulgelände war das leider nicht möglich... Severus mußte Zeit gewinnen! "Und dafür sind Sie bereit, jemanden kaltblütig zu ermorden?" fragte er und hoffte, Litigant ablenken zu können. "Haben Sie nicht gehört, ich werde diese Welt retten! Und eine Tote ist es wert, Milliarden von Leben zu retten, oder nicht?" In Litigant's Augen stand der Wahnsinn geschrieben. Er war absolut überzeugt von seinem Tun und keine Worte der Welt konnten seine Meinung ändern. Severus schluckte und verspürte eine eisige Kälte in der Herzgegend. "Wie kommen Sie darauf, daß ausgerechnet Madam Farstalker diese Tote sein muß?" "Weil Sie die einzige Halbelfe ist, die es zur Zeit gibt! Und sie ist auch die Einzige, die die Tore zur Hölle öffnen kann! Ja, ich habe alles gelesen! Nächsten Sommer wird sie es tun! Sie - wissen - schon - wer wird sie dazu bringen! Erst wird er seinen Erben zeugen und dann öffnet sich der Höllenschlund, wenn die dunkle Seele in ihrem Leib Unterschlupf finden kann! Sie wird den Teufel persönlich gebären!" Litigant's Stimme war nur noch ein schrilles Schreien, offensichtlich war er nun völlig durchgedreht, aber immer noch höchst wachsam. "Ich glaube nicht an den Teufel. Es gibt genug Dämonen, die behaupten, der Teufel zu sein. Aber der Einzige, den ich kenne, der dem Teufel am nächsten kommt, ist Voldemort selbst!" Severus bemerkte das ängstliche Zucken, das Litigant durchlief, als er Voldemort's Namen aussprach. "Nennen Sie ihn nicht so! Sein Name darf nicht ausgesprochen werden!" wisperte der Wahnsinnige und Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn, während er mit dem Zauberstab in seiner Hand fuchtelte. "Ich habe auch keine Angst, den Namen meines ehemaligen Meisters auszusprechen!" Wenn er Litigant nur genug verwirrte und dieser nicht mehr auf Florence achtete, hatte er eventuell eine geringe Chance, doch noch seinen Zauberstab zu greifen. "Ja, ich war ein Todesser. Aber die Frau, die Sie gerade versuchen zu ermorden, hat meine Meinung geändert. Sie verstehen also, daß ich Ihr Tun nicht zulassen kann!" "Das wird ja immer besser! Ein Diener des Teufels auf Erden will die Mutter des Herrn der finsteren Heerscharen auch noch beschützen!" Litigant's Stimme war nur noch ein hohes Krächzen. Mußte dieser Irre sich so geschwollen ausdrücken? Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte Severus sich wahrscheinlich halb tot gelacht. "Sie sehen das etwas verschroben: ich bin hier, um Florence Farstalker vor Voldemort zu beschützen! Sie wird das Schulgelände nicht verlassen und Voldemort es niemals wagen, Hogwarts oder Dumbledore offen anzugreifen! Und wenn doch, weiß ich es vorher!" Litigant war hin und her gerissen: Wen sollte er denn nun zuerst töten? Den Diener Voldemorts oder die Unglücksbringerin? Leider bemerkte er das Zucken von Severus, als dieser in seinen Umhang greifen wollte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder voll auf ihn. "Ich glaube dir kein Wort, Todesser! Keiner seiner Anhänger verläßt den Unsäglichen und überlebt es!" Litigant hatte sich entschlossen, wer zuerst getötet werden mußte, um diese Milliarden von unschuldigen Menschen zu beschützen und trat einen Schritt auf Severus zu. Mit Erleichterung nahm Severus wahr, daß Florence' nun nicht mehr festgehaltener Körper zurück auf die Plattform glitt und auf dem Steinfußboden liegenblieb. Unglücklicherweise vertat er in dieser Sekunde auch seine Chance, nach seinem Zauberstab zu greifen und Panik kam in ihm auf. "Er heißt Voldemort! Und wenn Sie Madam Farstalker jetzt umbringen wird er dennoch eine Möglichkeit finden, einen Erben zu zeugen! Er ist fast unsterblich, nur sein Körper kann für einige Zeit verschwinden! Sie hätten das Kapitel zu Ende lesen sollen, Litigant!" Severus sprang blitzschnell hinter die Statue, als Litigant "Avada Kedavra!" brüllte und der Fluch verfehlte ihn nur knapp. Er zückte seinen Zauberstab nun endlich und sprang geduckt hinter der Statue wieder hervor: "Stupor!" Litigant wurde allerdings nicht nur von Severus' Fluch getroffen, auch Albus Dumbledore hatte ihn betäuben wollen. Durch die Macht der zwei zeitgleichen Flüche wurde der durchgedrehte Lehrer geradezu hochgeschleudert und fiel über die Balustrade in die Tiefe. Völlig außer Atem erreichten sowohl Severus wie auch Albus die Begrenzung, aber es war schon zu spät. "Schön, dich zu sehen! Hättest du nicht etwas früher kommen können?" Severus war mit den Nerven am Ende und noch nie so dankbar für die Anwesenheit seines väterlichen Freundes gewesen. "Hm. Ich denke, ich sollte schnell einen Ersatz für Professor Litigant finden! Diesen Sturz wird er wohl nicht überlebt haben!" Albus Dumbledore schüttelte immer noch nach unten blickend den Kopf, während Severus bereits nach Florence sah. "Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, hier nach zu schauen?" "Als ich an der Bibliothek vorbei kam, war die Tür offen und das Licht brannte. Litigant hatte es ziemlich eilig, nachdem er gefunden hatte, was er suchte, die Bücher lagen auch immer noch auf dem Tisch. Sir Cadogan erzählte mir dann, daß er die betäubte Florence weggezerrt hatte. Ob du es glaubst oder nicht, dieser dämliche Ritter ist ihnen bis zum Aufgang dieses Turms durch die Bilder gefolgt und hat anschließend nach Hilfe gesucht! Ich sollte ihn befördern!" Albus starrte immer noch in die Tiefe. "Und ich hatte ihm heute gedroht, ihn vor das Klo der Maulenden Myrte zu verfrachten... Ich kann das wirklich nicht glauben!" Nun war es an Severus, ungläubig den Kopf zu schütteln.
