Rape me
Titel: Rape me
Teil: 27 - 38
Autor: Shinigami und Koryu
E-Mail: Louis_Angel@gmx.net und koryu@gmx.at
Warnung: violence, language, confusion, lemon, death (nicht unbedingt alles in diesem Teil)
Fandom: Reality
Rating: PG-16
Inhalt: Chris entdeckt auf dem Weg zur Uni Otoko, der bewusstlos am Boden liegt, und hilft ihm. Und genau das stellt sich als großer Fehler heraus, wie er später lernen muss.
Kommentar: Es ist leider etwas verwirrend, da wir, selbst wenn Mike da ist, auch teilweise Otoko geschrieben haben. Der Grund dafür ist, dass Mikes Körper ja auch gleichzeitig Otokos Körper ist und man vom Aussehen nicht unterscheiden kann, wen man gerade vor sich hat.
Ein paar Informationen zum Thema 'Multiple Persönlichkeit' findet man auf dieser Seite:
Danke an Del und Miau für´s Betalesen.
27.
Gegen Abend, also nach mehr als einer Stunde, kam Chris wieder zum Motel zurück. Er hatte einen Job gefunden, doch er hatte gleich anfangen müssen, wenn er ihn hatte haben wollten. Das war zwar nicht geplant gewesen, doch Chris hatte zugesagt, denn die Bezahlung in der Bar war nicht schlecht und er befürchtete, dass er sonst nichts anderes finden würde. Chris sah ein wenig erschöpft aus, als er das Zimmer betrat. //Hoffentlich ist er wieder normal.//
"C-chris....?" Als wenn er ein großes Monster vor sich erwarten würde, hob Otoko die Decke, unter der er sich versteckt hatte, und linste heraus. ".....B-bist du w-wieder da.....?"
"Ja... Tut mir leid, dass ich so lange weg war. Alles ok?" Mit einem Seufzen zog Chris seine Jacke und die Schuhe aus, dann setzte er sich neben Otoko auf das Bett.
"J-ja.... A-aber... W-wo warst du d-denn.....?"
"Ich habe mich doch noch nach einem Job umgesehen und auch einen gefunden..." Er überlegte kurz. "Du bist... eingeschlafen und da wollte ich dich nicht stören."
"A-ach so.... T-tut mir l-leid...." Schuldbewusst sah Otoko zu Chris hoch.
"Schon ok." Mit einem Lächeln wuschelte Chris durch Otokos Haare. Dann betrachtete er den Jungen genauer. //Er scheint sich wirklich nicht zu erinnern...//
Fragend blickten ihn zwei eisblaue Augen an. "....Was i-ist?"
"Erinnerst du dich an vorhin, bevor du eingeschlafen bist?"
"...J-ja... w-wieso....?"
"An was genau?"
"...W-wieso fragst du das? D-du h-hast mich doch m-massiert..."
Chris lächelte erleichtert. "Ja, habe ich." Er küsste Otoko auf die Stirn. "Hast du Hunger?"
"E-ein wenig...", nuschelte der kleinere Junge. "Chris.... W-was ist das f-für ein J-job, den du h-hast...?"
"In so einer Bar, an der Theke. Nichts besonderes. Ich muss nur lernen, wie man Cocktails mixt." Chris deutete auf seine Tasche. "Ich hab dir etwas mitgebracht, ist zwar nur Fast Food, aber ich denke, es geht trotzdem. Oder?"
"K-klar..." Doch im Moment dachte Otoko nicht daran, essen zu wollen. Er griff nach Chris' Arm und zog ihn zu sich. Mit geschlossenen Augen lehnte er seinen Kopf an Chris' Brust.
Dem stockte kurz der Atem, doch dann lächelte er wieder. //Ich dachte für einen Moment, es wäre Mike...// "Ich hab dich vermisst, Kleiner.", murmelte er leise.
"....Hmm... I-ich d-dich auch....", flüsterte der andere zu Antwort.
//Er ist so anders...// Wie um sich zu vergewissern, dass Otoko da blieb, festigte Chris seinen Griff um den anderen.
"....D-denkst du,... i-ich k-kann m-mir auch einen J-job s-suchen....?"
"Na ja, ich denke schon... Du müsstest halt überlegen, als was.", antwortete Chris nachdenklich.
"....A-als Putze v-vielleicht....?"
"Wenn du das willst..."
"I-ist wohl d-das Einzige, w-was ich m-machen könnte..."
"Ich weiß es nicht." Chris behagte das Thema nicht unbedingt, auch nicht die Vorstellung, Otoko alleine nach draußen zu lassen. Doch andererseits fiel ihm auf, dass er Otoko vielleicht doch zu sehr bemutterte. Schließlich war der andere fast so alt wie er und er konnte ihn nicht wie ein kleines Kind behandeln.
"...A-aber i-ich hab keine A-ahnung, w-wie ich so 'nen Job kriegen k-önnte..."
"Wir können morgen zusammen auf die Suche gehen, wenn du willst. Doch jetzt..." Chris griff nach der Fast Food Tüte. "Sollten wir essen."
Stumm löste sich Otoko von Chris und linste zu der Tüte.
Die nächsten zwei Wochen verliefen ohne wichtige Ereignisse. Otoko hatte tatsächlich einen Job als Putzkraft gefunden und Chris lebte sich in seinem ein. Sie verließen das Motel wieder und fanden eine Ein-Zimmer-Wohnung, die sie sich leisten konnten.
Es war nicht gerade eine Prachtwohnung, aber mit ein wenig Mühe war sie doch ziemlich gemütlich geworden. Otoko schlief immer, während Chris in der Uni war und stand dann auf, wenn er nach Hause kam. Er musste abends arbeiten, wenn die Leute aus dem Bürogebäude, in dem er arbeitete, nach Hause gegangen waren und so kam er immer erst gegen drei Uhr morgens zurück.
Auch Chris arbeitete in dieser Zeit, wenn auch nicht so lange. Er war froh, dass er sich entschlossen hatte, weiter zu studieren, denn sonst wäre ihm mit Sicherheit langweilig geworden. Nur war es schade, dass er Otoko durch dessen Job meist schlafend sah.
Chris erwachte, nachdem er nur eine Stunde geschlafen hatte. Er war heute bis kurz nach zwei Uhr morgens in der Bar geblieben und hatte noch mit aufgeräumt, als die letzten Gäste schon gegangen waren. Müde blickte er sich um. Otoko schien gerade zurückzukommen.
Leise fluchend hob Otoko den Schlüssel, der ihm auf dem Boden gefallen war, wieder auf. //Hoffentlich habe ich ihn nicht geweckt....// Auf Zehenspitzen schlich der blonde Junge ins Zimmer und linste prüfend hinein.
"Otoko?", kam es leise aus Richtung des Bettes. Verschlafen richtete Chris sich auf.
"G-gomen nasai.. I-ich wollte d-dich nicht w-wecken....", flüsterte Otoko leise und zog seine Jacke aus.
"Ich hab noch nicht lange geschlafen." Chris streckte sich, dann stieg er aus dem Bett und kam nur mit Boxershorts bekleidet auf Otoko zu.
"...I-ich hatte k-kalte Hände und d-da ist mit der Wohnungsschlüssel runter g-gefallen..." Scheu lächelte Otoko in die Dunkelheit, die ihn Chris nicht gut erkennen ließ.
"Egal.", murmelte Chris und legte die Arme um den Jüngeren. Noch ein wenig schlaftrunken presste er seine Lippen auf die des anderen.
Sofort schlossen sich Otokos Augen wie von selbst. Bis jetzt war es noch nie vorgekommen, dass er Chris nach seiner Arbeit geweckt hatte und nun genoss er es ein wenig, selbst jetzt noch Chris' zarte Lippen küssen zu können.
Mit einem Lächeln löste sich Chris einige Momente später von Otoko. Die Kälte hatte bei ihm eine Gänsehaut verursacht. "Komm mit ins Bett, ja?"
"H-hai... A-aber i-ich will mich n-noch kurz waschen gehen...." Und damit tapste er auch schon ins Bad.
Chris hingegen schlüpfte wieder unter die Decke und wartete, bis Otoko zurückkam.
Er schlief schon fast wieder, als Otoko endlich zurückkam und sich unter der Decke verkroch. Schnuffelnd kuschelte er sich in die Decke. ".........I-ich rieche i-immer noch nach P-putzmittel....."
Ein müdes Grinsen legte sich auf Chris' Lippen. "Sehr erotisch..." Er rutschte zu dem anderen und legte den Arm um ihn. "Hast du morgen frei?"
"N-nein... W-wieso....?", fragte Otoko verwirrt. "....H-habe i-ich das e-etwa g-gesagt....?"
"Nein... Ich dachte, es wäre vielleicht so, weil doch Wochenende ist." Chris legte den Kopf zurück auf das Kopfkissen. "Morgen hab ich keine Uni..."
"A-ach so...... E-es k-kommen a-auch am W-wochenende i-immer a-ab und zu w-welche arbeiten...."
Gähnend schloss Chris die Augen. "Morgen machen wir trotzdem wieder etwas, ok?"
"O-ok... g-gerne..."
"Schön." Er drückte Otoko einen letzten Kuss auf die Wange, dann schmiegte er sich an den anderen und versuchte wieder einzuschlafen.
Am nächsten Morgen war Chris vor Otoko aufgewacht und überlegte sich nun, wie er den blonden Jungen so sanft und so schnell wie möglich wecken konnte.
Doch andererseits konnte er sich auch Zeit lassen. Immerhin war es erst Mittag und sie hatten Zeit bis zum Abend, wenn Chris wieder in die Bar und Otoko in das Bürogebäude musste. Mit einem Lächeln auf den Lippen kniete er sich auf das Bett und lehnte über den anderen Jungen. "Hey...", hauchte er leise.
"....Hnn... Ich will nichts...", nuschelte Otoko und patschte seine Hand mitten in Chris' Gesicht.
Der blickte für einen Moment recht dumm aus der Wäsche, dann versuchte er es nochmals. "Otoko... Steh auf."
Verschlafen blinzelte dieser nun um sich. "....W-was......?"
Doch anstatt zu antworten küsste Chris den anderen.
Jetzt war Otoko sehr schnell wach. Erschrocken und mich weit aufgerissenen Augen starrte er Chris an.
Als Chris das bemerkte, beendete er den Kuss sofort. "Tut mir leid... Ich wollte dich nur wecken."
Otokos Augen waren immer noch verwirrt auf Chris gerichtet. "......I-ich.... bin wach...... jetzt..."
"Alles ok?"
Ein heftiges Nicken war die Antwort.
Nun lächelte Chris wieder leicht. "Schön." Er richtete sich wieder auf, so dass er auf dem Bett saß, und fuhr durch Otokos Haare. "Hast du gut geschlafen?"
"Z-zu w-wenig....", meinte er und kuschelte sich wie eine Katze an Chris.
Der strich leicht über Otokos Oberschenkel. "Soll ich dich weiterschlafen lassen?"
"Hmm... N-nein..... D-du wolltest d-doch e-etwas mit mir u-unternehmen...."
"Ja... Obwohl ich nicht weiß, was. Hauptsache, ich bin wieder ein wenig mit dir zusammen."
Lächelnd schloss Otoko die Augen. "Ja... I-in letzter Zeit haben wir uns n-nur wenig g-gesehen..."
"Na ja, die Zeiten sind ein wenig schlecht." Chris stand auf und streckte sich. "Wie läuft's bei dir im Job? Alles ok?"
"H-hai..... B-bis jetzt schon....", murmelte Otoko und räkelte sich auf dem Bett.
Nachdenklich sah Chris ihm zu. //Mike ist nicht mehr aufgetaucht seitdem... und Otoko geht es gut.// Trotzdem reichte es Chris nicht wirklich, Otoko nur küssen zu können. Doch andererseits wollte er ihn nicht bedrängen.
Langsam stand Otoko nun auf taumelte dann auf Chris zu. Bei diesem angelangt schlang er die Arme um ihn und legte den Kopf in dessen Nacken. ".....Du schenkst mir so viel..."
"Du gibst es mir ja auch wieder zurück...", antwortete Chris lächelnd und legte ebenfalls die Arme um den anderen.. "Ich bin froh, dich bei mir zu haben."
"....Danke C-chris....." Mit wässrigen Augen beugte sich Otoko zu Chris hoch und bedeckte dessen Lippen mit seinen.
Verwundert sah Chris den anderen an. //Wieso weint er?//
Langsam schlang Otoko die Arme um Chris' Nacken und zog ihn so enger an sich.
Doch der drückte Otoko leicht von sich. "Was ist denn los?", fragte er sanft.
"N-nichts... I-ich.... ich bin nur.... so.... so... g-glücklich...."
"Dann ist gut." Chris zog den anderen nun wieder an sich. "Ich dachte, dich stört irgend etwas."
"N-nein...i -ich.... E-es ist a-alles i-irgendwie so.... so u-unecht..."
"Du hast recht, es ist komisch." Vorsichtig ließ Chris den anderen wieder los. "Ich glaube, ich sollte mal wieder mit meinen Eltern reden...", überlegte er laut.
//Es ist alles so...... zerbrechlich.... Ich habe Angst etwas Falsches zu machen....//
"Worauf hast du Lust, hm?"
"...Auf d-dich....", sagte Otoko, bevor er überhaupt merkte, was er da gesagt hatte.
"So?", fragte Chris grinsend.
Sofort liefen Otokos Wangen rot an. "E-e... I-ich meine, i-ich m-möchte mit dir z-zusammen sein."
//Gegen das andere hätte ich auch nichts.// "Und sonst noch? Wir könnten zusammen irgendwo hingehen, die Frage ist nur, wohin."
"I-ich weiß nicht....W-wo bist du d-denn m-mit d-deinen Freunden h-hin?"
"Na ja, ins Café, manchmal ins Kino. Aber Café finde ich gar nicht schlecht."
"O-ok.... D-dann g-gehen wir d-dahin?"
"Gerne." Chris streckte sich, dann sah er wieder zu Otoko. "Kommst du mit zum Duschen?", fragte er vorsichtig.
"O-ok... V-vielleicht w-werde ich dann ein wenig wach..." Er eilte ins Bad und schlüpfte vor Chris durch die Tür.
Mit einem Lächeln auf den Lippen folgte Chris ihm.
Als er ebenfalls im Bad ankam, hatte sich Otoko schon ausgezogen.
Und prompt ertappte Chris sich dabei, wie er Otoko anstarrte. //Nein, du wirst nichts tun. Es wird nur wieder so, dass Mike kommt und das ist willst du nicht.//, sagte er zu sich selbst.
"D-du willst doch nicht i-in den Kleidern duschen, o-oder?", fragte Otoko verwirrt, als sich Chris nicht auszog.
"N-nein, natürlich nicht." Schnell zog Chris seine Schlafsachen aus und huschte unter die Dusche. Mit einem Lächeln ließ er die Tür auf, bis Otoko hineinkam.
"D-die Dusche i-ist enger a-als die im Motel...", bemerkte der blonde Junge zuckte zusammen, als der erste eiskalte Wasserstrahl auf seinen Rücken traf.
Sofort drehte Chris den Regler auf warm. "Ja... stimmt.", murmelte er, doch er war viel zu abgelenkt von Otokos nacktem Körper. //Du benimmst dich schon wieder wie jemand in der Pubertät. Das muss doch wirklich nicht sein.// Entschlossen riss er sich von dem Anblick los.
Als das Wasser wärmer wurde, seufzte Otoko leise genüsslich auf. "Hmm.... Warm i-ist schon viel b-besser....."
Chris jedoch hätte das kalte Wasser vorgezogen. Mit einem leisen Seufzen wandte er sich ab, um sich endlich auf das Duschen zu konzentrieren zu können.
"S-soll i-ich dir den Rücken waschen?", fragte Otoko nach einer Weile.
"Gerne." Chris hatte mittlerweile seine Selbstsicherheit wieder halbwegs zurückerlangt.
Otoko griff nach dem Duschgel und drückte eine großzügige Portion auf Chris' Rücken, dann fing er an, mit seinen langen schlanken Fingern über Chris' Rücken zu streichen und an ein paar verspannten Stellen massierte er die Haut leicht.
Mit geschlossenen Augen lehnte Chris an der Wand und genoss Otokos Berührungen. Es fühlte sich mehr als gut an.
"I-ist g-gut so...?", fragte Otoko und lehnte sich dabei über Chris' Schulter, damit dieser ihn auch verstand.
"Ja...", hauchte Chris leise. Im Moment befand er sich eher in einer Traumwelt, als in der grausamen Realität.
"W-wenigstens ein wenig Massieren scheine ich zu können...." //Wo ich das bloß herhab....?// Lächelnd machte Otoko weiter.
"Das machst du super.", stimmte Chris zu. Ihm hatten die Zärtlichkeiten des anderen gefehlt, selbst wenn sie das letzte Mal nur von Mike gekommen waren.
Otoko selbst stieg langsam die Röte ins Gesicht. Chris' Stimme hatte sich verändert und das hatte er sehr wohl mitgekommen. Wie von selbst beugte er sich vor und küsste Chris' Schulter.
Trotz der Wärme des Wassers bekam Chris eine Gänsehaut, doch das störte ihn im Moment nicht wirklich. Otokos Berührungen erregten ihn, wieder einmal.
"...Ich liebe dich, Chris...", hauchte Otoko und zog sich dann wieder zurück. "...I-ich glaube, dein Rücken ist jetzt sauber genug..."
"...Danke...", murmelte Chris. Er schüttelte einen Moment den Kopf und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass es nicht so schnell gehen würde, wenn er nicht bald kaltes Wasser bekam. //Mist.//
"D-du stehst ja gar nicht m-mehr unter dem Wasser...." Und so zog ihn Otoko wieder unter den Wasserstrahl, leider zog er ihn auch gleich zu sich hin.
Chris schluckte. Mit ein wenig steifen Bewegungen begann er, sich selbst zu einzuseifen, passte aber höllisch auf, dass er Otoko nicht mehr als seinen Rücken zeigte. //Ich will ihn ja nicht schon wieder verschrecken.//
Etwas verwirrt verfolgte Otoko Chris' Verhalten. "...Warum b-bist du auf einmal s-so v-verklemmt?"
"Tut mir leid. Du solltest dich vielleicht mit dem Waschen etwas beeilen.", gab Chris gepresst zurück.
Einen leichten Stich im Herzen spürend, starrte Otoko auf die Seife in seiner Hand. "O-ok... g-gomen..." und schon war Otoko aus der Dusche verschwunden.
//Es tut mir doch wirklich leid.// Chris sah dem anderen leicht traurig hinterher. Er hatte ihn doch nicht verletzen wollen. Aber erst einmal musste er etwas gegen sein Problem zu unternehmen.
In ein dickes Badetuch gehüllt hatte sich Otoko ins Schlafzimmer verzogen. Er wollte sich eigentlich abtrocknen, aber dann hatte er sich doch anders entschieden, denn jetzt saß er auf seiner Seite des Bettes und krallte das Tuch um sich.
Nach ein paar Minuten kam auch Chris dazu. Mit einem Handtuch um die Hüften setzte er sich neben Otoko auf das Bett und legte die Arme um ihn. "Hey... Du hast es falsch verstanden. Ich wollte dich nicht loswerden, ich wollte dich nur nicht wieder erschrecken."
"....S-schon o-ok...", stotterte Otoko und verstand eigentlich nur Bahnhof. Er schloss die Augen und legte den Kopf auf seine angezogenen Knie.
"Ich verstehe ja auch nicht, warum es mich schon so sehr anmacht, wenn du mich nur massierst. Vielleicht war ich nur zu lange alleine...", überlegte Chris weiter.
Verwirrt öffnete Otoko die Augen wieder, ließ den Kopf aber auf seinen Knien ruhen. ".....E-es hat dich a-angemacht....?" Mit einem Seufzer zog er das Badetuch enger um sich. "......Was ist s-so besonders a-an S-sex....? W-wieso s-sind a-alle s-so gierig d-danach....?"
"Das weiß ich nicht..." Er betrachtete Otokos Verhalten genau. //Hat er Angst, ich würde im Moment nur an Sex mit ihm denken und mich nicht mehr zurückhalten können?// "Vielleicht, weil nicht jeder so schlechte Erfahrungen damit macht, wie du und weil es normalerweise einfach eine schöne Sache ist..."
Nun hob der blonde Jungen doch seinen Kopf, aber er wich Chris' Blick aus. "D-dann z-zeig mir, w-was so s-schön d-daran sein s-soll...."
Chris musste schlucken. "Vielleicht sollten wir uns damit noch ein wenig Zeit lassen."
"A-aber du willst e-es doch.... o-oder....?"
"Ja..."
Sofort biss sich Otoko auf die Lippen. "....W-wieso willst du uns dann Z-zeit lassen....?"
"...Weil ich Angst habe, etwas falsch zu machen.", antwortete Chris nach einem Moment des Zögerns.
"....Angst.....?" Erneut senkte Otoko den Kopf und lehnte sich an Chris. "...I-ich habe a-auch A-angst...", flüsterte er leise.
Sanft küsste Chris Otokos Hals. "Ich werde mein Bestes tun, dass du sie nicht mehr haben musst.", hauchte er. "Aber nicht heute."
Stumm schmiegte sich Otoko an Chris. ".....G-gomen nasai...."
"Das ist schon ok." Chris festigte den Griff um Otoko.
Nach mehr als einer Minute Ruhe war Otoko auch schon wieder eingeschlafen, was sein regelmäßiger Atem verriet.
Verwundert sah Chris auf den anderen herunter. //Er scheint den Schlaf wirklich noch zu brauchen.// Vorsichtig legte er Otoko in eine andere Position, damit dieser weiterschlafen konnte. //Ich lasse ihn lieber in Ruhe.//
Doch bevor Chris aufstehen konnte, schlang sich Otokos Hand um dessen Handgelenk. "....Bleib hier..."
"Ich dachte, du schläfst.", antwortete Chris leise.
"...Nicht wirklich...", nuschelte der blonde Junge und zog Chris' Hand zu sich.
Der blickte Otoko fragend an, sagte aber erst einmal nichts.
"...Mir ist kalt..." Seufzend zog Otoko das Badetuch enger um sich.
"Dann solltest du dich abtrocknen... Und im Bad ist es wärmer.", fügte er hinzu.
"...Wieso wärmst du mich nicht...?"
"... Ich bin genauso kalt wie du."
"Das glaube ich nicht..." Und schon zog ihn Otoko zu sich runter.
Überrascht sah Chris Otoko an. //Ist das wieder Mike?//
"...Du bist doch schön warm...", hauchte der andere Junge, ohne zu wissen, was Chris dachte.
Mit leichtem Unbehagen rutschte Chris ein wenig weg. "Mike?"
Sofort öffneten sich Otokos Lieder, die eisblauen Augen kamen zum Vorschein und blickten Chris fragend an.
//Heißt das jetzt ja oder nein?// "Ich muss mir noch die Haare föhnen."
"...Kann das nicht warten?"
"Dann wird das Bett nass."
"...Das trocknet doch wieder...." Flehend sah ihn Otoko an.
"Bist du es, Mike?" Chris hielt es nicht mehr aus, er musste es jetzt wissen.
Seufzend sah Otoko zu Seite. "...Was soll denn die Frage jetzt wieder...? Ich dachte, du willst mich Otoko nennen...."
"Also ja...", murmelte Chris. //Ich habe doch überhaupt nichts getan. Wieso hat er immer noch Angst vor mir?// Beinahe verzweifelt betrachtete Chris Otoko. "Will ich nicht.", antwortete er verspätet.
"...Bist du wieder sauer auf mich....?"
"Wieso wieder?"
"....Du bist doch die ganze Zeit immer wieder sauer auf mich...."
"Das stimmt doch gar nicht.", antwortete Chris mit einem Seufzen.
"Wieso weichst du mir dann aus...?"
"Weil ich Otoko liebe." Doch obwohl die Antwort aus Chris' Sicht ehrlich und einleuchtend klang, hörte sie sich doch mehr als lächerlich für Mike an.
".....Und wieso kaufst du dann mich?"
Anstatt die Frage zu beantworten, drehte Chris den Kopf weg. //Ich kann es ihm nicht erklären... Ich kann es niemandem erklären.//
"Kriegst du ihn etwa nicht?", rief Otoko ihm nach.
"...Ich habe Angst." Die Situation kam Chris so surreal vor. Er redete hier mit Otoko, besser gesagt mit dessen zweiter Persönlichkeit Mike über seine Ängste, die er wegen Otoko hatte.
Nun entwich Otoko ein Lachen. "..Du hast Angst? Vor was?"
"Ihm weh zu tun..."
"Und dann lässt du deine Triebe an mir aus, damit du deinem Porzellanpüppchen nichts antust, sehe ich das richtig so?"
"Nein, das ist nicht wahr." Aus irgend einem Grund hatte Chris das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. Aber aus Mikes Sicht war die Frage mehr als berechtigt.
"Hör mal, Chris. Wenn du diesen Otoko liebst, solltest du ihn nicht betrügen... Oder versuch ihn zu vergessen und schlaf so oft mit mir, wie du willst.... Aber beides zusammen geht schlecht..."
"Das weiß ich auch.", murmelte Chris.
"Dann entscheide dich." Otoko stand auf und tapste ohne das Tuch ins Bad.
//Das ist nicht meine Schuld.// Verzweifelt und frustriert schlug Chris mit der Faust auf die Bettdecke. //Scheiße!//
Nach wenigen Sekunden stand Otoko wieder vor Chris. "...Chris, sag mal... Hatte ich keinen Stoff bei mir?"
"Du bist clean.", grummelte Chris.
Schnaubend ließ sich Otoko auf das Bett fallen. "Scheiß drauf, ich will endlich wieder Spaß haben..."
Skeptisch hob Chris eine Augenbraue. //Wenn es das ist, was ich denke, dann kannst du es vergessen.//
"Kannst du mir nicht ein wenig Geld vorschießen? ... Immerhin bin ich schon ne Weile bei dir... und ganz untätig war ich ja wohl auch nicht...."
//Ich könnte ihn einfach an das Bett binden, bis er wieder normal ist.// "Vergiss es."
"Hey, komm schon Chris...." Sanft strichen Otokos Finger durch Chris' Haar. "...Du könntest dich dann auch ein wenig besser entspannen..."
"Ich will hier drin keine Drogen haben!", fauchte Chris, den Otokos Verhalten im Moment einfach nur wütend machte.
"Hey, hey! Beruhig dich, ok!! Ich hab ja nur gefragt!"
Grummelnd drehte sich Chris auf die andere Seite. //Ich muss mit Otoko reden. Ich muss es ihm erzählen. Sonst brauche ich bald selbst einen Therapeuten.//
"....Chris...." Otoko krabbelte über das Bett zu Chris und schlang die Arme um dessen Körper. "....Sei doch nicht gleich so sauer.... Ich bin es nun mal gewohnt, solche Orgien zu feiern.... Tut mir leid, dass ich nicht ein wenig feinfühliger bin... Sei mir nicht böse, ok...?"
Otokos flehender Tonfall beruhigte Chris wieder ein wenig. //Ich frage mich, was er von mir denkt... Wahrscheinlich hält er mich für einen totalen Vollidioten.//
"....Wie lange bin ich schon bei dir, hm...?", fragte Otoko leise.
"...Schon länger..."
"...Und du hast mich noch nie richtig angefasst... Ich versteh das nicht... Du bezahlst mich, sträubst dich aber gegen irgendwelchen sexuellen Kontakt mit mir..." Sanft stich Otoko über Chris' Brust.
"...Lass es... bitte...", murmelte dieser. "Es kann dir doch egal sein..."
Doch Otokos Hand hielt nicht still. Zielstrebig steuerte sie auf Chris' Brustwarzen zu und fing an, diese zu liebkosen. "....Du vergisst doch eines......", hauchte Otoko und küsste Chris' Schulter. "....Ich bin auch nur ein Mann...."
"Ich will das nicht..." Chris hatte kein Vertrauen in seine Fähigkeit, sich zurückzuhalten, schon gar nicht nach dem, was in letzter Zeit immer passierte, wenn Otoko ihn berührte. Wenn er nicht bald dafür sorgte, dass Otoko aufhörte, würde sein Körper ihm wahrscheinlich wieder einen Strich durch die Rechnung machen.
"Vergiss ihn, Chris..."
Aber der schüttelte nur den Kopf. "Ich liebe ihn.", gab er schwach zurück.
"...Was ist das für eine qualvolle Liebe, wenn du ihn nicht einmal berühren darfst...?", hauchte Otoko und saugte leicht an Chris' Hals.
//Wenn du nur wüsstest, wie es wirklich ist...// Leise wimmernd drehte Chris den Kopf auf die Seite. //Wieso kann es nicht ganz normal sein?//
Seufzend löste sich Otoko von Chris. "...Sorry... Du scheinst dich wirklich beschissen zu fühlen....." Entschuldigend strich ihm Otoko über die Seite. Doch so richtig ans Aufgeben dachte er nicht.
Aber auch jetzt entspannte sich Chris nicht, obwohl er erreicht hatte, was er wollte. //Ich will nicht nur die ganze Zeit arbeiten und in der Uni die seltsamen Blicke von Janine und Michael ertragen müssen. Ich will wieder nach Hause, zu meiner Familie... zu Neal...und zu meinen alten Freunden.//
Ein leises Stöhnen neben sich ließ Chris aus seinen Gedanken hochschrecken.
Verwirrt starrte er zu Otoko. "W-was wird das?"
Mit geröteten Wangen grinste ihn Otoko an. "...Ich brauche.... das auch.... ab und... zu..." , seufzte er und streichelte sich weiter über seinen Körper.
Chris sah ihn an, als wäre Otoko kein Mensch sondern eine riesengroße, ekelerregende Spinne. "Mach doch, was du willst.", murmelte er, als er hastig aufstand und schließlich im Bad verschwand.
"Hnn.... Chris.... sei... ah... sei doch nicht so... ein... Spielverderber...", rief ihm Otoko mit rauer Stimme nach.
//So ein Idiot! Soll er sich doch einen runterholen, aber mich soll er in Ruhe lassen!// Nachdem Chris abgeschlossen hatte, setzte er sich auf den geschlossenen Toilettendeckel und sank in sich zusammen. //Otoko...//
28.
Eine halbe Stunde später, Chris hatte sich inzwischen die Haare geföhnt und angezogen, schloss er die Tür wieder auf und ging heraus. Wie erwartet lag Otoko wieder einmal schlafend auf dem Bett. Nachdenklich betrachtete Chris ihn. //Es ist derselbe Körper... Ich muss unbedingt mit ihm reden, aber wecken will ich ihn deshalb nicht...//
Immer noch nackt lag der blonde Junge auf dem Bett. Er schlief nicht wirklich friedlich, denn er zitterte leicht.
//Ist das nur wegen der Kälte?// Behutsam deckte Chris den anderen zu. //Seit ich dich kenne, ist mein Leben ein Chaos... Aber andererseits will ich dich nicht gehen lassen, trotz der Probleme...// Sein Blick fiel auf sein Handy. //Ich könnte sie jetzt anrufen.// Gesagt, getan: Chris stand auf, nahm das Gerät und ging zurück ins Bad, um Otoko nicht zu stören.
Fast hysterisch erklang die Stimme seiner Mutter am anderen Ende der Leitung. "Chris?! Chris! Bist du das?!"
"Ja.", antwortete dieser und hielt das Handy etwas von seinem Ohr weg. Warum musste sie auch so schreien?
"Junge! Wo bist du?! Ich sterbe fast vor Sorge! Was ist los?!"
"Es ist alles ok. Ich bin in einer kleinen Wohnung, mehr kann ich mir im Moment nicht leisten. Und nein, ich habe mich noch nicht prostituiert, falls mein Herr Vater das vorhergesagt hat." Bei dem Gedanken an seinen Vater wurde er wieder schlechter gelaunt. Hoffentlich war er wieder auf Geschäftsreise.
"Chris! Bitte, keine solchen Späße! Wieso tust du uns das an?! Erst wird Neal ins Koma geprügelt und dann verschwindest du einfach! Wieso hast du dich so lange nicht gemeldet?! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!"
"Du hättest einfach in der Uni anrufen können, da hätten sie dir gesagt, dass ich immer noch komme." Wieder in einem freundlicheren Tonfall fuhr er fort. "Es ist wirklich alles in Ordnung. Ich hab 'nen Job in einer Bar gefunden."
"A-aber Chris!.....Wieso?"
"Wieso? Ihr wolltet mich doch nicht mehr da haben, also bin ich gegangen. Und ich habe es euch vorher gesagt!"
"A-aber.... Das war doch nur von der ersten Enttäuschung... Du musst uns doch auch verstehen! Wir hatten keinen klaren Kopf."
"Dafür müsst ihr jetzt nicht mehr in Schande leben.", gab Chris sarkastisch zurück.
"Du bist immer noch unser Sohn, Chris! Egal, was du tust!"
"Ach wie nett..."
"Chris! Du weißt, wie ich das meine! Wir lieben dich!"
Für einen Moment blieb Chris still, dann wechselte er das Thema. "Wie geht es Neal?"
"Besser.... Na ja... Das sagen jedenfalls die Ärzte... I-ich merke aber keinen Unterschied...." Die Stimme von Juliette wurde leiser und trauriger.
"Wie stehen die Chancen, dass er wieder aufwacht?"
Ein Seufzen war von der anderen Seite zu hören. "...Fünfzig, fünfzig..."
Es schien im Raum merklich kälter zu werden. //Nur fünfzig Prozent?//
"...Chris...? Hast du deinen Bruder eigentlich wieder einmal besucht?"
"Nein..."
".....Wieso nicht...?"
"Ich bin ziemlich eingespannt... Aber ich werde es heute machen, denke ich."
"S-sagst du mir, wann...? I-ich möchte dich wiedersehen..."
Einen Moment überlegte Chris, bevor er antwortete. //Es ist jetzt fast 11 Uhr.// "Um drei Uhr."
"O-ok... Ich werde auch dort sein.... Ich hab dich lieb..."
"Ich werde nicht alleine kommen.", fügte er hinzu, bevor seine Mutter auflegte.
"....K-kommt er mit...?"
"Ja."
".........O-ok... I-ich werde auf dich warten..."
"Bis dann." Schnell legte Chris auf, denn aus irgendeinem Grund fühlte er sich plötzlich wieder niedergeschlagen. Vielleicht war es wegen Neal, vielleicht wegen seiner Mutter. Er vermisste sie, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Mit einem Seufzen verließ er das Bad wieder und war überrascht, Otoko nicht mehr auf dem Bett zu sehen.
Notdürftig hatte sich Otoko die Decke um seinen Körper geschlungen und war in die Küche getapst. Er fühlte sich irgendwie schrecklich und war mehr als verwirrt. Wieso war er auch nackt und ganz alleine im Bett aufgewacht? Doch das Schlimmste war die warme Flüssigkeit, die an ihm klebte. "....W-was h-habe i-ich... n-nur getan....?", fragte er sich und holte sich ein Glas Wasser.
Chris folgte den Geräuschen und fand den anderen mit dem Glas Wasser in der Hand. "Du bist wieder wach?", fragte er, obwohl die Antwort offensichtlich war, und wollte eigentlich nur herausfinden, wen er gerade vor sich hatte.
"J-ja.....", stotterte Otoko und drehte Chris sofort den Rücken zu.
//Otoko.// Erleichtert seufzte Chris. "Wir müssen reden, denke ich."
Mit zitternder Hand stellte Otoko das Wasserglas auf den kleinen Tisch, doch er drehte sich Chris nicht um. "....W-was..... was habe i-ich.... g-getan....?"
"Was du getan hast, ist egal. Du warst nicht du selbst." Chris legte Otoko die Hände auf die Schultern. "Zieh dir etwas an und ich erkläre dir, was ich glaube, was der Grund ist, ok?"
Doch statt Chris zu folgen, sank Otoko in die Knie. "....G-gomen n-nasai..... I-ich f-fühle..... m-mich so.... sch-schrecklich......."
"Otoko..." Auch Chris setzte sich auf den Boden und zog den anderen Jungen sanft in seine Arme. "Ich glaube, du hast eine multiple Persönlichkeit. Es gibt noch jemand anderen in dir, sein Name ist Mike. Und er kommt immer dann, wenn du Angst hast."
"M-mike....?" Verstört sah ihn Otoko an. ".....S-sag d-diesen Namen n-nie w-wieder!"
//Kennt er ihn?// "Sagst du mir, wer das ist?", fragte Chris vorsichtig nach.
"I-ich weiß es nicht!!" Schluchzend vergrub Otoko sein Gesicht an Chris' Brust.
Etwas unschlüssig, was er tun sollte, strich Chris dem anderen über den Kopf. "Es ist nicht so schlimm, wie es sich vielleicht anhört."
Mit geröteten Augen hob Otoko nach ein paar Sekunden Den Kopf. "....W-was ist es.....?"
"Ein Abwehrmechanismus, eine Reaktion auf sexuellen Missbrauch in frühester Kindheit.", antwortete Chris wahrheitsgemäß. Er wollte Otoko nicht länger etwas vorspielen und so tun als wäre nichts.
"....W-was....?" Ungläubig starrte Otoko Chris an.
"Das stand in dem Buch, in dem ich nachgeschlagen habe... Ich könnte mich natürlich irren." Chris strich dem anderen beruhigend über die Schulter. "Es ist keine Krankheit, Otoko."
"W-was d-dann....?", wimmerte der blonde Junge. "...I-ich bin doch k-krank... o-oder...? I-ich bin dumm...."
"Nein, bist du nicht. Du bist wahrscheinlich misshandelt worden, das steckt man nicht einfach so weg."
"....I-ich d-dachte, i-ich könnte e-es endlich v-vergessen.... A-aber j-jetzt h-hab i-ich wieder d-das G-gefühl,... n-nicht hier h-her z-zu... g-gehören.... I-ich m-mache dir d-doch nur P-probleme..."
"Nein, ich will nicht, dass du gehst." Sofort festigte Chris seinen Griff um den anderen. "Ich gebe alles für dich auf, Otoko, aber lass mich nicht alleine."
"....D-du bist w-wirklich e-ein guter M-mensch...", stotterte Otoko und schlang die Arme um Chris. "....D-danke... danke...."
"Ist schon gut.", murmelte Chris. "Otoko... Es ist vielleicht der falsche Augenblick, aber ich muss dir noch etwas sagen."
"W-was ist....?", flüsterte Otoko leise.
"Mike... Er hat..." //Wie sag ich das jetzt? Mist!// "Na ja, er war nicht ganz untätig... sexuell gesehen... und ich hab mitgemacht..."
Otoko zuckte zusammen und eine Weile herrschte Stille, bis ein erneutes Schluchzen ertönte. ".....B-bitte.... s-sag d-diesen..... N-namen n-nicht m-mehr....."
"Es tut mir so leid..."
"....H-hast du.... m-mit m-mir.... g-geschlafen.....?"
"Nein... das nicht."
"..........."
"... Er hat mir einen geblasen... Es tut mir wirklich leid, ich hätte nein sagen sollen." Schuldbewusst sah Chris Otoko an.
".......D-du... du kannst n-nichts d-dafür.... E-es tut m-mir leid...."
"Nein, das braucht es nicht..." Chris' Blick wanderte auf den kalten Boden. "Komm mit hier raus, ok? Das kann doch nicht bequem sein."
//...Passend für Gesindel wie mich....// Ungelenk versuchte Otoko aufzustehen.
Sofort stand auch Chris auf und half dem anderen. "Ich liebe dich, wirklich. Und egal, was du tust, das wird sich nicht so schnell ändern."
Otokos Augen schienen nicht mehr so eisigblau zu sein. Sie waren dunkler geworden. ".....I-ich dich auch.... I-ich w-will d-dich für i-immer l-lieben...."
Ein Lächeln bildete sich auf Chris' Lippen. "Das wäre schön." Vorsichtig, um den anderen nicht zu überrumpeln, küsste er Otoko für einen Moment sanft, doch er löste sich gleich darauf wieder von ihm.
Otoko hatte die Augen immer noch geschlossen, als Chris ihn wieder ansah. Kleine Tränen blitzten in seinen Augenwinkeln.
Vorsichtig strich Chris dem anderen die Tränen weg. "Ich will nachher meinen Bruder besuchen. Kommst du mit?"
"...N-neal.....? W-wo i-ist er.......?"
"Im Krankenhaus... immer noch."
"....W-wenn du e-es m-möchtest..."
Chris nickte. "Ja. Meine Mutter wird auch da sein, sie will mich sehen. Ich habe ihr gesagt, dass ich dich mitbringe, du brauchst also keine Angst haben."
"Hmm....", mehr gab der blonde Junge nicht von sich.
Als Chris seinen Bruder das erste Mal seit über zwei Wochen sah, war er so überrascht, dass er abrupt stehen blieb. Neals Zustand hatte sich seit dem letzten Mal überhaupt nicht gebessert, im Gegenteil. Er sah aus wie eine Leiche, blass und leblos.
"W-was i-ist...?", flüsterte Otoko leise und krallte seine Hände in Chris Mantel.
"...N-nichts..." Chris sah sich um, seine Mutter war noch nicht hier. Er war auch ein paar Minuten zu früh dran. Mit einem mitleidigen Blick ging er zu dem Bett seines kleinen Bruders, vermied es aber, ihn genauer zu betrachten.
"S-soll d-das N-neal s-sein...?", fragte Otoko und trat ebenfalls zum Bett.
"Scheint so..." Etwas gefasster wagte Chris es nun doch, seinem Bruder ins Gesicht zu sehen. Der Anblick weckte ein seltsames Gefühl in ihm, eine Mischung aus tiefer Trauer und Heimweh. Ja, er vermisste seine Familie wirklich und auch Neal. Er vermisste es, wie es früher war.
"....T-tut m-mir leid, d-dass das p-passiert i-ist...."
"Es ist ja nicht deine Schuld." Die Tür ging auf und Chris blickte auf.
Stumm trat seine Mutter ein. Sie sah erst Chris, dann Otoko an. "...H-hallo Chris..." Sie lächelte traurig und ging auf ihren Jungen zu.
Aus irgend einem Grund senkte Chris den Kopf und blickte zu Boden. Er hatte sich falsch verhalten, das wusste er. Mit einem Seufzen blickte er wieder auf. "...Hi..."
"Schön, dass du da bist..." Juliette schloss die Arme um Chris.
Zögernd tat Chris es ihr gleich und legte ebenfalls die Arme um sie. Einerseits fühlte er sich schrecklich, aber andererseits auch erleichtert, denn er liebte seine Mutter, auch wenn er es nicht oft zeigte.
Otoko hatte sich zurückgezogen, er fühlte sich mehr als fehl am Platze.
Doch nach einem Moment drückte Chris sie wieder leicht von sich. Er sah zu Otoko, bemerkte dessen Unbehagen und zog ihn deshalb zu sich. "Ist irgend etwas wichtiges passiert, während ich weg war?", fragte er, wieder an seine Mutter gerichtet.
Nervös lächelnd sah Otoko zu Juliette, die ihn allerdings mit einem nicht sehr netten Blick begrüßte. Aber Otoko nahm ihr das nicht übel, immerhin war er der Grund, dass Chris abgehauen war.
"Es... ist nichts passiert.... Dein Vater ist wieder auf Geschäftsreise.... Und sonst ist rein gar nichts passiert...."
"Ah... Dann bist du ganz allein daheim.", stellte Chris fest. //Kein Wunder, dass sie einsam ist.//
"Ja... Das bin ich...", gab Juliette leise von sich.
//Er hätte bei ihr bleiben können... Dieser egoistische Kerl!// "Wieso geht er dann wieder auf Geschäftsreise? Hat er denn überhaupt kein Mitleid oder so etwas, zumindest mit dir?", fragte Chris erbost über seinen Vater, der seine Mutter gerade in dieser Zeit allein ließ.
"Aber er würde sonst seine Arbeit verlieren!"
"Sicher! Wenn er sich einmal um seine Familie kümmert, verliert er seinen Job." Das Fünkchen Freude, das er bei dem Anblick seiner Mutter empfunden hatte, war erloschen und nun war er einfach nur wütend.
"Was denkst du denn? Diesen Haien ist es doch egal, wie es seiner Familie geht!"
"Ich glaube eher, er hat genug von allem und ist jetzt wieder bei seiner Geliebten!", fauchte Chris, doch gleich im gleichen Moment tat es ihm wieder leid.
Mit geweiteten Augen starrte ihn seiner Mutter einige Sekunden an, bevor eine schallende Ohrfeige Chris' Wange traf.
"Das ist doch keine Liebe mehr.", murmelte Chris leise. "Eine Zweckgemeinschaft, mehr nicht."
"Sei still! Wie kannst du so etwas nur sagen?!"
"Dann sieh mich an und sag mir, dass es nicht so ist! Sag mir, dass ihr euch noch liebt und ich werde nie wieder so etwas behaupten!" Chris' Stimme klang wieder fester.
"Ich liebe ihn noch!", sagte Juliette mit fester Stimme.
"Und was ist mit ihm?"
"...I-ich weiß es nicht..." Traurig blickte seine Mutter zur Seite.
//Er hat dich nicht verdient.// Doch Chris zog es vor, nichts dazu zu sagen. "Du bist sicher nicht hier hergekommen, um mit mir darüber zu sprechen, oder?"
"Nein... Ich wollte dich einfach wiedersehen..."
"Na ja..." Unsicher, was er erwidern wollte, blickte Chris zu Otoko und dann zu Neal. "Ich wäre sowieso in der nächsten Zeit ausgezogen... Du kannst mich ja anrufen, wenn etwas ist."
"Du hast aber nie dein Handy abgenommen..."
"Ich hatte den Ton abgestellt." Eigentlich stimmte das nicht. Chris hatte vorher einfach nicht mit seiner Mutter reden wollen.
"Zurückgerufen hast du aber auch nicht...."
"Ich werde es jetzt machen."
Seufzend blickte sie auf ihre Hände. "....Ich hoffe es..... Na dann... Ich... will euch nicht länger stören..."
"Ich werde mich melden.", meinte Chris erleichtert. Er hatte nicht vor, seine Mutter aufzuhalten.
"Bis bald... und... besuch deinen Bruder ein wenig mehr... ja?", meinte Juliette, als sie bei der Tür noch einmal stehen blieb.
"Mach ich."
Und schon war Juliette verschwunden. Sie wirkte niedergeschlagener als vorher.
Sobald seine Mutter den Raum verlassen hatte, seufzte Chris leise auf und ließ den Kopf hängen. //Was für ein tolles Treffen.//
29.
Die Wärme des Kaffees genießend schloss Otoko die Hände um die Tasse. "......I-ist das wirklich o-ok für dich.....? I-ich meine, d-dass wir schon gegangen s-sind..."
"Klar..." Ein wenig nachdenklich sah Chris auf sein Getränk - einen Milchkaffee - herunter. "Er lag doch sowieso nur da... Wie tot..."
"A-aber e-er ist j-ja noch nicht tot..."
"Nein..." //Noch nicht...// Niedergeschlagen trank der Größere einen Schluck. //Es ist so seltsam... So, wie es jetzt ist...//
"....C-chris....?"
"Hm?", fragte der, während er noch trank.
"...D-darf ich d-dich u-umarmen....?", fragte Otoko und sah Chris dabei wie ein kleines Hündchen an.
"Sicher." Obwohl Chris ein wenig irritiert war von der Frage, brachte sie ihn wieder zum Lächeln.
Sofort begann Otoko, lautstark mit seinem Stuhl zu Chris' zu rutschen. Als er endlich bei ihm angekommen war, schlang er die Arme um ihn.
//Egal, wie schlimm es wird. Solange du bei mir bist, werde ich es aushalten können.// Das Lächeln auf Chris' Lippen blieb und auch er legte die Arme um den anderen.
"....T-tut m-mir l-leid, was i-ich dir alles a-antue..."
"Ist schon gut... Du machst mich glücklich, das ist es wert.", erwiderte Chris. Ihm war die Aufmerksamkeit, die sie erregten, im Moment völlig egal.
Seufzend schmiegte sich Otoko enger an Chris' Körper. //...Wenn du bloß wüsstest, was du dir antust....//
Obwohl es Chris leid tat, löste er sich nach etwa einer Minute wieder von dem anderen. "Ich liebe dich, Otoko."
Otokos Lippen formten sich zu einem Lächeln und seine Wangen wurden erneut ein wenig rot. "...Arigatou...", hauchte er leise.
Am liebsten hätte Chris Otoko hier und jetzt geküsst, doch er hielt sich zurück. Wenn sich sogar seine Freunde von ihm abwendeten, weil er Otoko liebte, dann würden die Leute hier im Cafe mindestens genauso reagieren.
"...I-ich muss g-gehen....", nuschelte Otoko nach einer Weile und sah bedrückt zu Boden.
Verwundert blickte Chris ihn an. "Jetzt schon?"
"I-ich muss u-um fünf Uhr anf-fangen.... Weil h-heute Samstag ist..."
"Ach so..." Man sah Chris seine Enttäuschung an. "Na ja, da kann man nichts machen."
"Gomen nasai...", murmelte Otoko und stand auf, um sich seine Jacke anzuziehen.
"Du kannst ja nichts dafür." Ein wenig traurig lächelnd sah Chris zu Otoko hoch. "Ich bleibe noch etwas hier."
"O-ok..... B-bis später...." Mit einem kurzen Lächeln verabschiedete sich Otoko von Chris und verließ das Café.
Seufzend sah Chris auf seine Tasse. //Wieder allein... Was mache ich jetzt nur?//
Schweren Herzens begann Otoko seine Arbeit. Als erstes mussten eigentlich immer die Mülleimer geleert werden, doch wenn Otoko alleine in einem Raum arbeitete, verrichtete er die Arbeit so, wie er gerade wollte. Und so begann er damit, ein wenig die Sachen abzustauben abzustauben.
Doch Otoko bemerkte weder, dass er nicht allein war, noch, dass die andere Person im Raum ihn neugierig betrachtete, seit er das Zimmer betreten hatte. //Sieh an, sieh an...// Ein Grinsen legte sich auf die Lippen des anderen.
Seufzend stellte Otoko die Vasen der Blumen zur Seite, damit auch ja alles bis in die kleinste Ecke wieder sauber wurde, denn die Leute im Büro waren manchmal einfach zu pingelig.
//Er scheint neu zu sein...// Der Fremde beobachtete Otoko weiter, während er leise einen Stift weglegte und die Lautsprecher des Computers ausschaltete. Es könnte ja sein, dass die Maschine gerade jetzt, wenn er diesen unerwarteten Besucher ungestört ein wenig betrachten konnte, durch irgendeine laute Fehlermeldung auf sich aufmerksam machte.
Der Computer war aber nicht das, was die Stille im Raum zerriss, denn wie es der Zufall wollte, fiel Otoko eine Vase zu Boden, so dass sie zwar nicht brach, aber das ganze Wasser lief aus ihr heraus und die Blumen verloren ein paar Blütenblätter. Seufzend betrachtete Otoko den Schlamassel erst einmal. "....Kuso.... doushite?......" Er holte das Papier aus seinem Putzwagen und bückte sich zu der Vase hinunter, um die sauber zu bekommen und sie wieder an ihren Platz zu stellen.
//Ein ungewöhnlicher Junge...// Ihm fiel der beinahe zierliche Körperbau von Otoko auf, doch viel mehr Beachtung schenkte er den langen hellen Haaren. //Wirklich hübsch.// Doch nun fand er, dass er genug Zeit damit verbracht hatte, den Jungen zu mustern. Mit einem Ruck stand er auf und schob seinen Stuhl ein wenig zurück. Der Teppichboden verschluckte beinahe jedes Geräusch.
Immer noch in das Reinigen des Parkettbodens vertieft, merkte Otoko auch jetzt noch nicht, dass er nicht alleine war.
Erst als er den mit Teppich ausgelegten Bereich durchquert hatte und seine Schuhe nun das Holz berührten, konnte man seine Schritte hören. Mit einem Lächeln, das zum Teil eher ein Grinsen war, ging er den letzten Meter zu dem auf dem Boden knienden Jungen.
Otoko zuckte sofort zusammen und sprang auf die Beine. Entsetzt starrte er den anderen Mann an. "....W-was...? I-ich dachte, i-ich sei alleine....", stotterte er verwirrt.
"Du warst wohl sehr in deine Arbeit vertieft.", meinte der andere mit einem Blick auf die Vase. Seine dunklen, kurzen Haare waren glatt gekämmt und sein Anzug saß perfekt. Er wirkte wie das komplette Gegenteil von Otoko.
"I-ich w-wollte Sie nicht stören... T-tut mir leid... Ich werde d-das kurz sauber machen und d-dann gehen."
"Bleib nur.", gab der andere in einem gleichgültigen Ton zurück, obwohl es ihm eigentlich überhaupt nicht gleichgültig war. Der Kleine würde ihm nicht entwischen.
"A-aber störe ich denn nicht....?", fragte Otoko verdattert und blickte dem Mann vor sich eher der Freundlichkeit wegen in die Augen.
"Ich wollte sowieso eine Pause machen." Die Farbe der Augen des Jungen faszinierte ihn fast so sehr wie die Haarfarbe. Das helle Blau schien eisig kalt zu sein und doch wieder nicht. Das Erscheinungsbild des anderen war wirklich mehr als ungewöhnlich. "Wer bist du?"
Im ersten Moment konnte Otoko gar nichts sagen. Wieso wollte dieser Kerl wissen, wer er war? Das war ja wohl offensichtlich. "I-ich bin d-der neue R-raumpfleger...", nuschelte er dann leise.
"Ich meinte deinen Namen." Er überlegte, was er mit dem Jungen anfangen konnte. Er gefiel ihm, das auf jeden Fall. Aber das war nicht alles, wozu er ihn vielleicht gebrauchen konnte.
"O-otoko..."
Skeptisch hob der andere die Augenbraue. "Du hast vorhin in einer anderen Sprache geredet. In welcher?"
Nun wurde Otoko rot. Es war ihm bis jetzt gar nicht aufgefallen, dass er vor dem Fremden geflucht hatte. "...D-das war Japanisch... T-tut mir leid, d-das war u-unhöflich v-von mir....
//Japanisch...// "Wie gut beherrscht du die Sprache?", fragte er weiter und überging die Entschuldigung.
"I-ich kann nur e-ein paar W-wörter...."
"Hm..." //Trotzdem könnte ich ihn brauchen.// "Was hältst du davon, wenn wir weiterreden, wenn du deine Pause machst?"
"I-ich h-habe nicht v-vor, P-pause zu m-machen... I-ich komme schon so sehr s-spät nach Hause..."
"Na ja, dann kann man nichts machen." Er kramte kurz in seiner Jackettasche, dann gab er Otoko ein kleines Kärtchen. "Falls du 'nen besseren Job haben willst als diesen, dann ruf mich einfach mal an."
Mit großen Augen starrte Otoko auf das Kärtchen. "...E-einen besseren Job?....W-wirklich?"
Ein Nicken antwortete ihm. "Überleg es dir." Damit ging der Fremde - Patric Newman, wie auf dem Kärtchen stand - wieder zu seinem Schreibtisch.
"D-da gibt es n-nichts zu ü-überlegen..." Otoko konnte es nicht fassen, der Mann bot ihm tatsächlich einen Job an?
Den Rest des seiner Arbeitszeit verbrachte Otoko ohne weitere Zwischenfälle, doch irgendwie ging es dieses Mal schneller, denn er war schon sehr viel früher als sonst fertig. Gut gelaunt, zum einen, weil er früher gehen konnte und zum anderen wegen diesem Patric, weil er ihm einen Job angeboten hatte, verließ Otoko den Bürokomplex.
Als Otoko in der kleinen Wohnung ankam, war Chris noch nicht zurück. Seufzend zog er das Kärtchen noch mal hervor. "...Einen besseren J-job.... M-mehr Geld v-vielleicht.....? D-dann m-müsste Chris seinen Job vielleicht n-nicht mehr haben....." Er starrte auf die Nummer von Patric. "....O-ob er noch w-wach ist.....?" Er würde es einfach versuchen und so ging Otoko in die Küche, in der das Telefon war und wählte die Nummer.
Nach einem dreimaligen Klingeln hob jemand ab und eine harte, nicht im geringsten müde klingende Stimme fragte: "Newman. Wer ist dort?"
"E-eh... H-hier ist O-otoko...", stammelte der blonde Junge in den Hörer. Es wurde ihm erst jetzt bewusst, dass dies sein erstes Telefongespräch seit langem war.
"Ah, der Junge aus dem Büro." //Er hat also angebissen.// Patrics Stimme klang nun freundlicher als eben. "Hast du dich schon entschieden?"
"J-ja... I-ich würde s-sehr g-gerne einen a-anderen Job haben... W-wenn d-das möglich w-wäre...?" Ein aufgeregtes Lächeln lag auf Otokos Lippen.
"Sicher, sonst hätte ich es nicht angeboten." Einen Moment lang blätterte Patric in seinem Terminplaner. "Hast du morgen Zeit?"
"M-morgen....? D-da i-ist doch S-sonntag...."
"Da könnten wir ein paar Einzelheiten bereden. Falls du keine Zeit hast, müssten wir unter der Woche einen anderen Termin suchen."
"N-nein... I-ist schon ok.... D-dann morgen..."
"Wann hast du Zeit?"
"I-ich schlafe i-immer b-bis z-zum M-mittag.... A-aber d-dann würde e-es gehen..."
"Gut, dann um 14 Uhr." Patric gab Otoko eine Adresse. "Du wirst es nicht bereuen, Otoko." //Und ich auch nicht.//
"Ok... d-danke sehr...."
"Bis morgen." Dann war nichts mehr außer einem durchgehenden Ton in der Leitung zu hören. Mit einem befriedigten Lächeln blickte Patric aus dem Fenster. Er würde den Jungen bekommen.
Vor Freude biss sich Otoko auf die Lippen, als er auflegte. "I-ich werde Chris n-nichts davon sagen.... E-es soll eine Überraschung sein...."
Eine ganze Weile später kam Chris zurück. Er war überrascht, Otoko schlafend im Bett liegen zu sehen, da dieser normalerweise immer nach ihm zurückkam. Doch er dachte nicht weiter darüber nach und verzog sich, nach einem kurzen Abstecher im Bad, ins Bett. Er war hundemüde.
Als am Sonntag die ersten Sonnenstrahlen auf Chris' und Otokos Bett schien, wurde es Otoko sofort zu heiß und er strampelte die Decke von sich.
Chris jedoch war es ohne die Decke viel zu kalt. Mit einem unwilligen Geräusch drehte er sich auf den Bauch, doch die Kälte ließ sich nicht verscheuchen.
Seufzend schmiegte sich Otoko an Chris.
Doch auch das war Chris nicht genug. Müde richtete er sich auf und blickte suchend um sich. Als er die Decke fand, holte er sie sich umständlich und wickelte sich und Otoko wieder damit ein.
Davon wachte Otoko auf. Leicht verwirrt blickte er um sich. ".....Chris.....?"
"Hm?"
"....Du bist spät...."
"... Versteh ich nicht...", murmelte Chris und wollte eigentlich nur weiterschlafen.
"...Du bist doch noch nie nach H-hause gekommen, wenn es schon hell wurde....."
"Es war noch dunkel... Du hast schon geschlafen."
"...A-ach so.... g-gomen..." Müde lächelnd blickte ihn Otoko an.
Doch das sah Chris nicht. Er war viel mehr damit beschäftigt, wieder einzuschlafen.
Leicht schmollend kuschelte sich Otoko wieder an Chris.
Obwohl Otoko mittlerweile wieder tief und fest schlief, hörte er das nervtötende Klingeln des Weckers doch. Erst wollte er das Gerät sofort wieder ausschalten, bis ihm einfiel, wieso der Wecker klingelte. Er hatte eine Verabredung. Plötzlich hellwach schaltete Otoko das Piepsen ab und verschwand schnell ins Bad, wo er sich nervös wusch. Vielleicht würde er heute wirklich einen besseren Job bekommen.
Als er das Bad verließ und noch mal ins Schlafzimmer kam, um sich umzuziehen, schlief Chris immer noch friedlich auf seiner Seite des Bettes. Mit krakeliger Schrift schrieb Otoko eine kleine Nachricht für Chris, die zwar nicht verriet, wo er selbst hinging, aber Chris immerhin beruhigte. Er legte den Zettel neben das Bett und küsste seinen Freund kurz auf die Wange. Lächelnd verließ er dann die Wohnung.
Er brauchte eine Weile, bis er die Adresse, die Patric ihm gegeben hatte, fand, doch schließlich stand er vor einem nicht gerade kleinen Anwesen und sah staunend durch das Tor. //....Bin ich hier wirklich richtig?// Doch die Adresse schien wirklich zu stimmen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er gerade zur richtigen Zeit angekommen war. Erleichtert klingelte er und wartete dann.
Er erschrak ein wenig, als sich das riesige Tor automatisch öffnete und ihm den Weg hinauf zu dem Haus freigab. Mit großen Augen sah er sich um, während er den Weg entlangging. Wie konnte man so etwas nur bezahlen? Wie konnte man so etwas Großes überhaupt besitzen wollen? Als er auf den schwarzen Knopf neben der dunkelbraunen Holztüre drückte, drang dumpf eine klassische Melodie zu ihm vor. //Das ist aber nun wirklich kitschig......//
Sofort öffnete ihm ein vornehm gekleideter Mann in einem schwarzen Anzug. Er erklärte kurz, dass Otoko bereits erwartet wurde und dieser ihm folgen sollte. Mehr sagte er nicht, als er sich umdrehte und in einer Art Eingangshalle eine Treppe hochging.
Die Einrichtung schon alleine in der Eingangshalle erschlug den Straßenjungen schier. So viele Dinge, die zwar schön anzusehen waren, aber eigentlich absolut keinen Nutzen hatten, stahlen sich gegenseitig die Aufmerksamkeit des Betrachters und Otoko wusste absolut nicht, wo er hätte hinsehen sollen.
Eine Bemerkung des anderen, er solle doch bitte mitkommen, riss Otoko aus seinen Gedanken und so folgte er ihm rasch. Doch er konnte es nicht lassen, sich weiter umzusehen. Alles hier war so groß, dass er eher das Gefühl hatte, er befände sich in einem Luxushotel als in einem normalen Haus.
Als er endlich vor einer Tür ankam waren tatsächlich zwei Minuten vergangen, doch endlich bekam er Patric zu Gesicht. Er begann scheu zu lächeln und wusste nun beim besten Willen nicht, was er sonst hätte tun sollen.
Patric trug nicht wie gestern einen dunklen Anzug, sondern hatte heute eine helle Hose und ein dazu passendes Hemd an. Diese weniger strenge Kleidung ließ ihn jünger aussehen, als gestern Abend. Als sich die Tür öffnete, sah er auf. "Ah, Otoko. Schön, dass du da bist. Komm rein."
"...Ein g-großes Haus h-haben Sie...", meinte Otoko und trat langsam ein.
Doch Patric tat diese Bemerkung mit einem Achselzucken ab. "Hast du Hunger?", fragte er stattdessen.
Etwas verwirrt blinzelte ihm Otoko an. "N-nein... Danke..."
"Also kommen wir gleich zum geschäftlichen Teil..." Patric, der bisher an seinem Schreibtisch gesessen hatte, stand auf. "Dir liegt nicht viel an deinem Job als Putzkraft, denke ich. Würdest du ihn ganz aufgeben, wenn ich dir etwas besseres anbiete?"
"S-sicher!", gab Otoko sofort von sich ohne eigentlich nachzudenken.
"Gut." Otoko wurde nen ein wenig genauer von dem anderen betrachtet. "Dein Job beinhaltet mehrere Arbeiten, die meisten sind relativ einfache Lieferantendienste."
"....L-lieferantendienste....? A-aber i-ich muss nicht A-autof-fahren können, o-oder?" Beinahe flehend starrte Otoko den anderen Mann an.
Ein Lächeln legte sich auf Patrics Lippen. "Nein. Das lässt sich zu Fuß erledigen." Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. "Was hast du gemacht, bevor du deinen Job angefangen hast?"
Röte stieg in Otokos Gesicht. Er hatte nicht erwartet, so eine Frage gestellt zu bekommen. "...I-ich.... n-nichts...." Beschämt senkte er den Kopf.
"Das ist ziemlich wenig.", meinte der andere, ein wenig belustigt. Er hatte eine Vorahnung, was Otokos Vergangenheit anging. "Du warst mal ein Junky?"
Otoko zuckte unter diesen Worten ein wenig zusammen. "....W-wenn sie es so ausdrücken w-wollen..."
"Bist du inzwischen clean?", fragte Patric weiter, in einem Tonfall, als würde er sich mit Otoko über dessen Hobbys unterhalten.
"Ja..."
"Gut." Einen Blick auf die Unterlagen auf seinem Schreibtisch werfend fuhr Patric fort. "Wir müssen bei Gelegenheit noch ein wenig über deine jetzigen Lebensumstände reden, denn die Lieferungen, die ich dir anvertrauen werde, sind wichtig für mich."
"I-ich lebe nicht m-mehr auf der Strasse!", warf Otoko verteidigend ein.
"Du verstehst mich falsch, Otoko. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe, sonst kann ich dir nicht vertrauen.", gab der andere beschwichtigend zurück.
"A-ach so...", nuschelte der blonde Junge und senkte erneut den Kopf.
"Ich möchte dich einfach ein bisschen kennenlernen." Mit einem Ruck stieß sich Patric von seinem Schreibtisch ab und kam auf Otoko zu. "Komm, ich zeige dir etwas, damit du weißt, worum es geht."
Etwas verwirrt ließ sich Otoko vor Patric leiten. //...W-was meint er damit? Muss ich jetzt einen Fragebogen ausfüllen...?//
Doch das musste er nicht. Patric führte ihn ein wenig auf seinem Anwesen herum, zeigte ihm einige Dinge und erzählte ihm unwichtige Sachen, aber wenig Konkretes über seine Geschäfte. Der eigentliche Zweck des Gesprächs war Otoko ein wenig zum Reden zu bringen, doch das gelang ihm nur bedingt. Er erfuhr, dass der Junge mit seinem Freund Chris zusammenwohnte, der studierte, aber mehr nicht. Doch für den Anfang reichte ihm das.
Das erste, was Chris auffiel, war, dass Otoko nicht da war. Zuerst dachte er, dass er andere einfach nur im Bad oder in der Küche war, doch auch da fand Chris ihn nicht. Erst dann sah er den Zettel. Aber auch der half ihm nicht weiter. Auf ihm stand lediglich, dass Otoko gegangen war und Chris sich keine Sorgen zu machen brauchte.
Nach zwei Stunden tauchte Otoko leise wieder in der Wohnung auf. Es hätte ja sein können, dass Chris noch am Schlafen war und er wollte ihn nicht aufwecken.
Aber Chris befand sich in der Küche und hatte vor lauter Nervosität, weil er eben doch darüber nachdachte, wo Otoko blieb, angefangen, etwas für seinen Freund und sich zu kochen. Nur war er mit seinen Gedanken immer wieder woanders, so dass ihm das Essen schon mehrere Male fast angebrannt wäre.
Mit einem nervösen Lächeln schlich Otoko in die Küche. "H-hi Chris..."
Fast ließ Chris den Kochlöffel fallen, den er in der Hand hatte. "Otoko?" Schnell legte er ihn weg und ging auf den anderen zu. "Wo warst du?"
"Sag i-ich nicht..", nuschelte der blonde Junge und schloss Chris in seine Arme.
Die Verwunderung war Chris deutlich ins Gesicht geschrieben. "Wieso nicht?"
"W-weil es ein G-geheimnis ist..."
Wirklich zufrieden war Chris mit dieser Antwort zwar nicht, doch er blies es dabei. "Na gut..." Mit einem leichten Lächeln befreite er sich aus der Umarmung. "Hast du Hunger?"
Ein wenig unsicher suchte Otoko nach der Adresse, die auf dem Zettel stand, den Patric ihm gegeben hatte. Er wollte keinen schlechten Eindruck machen und schon bei seinem ersten Auftrag alles versauen, also ging er schnellen Schrittes die Strasse hinunter und suchte nach der Nummer 69.
Otoko war etwas verwundert, dass Patric ihn ausgerechnet in diese Gegend der Stadt geschickt hatte. Es war bekannt, dass in diesem Viertel viele illegale Geschäfte getätigt wurden. Die Polizei kümmerte sich aber nicht darum, da sich hier meist die kleineren Fische herumtrieben. Auch Otoko war früher ein paar Male hier gewesen, um sich Drogen zu besorgen. Doch egal wo er war, er würde auf jeden Fall das Paket abliefern.
Nachdem er die Strasse einmal abgelaufen war, ging er sie noch einmal langsamer ab und dann fand er die Neunundsechzig auch endlich.
Das Gebäude war eine wie es aussah verlassene Wohnsiedlung. Die Klingeln an den Türen waren entweder zertrümmert oder zugeklebt, bis auf eine. //Das muss die richtige Klingel sein... Er hat mit keine Wohnungsnummer gegeben...// Die Klingel funktionierte auch tatsächlich, wie Otoko feststellte.
Nachdem erst einmal nichts passierte, öffnete sich nach einigen Momenten eine Tür und ein großgewachsener Kerl trat heraus. "Was willst du?", grummelte er.
"E-ehm... I-ich habe e-eine Lieferung v-von P-partric Newman...", stotterte Otoko und starrte den Mann vor sich an.
Ehe er sich versah, wurde Otoko an Kragen gepackt und in die Wohnung gezogen. Gleich darauf schloss der andere die Tür wieder. Erst dann ließ er Otoko los. "Komm mit.", befahl er und ging durch die dreckige Wohnung in einen anderen Raum.
Otoko war von dem Mann so eingeschüchtert, dass er nicht widersprach,und brav mitging.
Die Einrichtung des Zimmers, das wohl als Wohnraum vorgesehen war, war mehr als seltsam. Überall standen in weiße Tücher verhüllte Gegenstände herum und abgesehen davon sah alles ziemlich schäbig aus. "Wo ist es?", fragte der große Kerl.
"H-hier...", nuschelte Otoko und streckte dem Kerl ein kleines Päckchen hin.
Ohne ein weiteres Wort nahm der andere Otoko den Gegenstand aus der Hand und betrachtete ihn. Dann ging er zu einem kleinen Tisch und untersuchte den Inhalt, mit dem Rücken zu Otoko, so dass dieser nicht sehen konnte, was in dem Päckchen enthalten war.
"Hmm... Patric hat gesagt, ich w-würde dafür hundert Dollar bekommen....."
"So... hat er das?", kam die gemurmelte Antwort zurück.
"J-ja...."
Ein amüsiertes Lachen war zu hören.
Nun wurde es Otoko wirklich mulmig.
Doch nach einer halben Minute packte der andere die Sachen wieder zusammen, stand auf und hielt Otoko grinsend einen Hundert-Dollar-Schein hin. "Sag ihm einen Gruß von mir."
"W-werde i-ich machen.....", nuschelte Otoko und sah zu, dass er das Haus schnell verließ.
Das Grinsen blieb auf den Lippen des anderen. //Lustiger Kerl...//
30.
Otokos Hände hätten sich um den Hundert-Dollar-Schein verkrampft, als er wieder bei Patric ankam. Blasser als sonst trat er in die Eingangshalle des riesigen Hauses.
Es war nicht wie sonst ganz still im Haus, nein, dieses Mal drang leise Musik aus dem oberen Geschoss.
Etwas unsicher schlich Otoko die Treppen hoch. Er hatte nicht gewusst, was er sonst hätte tun sollen, schließlich musste er ja noch das Geld abliefern. Er klopfte an die Tür, hinter der er Patric vermutete und wartete.
Doch er hörte weder ein 'Herein', noch öffnete sich die Tür. Es war mehr als seltsam, denn die Musik kam ganz eindeutig aus diesem Raum.
Noch einmal versuchte er es mit Anklopfen, diesmal ein wenig fester. "Hallo...?"
Zwar kam keine wirkliche Antwort aus dem Zimmer, doch nun hörte Otoko jemanden leise zur Musik mitsummen. Es schien Patrics Stimme zu sein.
//Wieso antwortet er mich nicht...?// Schüchtern drückte der blonde Junge die Türe auf und spähte in den Raum.
Und dort war wirklich Patric. Er stand mit einem Bademantel bekleidet in seinem großen Schlafzimmer und hatte den Blick anscheinend auf irgendetwas im Garten gerichtet. Doch er schien in Gedanken zu sein, denn das leise Mitsummen stoppte nicht, als Otoko die Tür öffnete.
"....P-patric...?", versuchte Otoko noch einmal seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Und jetzt funktionierte es auch. Der ältere Mann drehte den Kopf und sah lächelnd zu Otoko. "Ah, hallo. Ich hatte dich nicht so früh erwartet."
"W-wieso d-denn nicht...? Der Weg w-war nicht w-weit....", meinte Otoko und ging mit ausgestreckter Hand, in der er das Geld hielt, auf Patric zu.
"Kai hält meine Leute gerne ein wenig auf." Patric sah wieder zum Fenster und machte bisher noch keine Anstalten, sich zu Otoko umzudrehen.
"E-er war ein wenig a-angsteinflössend... A-aber er hat mich g-gehen lassen... Hier ist d-das Geld."
"Leg es einfach auf den Tisch."
Otoko tat, wie ihm geheißen. "....W-war d-das alles....?"
"Noch nicht... Komm her."
Schweigend tapste Otoko zu Patric. Etwas unangenehm war ihm das schon, da Patric ja nur den Bademantel anhatte.
Als der Junge neben ihm stand, schien er noch nicht zu ahnen, was Patric mit ihm vorhatte. Er selbst hatte ein wenig Mühe, sein Grinsen zu verbergen. Durch das gekippte Fenster zog ein leichter Lufthauch, der seinen Bademantel ein wenig rascheln ließ.
"I-ist Ihnen nicht kalt, nur im Bademantel?", fragte Otoko, der schon wieder erschauderte.
Doch anstatt zu antworten, streckte Patric die Hand nach Otoko aus und umfasste sanft, aber keineswegs locker dessen Kinn. "Mir ist ganz und gar nicht kalt.", meinte er, während er Otokos Gesicht mit regem Interesse betrachtete.
Verwirrt starrte Otoko Patric an. "H-hab i-ich was f-falsch gemacht...?"
"Nein.", war die einfache Antwort. Da Patric nun ganz zu Otoko gedreht war, bemerkte der Junge jetzt, dass sein Bademantel geöffnet war und die losen Enden des Gürtels locker um seine nackten Beine baumelten.
Der blonde Junge selbst wurde immer nervöser. "...W-was s-soll i-ich denn noch m-machen....?"
"Da fällt mir einiges ein.", murmelte Patric. Aber er redete nicht weiter, sondern hauchte einen sanften Kuss auf Otokos Lippen. Normalerweise hätte er sich einfach genommen, was er wollte, doch dieser Otoko schien nicht einfach nur schüchtern zu sein. Hinter seiner Zurückhaltung steckte anscheinend mehr.
Starr vor Schreck spürte Otoko die fremden Lippen auf den seinen. //Was wird das denn.....?!//
Patric nutzte Otokos Verwirrung und ließ seine Zunge in dessen Mund gleiten, während er den anderen leicht zurück gegen das Fenster drückte.
Doch das ging Otoko nun doch zu weit. Er griff nach Patrics Armen und löste sich von ihm. Verstört starrte er den anderen Mann an. "W-was s-soll das w-werden....?"
"Das kommt auch dich an.", antwortete dieser grinsend.
"W-wieso...?"
"Warum nicht?" Doch zu Otokos Überraschung hackte Patric nicht weiter nach, sondern drehte sich zu dem Tisch und nahm den Hundert-Dollar-Schein. "Das ist deine Bezahlung für den Auftrag. Mach dir damit einen schönen Tag, wenn du willst." Damit gab er dem verdutzen Jungen den Schein.
"S-soll d-das e-etwa zum J-job gehören.....?", fragte Otoko nicht lauter als ein Flüstern und starrte auf das Geld. Seine Freude über den guten Job war auf einen Schlag gefährlich nahe am Einsturz.
"Nein, das nicht.", meinte Patric mit einem leisen Lachen, mit dem er erreichen wollte, dass Otoko sich wieder ein wenig entspannte.
Was Otoko in seiner Naivität auch wirklich tat. "....G-gut.... I-ich dachte schon...", stammelte er und lächelte sogar ein wenig erleichtert.
Patric widmete seine Gedanken nun wirklich wieder dem Geschäft. //Er hat es abgeliefert und das Geld mitgebracht, die Probe hat er also bestanden. Dann könnten wir ja nun mit den wirklichen Aufträgen anfangen.//
//...Was hätte ich bloß getan, wenn er das wirklich verlangt hätte....?! ....Chris würde mich umbringen, wenn ich mitmachen würde....// Sich in seine Gedanken steigernd biss sich Otoko verzweifelt in die Unterlippe.
Mit einem Lächeln sah Patric wieder auf. "Du kannst gehen, Otoko. Ich brauche dich heute nicht mehr."
Seufzend hob Otoko den Kopf. "Jetzt nennst du mich auch schon so....?"
"Hm?" Ein wenig verständnislos sah Patric den anderen an.
"Möchte mal wissen, wie vielen meiner Kunden er noch den Kopf verdrehen will..."
//Wovon redet er?// "Wer?"
"Na dieser Otoko."
"Ah." //Was soll das jetzt? Dreht er durch?// Immer noch verwundert ging Patric zu Otoko und legte ihm die Arme von hinten auf die Schultern. "Dir geht es noch gut, ja?"
"Hmm... bestens... Aber könntest du mich nicht doch Mike nennen?"
"Wenn dir das lieber ist."
"Ja, eigentlich schon..."
"Mir ist das relativ egal." Patrics Hände ruhten immer noch auf Otokos Schultern und er ließ sie dort. //Erst war er total nervös, aber das war ja zu erwarten. Doch diesen Wandel kann ich mir nicht erklären. Was soll das jetzt?//
Otoko strich Patrics Arme nun doch von seinen Schultern und drehte sich ihm mit einem Lächeln auf den Lippen zu. "Und wie soll ich dich nennen? Besondere Wünsche?"
"Du kennst meinen Namen."
"Ja, aber vielleicht hättest du was anderes lieber gehabt.... Patric...", hauchte Otoko und stellte sich auf die Zehenspitzen, um flüchtig mit seinen Lippen über die des anderen zu streichen.
//Egal, was diesen plötzlichen Wechsel ausgelöst hat, ich habe nichts dagegen.// Patric nahm diese Gelegenheit sofort wahr und legte die Arme um Otoko, um ihn an sich zu ziehen.
Überrascht aufkeuchend grinste Otoko gegen Patrics Lippen und verschloss sie dann fester mit seinen.
Der ältere Mann hatte zwar nicht erwartet, seinen Plan heute noch ausführen zu können, doch andererseits kam es ihm wirklich gelegen. Der Junge, egal ob Otoko oder Mike, hatte ihm von Anfang an gefallen und jetzt würde er ihn sich nehmen.
Geschickt ließ Otoko seine Hände unter dem Bademantel verschwinden und strich über die warme Haut von Patrics Rücken.
Der hatte inzwischen angefangen Otokos Hemd aufzuknöpfen, doch letztendlich riss er es einfach auf, während er den Kuss dort fortsetze, wo er eben noch abgebrochen worden war.
"Hnn... Sind wir ungeduldig....?", nuschelte Otoko gegen die fremden Lippen und ließ seine Zunge in Patrics Mund gleiten.
Eine Antwort auf diese Frage gab er nicht. Mitten im Raum stehend gefiel es Patric nicht besonders, so dass er Otoko kurzerhand hochhob und zum Bett trug, wo er ihn niederließ und sich über ihn beugte.
Otoko hatte die Augen halbgeschlossen und sah Patric stolz und verführerisch wie eine Katze an. "...Weiches Bett...."
Doch den Älteren kümmerte das Bett im Moment nicht viel. Mit einem lustvollen Grinsen legte er sich halb auf Otoko und saugte an seinem Hals, während er eine Hand weiter nach unten wandern ließ.
Seufzend neigte Otoko seinen Hals zur Seite um mehr von Patrics Liebkosungen zu erhaschen, welche dieser ihm auch nur zu gerne gab. Die schlanken Finger des blonden Jungen streiften den überflüssigen Bademantel von Patrics Schultern.
Der zog ihn ganz aus und warf das Stück Stoff dann unachtsam weg. Schnell hatte er Otokos Hose geöffnet und stoppte nun seine Liebkosungen an Otokos Hals, um sie dem Jungen herunterzuziehen.
Otoko half ihm dabei, indem er seine Hüften ein wenig hob und dabei an Patrics Becken presste.
Nachdem auch dieses störende Kleidungsstück entfernt worden war, legte Patric sich wieder auf den so einladend auf seinem Bett liegenden Körper. Der Junge war wirklich kein schlechter 'Fang'.
"...Immer noch so kalt...?", fragte Otoko und biss sanft in Patrics Unterlippe.
"Und wenn es so wäre?" Wieder erschien dieses Grinsen auf Patrics Lippen.
"Dein Pech... So etwas turnt ab..."
"Wir sind aber taktvoll.", meinte Patric, doch er verlor sein Grinsen nicht, sondern bedeckte die nackte Haut unter ihm mit leichten Küssen.
"Hmmm... taktvoll....? Was ist das...?", schnurrte Otoko und räkelte sich leicht.
"...Unwichtig....", murmelte der andere, während er sich immer weiter nach unten arbeitete. In Gedanken überlegte er jedoch gerade, wie er am besten an die Kondome im Nachtkästchen herankommen konnte, ohne die Berührungen allzu lange stoppen zu müssen.
//Ich scheine mich ja ganz schön nach oben gearbeitet zu haben... Der Kerl ist, wie es aussieht, stinkreich... Kein schlechter Fang....//, dachte Otoko und stieß den anderen dann von sich, um sich aufrichten zu können. "Langweilig, lass mich mal lieber machen..."
Wäre Patric nicht so erregt gewesen, hätte er bei diesem Kommentar geschmollt. Doch jetzt war ihm das erst einmal egal.
Er ließ sich von Otoko auf das Bett drücken. Mit einem neckischen Lächeln beugte sich der blonde Junge über ihn und griff ihm sogleich zwischen die Beine.
Sofort entwich ein leises Stöhnen Patrics Kehle.
"Na....? Klingt doch schon mal viiiel interessanter, oder?", hauchte Otoko gegen den Hals des anderen Mannes, bevor er sanft hinein biss. Mit seinen Händen umschloss er Patrics Glied und fing an es zu streicheln.
Patric neigte seinen Hals zur Seite und genoss nun die Zärtlichkeiten des anderen, auch wenn er es eigentlich lieber hatte, wenn er die Initiative ergriff.
Otoko löste sich kaum von Patrics Hals, als er sprach, so dass seine Lippen immer noch leicht die zarte Haut berührten. "Willst du mich?"
"Die Kondome sind im Nachtkästchen.", antwortete Patric mit einem erregten Seufzen.
//Langweiler...// "Das heißt wohl ja..." Otoko löste sich nun ganz von Patric und legte sich neben ihm. "Dann hol sie mal..."
Ein wenig enttäuscht, weil Otoko aufgehört hatte, richtete sich Patric auf und holte schnell eines der Kondome aus der Schublade. Ja, er wollte diesen Jungen. Und zwar jetzt gleich.
"...Hast du welche mit Vanillegeschmack....?", fragte Otoko und grinste herablassend.
"Die hättest du mitbringen müssen.", gab Patric in einem nicht so freundlichen Tonfall zurück. //Ich werde schon dafür sorgen, dass du still bist.// Mit einem diesmal eher bösartigen Grinsen legte er das Kondom neben sich und drückte Otoko zurück auf das Lacken. "Bald wirst du nicht mehr grinsen."
Diese kleine Drohung schien allerdings ihre Wirkung verfehlt zu haben. Gelassen blickten ihn Otokos eisige Augen an. "...Wir werden sehen..."
Eigentlich hatte Patric nicht vorgehabt, so stürmisch und rücksichtslos zu sein, aber die Worte des anderen stachelten ihn genau dazu an. "Wie du willst..." Er riss das Plastik um das Kondom auf und rollte es sich über, dann kniete er sich zwischen die Beine des anderen und zog sie weiter auseinander. //Es geht auch so...// Doch trotzdem zögerte Patric noch. Er würde ihm wirklich weh tun.
Ein wenig erbost funkelte ihn Otoko an, doch sein Grinsen war noch nicht gänzlich verschwunden. "Dass man immer gleich zu sadistischen Mitteln greifen muss...."
"Du hast entschieden dazu beigetragen..." Mit einem ironischen Lächeln setzte Patric nun doch sein Vorhaben gleich in die Tat um und drang in den Jungen ein. Zufrieden registrierte er, wie der andere erstickt aufkeuchte.
"Oh... ah... Mann.... D-den hab ich ja ganz schön hart hinbekommen...", presste Otoko hervor.
Ein leises Lachen von Patric war zu hören. Aber jetzt ließ er dem anderen ein wenig Zeit, um sich an ihn zu gewöhnen und strich sanft über den leicht zitternden Körper. Er hatte Otoko da, wo er ihn haben wollte.
//Wer hätte das gedacht, doch kein Hasenrammler...// Bei diesen Gedanken konnte sich Otoko ein erneutes Grinsen nicht verkneifen. Er beugte sich vor und leckte leicht über Patrics Lippen.
Wäre das Gefühl nicht so überwältigend gewesen, hätte Patric jetzt alles getan, um dieses Grinsen wieder aus Otokos Gesicht zu bekommen. Doch er ließ es und küsste Otoko stattdessen.
Sofort vertiefte Otoko den Kuss und fing an, mit Patrics Zunge zu ringen. Als Patric sich nach ein paar Augenblicken immer noch nicht bewegte, presste er seinen Hintern leicht gegen dessen Becken und seufzte in Patrics Mund auf.
Der Kuss hatte Patric dermaßen abgelenkt, dass er bei Otokos Bewegung überrascht aufkeuchte. Es schien nun zu gehen. Langsam begann Patric sich zu bewegen, denn seine sadistische Ader war nicht wirklich ausgeprägt, zumindest beim Sex nicht. Er hatte nicht vor, Otoko noch mehr wehzutun.
Doch weil das Otoko im Moment einfach zu langsam war, versuchte er sich, so gut es ihm möglich war, gegen Patric zu bewegen. Er löste sich von dem Mund des anderen und ließ sich zurück in die Kissen fallen.
Patrics Hände fanden mittlerweile Halt im Lacken und so stütze er sich ab, während er nun doch ein wenig das Tempo beschleunigte. Selbst er merkte, dass es Otoko bisher nicht reichte.
//Gott!! Der ist eher ein alter Tattergreis als ein Hase!// Otoko schlang seine weißen Beine um Patrics Hüften und presste ihn damit noch enger an sich. "...Hnn... sag mal.... Patric..."
"...Was...?", fragte dieser leicht atemlos. Er versuchte einen gemeinsamen Rhythmus mit Otoko zu finden, doch dem anderen schien es immer noch nicht zu genügen.
Nun schlang Otoko auch seine Arme um Patrics Nacken und zog ihn zu sich, so dass dessen dunkle Haare leicht über Otokos Brust strichen. "...H-hast du... nicht.... was bei... dir?"
"....Was ... genau?" Dunkel erinnerte sich Patric, dass Otoko gemeint hätte, er wäre clean.
Ein erregtes Seufzen drang über Otokos Lippen. "...W-was.... wohl....? Etwas,... womit man... Spaß haben... unn... oh ja....... Spaß haben kann...."
"Sicher... habe ich das... Aber glaub nicht, dass es ... das umsonst gibt...", antwortete Patric leise keuchend. Eigentlich wollte er sich lieber über andere Dinge Gedanken machen... oder besser über gar nichts.
//Ich bezahle doch gerade......// Doch statt etwas für Patric hörbares zu erwidern, beließ er es lieber bei seinen Gedanken und ließ seine Hände über Patrics Rücken streichen.
Nun, da der Junge endlich Ruhe gegeben hatte, konnte er sich endlich wichtigeren Dingen zuwenden. Aber eines musste man Otoko lassen, er war wirklich gut und Patric genoss den Sex in vollen Zügen.
Otoko selbst hatte nicht viel davon, er wollte eigentlich nur, dass das Ganze so schnell wie möglich vorbei war. Patric bekam, was er wollte, denn die Mittel dazu waren Otoko bestens bekannt. So war der ganze Spaß für den anderen schon nach wenigen Minuten vorbei.
Bei ihrem ersten Gespräch bei ihm zu Hause hatte Patric kurz überlegt, ob der Junge sich verkaufte. Nun war er sich sicher. Aber was interessierte ihn das? Gar nichts, also war es egal. Trotzdem kratzte es ein wenig an seinem Stolz, dass Otoko sich so unbeeindruckt zeigte.
Sich sanft über seinen eigenen gebrechlich wirkenden Körper streichend lag Otoko neben Patric. "...Hmmm....Könntest du mir nicht was geben....?", nuschelte er, drehte sich auf den Bauch und baumelte mit den Füssen in der Luft.
Nachdenklich sah Patric ihn an. Einerseits wollte er Otoko nichts geben, aber andererseits hatte er ihm gerade einen nicht so kleinen Gefallen getan. Eine Ausnahme konnte er also ruhig machen. Sein Blick wanderte zu den Armen des anderen. "Heroin?"
Otoko folgte Patrics Blick und zog dann seinen Arm zu sich. "Am liebsten, ja...."
"Warte kurz." Träge stand Patric auf. Eigentlich hatte er dazu überhaupt keine Lust. Er ging in ein Nebenzimmer und holte dort die notwendigen Utensilien aus einem Versteck in einem der Schränke heraus. Dann kehrte er wieder ins Schlafzimmer zurück und warf die Sachen aufs Bett. "Beeil dich, du musst dann gehen. Ich hab bald einen Termin."
"Awwww.... Wie Ungentleman like.....", murrte Otoko griff aber gleich darauf nach dem, was ER eigentlich die ganze Zeit wollte.
Patric setzte sich auf das Bett und sah Otoko zu. Er wollte noch duschen, doch das würde er erst tun, wenn er wieder allein war. Noch konnte er Otoko nicht ganz vertrauen, besonders nicht nach dem Verhalten, welches dieser im Moment zeigte.
"Guckst du dabei gerne zu?", fragte Otoko nach einer Weile eher ein wenig abwesend.
"Nicht unbedingt." Nun stand Patric auf und drückte auf einen Knopf am Kopfende des Bettes. "Zieh dich an, Edward bringt dich raus. Ach ja, das gehört dir." Damit zeigte er auf den Hundert-Dollar-Schein, der Otoko heruntergefallen war und auf dem Boden lag.
"Ich lese kein Geld vom Boden auf, wenn mich meine Kunden beobachten...", entgegnete der blonde Junge und zog sich langsam an.
"Ich werde dich sicher nicht zwingen, es zu nehmen.", erwiderte Patric, doch er blieb trotzdem noch im Zimmer.
"Na dann wirst du es mir ja nächstes Mal geben können..." Damit verließ Otoko den Raum.
Verwundert blickte Patric ihm hinterher. "Ein wirklich seltsamer Junge..."
Otoko ärgerte sich ein wenig darüber, dass er die hundert Dollar liegen gelassen hatte, aber andererseits wollte es sein Stolz nicht zulassen, sich vor Patric nach Geld zu bücken. Er wusste im Moment eigentlich gar nicht so recht, wo er hinwollte oder ob er überhaupt irgendwo hinwollte, denn seine Sicht wurde immer schlechter. Keine Frage, Patrics Stoff war gut, zu gut und zu viel für den abgewöhnten Körper. So entschloss sich der blonde Junge, erst mal seinen Rausch zu genießen, bevor er sich weiter um irgendetwas kümmerte.
Wütend über sich selbst warf Chris seinen Kugelschreiber in die Ecke des Zimmers. Wieso konnte er sich nicht aufs Lernen konzentrieren? Ein Blick auf die Uhr verriet es ihm. Otoko war wieder einmal weg, arbeiten. Das wäre kein Problem gewesen, doch der andere hatte ihm immer noch nicht - immerhin hatte Otoko den Job nun seit einer Woche - gesagt, was er tat. Auch damit konnte Chris leben. Was ihn störte war, dass Otoko bisher immer um die Uhrzeit zurückgewesen war, die er Chris gesagt hatte. Nur war das vor zwei Stunden gewesen. Er machte sich Sorgen, doch was konnte er schon tun? Er wüsste nicht, wo er seinen Freund hätte suchen können.
Otoko war allerdings gar nicht weit von Chris entfernt. Nur zwei Straßenblocks trennten sie, doch als Otoko wieder einigermaßen zu sich kam, war wieder einige Zeit vergangen. Verwirrt und desorientiert blickte sich Otoko um. //.....Was mache ich hier......??// Schwankend versuchte er aufzustehen. Er fühlte sich seltsam wohl, was die leichte Beunruhigung in ihm allerdings nicht ganz wegmachen konnte. Als er das Elektrogeschäft gegenüber der Straße erkannte, wusste er sofort, wo er war und so versuchte er, mehr schlecht als recht in Chris' und seine Wohnung zu kommen.
Als er die Schritte im Treppenhaus hörte, sprang Chris sofort auf und öffnete die Tür. "Otoko?! Bist du das?"
Mit leicht verhangenen Augen blickte Otoko auf. "...J-ja...." Er versuchte zu lächeln, krallte seine Hand allerdings fester in das Treppengeländer, um nicht vornüber zu kippen.
Erschrocken hastete Chris zu Otoko und zog ihn zu sich. "Was ist denn passiert?", fragte er, während er den anderen in die Wohnung trug.
"Hmmm... N-nichts b-besonderes....", nuschelte der blonde Junge und schlang die Arme um Chris' Nacken.
"So siehst du aber nicht aus.", meinte Chris, immer noch besorgt. Er legte Otoko auf dem Bett ab und betrachtete ihn.
"....M-mir geht es.... w-wirklich.... gut..." Ein wenig unbeholfen strich sich Otoko durch die Haare. Sein Blick wurde wieder glasiger und er schien Chris gar nicht mehr richtig wahr zu nehmen. Er fühlte, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte, doch zugleich war sein Körper so angenehm betäubt.
Verzweiflung stieg in Chris auf. //Das kann doch nicht normal sein... Ich hab ihn noch nie so erlebt... Er ist so anders... oder...// Ein schlimmer Verdacht kam ihm, doch er hoffte, dass er sich irrte. //Nein... wenn es das ist, dann ... weiß ich nicht, was ich noch machen soll...// Ohne auf Otokos schwache Gegenwehr zu achten, nahm er einen Arm des Jungen und zog den Ärmel der Jacke nach oben. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. //....Scheiße...//
".....W-was ist d-denn....?", fragte Otoko in leicht genervten Tonfall.
Doch Chris ließ einfach nur Otokos Arm los und stand auf. "Nichts." Ohne ein weiteres Wort ging er ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. Nun bahnten sich die Tränen ihren Weg über seine Wangen, die er so lange zurückgehalten hatte. //Wieso tust du mir das an, Otoko?//
Etwas unverständliches nuschelnd drehte sich Otoko zur Seite und gab sich seinem Rausch wieder hin.
Chris blieb weiterhin im Badezimmer, saß dort auf der geschlossenen Toilette und ertrug seinen Schmerz alleine. So verletzt, wie er sich jetzt fühlte, wollte er Otoko nicht sehen. Und wahrscheinlich war es dem im Moment auch völlig egal.
31.
Otoko 'erwachte' erst nach einer Stunde wieder, als sich die Muskeln in seinem linken Unterschenkel leicht zusammenzogen. "...M-mist... Was i-ist denn jetzt l-los....?"
Chris, der immer noch im Bad war und sich mittlerweile wieder ein wenig beruhigt hatte, hörte Otoko und lauschte, doch er wollte trotzdem nicht mit dem anderen reden. Er war doch selbst schuld, wenn er sich etwas spritzte.
Otoko erhob sich. Er fühlte sich komisch und irgendwie hatte er wieder das Verlangen nach Stoff. Aber wieso? Er humpelte in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen, erst dann fiel ihm auf, dass Chris nirgends zu sehen war. //......Ist er schon gegangen......?// ".....C-chris....?"
//Nein, ich werde nicht zu ihm hingehen.// Obwohl es in dem Bad doch ein wenig kalt war und Chris jetzt viel lieber seinem Bett liegen oder bei Otoko sein würde, blieb er.
"....Chris?!" //Er geht doch sonst nicht so früh......//
Seufzend stand Chris auf. //Es hat doch keinen Sinn...// Mit einem leisen 'Ich bin hier.' kam er aus dem Bad.
Verwundert blickte Otoko ihn an. "....G-geht es d-dir nicht g-gut...?"
"Bist nicht du der, dem es schlecht geht?" Chris' Stimme klang vorwurfsvoll und genau das sollte sie auch.
"....N-nein..." Otokos Wangen färbten sich rot. "...I-ich fühle m-mich nur ein wenig m-müde..."
"Aha." Erst jetzt fiel Chris auf, dass Otokos Hemd zerrissen war. Was ihn aber noch mehr störte, war der dunkle Fleck an Otokos sonst weißem Hals. //Was habe ich dir getan, dass du mir so etwas antust? Ich dachte, zwischen uns herrscht inzwischen so etwas wie Vertrauen.//
Otoko fiel Chris' Gemütszustand sofort auf und er ging leicht humpelnd auf seinen Freund zu. "W-was hast du....?", fragte er sanft und wollte über Chris' Wange streichen.
Doch dieser wich sofort zurück. "Ich hoffe, du hast dich gut amüsiert, bei der Arbeit." Das Wort 'Arbeit' betonte Chris besonders.
Sofort wich auch Otoko zurück. "...W-wieso a-amüsiert....?" Er erinnerte sich plötzlich, wie Patric ihn geküsst hatte und er fasste sich sofort an die Lippen. "...I-ich habe m-mich nicht a-amüsiert....."
"Ist mir egal." Auf irgend eine Art empfand Chris sein Verhalten selbst als kindisch, doch andererseits fühle er sich berechtigt, sich so zu benehmen. Immerhin war es nicht er, der etwas falsch gemacht hatte.
Otokos Blick wurde nun verstört. "...W-was ist l-los Chris...? H-hab ich w-was f-falsch g-gemacht...?"
Chris setzte sich auf die Bettkante und sah zu Otoko hoch. "Schau mal in den Spiegel."
"W-wieso...?"
"Weil du dort den Grund für mein Verhalten siehst."
"....I-ich mag mein S-spiegelbild n-nicht..."
Frustriert, weil Otoko nicht tat, was er wollte, legte er sich auf das Bett, das Gesicht von Otoko abgewendet. Gut, das war auf jeden Fall kindisch, aber er hatte allen Grund dazu.
Mehr als widerwillig begab sich Otoko nun doch ins Bad. Leicht zitternd hob er den Kopf und blickte in sein eigenes Gesicht.
Chris sah ihm hinterher. Er würde Otoko so gerne in seine Arme schließen und ihm das Ganze ersparen, doch sein Stolz ließ es nicht zu. Diesmal nicht.
Das Zittern in Otokos Körper verstärkte sich, als er den Fleck an seinem Hals und sein zerrissenes Hemd bemerkte. //.....W-was ist p-passiert...?// Angeekelt stieß er sich von dem Spiegel weg und drehte sich um. Er schlang die Arme um seinen Körper und sank lautlos in die Knie. //....Das bin nicht ich!!//
Doch wie so oft änderte Chris seine Meinung, als er sah, wie Otoko zu Boden sank. Er stand auf und ging zu ihm hin. "Wieso tust du mir das an?", fragte er leise.
Otoko hob den Kopf und starrte Chris mit geweiteten Augen an. ".....W-was..........?" Seine Lippen begannen zu zittern und er presste beide Arme an den Kopf. "WAS UM ALLES IN DER WELT HABE ICH DENN GETAN???!!"
Erschrocken wich Chris einen Schritt zurück. "Das weiß ich doch nicht.", antwortete er mit verbitterter Stimme.
"....I-ich a-auch nicht.....", wisperte der blonde Junge und wischte die Tränen in seinen Augen weg. ".....I-ich weiss es nicht........"
"Du hast dir wieder etwas gespritzt."
"W-was....?" Ungläubig starrte Otoko Chris an.
"Du hast frische Einstichwunden an deinem Arm.", antwortete Chris. Er fühlte sich wie in einem schlechten Film. Wieso musste so etwas jetzt kommen? Er hatte sich so gut mit Otoko hier eingelebt, doch jetzt schien der Frieden vorbei zu sein.
//Nein.... bitte nicht....// Als auch Otoko die Wunde erkannte presste er die Augen zusammen und schluchzte auf. ".....g-gomen nasai... "
Aber dieses Mal erwiderte Chris nichts. Er würde lügen, wenn er antworten würde, dass alles ok sei.
//.....Jetzt ist alles vorbei.... ich wusste doch, dass ich nicht glücklich sein darf....// Otoko verkroch sich wieder ins Bad und schloss die Türe ab.
Chris sah ihm nach, aber er versuchte nicht, ihn dazu zu bringen, die Tür zu öffnen. Wieso auch? Entmutigt und mit den Nerven im Moment völlig am Ende beschloss er schlafen zu gehen.
// Ich tue ihm nur weh.... Ich mache ihm nur Probleme!! Verdammt! Wieso habe ich es zugelassen, dass ich mich wohl bei ihm fühle?! Wieso hab ich es zugelassen, dass er mich liebt??!!!// Total in seinen dunkeln Gedanken versunken brachen die Tränen aus Otoko heraus. //Wieso.....? Wieso...... Wieso?! Wieso?!?! Ich hasse mich!! Ich hasse mich so sehr!!!// Sein Körper wurde regelrecht durchgeschüttelt und schon nach wenigen Minuten war ihm, als würde er an seinen eigenen Tränen ersticken müssen.
Die Geräusche, die aus dem anderen Zimmer zu Chris vordrangen, zerrissen diesem fast das Herz. //Hör auf...//, schluchzte er in Gedanken. //Hör endlich damit auf, mir weh zu tun...//
Otokos Sicht war schon lange verschwommen vor Tränen, doch nun schien es immer dunkler um ihn zu werden. Ob die Dämmerung eingesetzt hatte oder er dank des Luftmangels in Ohnmacht fiel, wusste er nicht, denn der Schmerz in ihm wurde immer wie schlimmer. Er hörte auf zu schluchzen.
Doch auch die Stille war für Chris unerträglich. //Was, wenn er sich etwas angetan hat? Was, wenn er inzwischen tot ist?// Er riss sich zusammen, stand auf und klopfte gegen die Tür. "Otoko! Mach auf, bitte."
Chris bekam keine Antwort.
Nun packte ihn wirklich die Panik. "Otoko! Otoko, bitte!! Mach auf!"
Stille war auch jetzt die einzige Antwort, die Chris erhielt.
"Nein... Otoko..." Chris schlug mit den Händen gegen die Tür, doch sie ging nicht auf. "Otoko!!" //Ich will nicht, dass du dich umbringst... Lass mich nicht allein...//
Doch nun wurde die Türe geöffnet und Otoko stand vor ihm. "....Wieso schreist du so, verdammt....? Ich wollte schlafen..."
Mit Tränen den Augen sah Chris Otoko einen Moment einfach nur an, dann schlang er die Arme um den anderen und umarmte ihn, anstatt zu antworten.
"Hey, hey, hey! Was ist denn jetzt los?"
"Es tut mir so leid, dass ich dir Vorwürfe gemacht habe.", schluchzte Chris mit erstickter Stimme, während er den anderen immer noch eng an sich drückte. "Ich werde es nie wieder tun."
Leicht verwirrt blickte Otoko auf Chris. ".....Von was redest du eigentlich?"
Die bittere Erkenntnis, dass er wieder Mike vor sich hatte, traf Chris wie ein Schlag. Zitternd ließ er den anderen los und sank vor ihm auf die Knie. "Nein..." //Nicht schon wieder...//
"Mann, was hast du denn geschluckt...?" Nun doch ein wenig besorgt kniete sich Otoko vor Chris und strich ihm beruhigend über den Rücken.
"Nichts." Die Hoffnungslosigkeit, die Chris im Moment spürte, zeigte sich deutlich in seiner Stimme. //Ich wünschte, ich hätte es... Dann ließe sich das alles leichter ertragen.//
//Jetzt dreht er total ab...// Sanft drückte Otoko Chris an sich. "Na komm schon... so schlimm wird's ja nicht sein...."
Neue Tränen vermischten sich mit den Spuren der alten, die noch nicht getrocknet waren. //Ich hätte ihn nicht beschuldigen dürfen... Wahrscheinlich hat Mike die Drogen genommen, nicht Otoko...// Chris schmiegte sich an den warmen Körper des anderen, obwohl er Mike ganz und gar nicht mochte. Er brauchte jetzt Trost, egal von wem.
"Ssschschh.... Vielleicht solltest du ein wenig schlafen gehen....", hauchte Otoko leise und legte seinen eigenen Kopf auf Chris' Schulter.
Der stand nun langsam auf. Seine ganze Haltung drückte Niedergeschlagenheit aus. Chris hielt den Kopf gesenkt, wodurch die Augen von seinen Haaren verdeckt waren und ging langsam zum Bett, wo er sich, ohne sich auszuziehen, hinlegte. Vielleicht war Schlafen wirklich das Beste, was er tun konnte.
//Was hat er denn bloß.....?? Hat er etwa ne schlechte Note nach Hause gebracht und Mama hat ihn ausgeschimpft oder was.....?// Seufzend stand auch Otoko auf und begab sich zu Chris in Bett. Dort kuschelte er sich an den anderen Körper.
Chris tat dasselbe und genoss im Moment einfach die Wärme des anderen, die ihn langsam wieder beruhigte.
"Morgen ist alles wieder anders.... Du wirst sehen....", flüsterte Otoko und kraulte Chris sanft den Nacken.
//Wird es nicht... Es wird immer so weitergehen...//, dachte Chris aussichtslos. Das Zittern hatte inzwischen wieder aufgehört und auch die Tränen waren versiegt. //Wenn du wüsstest, wie es wirklich ist...//
Otoko liebkoste Chris weiter sanft, bis er selbst von der Ruhe, die um sie herum herrschte, müde wurde und einschlief.
Als Chris dies merkte, öffnete er die Augen wieder und sah auf. Selbst wenn Mike in vielen Dingen ein Idiot war, so zeigte er zumindest Mitgefühl... Vielleicht war er doch nicht so schlimm, wie Chris ihn immer empfunden hatte.
Als Chris am nächsten Tag in die Uni kam, stand schon der nächste Schock für ihn bereit. Er hatte vergessen für eine wichtigen Test zu lernen, den er heute morgen hatte.
Dementsprechend lief die Prüfung für ihn mehr als schlecht. Zum einen konnte er den Stoff nur halbwegs und zum anderen schweiften seine Gedanken immer wieder zu Otoko ab. Als Chris die Wohnung heute Morgen verlassen hatte, war der andere noch tief und fest am Schlafen und deshalb hatte Chris ihn nicht geweckt. Er hoffte nur, dass er wieder Otoko gegenüberstand, wenn er später zurückkam.
Als es die Mittagspause einläutete, blieb Chris deprimiert sitzen. "Hey Chris, wie ist es bei dir gelaufen?"
Verwirrt sah er nach oben. Michael und Janine standen vor seinem Platz. "Mies.", antwortete er wahrheitsgemäß und fragte sich, was die beiden hier bei ihm wollten. Sie hatten ihn doch die letzte Zeit auch ignoriert.
"...Oh... Das klingt nicht gut... Hast du denn nicht gelernt?"
"Ich hatte es vergessen." Chris packte seine Sachen zusammen und wollte eigentlich so schnell wie möglich von hier verschwinden, um sich in einen Bereich der Uni zu verziehen, in dem er seine Ruhe hatte.
"Du solltest es dir das nächste mal in die Agenda schreiben..... In letzter Zeit scheinst du nicht mehr so gute Noten zu haben....", meinte Janine und lächelte leicht.
Doch das Lächeln wurde nicht erwidert. Mit einem 'Werd ich machen.' stand Chris auf und wandte sich zum Gehen.
"Wollen wir zusammen essen gehen?", fragte Michael dann schnell.
"Ich hab keinen Hunger."
"Können wir dann trotzdem reden?"
"Wenn es euch so wichtig ist.", antwortete Chris gleichgültig.
Die drei waren in der Kantine der Uni. Michael und Janine aßen, während Chris nur stumm dasaß.
"Du siehst nicht gut aus..... Vielleicht solltest du doch was essen...", bemerkte Janine und hielt Chris ein Stück Brot hin.
Aber auch das nahm er nicht an. "Ich habe wirklich keinen Hunger."
"Chris.... was ist mit dir los....?"
"... Ich habe ein paar Probleme, aber damit komme ich schon klar. Es ist nichts ernstes."
"Können wir dir helfen....?", fragte Michael nun und biss in sein Sandwich.
"Nein." Nachdenklich betrachtete Chris die Tischplatte. "Das kann niemand."
"W-wie meinst du das....? Was ist denn los...?" Nun war Michael und Janine wirklich besorgt.
"Egal, was ich tue... es hilft nichts... Die Probleme kommen immer wieder..."
"Wieso...? Was hast du denn für Probleme?......Iist es... wegen diesem Otoko?"
Ein Nicken von Chris bestätigte diese Annahme.
"Was hat er gemacht?" Sofort rückten die beiden näher zu Chris.
Der überlegte, wie viel er den beiden erzählen sollte. Wenn er zu viel sagte, würden sie sicher mit seiner Mutter reden. "Er hat eben ein paar Probleme... und die nehmen mich auch mit..."
"Aber.... du nimmst jetzt nicht auch Drogen, oder?"
"Nein." //Aber es könnte sein, dass ich damit anfange, wenn es so weiter geht...//
"Hat er denn irgendwelche Straßengangs am Hals?"
"Nein..." Plötzlich kam es Chris so vor, als hätte er schon zu viel erzählt. "Es ist nicht so schlimm. Ich habe einfach in letzter Zeit ein wenig Stress, weil ich ja nebenbei noch arbeite. Es nimmt mich ein bisschen zu viel mit, aber das wird schon wieder."
"Bist du sicher......?"
"Sicher. Schließlich gibt es für jedes Problem eine Lösung.", antwortete Chris mit einem Grinsen im Gesicht. Doch er wusste selbst, dass er nicht besonders überzeugend war.
"Na ja...... Aber manchmal sind die Lösungen doch recht beängstigend....", meinte Michael und erwiderte das Grinsen und kurz.
"Hm..." //Ja... diese Art der Lösungen gibt es auch noch...//
"Na ja..... Du scheinst jetzt wohl deine Ruhe vor uns haben zu wollen, was?"
"Wäre besser." Und schon stand Chris auf. "Bis später." Damit ging er.
Verbittert blickten Michael und Janine Chris nach.
Als Otoko, oder besser gesagt Mike, Patrics Arbeitszimmer betrat, saß dieser an seinem Schreibtisch und schrieb gerade etwas auf einem Laptop. Otokos Hundert-Dollar-Schein lag neben ihm auf der Ablage.
"Bin wieder da.... Störe ich....?", fragte Otoko und ging auf Patric zu.
"Nicht doch.", antwortete Patric, ohne aufzusehen.
"Gibt's wieder Arbeit für den Laufjungen?"
Patric nickte. "Ja. Hier..." Er deutete auf einen Zettel. "...Ist die Adresse. Das Päckchen liegt darunter."
Kurz ließ Otoko seinen Arm über Patrics Schulter streichen, bevor er das Päckchen und den Zettel an sich nahm. "....Wie viel muss ich einkassieren....?"
"Dreihundert. Deine Bezahlung bekommst du hier."
"Ok.... und tschüss! Bin bald wieder da....", damit verließ Otoko das Zimmer.
Mit einem Grinsen arbeitete Patric weiter.
Als Otoko nach einigem Suchen die Adresse fand, war er angenehm überrascht. Diesmal war das Gebäude nicht ganz so heruntergekommen wie letztes Mal. Er klingelte an der Tür und wartete eine Weile.
Eine junge Frau öffnete ihm. "Ja, bitte?"
"Um... Guten Tag, ich hab hier eine Lieferung von Patric Newman."
"Von Patric? Schön, komm rein." Die Frau, oder besser gesagt das Mädchen, denn sie sah wirklich noch sehr jung aus, zog Otoko herein. Freudig lächelnd blickte sie ihn an. "Wie geht es ihm?"
"Gut..........Denke ich doch...." //Habe ich mich nicht in der Adresse geirrt....? Was will dieses Gör....? Die Lieferung ist doch nicht für sie...?// "Wem kann ich das Packet geben....?"
"Mir natürlich. Die anderen sind im Moment nicht da, aber das macht nichts. Sie haben mir das Geld dagelassen." Es war wirklich ein wenig komisch, dass das Mädchen die Lieferung bekommen sollte. Sie schien so unbekümmert und unschuldig, dass niemand daran denken würde, dass sie Geschäfte mit Drogen oder etwas ähnlichem machte. "Dreihundert Dollar, ja?"
"Ja, dreihundert....." Er nahm das Geld entgegen, behielt das Packet aber noch in den Händen. "Weißt du, was in dem Päckchen ist?"
"Sicher. Du nicht?", fragte sie mit einem Zwinkern.
".......Ich bin mir nicht ganz sicher....."
"Na komm schon, ich hab dir das Geld gegeben, also gib es her." Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich plötzlich. "Mach schon!"
"Na, na, wer wird denn gleich unfreundlich....", murrte Otoko und hielt ihr das Packet hin.
Sofort packte sie es und zog es zu sich. "Ich habe keine Lust, von dir verarscht zu werden. Das machen schon genug andere!", fauchte sie.
"Hey, Kleine, nun komm mal von deinem Trip runter! Ich habe dir gar nichts getan, ok?!"
Doch das Mädchen dachte nicht daran, sich wieder zu beruhigen. "Du hast dein Geld, also hau wieder ab!"
"Hatte ich vor, du kleine Schlampe, nur leider stehst du mir im Weg!"
Mit einem wütenden 'Hmpf!' öffnete sie dir Tür und trat dann zur Seite. "Ich hoffe, Patric schickt das nächste Mal jemanden mit Manieren."
"Und ich hoffe, das nächste Mal schickt er mich zu jemandem mit Verstand!"
Sie rief ihm noch einige Schimpfworte hinterher, als er die Wohnung verließ, doch dann wandte sie sich dem Päckchen zu. Wenigstens hatte sie es jetzt, auch wenn der Überbringer ein Idiot gewesen war.
Als Otoko wieder an Patrics Zimmertür klopfte, war er ziemlich schlecht gelaunt. Wieso hatte ihm Patric nicht gesagt, dass er auch mit so jungen Gören handelte, das hätte ihm einiges erspart.
Doch wie schon am gestrigen Abend bekam er keine Antwort.
//Der sollte sich mal die Ohren durchlüften lassen......// Lautlos öffnete Otoko die Türe und trat ein.
Anders als gestern war der Raum aber leer.
"Eh.......? Wo ist er denn jetzt hin....?" Er verließ den Raum wieder und ging runter zu Edward. "Wo ist Patric?"
"Im Arbeitszimmer.", antwortete dieser.
"Das ist aber leer..."
"Dann weiß ich es auch nicht." Der gelangweilte Tonfall des anderen zeigte, dass er eigentlich gerne seine Arbeit machen würde und nicht dauernd gestört werden wollte.
"Na toll.... Dann werde ich eben mal die ganze Hütte auf den Kopf stellen....." Gesagt, getan. Er stöberte das ganze Haus nach Patric ab
Der war inzwischen wieder in seinem Arbeitszimmer - denn er war nur auf der Toilette gewesen - und arbeitete unwissend, dass Otoko schon da war, weiter.
Otoko achtete nicht darauf, vorsichtig oder gar leise zu sein. Er wollte endlich seinen 'Lohn' bekommen und nach Hause oder was Patric auch immer mit ihm vorhatte, Hauptsache es ging schnell. Gelangweilt entdeckte er einen neuen Gang mit noch mehr Türen. "......Verdammtes Labyrinth..."
Ihm kam nicht in den Sinn, dass ihn dieses Labyrinth vielleicht überhaupt nichts anging. Denn da Patric mit Drogen handelte, hatte er wahrscheinlich auch sonst keine weiße Weste.
Der erste Raum, den Otoko betrat, schien als Wohnzimmer zu dienen. Er erschien dem Jungen nicht als besonders interessant, deshalb ging er zum nächsten Zimmer. Auch diese Tür war nicht abgeschlossen. Das hier war wohl ein Abstellraum. Große Gegenstände, Otoko konnte nicht erkennen, was sie waren, denn wie bei dem Kerl gestern waren die Sachen mit Tüchern verhängt, standen überall und verstaubten langsam.
//So ne große Hütte und dann nicht einmal den Überblick behalten..... So ne Flasche...// Seufzend schlug Otoko die Türe wieder zu und ging zum nächsten Raum. Er kam sich ein wenig dumm vor, als er sich in der Toilette wiederfand. Das war auch nicht das, was er wollte und so suchte er weiter oder wollte es zumindest.
Denn gerade als er aus dem Raum gehen wollte, stand Patric vor ihm. "Was machst du hier?", fragte er und seine Stimme klang nicht so freundlich wie sonst.
Otoko drehte sich zu ihm um. "Ich suche dich."
"Hier hast du nichts zu suchen, weder mich noch etwas anderes."
Abwehrend hob Otoko die Hände. "Ja, ja! Schon ok! Hör auf zu bellen."
"Du solltest die Warnung ernst nehmen, Junge.", meinte Patric, immer noch in demselben Tonfall. Er zog Otoko aus der Toilette und schloss die Tür. "Wenn du herkommst, dann gehst du gleich in mein Arbeitszimmer. Und wenn du mich da nicht findest, dann wartest du da. Verstanden?"
"Ok! Das könntest du mir auch früher sagen!"
"Ich habe es jetzt gesagt, das reicht." Patric ließ Otoko los und ging in Richtung Treppe. "Komm schon."
//Ja sicher reicht es! Du Arschgeburt hättest dir deinen Wutanfall sparen können, hättest du es mir früher gesagt!!// Grummelnd ging Otoko hinter Patric die Treppe hoch.
Der Ältere merkte, dass Otoko wütend war, doch eigentlich war es ihm egal. Er wollte nur niemandem im Haus haben, der herumschnüffelte. Etwas anderes war nicht wichtig.
Als sie beide wieder in Patrics Arbeitszimmer waren, setzte sich Otoko gleich auf das Bett. "Verkaufst du auch an Gören?"
"Meinst du Christine? Sie ist eigentlich nicht der Käufer, sondern ihr großer Bruder.", antwortete Patric. "Hast du das Geld?"
"Ja, hab ich....... Aber die Kleine scheint auch von den Zeug zu bekommen...... Die hat sich draufgestürzt wie ein hungriger Löwe....", meinte Otoko und hielt Patric das Geld hin.
Der nahm die Scheine und legte sie vor sich auf den Tisch. "So ist sie eben."
"Ja.... Und sie wünscht sich übrigens 'nen Boten mit mehr Manieren....."
"Aha." Patric sah auf dem Laptop nach, was für Aufträge in den nächsten Tagen für Otoko noch drankamen. "Hast du noch Zeit oder musst du gleich gehen?"
"Ich hab noch Zeit..... Muss ich noch mal wohin?"
"Vielleicht. Leider ist ein anderer Mitarbeiter von mir krank geworden und ich kann es nicht selbst erledigen, also wäre ich dir dankbar, wenn du es machen könntest.", antwortete Patric, den Blick immer noch auf den Laptop gerichtet.
Nun verzog Otoko leicht die Augenbrauen. "....Was muss ich tun?"
"Nichts schweres. Etwas abliefern und wieder gehen. Es gibt keine Bezahlung."
"Hmm......... Ok.... Wo muss ich hin?"
Bei dieser Frage drehte Patric sich mit seinem Stuhl um und sah Otoko an. "Ins örtliche Polizeirevier."
Als ob die Worte wie Schläge wirken würden, zuckte Otoko zusammen. "Was?!"
"Ich habe einen Freund dort, der sollte etwas von mir bekommen. Kannst du es machen oder nicht?"
Otoko zögerte sehr lange. "......Was bekomme ich dafür?"
"Nun. Zum einen solltest du deine 100 Dollar von gestern nehmen, das war ein Geschenk. Wenn du es nicht annehmen willst, dann werde ich es wieder nehmen. Für die beiden Aufträge heute würdest du zusammen 50 Dollar bekommen, das ist ziemlich viel für diese Arbeit, also mach es gut."
"Wenn man bedenkt, was für ein Risiko ich eingehe, ist es nur gerecht....", entgegnete Otoko und stand auf. "Ok. Gib mit die Ware."
Patric gab ihm eine Tüte, die wie diese aussah, in denen man Fastfood verkaufte. "Der Name meines Freundes steht auf diesem Zettel." Otoko bekam auch diesen in die Hand gedrückt. "Ach ja, du solltest vielleicht die Haare unter der Mütze verstecken, du siehst so ziemlich auffällig aus."
"Danke, werd ich machen....." //Draußen hab ich meine Haare immer unter der Mütze, du Blindschleiche!// Und so verließ er das Zimmer.
Patric hingegen dachte darüber nach, dass Otoko sich erschreckt hatte, als er die Polizei erwähnt hatte. //Er scheint Probleme mit ihnen gehabt zu haben.//
32.
//Wieso bin ich eigentlich immer noch bei ihm.....? Er will mich ja doch nicht.....Der ist so komisch..... Aber immerhin ist die Wohnung gemütlich.....// Er schloss die Türe auf und ging herein. ".......Hallo.....?"
Chris sah auf und blickte zu Otoko. "Hi..." //Ist es jetzt Otoko... oder Mike?//
"Na..... hast du dich wieder beruhigt?", fragte Otoko und zog seine Jacke aus.
//Mike.// "Geht schon." Chris wandte sich wieder seinen Büchern zu. "Ich hab vorhin gekocht, es steht noch in der Küche, falls du Hunger hast."
"Danke.... Hast du schon gegessen?"
"Ja, vorhin."
"Und? Hat's geschmeckt?" Ein leichtes Lächeln lag auf Otoko Lippen.
"Ja, ging so." Ein wenig verwundert sah Chris Otoko - nein Mike - an. Er war doch sonst nicht so.
"Was machst du da eigentlich........?", fragte Otoko und beugte sich über den Tisch zu Chris.
"Ich muss lernen. Hab heute Morgen eine Prüfung versaut und das sollte nicht noch einmal passieren." Immer noch kam Chris das Interesse des anderen ein wenig seltsam vor.
Blitzschnell griffen Otokos Hände nach Chris' Buch und zog es weg. Er drehte es um und las die Überschrift laut. "Psychologie Nummer vier..... Klingt..... spannend......."
Ein Hauch eines Lächeln huschte über Chris' Gesicht. "Komm schon, gib es wieder her. Es wird dich langweilen."
"Wenn du es mir erklären würdest sicher nicht...", entgegnete Otoko und gab Chris das Buch zurück. "Sag mal...... wegen gestern.... Was war da los...? Hattest du 'nen Alptraum oder ist mit diesem Otoko etwas passiert?"
Sofort war Chris' Laune wieder schlechter. "... Ja... Otoko...mit ihm ist etwas passiert..."
"Was denn.....?"
"...Er hat Probleme... und wie es aussieht, geht es ihm ziemlich schlecht. Aber er scheint mich nicht sehen zu wollen..." //Sonst wäre er jetzt hier...//
"Das klingt aber nicht nett...... So ein Idiot.......... Wenn der wüsste, wie du deswegen durchdrehst, würde er dir so was nicht antun...."
"Nein. Er hat genug mit sich selbst zu kämpfen, da muss er nicht auf mich Rücksicht nehmen..." Mit einem Seufzen sah Chris auf seine Bücher. //Ich werde mich wohl kaum noch konzentrieren können... Außerdem habe ich schon einiges erledigt, der Rest kann eigentlich noch warten...//
"Oh Mann...... Du bist zu gut für diese Welt....", murrte Otoko und ging in die Küche.
//...Das hat Otoko auch gesagt...//
"Boah! Du hast ja viel zu viel gekocht!! Bist du sicher, dass du was gegessen hast?"
"Ein wenig.", rief Chris und schloss seine Bücher.
"Dann nimmst du noch mal was mit mir...." Und schon stand Otoko mit zwei vollen Tellern wieder bei Chris.
"Ich bin wirklich satt. Wieso glaubt mir das niemand?" Er fand es ziemlich seltsam, dass ihn jeder zum Essen bringen wollte.
Nun sah ihn Otoko ein wenig betreten an. ".......Ich wollte nur nicht alleine essen....."
"...Ach so..." Der Jüngere sah wirklich enttäuscht an. "... Na ja, ein bisschen kann ich schon essen..."
Nun begann Otoko zu grinsen. Er hielt Chris den Teller hin und setzte sich auf das Bett.
Die Bücher verstaute Chris in seiner Tasche, dann setzte er sich zu Otoko und aß ein wenig.
"Du kochst besser als meine Mutter.....", lobte Otoko Chris mampfend.
//...Seine Mutter...? Ich dachte, die hätte er nie kennengelernt...//
Nachdem Otoko fertig gegessen hatte, legte er den Teller zu Seite und ließ sich auf das Bett zurücksinken. "...Hast du das bei deiner Mutter gelernt?"
"Ja... Sie hat es mir mal gezeigt, aber es ist auch nicht so schwer." Auch Chris stellte seinen Teller weg, doch er hatte kaum etwas davon gegessen.
Otoko streckte den Arm aus und strich sanft über Chris' Wangen. "Wann musst du gehen?"
Zuerst wusste Chris nicht, was Otoko meinte, doch dann fiel es ihm wieder ein. Schnell sah er auf die Uhr und stellte erleichtert fest, dass er noch Zeit hatte. "In etwa einer Stunde."
Langsam rutschte Otoko näher. "....Wie lange..... bleibe ich noch hier.....?"
//Was soll ich jetzt sagen?// "...Du wohnst hier..."
"Ja, klar, so lange wie du mich willst, aber für wie lange? Kannst du das nicht sagen?"
"Du verstehst mich falsch... Mike... Du wohnst hier wirklich."
Mit gelassenem Gesichtsaudruck blinzelte Otoko ihn an. "Du willst mit mir zusammenleben?"
//Scheiße, wenn er jetzt abhaut, werde ich ihn verlieren. Ich kann ihm doch nicht ewig vorlügen, dass ich ihn gekauft habe.// "...Na ja, das tun wir doch...oder?"
Otoko drehte den Kopf zur Seite und lachte kurz auf. ".....Du spinnst doch....."
//Ja, anscheinend doch.// Anstatt etwas zu erwidern stand Chris auf und trug die Teller in die Küche.
"Du bist saukomisch...", hauchte Otoko, der Chris lautlos gefolgt war, diesem in den Nacken.
"Dann lach doch. Es macht mir nichts aus.", antwortete Chris, doch in Wirklichkeit machte es ihm sehr wohl etwas aus. Aber was hätte er erwarten können? Mike war eben Mike und nicht Otoko.
"...Mir ist nicht zum Lachen zumute....", flüsterte Otoko leise und trat näher an Chris.
Dem war das Ganze mehr als unangenehm. "Mike... bitte... Lass es."
"Nur ein wenig....... bitte....", nuschelte Otoko.
//Ein wenig was?// Unsicher drehte Chris den Kopf zu Otoko. "Was meinst du?"
Verwirrt sah ihn Otoko an. "....I-ich wollte nur ein wenig kuscheln...."
//Otoko?!// "...Ach so... Das ist ok..."
//Er ist wirklich komisch...// Nun legte Otoko die Arme um Chris' Körper.
Chris erwiderte nach kurzem Zögern die Umarmung. //Ich vermisse Otoko...//
//Mit mir zusammenleben... So ein Witz! Ich bin nicht dazu da, um einer einsamen Seele Gesellschaft zu leisten!// Sanft schmiegte sich der blonde Junge enger an Chris.
//Es ist derselbe Körper... aber... trotzdem... Ich wünschte, er würde wieder zu mir zurück kommen...// Wieder war Chris zum Heulen zumute, doch er konnte nicht schon wieder zulassen, dass er vor Otoko seine Selbstbeherrschung verlor. Dessen Reaktion bei dem einen Mal hatte schon gereicht.
"Chris...?" Otokos Atem durchdrang Chris' dünnen Pulli und wärmte ihn. "...Magst du mich......?"
//Was soll ich jetzt darauf antworten?// Unbewusst ging Chris ein wenig zurück, wollte weg von Otoko. "...Denke schon..." //Aber nicht dieses Verhalten!//
Grinsend hob Otoko den Kopf und streckte Chris die Zunge raus. "Wusste ich's doch!" Damit löste er sich von Chris und ging wieder zum Bett.
Erleichtert atmete Chris aus und sah auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde, dann musste er sich fertig machen und gehen. Diese halbe Stunde würde er schon mit Mike aushalten.
Erschöpft ging Chris die Treppe zu seiner Wohnung nach oben. Er war vor der Arbeit noch bei Neal gewesen, das hatte ihn ein wenig aufgeheitert, und jetzt, um kurz nach ein Uhr morgens, freute er sich, bald schlafen gehen zu können. Eine Woche war sein Streit mit Otoko nun her und dieser war die ganze Zeit nicht mehr aufgetaucht. Mike hatte sich inzwischen wohl daran gewöhnt, dass er jeden Morgen nach seinem Namen gefragt wurde, aber so konnte Chris einfach am leichtesten feststellen, wer sein Gegenüber gerade war.
Als er die Türe öffnete kam nur ein unwilliges Murmeln von Otoko.
//Ist er noch wach?// Müde blickte Chris auf. Der andere lag halb schlafend auf dem Bett und schien ihn nicht wirklich wahrzunehmen. //Ist doch eigentlich egal. Es ist sowieso nur Mike...// Chris zog sich die Schuhe und die Jacke aus, dann wanderte sein Blick wieder zu Otoko. //Mike, nicht Otoko.... Ich wünsche mir so sehr, dass er wieder zurückkommt...//
"........Hmm..... Chris......?" Seufzend drehte sich Otoko zu Chris. Er streckte die Hand aus und griff nach Chris'
"Schlaf weiter.", murmelte dieser und versuchte seine Hand der des anderen zu entziehen.
"......Du hast mich aber gerade geweckt....." Ein erneutes Seufzen war zu hören und die Hand schloss sich fester um Chris'. "....Wie ist es gelaufen....?"
"Es war wie immer. Ich will ins Bad, Mike. Lass mich bitte los." Die letzten Tage war Chris dem anderen gegenüber eher abweisend und schweigsam gewesen, aber Mike holte sich seine 'Streicheleinheiten' ja sowieso bei seiner Arbeit, egal, was diese auch war. Nun ja, Chris konnte es sich denken.
Die Hand löste sich und gab Chris' frei. "......Komm bald wieder....."
//Was bleibt mir auch anderes übrig?// In seinen traurigen Gedanken versunken ging Chris ins Bad und machte sich eben für´s Schlafen fertig. Mit einem Seufzen trat er wieder heraus und blickte überrascht auf, als er Otoko nicht mehr auf dem Bett liegen sah. //Wo ist er jetzt schon wieder hin?//
Diese stumme Frage wurde ihm sofort beantwortet, als sich zwei Arme von hinten um ihn schlangen.
Verwirrt drehte Chris den Kopf zu Otoko, um ihn zu fragen, was das denn sollte, aber bevor er das tun konnte, pressten sich schon die Lippen des anderen auf seine. Doch obwohl er diese Berührung wirklich vermisst hatte, drückte er den Jungen ein wenig von sich weg. Es gab sehr wohl einen Unterschied zwischen Mike und Otoko und er würde ihn nicht vergessen. "Lass es, Mike. Ich bin müde."
"Du bist immer müde! Wie könntest du dich denn auch ausschlafen?! Du gehst morgens zur Uni, kommst kurz hier her und gehst dann wieder bist zwei Uhr morgens! Das hält doch kein Mensch aus... " Erneut schmiegte sich Otoko an Chris.
"Bitte, lass mich schlafen." Otokos Umarmung war fester als erwartet und Chris hatte keine Lust, dagegen anzukämpfen. Es war ja nicht so, dass es sich schlecht anfühlte, aber es war einfach so anders.
"Nein...... heute nicht...." Sanft strich Otoko über Chris' Rücken.
//Nein, ich werde nicht nachgeben. Nicht noch einmal. Nicht bei ihm.// Nun wurde es Chris doch zu blöd und er drückte Otoko ein wenig stärker von sich, um sich sofort ins Bett zu verziehen. Doch eine Frage beschäftigte ihn schon seit ein paar Tagen: "Was willst du eigentlich, du hast doch deinen Spaß?"
Etwas säuerlich sah ihn Otoko nun an. "Das ist nicht Spaß, das ist Arbeit...."
"Ist es bei mir denn nicht dasselbe?"
"Nein. Wenn du wie die anderen wärst, hätte ich schon viele Male mit dir geschlafen."
"Wärst du dann glücklicher?", fragte Chris schläfrig, während er die Decke über sich zog.
"Wann wäre ich glücklich?", fragte Otoko und krabbelte nun doch unter die Decke.
//Wenn du im Drogenrausch bist.// Doch Chris antwortete nichts auf die Frage, sondern stellte sich den Wecker.
"Chris.....? Hey, Chris, du schläfst doch nicht etwa schon, oder?"
"Nein, du lässt mich ja nicht.", antwortete Chris in einem leicht mitleiderregenden Ton.
"Ach Mann.... Chris.... Komm schon.... Du kannst doch jetzt nicht wirklich schlafen, oder?" Sanft strichen Otokos Hände über Chris' Schultern. ".....Du bist doch ganz verspannt..."
"Du bist einer der Gründe dafür. Mike, es reicht, ich brauche meinen Schlaf, morgen muss ich früh raus. Ok?" Chris glaubte nicht wirklich Erfolg damit zu haben. //Ich glaube, ich sollte heute Nacht in der Badewanne schlafen.//
Sofort zogen sich die Hände zurück. "....Ist es, weil ich meinen Körper verkaufe? Ekelt dich das an?"
"Nein, sondern weil Sex für dich einfach etwas anderes ist als für dich. Ganz einfach. Und selbst, wenn es nicht so wäre..." Sofort biss sich Chris auf die Lippen. //Mist, damit wollte ich nicht anfangen. Wenn es so weitergeht, wird er gehen und das will ich auch nicht...// "Hör zu, es tut mir leid. Es ist ziemlich spät, also lass uns schlafen, ok?"
"........Was........? Was wäre dann....? Sag es!"
"...Du bist eben nicht Otoko."
Nun herrschte eine ganze Weile lang Stille zwischen den beiden. ".................Weil ich...... nicht Otoko bin...........? W-wieso willst du dann, dass ich bei dir wohne?! Du hasst mich doch eigentlich, oder?!"
"Nein, das tue ich nicht... Es ist nicht so einfach zu erklären, du wirst es mir auch nicht glauben, denke ich...Bitte, lass uns jetzt nicht darüber reden, das ist wirklich nicht die Zeit für solche Gespräche..."
"Nicht die Zeit?! Wann denn bitte schön?! Du bist nicht da!!"
"Ich arbeite, um mir diese Wohnung leisten zu können."
"Ich kann doch auch zahlen!"
"Das ist bestimmt ein ganz tolles Gefühl, in einer Wohnung zu leben, deren Miete bezahlt wird, indem du deinen Körper verkaufst.", antwortete Chris sarkastisch. Gut, wenn Mike mit ihm reden oder besser streiten wollte, dann würden sie es eben jetzt tun.
Nun reichte es Otoko aber schon und er beglückte Chris mit einer ordentlichen Backpfeife. "Sei bloß still, du Schnösel!! Ich liefere in erster Linie Pakete aus, ist das klar?!? Ich gehe nicht auf den Strich!!"
"Und wie soll ich das wissen, wenn du mir nichts erzählst? Was soll ich denn deiner Meinung nach machen, hm? Brav studieren und dir zusehen, wie du dich wieder mit Drogen volldröhnst und was weiß ich noch machst? Vergiss es!"
"So wenig Drogen, wie ich in der letzten Woche genommen habe, habe ich noch nie genommen, seit ich damit angefangen habe!!"
//Das ist mir doch so was von egal.// "Ich schlafe heute im Bad. Gute Nacht." Damit stand Chris auf, nahm seine Decke und das Kissen und stieg aus dem Bett.
"N-nein! Chris, warte!! Stell dich nicht so dumm an! Chris!!" Sofort griff Otoko nach Chris' Handgelenk.
Der sah Otoko nur stumm an. Natürlich würde er lieber im Bett schlafen.
"......Bleib hier..."
Nach einem Moment des Überlegens setzte Chris sich wieder auf das Bett. "Ich will wirklich nicht mit dir streiten, Mike. Akzeptier doch einfach, dass ich nicht mit dir schlafen will."
Ein kleines Grinsen huschte über Otokos Lippen. ".........Ich kann nicht..........." //Das lässt mein Stolz nicht zu......//
"... Ich werde jetzt auf jeden Fall schlafen..." Demonstrativ zog Chris seine Decke und das Kissen wieder zurecht und machte es sich bequem.
"Aber......... ich.... darf mich an dich kuscheln, ja?"
"Ist ok.", murmelte Chris. Hauptsache, er konnte jetzt endlich schlafen.
Diese Zusage nutzte Otoko voll und ganz aus. Er schmiegte sich so eng an Chris, dass es diesem fast unmöglich war, einzuschlafen.
Nachdem die mittlerweile regelmäßigen Atemzüge des anderen zeigten, dass dieser eingeschlafen war, blickte Chris nochmals auf die Uhr. //Kurz vor halb drei... Ich werde morgen keinen schönen Tag haben...// Otokos Nähe war entgegen seiner Erwartungen doch ziemlich angenehm, nur im Moment konnte er sie nicht brauchen. Aber er hatte sein Ok gegeben, also musste er es jetzt auch einhalten. Auch wenn das bedeutete, dass er nicht richtig einschlafen konnte.
Der nächste Morgen hielt für Chris eine weitere Überraschung bereit. Beinahe ungläubig starrte er an seinem Körper herab. //Super, das kann ich jetzt wirklich brauchen. Das ist der beste Zeitpunkt dafür.// Sehr schlecht gelaunt, zum Teil weil er noch ziemlich müde war, hastete er ins Bad und duschte dort. Er hatte noch genau 40 Minuten um sich zu waschen, sich anzuziehen und zu essen. Dann fuhr sein Bus ab.
Müde und verwirrt starrte ihm Otoko nach. "..........W-was.............?"
Frisch gewaschen kam Chris ein paar Minuten später wieder aus dem Bad heraus und ging zum Kleiderschrank, um sich anzuziehen. Er lag gut in der Zeit, sprich, er musste heute nicht auf sein Frühstück verzichten.
"Hmm...... Chris..... Du hast mich schon wieder geweckt...... Was ist denn.....? War dir schlecht?"
"Nein, ich muss zur Uni. Sorry, ich bin morgen leiser.", antwortete Chris, während er immer noch überlegte, was er heute anziehen sollte. Er hätte die Sachen in den Waschsalon bringen sollen. Verzweifelt suchte er im Schrank nach einem letzten sauberen T-Shirt.
"Kannst du das heute nicht lassen.....? Ich kann ohne dich nicht noch einmal einschlafen...."
"Ich muss wirklich gehen. Meine Noten sind im Moment nicht so gut und ich muss zusehen, dass sie wieder besser werden.", erklärte Chris, der endlich etwas für sich gefunden hatte. Schnell zog er sich die Sachen über.
//Du bist doch echt nicht normal!// Langsam krabbelte Otoko aus dem Bett und tapste auf Chris zu. Er schmiegte sich an den Größeren. ".....Im Bett ist es aber jetzt so kalt....."
Doch Chris schob den Jungen gleich wieder weg. "Sorry, meine Zeit ist knapp." Damit verschwand er auch schon in die Küche und kramte im Kühlschrank herum.
"......Wieso bist du so gemein zu mir......?", nuschelte Otoko und tapste Chris nach.
"Ich bin nicht gemein, ich bin beschäftigt. Willst du auch etwas?" Chris hielt gerade einen Tetrapack Orangensaft in der Hand.
Verwirrt linste Otoko auf den Saft runter. ".......Ich hätte lieber was anderes...."
"Milch? Kaffee?"
//Nein, noch was anderes!!// Seufzend wandte sich der blonde Junge ab. "Ich geh schlafen....."
"Wie lange arbeitest du heute?", rief Chris ihm hinterher, während er sich sein Frühstück zubereitete.
"So lange wie Patric will....", kam die Antwort aus dem Schlafzimmer.
//Patric...// Eine leichte, aber trotzdem unangenehme Eifersucht kam in ihm hoch, doch Chris kämpfte dagegen an. //Ich habe keinen Grund, eifersüchtig zu sein... Es ist nicht Otoko, es ist Mike!//
Nun tauchte Otokos Kopf wieder in der Türe auf. ".......Wenn du willst, werd ich ihn nicht anmachen, dann komm ich früher nach Hause."
"Mach, was du willst." Es war deutlich herauszuhören, dass es Chris ganz und gar nicht egal war.
"Ou.... Das solltest du bei mir nicht sagen....."
Chris erwiderte nichts darauf, sondern biss in sein Marmeladenbrötchen.
"Naa.... Chris... Rede doch mit mir...... Dein Blick sagt tausend Worte und ich weiß nicht, welche du ernst meinst..."
Nachdem er heruntergeschluckt hatte, antwortete Chris mit einem Seufzen. "Ich kann nicht gleichzeitig essen und reden. Und das Erste ist im Moment wichtiger."
Schmollend tapste Otoko wieder zu Chris. "Na gut, wenn du meinst..." Damit setzte er sich auf den Tisch und schnappte sich Chris' Brötchen, um herzhaft reinzubeißen.
//Irgendwie ist das kindisch...// Die Uhr zeigte, dass seine Zeit immer knapper wurde. "Mike, ich habe wirklich keine Zeit für solche Spielchen."
"Ich hab aber auch Hunger......", maulte Otoko und mampfte weiter.
Also gab Chris sich geschlagen und ließ die Schultern hängen. "Dann guten Appetit." Schnell machte er sich ein neues Marmeladenbrötchen.
"....Wieso magst du mich nicht?"
"Das habe ich nicht gesagt. Mike, ich bin im Stress. Ich kann jetzt nicht mit dir lange Unterhaltungen führen."
"Ok......" Seufzend erhob sich Otoko. "Viel Spass beim langweilen!"
"...Den werde ich wohl eher nicht haben..." //Du wahrscheinlich schon.// Mit dem Brötchen zwischen den Zähnen eingeklemmt stand er auf und ging aus der Küche, um sich Schuhe und Jacke anzuziehen.
Unterdessen hatte sich der blonde Junge wieder im Bett verkrochen.
Mit Tasche und Brötchen in der Hand kam Chris noch einmal zu ihm. "Also, bis später dann. Ich werde gegen drei Uhr zurückkommen."
"Mach, was du willst!"
33.
Als Otoko nach Hause kam, war es schon längst dunkel. Zu Patric war er kalt gewesen, in der Hoffnung, gleich nach den Lieferungen gehen zu können, doch die Kälte schien Patric erst recht angemacht zu haben und so wurde nichts aus dem frühen Feierabend.
Da es schon ziemlich spät war, hatte Chris die Wohnung längst wieder verlassen und war zur Arbeit gegangen. Wieder einmal, wie so oft in der letzten Zeit, war Otoko wieder alleine.
"Hmmm... langweilig, wie immer..... Vielleicht sollte ich Chris mal einen Besuch abstatten...." Grinsend wandte sich Otoko zur Türe und verließ dann das Gebäude.
Die Adresse der Bar, in der Chris arbeitete, hatte Otoko aus dessen Adressbuch. Er hatte einmal darin herumgeblättert, als Chris vor lauter Erschöpfung am Nachmittag eine Stunde geschlafen hatte.
Er musste nicht lange suchen, um die Bar zu finden und so trat er ein, die Augen nach Chris suchend offen.
Der stand an der weniger beleuchteten Theke und wusch gerade ein paar Gläser. Im Moment war noch nicht viel los, denn der Abend war ja noch jung.
Grinsend ging Otoko auf Chris zu. Er hoffte, dass dieser so lange das Glas waschen würde, bis er selbst bei ihm angekommen sein würde, schließlich wollte er ihn ja überraschen.
Als Chris bemerkte, dass jemand an die Theke kam, trocknete er schnell die Gläser ab und wandte sich dann dem Gast zu. Er war ziemlich überrascht, als er Otoko - //Mike!// - erkannte. "Oh... hi... Was machst du hier?", fragte er verblüfft.
"Mir war langweilig.", meinte Otoko bloß und setzte sich vor Chris hin.
"Aha..." Chris fasste sich schnell wieder. "...Willst du etwas trinken?"
"Offerierst du mir was?"
"Ja, such dir etwas aus." //Hoffentlich macht er mir dann keine Probleme...//
Nun war Otoko wirklich überrascht. "Meinst du das ernst?"
"Ja. Such dir einen Drink aus." Einen Moment stockte Chris. "Sag mal, wie alt bist du eigentlich?" Er wusste, dass man die Bar unter 21 Jahren eigentlich nicht betreten und Chris Otoko auch keinen Alkohol geben durfte, aber der andere konnte doch unmöglich schon so alt sein. Wenn jemand fragte, konnte Chris ihn decken, aber es interessierte ihn dennoch.
"Weiß nicht...", nuschelte Otoko, während er nach einem schmackhaften Drink für sich suchte.
//Wow, was für eine Antwort.//
Nun hob Otoko den Kopf und grinste Chris an. "Bring mir 'nen Wodka."
Chris blickte den anderen skeptisch an, doch dann holte er ein Glas und goss das verlangte Getränk hinein. "Es gibt wesentlich bessere Sachen.", meinte er, während er das Glas vor Otoko abstellte.
"Na, na! Man muss ihn nur genießen, mein Lieber.", belehrte ihn Otoko.
Irgendwie fühlte Chris sich nicht ernst genommen, aber das ignorierte er. Um sich zu beschäftigen wischte er die Theke ab.
"Wie hältst du es hier nur aus?" Abschätzend ließ Otoko den Blick durch den Raum gleiten.
"Es ist ok. Im Moment ist nur noch nicht so viel los."
"Und wann wird viel los sein?"
"In ein oder zwei Stunden, denke ich. Unter der Woche ist es nie so voll wie am Wochenende." Chris war froh, dass Otoko ihm die Suche nach einem Gesprächsthema abgenommen hatte.
"Ist ja auch logisch..... Ach ja, sorry, dass ich heute nicht so früh nach Hause gekommen bin..."
"Du hast ja zu arbeiten.", gab Chris möglichst gelangweilt zurück.
"Hätte ich nicht gehabt, wenn Patric nicht so unglaublich scharf auf mich gewesen wäre....", murmelte Otoko und nippte an seinem Wodka.
//Wie schön, dass er das erwähnt. Wenn er jetzt noch ein paar Details erzählt, wird er nicht lange hier bleiben.//
"Weißt du, was das schlimmste war?", fragte Otoko und funkelte Chris mit seinen eisblauen Augen an.
"Dass ich keine Lust habe, mir das anzuhören." Suchend ließ Chris seinen Blick durch die Gegend wandern. Was konnte er jetzt machen, um diesem Gespräch zu entgehen?
"Hm... Na ja, das ist auch nicht gerade nett.... Aber schlimmer war, dass ich mich gelangweilt habe! Ich musste mich richtig zusammenreißen, dass ich nicht eingeschlafen bin. Kannst du dir das mal vorstellen?"
"Nein, kann ich nicht. Für solche Sachen bist du der Experte." Obwohl Chris' Tonfall normal war, musste der andere doch verstehen, dass er nicht über so etwas reden wollte. Oder er ärgerte Chris mit Absicht?
"Hast du dir schon mal überlegt, dass dein Verhalten ziemlich schmerzhaft sein kann?"
//Das passt nicht zu ihm, er spielt mir doch immer noch etwas vor.// "Es ist doch die Wahrheit, oder nicht? Ich meine, warum würdest du sonst mit ihm schlafen, wo er doch so langweilig ist?"
Nun schwieg Otoko eine Weile. Mit seinem schlanken Finger fuhr er den Rand des Glases nach, so dass leise Geräusche entstanden. ".....Wieso putzt du dieses Glas ab, Chris? Wieso bedienst du all diese Menschen hier, hm? Weil du Geld brauchst, oder? Denkst du, ich brauche kein Geld? Hättest du eigentlich lieber eine Welt ohne Stricher und Huren?"
"Das habe ich nicht gesagt. Ich meine nur, dass du dich nicht beklagen sollst, weil dich jemand einen Stricher oder sonst etwas nennt, weil du nämlich genau das bist."
"Es gibt aber einen Unterscheid, mich einen Stricher zu nennen oder mich einen Stricher zu schimpfen, verstehst du das?"
Nachdenklich blickte Chris den anderen an. "... Du hast recht, tut mir leid."
"Hm.... Merk es dir einfach...."
//Vielleicht bin ich wirklich zu hart zu ihm. Er gibt sich in letzter Zeit ziemlich viel Mühe... und ich bin launisch und stoße ihn weg. Ich sollte mich daran gewöhnen, dass ich es mit Mike aushalten muss, bis Otoko wieder zurückkommt...// Ein leicht erzwungenes Lächeln legte sich auf Chris' Lippen. "...Werd ich machen."
"Steck dein Lächeln weg und bewahre es für deine Kunden auf." Er nahm einen großen Schluck aus seinem Glas und deutete dann auf ein Paar an einem runden Tisch in der Ecke der Bar. "Die zum Beispiel sehen ziemlich durstig aus...."
Chris hatte gar nicht bemerkt, dass sich noch jemand an die Theke gesetzt hatte. Schnell ging er zu dem Gast hin, redete mit ihm und gab ihm dann das verlangte Getränk. Dann wandte er sich dem Pärchen.
Ein wenig belustigt beobachtete ihn derweilen das blaue Augenpaar. //.....Sieh an, sieh an, er hat sich bei mir entschuldigt....//
Seine Aufgabe lenkte Chris erst einmal davon ab, weiter über Mike nachzudenken und im Augenblick war er sehr dankbar dafür. Die Gespräche mit Otoko waren eigentlich nie unangenehm für Chris gewesen, aber wenn er mit Mike sprach, musste er immer höllisch aufpassen, dass er nicht in irgend eine Falle tappte.
Als Chris endlich wieder zu Otoko zurückkehrte, war dessen Glas schon leer. "Hältst du das bis zwei Uhr gut aus?"
"Du meinst ohne dich? Ich mache an den anderen Tagen nichts anderes.", antwortete Chris und stellte die leeren Gläser, die er von den anderen Tischen mitgebracht hatte, in die Spüle.
Genervt verzog Otoko sein Gesicht. "Nein, du Schlaumeier, ich meinte, ob es nicht ab und zu mal schlimm für dich ist... Immerhin hast du ja nicht gerade viel Schlaf...."
"Es geht normalerweise.", antwortete Chris und wusch die Gläser ab. //Auch wenn ich in fast jeder Pause einschlafe...//
"Sag mal.... Wie lange sehen wir uns pro Tag?"
"Die paar Stunden, wenn du von Patric zurückkommst, bis ich hier her muss."
"Hmm..... nicht gerade viel... Findest du nicht auch....?"
"Ja, es ist ziemlich wenig. Aber viel kann man da nicht machen."
"Gib den Job auf, ich könnte genug für uns beide verdienen."
Doch Chris schüttelte den Kopf. "Ich will das nicht, Mike."
"Dann nimm an und schlaf mit mir."
"Das hat nichts miteinander zu tun." Chris zwang sich zur Ruhe. Er konnte sich hier nicht mit Mike streiten. Zu Hause ja, aber nicht bei der Arbeit. Hier würde er nur Ärger bekommen, denn der Streit wäre nicht gut fürs Geschäft.
"Es würde dir ein wenig Entspannung bringen.... Ich merke, doch, wie du mich jeden Abend ansiehst, wenn du in Bett kommst... Du willst mich."
"Siehst du das nicht bei jedem?", stritt der andere die Behauptung ab, doch eigentlich wusste Chris, dass der andere Recht hatte.
"Nur bei jenen, bei denen es stimmt, Chris."
"Selbst wenn, es geht nicht. Könnten wir bitte diese Diskussion jetzt lassen?"
"Wieso? Zu Hause bist du zu müde, um daran weiter zu diskutieren...."
"Dann reden wir in der Pause, in Ordnung? Aber nicht jetzt." Es kamen immer mehr Leute in die Bar und Chris hatte wieder etwas zu tun. "Ich habe jetzt wirklich keine Zeit."
//Wohl eher keinen Mumm.....//
Bis zur Pause war Chris die ganze Zeit beschäftigt, so dass er nicht mehr die Gelegenheit hatte, mit Mike zu reden. Nicht, dass er es gewollt hätte. Er konnte erst wieder etwas aufatmen, als ein zweiter Barkeeper kam und mit ihm die Arbeit erledigte.
Otoko war es zwischenzeitlich zu langweilig geworden, so dass er sich ab und zu draußen die Füße vertrat.
Gähnend begann eine Weile danach Chris mit seiner Pause. Er schlief wohl wirklich zu wenig, denn ihm fielen schon fast die Augen zu. Ohne sich nach Mike umzusehen ging er durch eine Tür in den Privatbereich der Bar und setzte sich dort erst mal. //Vielleicht sollte ich sein Angebot doch annehmen... einen Teil davon zumindest...//
Otoko, der mittlerweile wieder seinen Platz eingenommen hatte, sah Chris nach. //Na was denn jetzt? Ich dachte, er wollte in der Pause weiterdiskutieren...... Dann muss ich eben zu ihm....// Er stand auf und schlenderte dem Privatbereich entgegen.
Chris hatte sich gerade einen Kaffee gemacht, damit er die restliche Zeit noch durchstand. In letzter Zeit war das zu einem richtigen Ritual geworden. //Oder ich könnte nur noch an ein paar Tagen in der Woche arbeiten, dann könnte ich manchmal früher schlafen gehen.//
"Chris? Bist du da?"
"Ich bin hier.", antwortete dieser. Obwohl Chris den Geschmack von Kaffee eigentlich nicht leiden konnte, trank er das heiße Gebräu zügig.
"Wolltest du dich etwa klammheimlich verziehen?", fragte Otoko und setzte sich zu Chris.
"Nein. Ich muss sowieso hier bleiben." Chris füllte seine zweite Tasse. Vielleicht bildete er es sich nur ein, doch er fühlte sich schon wieder etwas wacher.
"Weißt du eigentlich, dass Kaffee schädlich ist?"
"Dieses Opfer bin ich gerne bereit zu geben.", antwortete Chris mit einem Lächeln, auch wenn dieses eher dem Kaffee galt als Mike.
Nun musste Otoko anfangen zu grinsen. "Du spinnst doch...."
"So wie du."
"Wir spinnen eben beide..."
"Willst du auch eine Tasse?" Nach einem letzten Gähnen streckte Chris sich ausgiebig.
"Nein danke, ich kann das nicht ausstehen..."
//Auch gut.// Nun wieder besser gelaunt drehte sich Chris zu Otoko. //Ich sollte mich daran gewöhnen, von ihm als Mike zu denken...//
"Hm... Wo waren wir eigentlich stehen geblieben?"
Das leichte Lächeln, das einen Moment lang auf Chris' Lippen gelegen hatte, verflog wieder. "...Weiß nicht..."
"......Egal... Ich weiß es auch nicht mehr..."
Und Chris war froh darüber. Natürlich wusste er noch, worüber er mit Mike gesprochen hatte, aber er hatte überhaupt keine Lust das Gespräch weiterzuführen.
"Über was wollen wir dann reden? Irgend eine Idee?", fragte Otoko leise und rutschte zu Chris.
"Nein..." Über was redete er mit Mike normalerweise? Eigentlich über nichts, denn sie stritten fast die ganze Zeit.
"Ich hab dich gar nie richtig gefragt, was du an der Uni lernst...." Er lehnte seinen Kopf an Chris' Schulter und schloss die Augen.
"Psychologie. Du hast doch das Buch gesehen." Chris sah zu Mike herunter und betrachtete ihn. Eigentlich sah er ganz niedlich aus. Vielleicht zu niedlich.
"Hmm... Ich dachte, vielleicht ist das nur ein Nebenfach...."
"Man merkt es mir nicht besonders an.", meinte Chris, wieder mit einem leichten Grinsen im Gesicht. "Ich sollte mich vielleicht mehr meinem Studienfach entsprechend benehmen."
"Bloß nicht, sonst wirst du grau wie eine Maus, ziehst ne Brille an und fängst an, aus dem Mund zu stinken...."
Bei dieser Vorstellung musste Chris lachen. "Das lass ich dann lieber mal."
"Ja doch....", murrte Otoko. "........Mann... Ich schlafe gleich ein....."
"Du musst nicht hier bleiben."
"Ich will aber...... oder störe ich so sehr?"
"Nein. Ich werde nur keine Zeit haben, dich zu unterhalten."
".....Dann unterhalt mich doch jetzt...", hauchte Otoko und hob den Kopf.
Noch ein wenig müde begriff Chris nicht, wie die Bemerkung gemeint war. "Wie?"
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen hob Otoko die Hand und legte sie in Chris' Nacken, um ihn zu sich runterzuziehen und seine Lippen auf Chris' zu pressen.
Zuerst wollte Chris den anderen sofort von sich drücken, doch andererseits war es lange her, dass sie sich geküsst hatten... dass er Otoko geküsst hatte. Also wich er von seinem Vorhaben ab und erwiderte den Kuss zögerlich.
//Endlich!//, dachte Otoko und saugte sanft an Chris' Lippen. Er rutschte noch ein wenig näher zu ihm.
Ein leises Seufzen entwich Chris. Er verlor sich in der zarten Berührung und hatte im Moment ganz vergessen, wo er sich befand. Doch dann hörte er plötzlich ein Geräusch hinter sich, drehte verwundert den Kopf und sah... seinen Chef.
Ein genervtes Murren entwich Otoko, als der Kuss so schnell beendet wurde. Desinteressiert blickte er den Mann hinter Chris an.
Chris jedoch reagierte nicht so gelassen. Er starrte seinen Chef an, als wäre dieser seine Mutter, die ihm bei irgend etwas Unerlaubtem entdeckt hatte. Im übertragenen Sinn war es ja auch so.
"Unbefugte haben hier nichts zu suchen, Chris!", war das einzige, was sein Chef sagte, aber sein Blick sagte weitaus mehr.
"...Ja... E-entschuldigung... Er geht sofort...", stammelte Chris und drückte Otoko leicht von sich.
Der stand auf und funkelte Chris' Chef an. "Ist gut, ich geh ja schon.... Ich steh nicht auf Zuschauer..." Damit verließ er den Raum.
Kopfschüttelnd wandte sich sein Chef zu Chris. "Chris, was soll das?! Das ist doch ein Kerl!"
"Ja... Ist er..." Chris hatte keine Ahnung, was er sonst hätte antworten sollen. Er hoffte, er würde deswegen keinen allzu großen Ärger bekommen, denn er wollte den Job hier behalten. //Und wenn Mike es deswegen gemacht hat, damit ich Ärger bekomme? ...Nein, er konnte nicht wissen, dass jetzt gerade jemand kommt...//
Erbost fuhr sich der ältere Mann durch die Haare. "Hör mal, Chris, ich will hier keinen Schwulen haben, ist das klar? Ich will nicht, dass du mir die Kunden aus dem Laden schwuchtelst!"
"Davor hat es auch niemand gemerkt und er kommt nicht mehr hier her. Es wird nichts mehr in der Art passieren.", erwiderte Chris mit leicht gesenktem Kopf. Langsam wurde er wirklich wütend auf sich selbst. Wieso hatte er auch mitgemacht?
"Das will ich auch hoffen! Und nun geh wieder an die Arbeit, draußen ist die Hölle los, auch wenn erst Donnerstag ist!"
Ohne ein weiteres Wort verließ Chris das kleine Hinterzimmer. Er war erleichtert darüber, dass er seinen Job behalten konnte. Als Chris wieder in den Hauptraum trat, stellte er fest, dass sein Chef recht hatte. Was war denn heute los, dass so viele Leute hier herkamen? Egal, jetzt musste er seine Arbeit machen. Einen weiteren Fehler konnte er sich nicht leisten.
Mike hatte unterdessen die Bar verlassen und schlenderte in Richtung Wohnung. "........Wieso musste diese Arschgeburt auch gerade jetzt kommen.......?" //Ich hätte ihn endlich so weit gehabt.....// Seinen Unmut ließ er an ein paar Dosen aus.
Drei Stunden später war Chris wieder zurück und schloss gerade die Haustüre auf. Er hatte zwar schon vor einer Stunde Feierabend gehabt, aber die Straßenbahnverbindungen waren auch nicht immer die besten und so hatte er noch eine halbe Stunde an der Haltestelle warten müssen. Es wurde zwar langsam Frühling, aber trotzdem war es viel zu kalt gewesen, um so lange Zeit in der windigen Nacht zu stehen.
Erstaunt musste Chris feststellen, dass das Licht in der Küche noch brannte. Otoko saß vor einer Tasse Kaffee und blickte zu ihm rüber. "......Dieses Gebräu ist wirklich widerlich......"
Erst sah Chris den anderen ziemlich verblüfft an, dann grinste er. "Du hättest auch Cola trinken können, wenn du wach bleiben willst."
"Na danke, das sagst du mir aber auch reichlich früh...."
"So was müsstest du eigentlich selbst wissen. Hast du auf mich gewartet?", fragte Chris, während er sich gerade im Flur auszog, dann kam er wieder in die Küche zurück.
"Nein, ich hatte einfach Lust, mich mit Kaffee zu quälen....", meinte Otoko und grinste leicht.
"Auch gut." Chris überlegte, ob er auch eine Tasse trinken sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Wenn er jetzt etwas Koffeinhaltiges trank, würde er gar nicht einschlafen können. Also nahm er lieber einen Orangensaft.
"Hast du Ärger bekommen?"
Das Glas in der Hand setzte sich Chris zu dem anderen an den Tisch. "Ja, aber es ging noch. Bitte komm nicht noch mal in die Bar, ok? Sonst rastet mein Chef wirklich aus." //Und wehe, du machst es gerade deswegen.//
"Ok......Ich hab nicht Lust noch mal auf diesen Spanner zu treffen...... Ich hätte ihm wirklich den Kopf umdrehen können."
"Lieber nicht." Ein Gähnen unterdrückend sah Chris auf die Uhr. Kurz vor drei Uhr. //Morgen gehe ich nicht in die Uni... Ich hab sowieso keine wichtigen Vorlesungen und außerdem würde ich nicht aufpassen können, vor lauter Müdigkeit.//
"Du bist jetzt wohl zu müde um da weiterzumachen, wo wir gestört wurden, was?", fragte Otoko mit geschlossenen Augen.
"Ja.", antwortete Chris schnell. Nein, weitermachen wollte er auf keinen Fall, auch wenn es schön gewesen war.
"Mist...", grummelte Otoko und stand auf. "Dann geh ich eben ins Bett..."
Erleichtert trank Chris sein Glas aus, dann stellte er es ins Waschbecken. //Sollte ich wohl auch...//
"Komm mit, sonst schläfst du morgen in der Uni!", krähte Otoko aus dem Schlafzimmer.
"Ich geh morgen nicht hin." Hose, T-Shirt und Socken wurden über einen Stuhl geworfen, dann verzog sich Chris ins Bad, ohne eine Antwort von Otoko abzuwarten.
"Nicht? Wieso denn nicht? Ich dachte, du wärst schon schlecht genug."
Trotz der geschlossenen Tür konnte Chris hören, was Otoko meinte. "Morgen kommt nichts wichtiges und ich würde sowieso nichts mitbekommen.", rief er zurück.
Mit einem freudigen Lächeln kuschelte sich Otoko dann in die Decke. //Dann hab ich bald wieder ne Chance//
Kurze Zeit später kam Chris wieder aus dem Bad und kroch sofort auf seiner Seite unter die Decke. Gähnend wünschte er Otoko noch eine gute Nacht, dann schloss er die Augen und hoffte, bald einzuschlafen.
Als der Morgen dämmerte, drehte sich Otoko unruhig im Bett. Er wurde von schlimmen Alpträumen geplagt, die ihn nicht aufwachen ließen.
Chris hingegen bekam von dem Ganzen nichts mit und genoss es, endlich mal wieder richtig ausschlafen zu können.
Nachdem sich der blonde Junge fast eine Stunde lang gequält hatte, wachte er dann doch mit einem erstickten Schrei auf. Verstört und völlig desorientiert blickte er sich um. //........Was zur Hölle war das?!//
Otokos Schrei weckte auch Chris. Erst sah er sich völlig verwundert um, dann erkannte er, was er eben gehört hatte und rutschte sofort zu Otoko. "Alles ok mit dir?"
Otoko reagierte kaum auf Chris. "....Ja.... d-denke schon......", war das einzige, das er herausbrachte.
Ein Lächeln legte sich auf Chris' Lippen. "Otoko?"
"Was?" Nun starrte ihn der blonde Junge an. "....Kommst du mit dem jetzt schon wieder?"
Sofort machte sich wieder Enttäuschung in Chris breit. "Nein... Tut mir leid, ich bin einfach nur müde..." //Einen Moment dachte ich wirklich, er wäre es wieder... Was ist, wenn er gar nicht mehr zurück kommt?//
"....Schon ok.... Ich... hab gerade nur einen ziemlichen Mist geträumt..."
//Ob er dieselben Alpträume hat wie Otoko?// "Von so einem Penner, der dich bedroht?", fragte er möglichst beiläufig.
Entnervt schlug Otoko die Hand auf die Decke. "Scheiße, woher weißt du das?!"
"...Du hast im Schlaf geredet.", log Chris.
"Und wieso hast du mich dann nicht geweckt?"
"Du hast dann wieder aufgehört und ich dachte, es wäre vorbei."
Seufzend ließ sich der blonde Junge wieder zurückfallen. ".........Ich fühle mich schrecklich........"
"Soll ich dir Frühstück machen?"
"Nein danke....... Ich hab keinen Appetit auf so was....."
//Mit Drogen kann ich dich leider nicht dienen.//, dachte Chris sarkastisch. "Ich hätte dir auch ne Tablette, wenn es wirklich schlimm ist."
"Nein.... Schon in Ordnung..... Sorry...."
Chris streckte sich, dann stand er auf und öffnete das Fenster. "Wenn dir irgendwie schlecht wird oder du etwas brauchst, dann sag es, ok?"
"Ja, danke...." Schaudernd zog Otoko die Decke über sich. Am liebsten hätte er sich in der hintersten Ecke verkrochen.
//Es scheint ihm wirklich dreckig zu gehen.// Chris beschloss erst einmal ins Bad zu gehen, ließ aber die Tür offen, falls Otoko nach ihm rief.
Aber Otoko rief nicht mehr nach Chris, er verkroch sich einfach im Bett, dachte aber nicht daran, seine Augen wieder zu schließen.
In Gedanken versunken stieg Chris in die Dusche und stellte das Wasser an. //Es ist neun Uhr... Ich könnte zu Neal gehen... und einkaufen müsste ich auch mal wieder... Wir haben kaum noch etwas hier...//
Chris war nicht der einzige, der in Gedanken versunken war. //Wieso war das bloß so real..... Als wenn es echt gewesen wäre... Ich habe den Atem in meinem Nacken gespürt! Ich habe die kalte Klinge gespürt........//
Mit geschlossenen Augen ließ Chris das Wasser an sich herunterrinnen. //Otoko... Wann kommst du wieder?//
//Scheiße! Ich zittere immer noch.... Wieso träum ich solchen Mist?!// Langsam fielen Otoko doch die Augen zu.
Seufzend stellte Chris das Wasser wieder ab, als er fertig war. //Ich sollte damit aufhören. Er wird kommen oder nicht, aber ich kann es nicht ändern, wenn ich mir Sorgen mache.// Er angelte sich ein Handtuch und wickelte es um sich. //Vielleicht kommt Mike ja mit zum Einkaufen, wenn es ihm wieder besser geht. Hab ich überhaupt noch genug Geld da?// Immer noch mit diesen Gedanken beschäftigt ging er wieder ins Schlafzimmer zurück. //Er ist wohl wieder eingeschlafen.// Mit einem leichten Lächeln ging er zu dem Schlafenden und beugte sich über ihn. //Schlafend sieht du so harmlos aus... Mike...// Er hauchte Otoko einen sanften Kuss auf die Lippen.
Doch das reichte schon aus, um Otoko wieder aufzuwecken. Verwirrt starrten Chris zwei eisblaue Augen an.
Sofort richtete Chris sich wieder auf. "...Du hast einen sehr leichten Schlaf..."
".........W-was m-machst du da.....?", stammelte Otoko und rutschte von Chris weg.
"...Nichts..." Verwirrt sah Chris den anderen an. //So benimmt sich Mike doch nicht, nein, das ist doch niemals Mike... Ist es dann wieder Otoko?//
"W-wieso bin i-ich wieder hier?"
"Wieso nicht?" Vorsichtig, um den anderen nicht zu erschrecken, setzte sich Chris auf die Bettkante. "Alles ok?"
"N-nein! I-ich hatte mich i-im Bad e-eingeschlossen..... w-wie bist du rein g-gekommen?"
"Otoko, beruhig dich." Sanft legte Chris seine Hand auf Otokos. "Das ist schon über eine Woche her."
"W-was.....?" Zitternd zog Otoko seine Hand weg. "...D-das kann nicht sein..... I-ich... D-du lügst!"
"Bitte, es ist doch gar nicht so schlimm... Otoko..." Einerseits freute sich Chris wahnsinnig glücklich, dass er Otoko endlich wieder zurück hatte, doch andererseits bedrückte es ihn, dass dieser sich so quälte.
"I-ich wollte d-das alles d-doch gar nicht!" Schluchzend krallte Otoko seine Hände in die Decke.
"Es ist in Ordnung, Otoko. Alles ok." Schnell versuchte Chris, Otoko zu beruhigen, doch er hatte keine Ahnung, wie er es machen sollte.
".... I-ich will dir nicht mehr w-weh tun.... E-es tut mir leid..."
"Das macht nichts, Otoko. Du verletzt mich nicht."
Schluchzend hielt Otoko die Hand vor den Mund und schloss die Augen. "....G-gomen nasai....."
Nun hielt es Chris nicht mehr aus. Er sprang auf und legte die Arme um Otoko. "Ich sagte doch, es ist ok. Du brauchst keine Rücksicht auf mich zu nehmen."
Otoko verkrampfte sich zwar, doch eigentlich genoss er Chris' Wärme. Seinen Tränen nun wieder freien Lauf lassend schlang er die Arme um Chris.
"Ich liebe dich, Otoko.", flüsterte Chris und war glücklich, seinen Freund endlich wieder in den Armen halten zu dürfen.
Otoko selbst erwiderte nichts darauf. Es wäre ihm wahrscheinlich auch wegen der Tränen nicht möglich gewesen.
Nach einer Weile ließ Chris Otoko wieder ein wenig los. "Ich hab dich wirklich vermisst, Otoko... Und ich bin so glücklich darüber, dass du wieder da bist..."
"...I-ich verstehe d-das nicht.... I-ich w-weiss nicht w-was los i-ist....."
"Ich werde es dir erklären, was es ist, ok? Aber erst, wenn du dich wieder beruhigt hast."
Langsam schüttelte Otoko den Kopf. "I-ich habe A-angst davor...."
"Ok... Dann lassen wir das..." Die Arme immer noch um Otoko geschlungen, beugte Chris sich vor und gab Otoko einen leichten Kuss auf die Stirn.
"W-wieso k-kann ich n-nicht ei-einfach normal s-sein....?", fragte Otoko leise und schmiegte sich nun enger an Chris.
"...Du wirst dich damit abfinden müssen... Aber wir können versuchen, das Beste daraus zu machen." Chris versuchte aufmunternd zu lächeln, obwohl er wusste, dass das wohl nichts bringen würde.
"A-aber i-ich tu die d-doch nur weh...."
"Das ist nicht wahr, Otoko. Ich sagte doch, du machst mich glücklich, einfach indem du bei mir bist."
Stumm schüttelte Otoko den Kopf. //Und was war letztes Mal....?!// "....D-du hast m-mich gefragt, w-wieso i-ich dir d-das antue...."
"Ich hab zu spät bemerkt, dass es nicht du warst. Die Situation hat mich einfach fertig gemacht, aber mir geht es wieder gut. So leicht bringst du mich nicht noch einmal aus der Fassung." Schnell nahm Chris Otokos Hand, bevor der sie wieder wegzog, und umschloss sie ein wenig fester als vorhin. "Vergiss es einfach, ok?"
Verstört blickte Otoko ihn an. "D-das k-kann ich .... nicht...."
Doch Chris' aufmunterndes Lächeln blieb. "Lass es uns gemeinsam versuchen, ok? Ich bin sicher, zusammen schaffen wir es."
Darauf bekam Chris keine Antwort. Otoko ließ sich einfach gegen ihn sinken.
Sanft strich Chris seinem Freund über den Rücken, sagte aber nichts weiter. //Die Tagesplanung kann ich dann ja wohl vergessen...//
Doch dann kam wieder Leben in Otoko. Er krallte sich an Chris' Pulli fest und sah hoch. "K-kannst d-du mich n-nicht heilen?"
Chris konnte auf diese Frage nur den Kopf schütteln. "Es dauert noch Jahre, bis ich so etwas machen kann und darf, wenn überhaupt." //Ich weiß nicht einmal, ob man es überhaupt rückgängig machen kann...// "Tut mir leid, aber ich kann es nicht..."
Ein verbittertes Lächeln legte sich auf Otokos Lippen. "...Na ja.... dann.... lebe ich eben damit...."
"Ich bin sicher, dass du auch so glücklich werden kannst."
".......W-wir werden sehen...." Sanft strich Otoko über Chris' Arm.
34.
Etwas unsicher betrat Otoko das Zimmer von Patric. Er fühlte sich noch nicht so wohl, da er ja noch nicht so viele Male hier war.
Wie fast immer saß Patric an seinem Schreibtisch und tippte auf seinem Laptop herum. Normalerweise arbeitete er immer zu Hause, der Tag, an dem er Otoko in dem Bürokomplex getroffen hatte, war eine Ausnahme gewesen. Als der blonde Junge den Raum betrat, sah er kurz auf und lächelte. "Wie geht´s?"
"G-gut.... U-und ihnen.....?", fragte Otoko leise und trat näher zu Patric.
//Was ist denn jetzt los?// Patric unterbrach seine Arbeit und drehte sich dem anderen zu. "Wir waren doch schon beim Du. Ist irgend etwas passiert?"
Sofort stieg die Röte ins Otokos Gesicht. "....I-ich hab es v-vergessen.... T-tut mir leid....", nuschelte er.
Verwundert stand der Ältere auf und ging zu Otoko. "Hast du Probleme, Entzugserscheinungen oder sonst irgendwas? Dir schient es nicht wirklich gut zu gehen."
Nun wurde Otoko nervös. "N-nein.... i-ich.... i-ich.... ehm.... M-mir geht es g-gut..."
"Wieso bist du so nervös?"
"D-das lieg i-in meiner N-natur...."
Skeptisch blickte ihn Patric an. "Die letzte Zeit warst du nicht so."
"J-ja.... Da... war ich e-eben anders...."
"Soll ich dich jetzt auch wieder Otoko nennen?", fragte Patric scherzend.
Verwirrt blickte Otoko ihn an. "......W-wieso nicht....? D-das ist mein Name...."
Einen Moment lang blickte Patric ziemlich dumm aus der Wäsche, dann fing er sich wieder. "Ja... Klar." //Er ist wirklich ziemlich durchgedreht.//
"Ehm.... W-was muss ich... h-heute machen....?"
"Also, du hast heute die Auswahl zwischen zwei Sachen. Entweder ein größerer Auftrag oder zwei kleinere. Was willst du?" Patric hatte sich inzwischen wieder von Otoko entfernt und war zu seinem Schreibtisch zurückgegangen, um ein paar Unterlagen herauszusuchen.
Wie ein kleiner Welpe folgte Otoko Patric. "....Z-zwei kleinere..."
"Ah, du scheinst also im Moment keine Geldsorgen zu haben. Hier sind die beiden Päckchen, die Adressen stehen auf den Zetteln darunter. Pass auf, dass du sie nicht verwechselst." Patric überlegte gerade, welchem seiner Lieferanten er dann den großen Auftrag geben könnte.
"G-geldsorgen...?" Ein wenig verwirrt sah ihn Otoko an. ".. I-ich wusste nicht, dass d-die anders b-bezahlt werden..."
"Na je größer der Auftrag, desto größer die Bezahlung. Willst du doch den anderen?"
"J-ja..."
"Ok." Patric nahm die beiden kleineren Päckchen wieder an sich, während er fortfuhr. "Es ist allerdings auch ein größeres Risiko, sei dir dessen bewusst."
Das verunsicherte Otoko nun noch mehr. ".....W-was muss ich machen.....?"
"Eigentlich nichts anderes als sonst. Der Ort, wo du es hinbringen musst, ist nur gefährlicher, aber das kriegst du schon hin. Kannst du mit Waffen umgehen?"
"W-was für Waffen?"
"Ganz normale Faustfeuerwaffen."
"D-denke schon...."
"Gut. Komm mal eben mit." Der Ältere stand auf und ging aus dem Raum, wartete aber im Flur auf Otoko.
"I-ich werde sie nicht wirklich g-gebrauchen müssen, o-oder?"
"Normalerweise nicht, aber auszuschließen ist es auch nicht. Die meisten Menschen lassen sich von dem Anblick einer Waffe beeindrucken.", erklärte Patric, während er mit Otoko in einen anderen Raum ging.
"O-ok... D-dann wird es sch-schon gehen...."
Der andere Raum war ein perfekt eingerichtetes Arbeitszimmer, wurde anscheinend aber nicht benutzt. Patric öffnete einen der Schränke und suchte einen Moment nach der passenden Waffe.
Otoko konnte ein Zittern nicht unterdrücken. Er mochte jegliche Art von Waffen nicht mehr.
Dann fand Patric, was er wollte. Als er sich wieder zu Otoko wandte, hielt er einen .38er Revolver in der Hand. "Hier. Steck ihn ein, aber pass auf, der ist geladen."
"O-ok...... D-danke...." Mit schlotternden Händen griff der blonde Junge nach der Waffe.
Dieser Anblick brachte Patric zum Grinsen. //So nervös, wie der ist, kann ich den Sex heute vergessen... Schade eigentlich, aber er sieht ja jetzt schon aus, als ob er sich gleich in die Hose macht...// Patric führte den anderen wieder zurück in sein Arbeitszimmer, wo er Otoko noch eine dunkle Mappe reichte, sowie ihm ein paar Geldscheine in die Hand drückte. "Also... Du wirst jetzt erst einmal bis zur nächsten Bushaltestelle gehen und dort irgendwo hin fahren. Von da aus nimmst du ein Taxi bis zum Alsonway. Den Rest bis zum Übergabeort kannst du problemlos laufen."
"O-ok.... M-muss ich d-danach zurück k-kommen?"
"Nein. Du läufst ein paar Meilen, dann rufst du ein anderes Taxi. Fahr irgendwo ins Stadtzentrum und geh von dort aus nach Hause. Wenn du das geschafft hast, kannst du zwei oder drei Tage Pause machen, dann kommst du wieder zu mir zurück. Ok?"
".....O-... ok...." Mit einem mulmigen Gefühl im Magen sah Otoko auf die Waffe runter.
Patric deutete darauf. "Steck sie weg, Otoko."
"J-ja...", und damit ließ Otoko die Waffe unter seiner Kleidung verschwinden.
"Ok. Du solltest um spätestens 15 Uhr am Treffpunkt sein, andernfalls wäre es ziemlich schlecht, für dich und für mich. Als Gegenleistung für die Mappe bekommst du einen Umschlag, steck ihn ein und bring ihn dann mit der Waffe wieder mit." Patric lächelte Otoko schon fast warmherzig an. "Schaffst du das?"
Otoko nickte fest und drehte sich dann weg. "J-ja, d-das wird schon..."
//Gut.// "Enttäusche mein Vertrauen nicht."
Mit einem flauen Gefühl im Magen näherte sich Otoko dem ihm genannten Ort. Das ganze Viertel sah wirklich nicht sonderlich angenehm aus. Jedes vierte Haus war schwer beschädigt und glich nur noch einer Ruine.
Doch sein Blick wanderte von den Häusern immer wieder zu der Mappe unter seinem Arm. //Was da wohl drin ist?// Seine Neugierde lenkte Otoko ein wenig von seiner Nervosität ab, doch er wusste, dass er die Mappe nicht öffnen dürfte. Das Risiko, dass er Ärger mit Patric bekam, war ihm einfach zu groß.
Vor allem wegen dieser Mappe war er so aufgeregt. Er wollte sie nur loswerden und unbeschadet wieder nach Hause kommen.
Es war kurz vor der verabredeten Zeit, als Otoko endlich an dem Ort, an dem die Übergabe stattfinden sollte, ankam. Suchend schaute er sich um, doch außer einigen vergammelten Häusern und leeren, dreckigen Straßen war nichts zu sehen.
Er setzte sich auf eine einigermaßen heile Treppe und wartete. Er hatte ja keine Ahnung auf wen. Er kannte weder Namen noch ein Codewort.
Doch Otoko musste nicht lange warten. Kurz nachdem er sich hingesetzt hatte, tauchten schon zwei unauffällige Männer auf, die bei näherem Hinsehen aber doch nicht so gewöhnlich aussahen. Bei beiden konnte man eine leichte Beule auf der einen Seite der Jacke sehen - sie trugen wohl Schulterhalfter - und in ihren Augen schien eine professionelle Wachsamkeit aufzublitzen. Die beiden Männer entdeckten Otoko sofort, aber nur einer kam zu ihm hin.
Sofort spürte Otoko, wie sein Blut durch seine Adern schoss und sein Herz gegen die Brust hämmerte. Er wünschte sich in Chris' Arme, aber er konnte sich vor Angst kaum bewegen, vergaß sogar fast zu atmen.
Der Mann, der sich Otoko immer weiter näherte, sah aus, als wäre er wirklich auf Unauffälligkeit hin ausgesucht worden. Normale Größe, eine normale Haarfarbe - ein mittleres Braun -, eine normale Statur und Gesichtszüge, die keinerlei besonderes Erkennungsmerkmal hatten. Niemand würde sich an diesen Mann erinnern oder ihn wiedererkennen. "Was machst du hier, Junge?", fragte er und sogar seine Stimme klang alles andere als außergewöhnlich.
"I-ich warte...", nuschelte Otoko leise.
"Worauf?"
"Weiß i-ich nicht...."
Der Mann überlegte, während er Otoko betrachtete. Dann sah er die dunkle Mappe und sein Blick veränderte sich leicht. "Ist das deine?" Er schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob Otoko der war, wegen dem er hier war.
"J-jein.... Nicht w-wirklich...."
"Woher hast du sie?"
//Verdammt, was fragt der so lange?! Willst du sie oder willst du sie nicht?!?// Nervös fuhr sich Otoko durch die Haare. "...Von meinem Chef..."
"Du scheinst es wirklich zu sein. Ich hab hier etwas für dich.", meinte der andere. Offensichtlich war ihm die Fragerei inzwischen auch zu blöd.
Wie ein aufgeschrecktes Tier verfolgte Otoko jeder der Bewegungen des Mannes.
Nach einer kurzen Suche in seiner Jackentasche hielt er einen Umschlag in der Hand, gab ihn aber nicht Otoko. "Die Mappe."
"H-hier..." Mit leicht zitternden Händen streckte Otoko dem Mann die Mappe hin.
Der nahm sie und begann sofort, den Inhalt zu überprüfen. Den Umschlag hielt er nach wie vor in der Hand.
Etwas verwirrt wartete Otoko erst mal einen kurzen Augenblick, doch dann zwang ihn seine Unsicherheit zur Handlung. "...K-kann ich das haben...."?
"Moment."
Langsam stand Otoko auf und sah zu dem anderen Mann herüber. //Ich will weg hier.....//
Der zweite Mann beobachtete die Szene gelangweilt, während der andere immer noch den Inhalt der Tasche begutachte. Als er damit fertig war, gab er Otoko endlich den Umschlag.
Otoko riss dem anderen den Umschlag förmlich aus der Hand und drückte ihn an sich. "K-kann ich j-jetzt gehen?"
"Sicher." Der Mann sah Otoko noch einmal an, dann stand er auf und ging zu dem anderen zurück, welcher Otoko aber die ganze Zeit nicht aus den Augen ließ. Die beiden waren ein Team, das sah man.
Nun hatte Otoko endlich, was er wollte. Er ging sofort die Treppe runter und hetzte den Weg, den er gekommen war, wieder zurück.
Doch weit lief er nicht. Er lief gerade an einem Hinterhof vorbei, als er dort Schreie und auch Schüsse hörte. Was dann kam, war alles viel zu schnell, als dass er es hätte verhindern können.
Er drehte sich in Richtung des Lärms, doch er sah nur noch einen schwarzen Schatten auf sich zuschießen, dann spürte er einen harten Schlag, der ihn sofort zu Boden riss. Ein wenig benommen wollte er sich aufrichten, doch ein schweres Gewicht drückte ihn auf den Boden. Er öffnete die Augen und versuchte herauszufinden, was auf ihm lag.
Doch bevor er etwas sah, folgte wieder ein Schuss und das Gewicht verschwand wieder von ihm. In seinen Ohren konnte er das Geräusch immer noch hören, obwohl es schon längst wieder aufgehört hatte. Dadurch bekam er auch nur sehr leise mit, dass jemand herumfluchte. Gleich darauf wurde es wieder still.
Zitternd und völlig unfähig sich bewegen zu können, lag Otoko auf der Strasse. Er atmete nur stockend und traute sich nicht, sich zu rühren.
Chris hatte sich nicht besonders wohl dabei gefühlt, Otoko zu Patric gehen zu lassen, doch letztendlich hatte er es tun müssen. Jetzt saß er mal wieder beim Lernen und machte sich Gedanken über seinen Freund, anstatt über seinen Lernstoff. Die Pläne, die er am Morgen im Bad geschmiedet hatte, hatte er alle verwirklichen können, nur eben ohne Otoko. Er hatte nicht gesagt, wann er zurückkommen würde, also hatte es auch keinen Sinn zu warten.
Chris wurde aus seinen Gedanken gerissen, als das Klicken des Schlosses zu hören war und jemand eintrat. "..........C-ch.... Chri-is.......?", war Otokos spärliche Stimme zu vernehmen.
Erschrocken sah Chris zu Otoko und erstarrte. Die Jacke des blassen Jungen war völlig mit Blut besudelt und er selbst war einer Leiche ähnlicher denn je. Sofort sprang Chris auf und eilte zu ihm hin. "Otoko? Scheiße, was ist passiert?"
"I-i... i-ich.... w-weiss.. n-nicht..." Zitternd krampfte Otoko seine Hände in die Jacke. ".....E-es..... .... es w-war a-alles.... s-so schnell... I-ich...... ich lag a-auf dem B-boden, ... k-konnte n-nicht auf-aufstehen, ... d-dann s-schon wieder e-ein Schuss.... u-und...."
"Schht, ok. Ich sehe mir das kurz an, ok?" Chris hob den Jüngeren kurzerhand hoch und legte ihn aufs Bett, wo er ihm vorsichtig die Jacke auszog. Erleichtert stellte er fest, dass zwar die Jacke ziemlich schrecklich aussah, Otokos Körper allerdings weniger. Das Blut schien nicht von ihm zu kommen und Otoko stand wahrscheinlich nur unter Schock.
"....I-ich... i-ich hab d-den U-umschlag v-ver-verloren....."
"Welchen Umschlag?", fragte Chris, während er Otoko weiter absuchte. Er hatte einen kleinen Streifschuss abbekommen, doch das war nicht allzu schlimm. Ansonsten war er unverletzt.
Mit seinen weißen Händen griff Otoko nach Chris' Arm und zog ihn zu sich. "....D-den U-umschlag f-für P-p.... Patric......"
"War der denn wichtig?" Eigentlich interessierte Chris der Umschlag im Moment wirklich wenig, er wollte lieber die Wunde reinigen und verbinden.
"I-ich d-denke sch-schon....", nuschelte der blonde Junge.
"Otoko, du kannst den Umschlag später suchen. Morgen vielleicht oder übermorgen, aber jetzt solltest du dich erst einmal um die Verletzung kümmern. Ich habe nicht so viel Zeit, leider, ich kann dir nur noch etwa eine Stunde helfen, dann muss ich zur Arbeit, also müssen wir dich bis dahin versorgt haben." Kurz überlegte Chris, ob er heute einfach nicht zur Arbeit gehen sollte, doch er konnte nicht schon wieder Ärger mit seinem Chef riskieren. Es ging also nicht.
"N-nein! I-ich will n-nicht d-dorthin z-zurück...."
"Auch gut. Du kannst ihm später erklären, dass du ihn verloren hast. Aber jetzt bist du erst einmal dran." Also machte Chris sich daran, die Wunde zu versorgen.
Ein wenig apathisch lag Otoko auf dem Bett und starrte an die Zimmerdecke. Er merkte nicht einmal, wie Chris das Zimmer betrat.
"Ich muss jetzt gehen, tut mir echt leid. Wenn du etwas brauchst oder irgend etwas ist, dann ruf mich an, ja? Meine Nummer ist ja eingespeichert." Mit einem besorgten Blick ging Chris neben Otoko in die Hocke. "Ich hoffe, du bist noch hier, wenn ich wieder zurückkomme und es geht dir gut."
Langsam drehte Otoko den Kopf zu Chris. ".....K-kannst du n-nicht hier bleiben.......?"
"Ich kann versuchen, früher zu gehen, aber mein Chef ist sowieso schon sauer auf mich, also muss ich zumindest hingehen." //Obwohl er mich am Freitag sicher nicht gehen lässt...// "Machs gut." Chris küsste seinen Freund zum Abschied kurz auf die Lippen.
"I-ich liebe dich....", hauchte Otoko kurz und sah Chris traurig an.
"Ich dich auch. Ich bin wieder hier, sobald ich kann." Damit stand Chris wieder auf und verließ den Raum, auch wenn es ihm mehr als schwer fiel.
Sehr viel später als normalerweise kam Chris wieder zurück. Sein Chef war ein Sklaventreiber, das stand fest. Als er erwähnt hatte, dass er gerne früher gehen wollte, hatte dieser ihm gleich noch ein paar Überstunden aufgebrummt. Und jede einzelne Minute, die er länger dageblieben war, hatte er an Otoko denken müssen und an das, was ihm passieren könnte. Aber wenigstens war er jetzt zu Hause.
Es herrschte absolute Stille in der kleinen Wohnung. Nicht einmal auf den Strassen waren Autos zu hören.
//Hoffentlich schläft er.//, war Chris' erster Gedanke, als er diese Stille bemerkte. Und dem war auch so. Leise, aber tiefe Atemzüge waren vom Bett zu hören, als Chris näher kam. Erleichtert lächelnd strich Chris über Otokos Stirn. //Ich liebe dich...//
Langsam drehte Otoko den Kopf zur Seite. Ein leises Stöhnen war zu vernehmen, doch dann war es wieder still.
Leise, um den anderen nicht doch noch zu wecken, huschte Chris ins Bad. Ein paar Minuten später kam er wieder zurück und legte sich schnell auf seine Seite des Bettes.
Mit kurz stockender Atmung drehte sich Otoko zu Chris, dabei legte er seine eiskalte Hand auf dessen Oberarm.
//Ob er doch etwas hat? Ich denke, ich werde morgen mal mit ihm zum Arzt müssen.// "Alles ok?"
Ein halbherziges 'Hmmm....?' war alles, was Chris zur Antwort bekam.
Chris' Haut war von einer Gänsehaut überzogen, doch er rutschte nicht weg. "Schlaf weiter.", antwortete er leise.
"Hm...." Und damit riss es Otoko wieder in den Schlaf.
//Hoffentlich ist es nichts allzu schlimmes...//
Otoko wachte schon früh am Morgen auf. Ein wenig desorientiert blickte er um sich, bevor ihn den Schlaf wieder zu übermannen drohte, drehte er sich zu Chris um und kuschelte sich an ihn.
Der wachte erst viel später auf, da er es sonst nicht die Gelegenheit dazu hatte, auszuschlafen. Er konnte ja nicht ahnen, wie es Otoko ging... Als Chris dann endlich aufstand, betrachtete er Otoko nur kurz und verzog sich dann ins Bad - denn wie es aussah ging es seinem Freund ja blendend.
Chris ließ sich Zeit unter der Dusche und genoss das frische Wasser. Als er wieder ins Schlafzimmer trat, lag Otoko immer noch genauso da, wie er vorhin gelegen hatte.
Er beschloss, seinen Freund wenigstens kurz zu wecken, dann konnte er ihn ja weiterschlafen lassen. Doch er musste wissen, wie es ihm ging, obwohl er wirklich nicht krank aussah. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen setzte sich Chris an den Bettrand und strich über Otokos Stirn. Erschrocken stellte er fest, dass die Haut vor Hitze glühte. //Ist er etwa doch krank?// "Otoko?"
Dieser zog lediglich die Augenbrauen zusammen und zog die Decke höher.
"Otoko, wach auf. Bitte." Chris' Sorgen wurden schlimmer, da der andere einfach nicht aufwachte. //Ich muss einen Arzt rufen... Verdammt, das wird schon wieder so teuer...//
Doch nun schlug der blonde Junge die Augen auf. "......w-was ist.....?", fragte er leise und blinzelte Chris an. "....Schon M-morgen....?" Ein leichtes Lächeln erschien auf dessen Lippen.
Ein Nicken bestätigte die Frage. "Du bist ganz heiß. Wie geht es dir?"
Otoko blinzelte, als ob er erst über die Frage nachdenken müsste. ".....Ein wenig schummrig im Kopf.... a-aber sonst... ist nichts..."
Chris zog die Decke leicht zurück. "Ich will mir kurz mal deine Schulter ansehen..."
Wieso wollte Chris seine Schulter sehen? Verwirrt erhob sich Otoko ein wenig. Erst jetzt bemerkte er das leichte Brennen an seiner Schulter. ".....O-oh..... D-das ist j-ja noch v-von g-gestern...." Ein leichter Schauder ließ Otoko erzittern, als er an den gestrigen Tag dachte.
Vorsichtig öffnete Chris Otokos Schlafanzug und entfernte den Verband. Die Wunde sah schlimmer aus und soweit er das mit seinen laienhaften Kenntnissen sagen konnte, war damit nicht zu spaßen. "Ich glaube, das sollte sich ein Arzt mal ansehen."
"E-ein Arzt?.....A-aber der wird doch s-sicher wieder fragen, w-woher i-ich die Wunde h-habe.... o-oder....?"
"Der ist so etwas sicher gewöhnt. Bleib liegen, ich rufe eben an."
"D-das k-kann doch nicht s-so schlimm sein..... o-oder....?", fragte Otoko leise, als der Arzt seinen Arm begutachtet hatte. Er saß auf einer Liege in einem Untersuchungszimmer in demselben Krankenhaus, in dem Neal lag. Chris war gerade bei ihm.
"Die Blutuntersuchung wird meine Annahme, dass es sich hier um eine akute Lymphangitis handelt, wahrscheinlich bestätigen. Bis dahin sollten Sie sich hinlegen und am besten nichts tun." Der Arzt bereitete Otokos Blut so vor, dass man gleich mit den Untersuchungen beginnen konnte. "Es wird etwas dauern, bis man weiß, welches Medikament Sie einnehmen müssen."
"M-medikament........? W-wird das w-wieder s-so teuer werden....?"
"Es hält sich in Grenzen, da Sie nur Antibiotika nehmen werden müssen."
"....W-wie viel i-in etwa....?", stammelte Otoko und machte sich schon Gedanken darüber, dass Chris wohl nicht sehr erfreut darüber sein würde.
"Etwa 25 bis 30 Dollar. Es könnte aber sein, dass sie mehr brauchen."
Ein erleichtertes Lächeln erschien auf Otokos Lippen. //........Gut.... So viel kann ich auch selbst bezahlen..../
Der Arzt lächelte Otoko an. "Man wird sie Benachrichtigen, dann kann ihr Freund sich das Rezept abholen."
"E-er braucht e-es ja nicht, o-oder? I-ich habe doch d-die V-verletzung...."
"Sie können das Medikament nur mit dem Rezept abholen. Und sie sollten jegliche Anstrengung vermeiden."
//Aber so mache ich Chris nur noch mehr Arbeit.....// Seufzend schloss Otoko die Augen. //Wieso passieren mir solche Sachen jetzt....?//
"Ich habe ihre Nummer jetzt aufgeschrieben und werde sie dann anrufen." Der Arzt wartete, bis Otoko sich seine Jacke anzog, aufstand und zur Tür ging. "Machen sie sich keine Sorge, das bekommen wir alles wieder hin."
"....D-danke...." Otoko bekam sogar so etwas wie ein Lächeln in sein Gesicht, doch dann wandte er sich ab. "......A-aber das b-bezweifle i-ich...."
"Wenn sie sich schonen und das Medikament nehmen, dann treten höchstwahrscheinlich keine Komplikationen auf.", versicherte der Arzt trotzdem. "In fünf Tagen kommen sie dann noch einmal zu einer weiteren Untersuchung, damit wir schauen, ob es alles so verläuft, wie es soll."
"K-kann ich d-das Geld b-bei der nächsten Untersuchung b-bezahlen?"
"Das ist in Ordnung. Ich kenne ihren Freund ja, durch seinen Bruder."
Nun war Otoko erst ein wenig verwirrt, doch dann wandte er sich ab und ging. "J-ja...... stimmt."
Der Arzt hingegen ging wieder zurück in das Untersuchungszimmer und nahm die Blutproben mit in das Labor nebenan.
Draußen war es in der Sonne schon recht angenehm, wenn man etwas Warmes anhatte. Aber da Otoko die Sonne als zu hell empfand, stellte er sich in den Schatten eines Baumes und wartete auf Chris.
Der kam erst nach einer Weile wieder. Suchend blickte Chris sich um, bis er Otoko entdeckte, welcher mit geschlossenen Augen an dem Baum lehnte. "Was hat der Arzt gesagt?", fragte er, als er bei Otoko war.
Otoko zuckte erst leicht zusammen und starrte Chris an. "...E-es i-ist irgendwas m-mit dem B-blut, h-hat er gesagt..."
"Und weiter? Ist es gefährlich? Musst du Medikamente nehmen?"
"E-er muss e-erst noch mein Blut u-untersuchen, damit er b-bestimmen kann, w-welches M-medikament i-ich nehmen muss..."
"Ah. Aber so gefährlich ist es nicht, wenn er dich wieder gehen lässt, oder?"
"D-denke schon..."
"Wann weiß man, welches Medikament du nehmen musst?" Es war mühsam, Otoko die Informationen alle aus der Nase zu ziehen, aber andererseits verstand Chris ihn. Otoko war verwirrt und krank.
"E-er wird m-morgen anrufen, d-dann können wir es a-abholen gehen.... a-also.......e-eigentlich du.... E-er hat gesagt, i-ich müsse mich r-ruhig v-verhalten......"
"Dann mache ich es." //Dann kann ich den Arzt gleich noch fragen, ob er Otokos Blut auf Aids hin untersucht...// "Gehen wir wieder zurück?"
"J-ja.... e-es ist i-immer noch k-kalt draussen...." Otoko stieß sich von dem Baum ab und schmiegte sich an Chris. "....Gomen nasai.... I-ich mache d-dir schon wieder P-probleme...."
"Ist schon gut. Du kannst ja gar nichts dafür." Um den anderen zu stützen legte Chris einen Arm um seinen Freund. "Mach dir keine Vorwürfe."
".....E-es k-kommt m-mir i-immer noch so u-unwirklich v-vor, d-dass d-du so n-nett zu mir b-bist..."
"Glaub es einfach."
35.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Chris hatte vor einer halben Stunde einen Anruf aus dem Krankenhaus erhalten, dass er das Rezept für Otoko abholen konnte. Jetzt stand er vor dem Untersuchungszimmer und klopfte.
Nach einer kurzen Weile wurde die Türe auch schon geöffnet und der Arzt, der gestern Otoko behandelt hatte, bat Chris ins Zimmer. "Sie wollen das Rezept abholen, ja?"
"Ja, genau... Und ich hätte da noch ein anderes Anliegen." Ein wenig unsicher trat Chris ein. Er kam sich vor, als würde er Otoko hintergehen. Aber er musste es einfach wissen.
"Ja? Was denn?", fragte der Arzt nebenbei, als er in einem kleinen Archiv nach dem Rezept suchte.
"Könnten sie das Blut meines Freundes nach Aids untersuchen?" //Wenn man dafür seine Zustimmung braucht, bin ich aufgeschmissen.//
Nun stockte der Arzt kurz. "Nach Aids?.... Ja, das könnte ich, aber wenn er es mir gestern gesagt hätte, hätte ich die beiden Untersuchungen in einem Mal machen können.... Jetzt würde es wieder extra kosten..."
Chris versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Anscheinend ging es auch so. "Das ist nicht so schlimm... Wie lange werden sie etwa brauchen?"
"Na ja... Da diese Untersuchung nicht so lebenswichtig ist, wie seine Wunde, die er hatte, werde ich erst in ein paar Tagen Zeit für die Untersuchung finden.... Also etwa eine Woche...."
"Es eilt nicht." Chris wartete geduldig, bis der Arzt das Rezept fand. //Ich frage mich, wie viel die Medizin kostet.//
Lange musste er auch gar nicht warten. "Hier, die Dosierung steht auch drauf, und ich glaube bei der Apotheke werden sie es auch noch mal erklären."
"Danke. Ach ja, was bin ich ihnen schuldig?"
Der Arzt winkte ab. "Das wird erst später bezahlt."
"Wie sie meinen." Ein wenig kurz angebunden ging Chris zur Tür. Er verabschiedete sich, dann ging er. //Ich muss so schnell wie es geht wieder zurück... Ich sollte ihn nicht zu lange allein lassen."
In der Wohnung angekommen zog sich Chris nicht einmal die Jacke aus und ging sofort ins Schlafzimmer. Blass wie immer lag Otoko im Bett und hatte die Augen geschlossen.
"Otoko? Du musst aufwachen, ich hab hier deine Medikamente." Einen Moment verschwand Chris aus dem Zimmer, um ein Glas Wasser zu holen, dann kam er wieder zu Otoko zurück. Er strich sanft über die Stirn des anderen und stellte fest, dass sie heißer als normal war. //Gut, dass man mir noch ein fiebersenkendes Mittel mitgegeben hat.// "Komm schon, wach auf."
"....B-bin ja schon wach....", nuschelte der andere Junge und öffnete langsam die Augen. "...D-du warst schnell w-wieder hier...."
"Ich wollte dich nicht zu lange alleine lassen. Ich hab deine Medizin, Otoko. Du musst sie einmal täglich nehmen, immer zur selben Uhrzeit, also immer Mittags." Er gab Otoko die Tablette und das Glas. "Schluck es einfach als Ganzes runter."
Etwas verschlafen nahm Otoko die Tablette in seine Hand. "....O-ok.... d-danke...." Er warf die Tablette ein und griff dann nach dem Wasserglas, um es in einem Zug zu leeren.
Danach nahm Chris es ihm wieder ab. "Wie fühlst du dich?"
"Hm.... I-ich vermisse dich...."
"Ich war ja nicht lange weg." Ein Lächeln erschien auf Chris' Lippen. "Und heute hast du mich ganz für dich allein, wenn du willst."
"H-hai....." Sofort schlang Otoko die Arme um Chris und schmiegte sich an ihn.
Doch Chris drückte ihn sanft weg. "Einen Moment noch, ich muss erst meine Jacke und die Schuhe ausziehen. Ok?"
Stumm beobachtete Otoko Chris dabei. ".....Du..... b-bist dünner g-geworden...."
"Findest du?" Immer noch mit einem Lächeln im Gesicht kam Chris wieder zu Otoko zurück und legte sich neben ihm aufs Bett. "Na ja, hier hab ich ja auch keine Mutter, die dafür sorgt, dass ich drei ausgewogene Mahlzeiten am Tag esse.", meinte er grinsend.
"N-nein... A-aber dafür h-hast du e-einen M-mitesser....", sagte Otoko leise und strich über Chris' Wange.
Chris' Grinsen wurde breiter. "Ja, hab ich."
Langsam legte sich ein feiner Schleier über Otokos Augen, als er Chris so ansah. ".....Ai shiteru...."
"Ich liebe dich auch... Otoko..."
Nun legte sich ein leichtes Lächeln auf Otoko Lippen. "....Du sch-scheinst J-japanisch a-auch langsam zu v-verstehen..."
"Nur die paar Wörter, die du zu mir sagst." Chris beugte sich vor und küsste Otoko hauchzart auf die Lippen.
Sie waren immer noch etwas spröde, was Chris aber wenig störte. Otoko schloss seine blauen Augen und erwiderte den Kuss zurückhaltend und schüchtern
Ein warmes Gefühl breitete sich in Chris' Körper aus. //Er ist so anders als Mike... So unendlich viel besser...//
Schon nach kurzer Zeit löste sich Otoko wieder von Chris. "...H-hast du m-morgen wieder Uni?"
"Ja, leider. Von 10 bis 16.30 Uhr. Ist das ok oder soll ich hier bleiben?"
"N-nein... D-das wird s-schon gehen.... I-in der U-uni s-solltest d-du wegen m-mir nicht mehr f-fehlen..."
"Dafür bleibe zumindest heute bei dir." Da er immer noch nahe bei Otoko war, konnte Chris problemlos die Arme um ihn legen.
"M-macht e-es dir e-eigentlich e-etwas a-aus, d-dass i-ich n-nicht mit d-dir schlafen k-kann.....?", fragte Otoko nach einer Weile, in der sie einfach friedlich nebeneinander gelegen hatten..
"Nein, es ist in Ordnung. Mach dir deswegen keine Gedanken, Otoko."
"Wirklich n-nicht?" Otoko hob den Kopf und sah Chris wieder in die Augen.
"Es ist wirklich ok. Ich kann dich verstehen, an deiner Stelle würde es mir wahrscheinlich nicht anders gehen." Sanft strich er seinem Freund über die Stirn. "Setz dich wegen mir nicht unter Druck, ok?"
"D-danke..." Mit einem leisen Seufzen schloss Otoko die Augen und schmiegte sich an Chris. Sanft strich er mit seiner Nase über Chris' Hals.
Chris tat es ihm gleich und schloss ebenfalls die Augen. Ein wenig hier dazuliegen und nichts zu tun war gar nicht schlecht. Dann würde er morgen in der Uni vielleicht wieder besser aufpassen können, anders als in den letzten Tagen.
Verschlafen blickte Chris um sich. Er lag angezogen im Bett, neben ihm Otoko im Schlafanzug. Es war bereits Nachmittag, wie ihm die Uhr auf dem Nachtkästchen zeigte. Er überlegte, ob er aufstehen oder lieber liegen bleiben wollte, entschloss sich dann aber für die erste Möglichkeit, wobei sein Magen bei seiner Entscheidungsfindung eine maßgebliche Rolle spielte. //Ich werde einfach etwas kochen. Wenn Otoko Hunger hat, kann er ja mitessen.// Sanft und sehr vorsichtig, damit sein Freund nicht aufwachte, befreite er sich aus dessen Umarmung und stand langsam auf.
Murrend drehte sicht Otoko zur Seite und zog sofort die Decke über sich, die immer noch Wärme von Chris enthielt.
//Schlaf ruhig weiter, Schneewittchen, dich werde ich erst wecken, wenn es fertig ist.// Chris verzog sich in die Küche und schloss die Tür, um gleich darauf mit dem Kochen anzufangen.
Otoko zuckte im Bett zusammen, als ein lautes Geschepper aus der Küche in Schlafzimmer drang. Verwirrt blickte er um sich. "....Chris....?" Etwas wackelig auf den Beinen ging er zur Tür und öffnete sie. "...A-alles in Ordnung?"
Ein wenig überrascht blickte Chris zu Otoko. "Hab ich dich geweckt?", fragte er, während er den Topfdeckel, an dem er sich verbrannt hatte, diesmal mit Topflappen aufhob.
"Uhm... j-ja..... H-hast du dir weh g-getan....?"
"Nicht schlimm. Ich hab einfach vergessen, dass der Metalldeckel auch heiß wird." Chris grinste leicht. "Aber ich bin gleich fertig. Hast du Hunger?"
Nickend tapste Otoko zu Chris. "W-was gibt e-es denn....?"
"Ich hab Reis gemacht und Paprika und Zwiebeln zusammen angebraten. Hast du darauf Appetit?" Schnell stellte Chris den Herd ab und deckte dann den Tisch für Otoko und sich.
"J-ja... Denke schon....." Immer noch etwas schlaftrunken setzte sich Otoko an den Tisch.
"Du musst ja nicht so viel essen, aber ein bisschen schadet dir sicher nicht." Otoko wurde ein Glas mit Orangensaft hingestellt, dann tat Chris für Otoko und sich jeweils eine kleine Portion des Essens auf den Teller.
"N-nein... I-ich dachte nur.... So was h-hab ich noch nie g-gegessen... Aber bei dir w-wird es ja w-wohl sowieso sch-schmecken..."
"Du solltest meinen Kochkünsten aber nicht blind vertrauen.", erklärte Chris grinsend, während er sich an den Tisch setzte. "Ich hab meinen Bruder schon manches Mal halb vergiftet."
Nun wurden Otoko Augen groß. "...W-wirklich?"
"Na ja, vielleicht ein bisschen, weil ich zu viel von den scharfen Gewürzen hineingetan habe oder wenn ich mal etwas ausprobieren wollte. Er war mein Versuchskaninchen."
Otokos Blick wurde nun doch ein wenig kritisch, als er das Essen ansah.
"Keine Angst, das hab ich schon öfters gemacht." Er aß einen Löffel. "Sieht du, ich kann es essen."
"U-und die N-nebenwirkungen?"
"Es dürften keine auftreten." //Oder nimmt er das etwa ernst?// "Otoko, es war nur ein Witz. Du brauchst keine Angst vor meinem Essen zu haben."
"D-da bin ich froh.... I-ich h-hab jetzt nämlich d-doch Hunger b-bekommen..."
//Ich sollte mit meinen Witzen wirklich aufpassen...// Bevor sich sein Magen noch lautstark bemerkbar machte, begann Chris mit dem Essen.
"Guten Appetit." Damit begann auch Otoko zu essen.
//Montag Morgen, 8.30 Uhr.// Bis Chris diesen Gedanken zusammenbrachte, hatte der Wecker drei Minuten lang geklingelt. //Ich muss aufstehen.... Aber ich will nicht...// Verschlafen drehte Chris sich auf die Seite und blickte in Otokos Gesicht.
Etwas desorientiert blinzelte ihn dieser an. ".....S-schon Morgen.......?"
"...Leider...", nuschelte Chris, doch er machte keine Anstalten, jetzt schon aufzustehen.
".....I-ich bin i-immer noch müde..... W-wieso h-hältst du das aus, m-mit so wenig Schlaf...?"
"Es muss gehen." Nun konnte Chris sich doch dazu bewegen, sich aufzurichten. Nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, stieg er langsam aus dem Bett. "Falls das Fieber zu schlimm wird, hat man mir übrigens noch fiebersenkende Mittel für dich mitgegeben." Mehr schlafend als wach taumelte Chris ins Bad, ließ aber die Tür offen, damit er weiter mit Otoko reden konnte.
"...D-das wird schon.... I-ich will nicht wieder z-zu viel d-davon nehmen..."
"Bisher hattest du ja noch gar nichts davon. Das Antibiotika musst du aber nehmen, bis die Schachtel leer ist, meinte die Apothekerin." Nachdem er sich etwas Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, fühlte Chris sich schon wieder ein wenig wacher. Trotzdem würde er vorsorglich eine Thermosflasche mit Kaffee mit in die Uni nehmen.
"A-aber ich bin im M-moment lieber v-vorsichtiger d-damit...."
"Das kannst du mit den anderen Tabletten gerne sein, nur diese musst du auf jeden Fall nehmen."
"J-ja.... W-werd ich....." Gähnend kuschelte sich Otoko nochmals in die Decke.
"Ok." Dann hörte man aus dem Bad eine Weile lang nur noch die Geräusche von prasselndem Wasser.
Als Otoko gegen Mittag wieder aufwachte, war Chris verschwunden. Ein wenig weh tat es ihm schon, dass er wieder eingeschlafen war und sich nicht mehr von Chris verabschieden konnte. Grummelnd erhob er sich und griff sogleich nach seinen Medikamenten.
Er wollte nicht, dass er sie vergas, deshalb schluckte er sie lieber jetzt, auch wenn es noch ein wenig zu früh war. Angeekelt betrachtete er die eiternde Wunde an seinem Arm und verband sie schnell wieder. Er zuckte beinahe zusammen, als ihm wieder klar wurde, woher er sie hatte.
Mit einer hektischen Handbewegung öffnete er die kleine Schublade, neben seinem Bett. Darin lag immer noch die Waffe, die er von Patric erhalten hatte. Heute würde er sie ihm wieder zurückbringen müssen. Bei dem Gedanken breitete sich eine Gänsehaut auf Otokos Körper aus. //........Er wird wütend sein, dass ich es verbockt habe.....//
Und Patric war wütend, auch wenn man ihm das auf den ersten Blick nicht ansah. Als Otoko in sein Arbeitszimmer gekommen war und ihm gesagt hatte, dass er den Umschlag verloren hatte, konnte sich Patric nur mit größter Mühe zurückhalten. Er stand mit einem leicht verkniffenen Gesichtsausdruck stocksteif da und starrte Otoko an. "Sag das noch einmal."
"I-ich h-habe die M-m-mappe a-abgeg-geben.... u-und den U-umschlag hatte ich a-auch bekommen.... A-aber als ich g-gehen wollte, w-waren plötzlich Sch-schüsse z-zu hören..." Otoko zitterte leicht und wagte es nicht, Patric in die Augen zu sehen. "A-alles ging s-so schnell... I-ich bin p-plötzlich z-zu Boden g-gerissen worden... A-als ich wieder e-einigermaßen k-klar d-denken k-konnte w-war der Umschlag w-weg...."
e
"Wie konnte ich das nur machen?", murmelte Patric leise. "Wie konnte ich nur so einen Fehler machen?" Mit hektischen Schritten ging er zu seinem Schreibtisch und wähle eine Telephonnummer. "Warte draußen!", fuhr er Otoko an.
Das Häufchen Elend, zu dem Otoko langsam wurde, biss sich auf die Lippen und verzog sich lautlos nach draußen. //...Ich will den Job nicht verlieren... Wir brauchen doch das Geld.... Wieso musste das nur passieren....?//
Patric beachtete Otoko nicht weiter, sondern telephonierte mit ein paar Leuten, um die Sache wieder halbwegs in Ordnung zu bringen. Auch wenn das gar nicht ganz funktionieren konnte. In dem Umschlag waren einige äußerst wichtige Berichte gewesen, von denen es keine einzige Kopie gab. Trotzdem wanderten seine Gedanken immer wieder zu Otoko. //Der bekommt noch Ärger mit mir, wenn ich hier fertig bin. Ich werde ihn auf keinen Fall ungeschoren davonkommen lassen.//
Leicht zitternd lehnte sich Otoko draußen an die Wand. //.....Was soll ich bloß tun? ..... Ich kann ja nichts dafür, dass der Umschlag weg ist....//
Nach etwas mehr als einer halben Stunde öffnete Patric die Tür wieder. Er schien noch genauso wütend zu sein wie vorher, wenn nicht noch mehr. "Wir haben noch zu reden.", gab er gepresst von sich.
"J-ja........" Etwas umständlich erhob sich Otoko, denn er musste den linken Arm in einer Schlinge tragen, damit die Schulter nicht belastet wurde.
Patric lehnte sich an den Schreibtisch und sah Otoko mit verschränkten Armen von oben herab an. "Du hast mich sehr enttäuscht." Er zitterte leicht, aber nicht wie Otoko vor Angst.
"E-es ging a-alles so sch-schnell.. I-ich k-konnte n-nicht mehr r-reagieren!", versuchte sich Otoko zu verteidigen.
"Dann hättest du eben aufpassen müssen, verdammt! Wieso denkst du, habe ich dir eine Waffe gegeben?! Sicher nicht, um damit nur herumzuspielen! Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie viel Geld ich verloren habe, weil dieser Deal ins Wasser gefallen ist?!!" Inzwischen war Patric wirklich außer sich vor Wut. Er hatte große Lust, Otoko einfach tot zu prügeln, aber er würde den anderen später noch brauchen, wenn auch nicht mehr für Aufträge. Trotzdem das hielt ihn nicht davon ab, Otoko zu bestrafen.
Wie unter Peitschendhieben zuckte Otoko zusammen. "I-ich w-war viel z-zu g-geschockt, a-als d-dass ich n-noch an die Wa-waffe gedacht hätte...", gab er leise von sich. "I-ich h-habe es n-nicht mit A-absicht gemacht..."
"Wenn du es mit Absicht gemacht hättest, würdest du jetzt tot in der Gosse liegen!!", brüllte Patric. Edward hörte ihn wahrscheinlich, aber da dieser die einzige Person außer ihnen beiden auf seinem großen Gelände war, konnte er so laut herumschreien, wie er wollte. "Komm her! Sofort!" Patrics Stimme duldete nicht den kleinsten Widerspruch.
Otoko verkrampfte sich augenblicklich. Mit steifem Gang ging er langsam auf Patric zu. "I-ich w-wollte e-es wirklich n-n-nicht...."
Der andere packte ihn grob am Kragen und zog ihn das letzte Stück zu sich. "Das ist mir scheiß egal!" Noch während er diese Worte aussprach, holte Patric aus und ohrfeigte Otoko so stark, dass dieser ein ganzes Stück weiter weg zu Boden fiel.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht und leise wimmernd presste Otoko seine Hand auf die getroffene Wange. Mit angsterfüllten Augen starrte er Patric an.
"Und komm mir bloß nicht mit der Ausrede, dass du verletzt wurdest! Das interessiert mich genauso wenig!!" Patric hatte sich mittlerweile so in seinen Zorn hineingesteigert, dass er kaum noch normal reden konnte. Das Wimmern des Jungen, genauso wie sein angsterfüllter Blick brachten ihn nur dazu, noch stärker zuzuschlagen, als er sich wieder über den anderen beugte und ihn hochzog.
"I-ich habe nichts d-davon gesagt!!!", schrie Otoko und versuchte verzweifelt sich von Patric loszureißen.
Auch die Tatsache, dass Otoko sich doch tatsächlich wehrte, obwohl er Patric eindeutig unterlegen war, sorgte dafür, dass Patric immer noch nicht von Otoko abließ. Als er Otokos Wunde an der Schulter erwischte und dessen lauten Aufschrei hörte, beruhigte er sich allerdings wieder ein wenig.
Wimmernd und heulend sank Otoko in die Knie. Seine bebende Hand presste er auf die schmerzende Wunde. "...N-nicht mehr... b-bitte..."
"So? Wieso sollte ich deiner Meinung nach aufhören?!"
"WEIL ICH ES WILL!!", schrie der blonde Junge und rutschte von Patric weg.
Patric fing an zu lachen. "Tolle Antwort, wirklich." Mit einem Schritt war er wieder bei Otoko und stellte seinen Fuß auf dessen Rücken, so dass der andere nicht mehr weiter kriechen konnte. "Leider reicht sie mir nicht."
"L-lass m-mich.... i-in Ruhe....." Schluchzend legte sich Otoko auf den Boden.
"Nein." Patric setzte sich auf dem Rücken des Jungen. "Du hast mich einen Haufen Geld gekostet, sogar mehr als das." Er beugte sich soweit herunter, dass sein Atem Otokos Ohr streifte. "Hast du schon eine Idee, wie du einen kleinen Teil von dem, was du mir angetan hast, wieder gutmachen kannst?", fragte er grinsend.
Angeekelt drückte Otoko den Kopf weg. "N-nein...."
"Ich schon." Mit einer schnellen Handbewegung schlug Patric Otokos Kopf so stark gegen den Boden, dass dieser bewusstlos wurde. "Nur habe ich jetzt noch keine Zeit dafür."
Um Otoko herum wurde alles schwarz. Und hätte er Patrics letzte Worte noch mitbekommen, wäre er wahrscheinlich auch dankbar dafür gewesen, dass er ohnmächtig geworden war.
Patric hingegen stand wieder auf und kümmerte sich nicht weiter um Otoko. Er rief kurz bei Edward, seinem Butler, an und gab ihm ein paar Anweisungen, dann wandte er sich wieder anderen Dingen zu. Er hatte immer noch mit der Schadensbegrenzung zu tun.
Wimmernd fasste sich Otoko an den Kopf, als er wieder langsam zu sich kam. Sein Schädel dröhnte und ihm war schlecht. Er wagte es noch nicht, die Augen zu öffnen. //......Was ist bloß passiert.....?//
Inzwischen lag er nicht mehr in Patrics Arbeitszimmer, nur wusste er das noch nicht. Patric hatte ihn in eines der anderen Zimmer gebracht, das er als Abstellkammer gebrauchte. Die Vorhänge waren zugezogen, so dass sehr wenig Licht hereinkam, und die meisten Gegenstände in dem Raum waren zentimeterdick verstaubt.
//V-vielleicht spinne ich wieder.... Vielleicht bin ich wieder bei Chris....?// Ein klägliches 'C-chris....?' kam über seine Lippen, doch er erhielt keine Antwort. //........Ich habe Angst.... Ich will bei Chris sein....//
Der saß wie so oft bei sich zu Hause und lernte, seit er von der Universität zurück gekommen war. Und wie immer in den letzten Tagen machte er sich immer wieder Sorgen um Otoko, da dieser weggegangen war. Eigentlich hätte Chris erwartet, dass Otoko sich wirklich schonen würde. Aber er hatte es nun mal nicht getan und Chris musste sich damit abfinden.
Doch als Otoko auch um sieben Uhr Abends noch nicht zurückkam, wurde Chris wirklich nervös. //Und wenn ihm etwas passiert ist? Ich halte das nicht aus!// Auch wenn er es unter normalen Umständen nie machen würde, fing er an, Otokos Sachen zu durchsuchen. Erst fand er nichts besonderes, doch dann entdeckte er eine Visitenkarte von einem Patric Newman. //Das muss Otokos Arbeitgeber sein... Am besten gehe ich gleich hin und nehme ihn mit zurück, wenn er noch dort ist.// Schnell zog er sich seine Jacke über und die Schuhe an, dann ging er aus dem Haus und rannte zur Bushaltestelle.
Nach einer längeren Fahrt und einem zehnminütigem Fußmarsch kam Chris endlich bei der Adresse von diesem Patric an. Würde er sich nicht solche Sorgen um Otoko machen, wäre er überwältigt gewesen. Doch so ließ ihn dieses riesige Grundstück kalt. Da das Tor leicht geöffnet war, schlüpfte Chris hindurch und lief den langen Weg zur Haustür entlang. Dort klingelte er und hoffte, Otoko würde wirklich hier sein.
Nach ein paar Augenblicken tauchte ein schwarz gekleideter Mann auf. "Sie wünschen?"
"Ich muss mit Patric Newman sprechen, er wohnt doch hier, oder?"
"Ja, aber er ist im Moment sehr beschäftigt und wünscht keine Gäste, bitte kommen Sie ein andermal wieder."
"Das kann ich nicht. Ich muss unbedingt mit ihm sprechen, hören Sie? Ist sehr wichtig." Während er mit diesem Mann sprach, wer auch immer er war, überlegte Chris fieberhaft, wie er ihn dazu bringen konnte, dass er mit diesem Patric reden konnte.
"Wenn Sie einen Termin hätten, könnten Sie reinkommen, aber Mr. Newman hat nichts dergleichen erwähnt."
"Ich muss aber mit ihm reden. Es geht um meinen Freund Otoko, er ist krank und ich denke mal, dass er auch hier ist. Es ist sehr dringend, wieso wollen Sie das nicht verstehen?"
"Wenn ich jedermann hereinlassen würde, der mir solch eine Geschichte auftischt, wäre das Gebäude heute nicht, was es ist."
"Verdammt noch mal, dann holen Sie ihn eben her!" Langsam aber sicher wurde es Chris wirklich zu bunt.
Seufzend wandte sich der Butler ab. "Ihren Namen, bitte..."
Erleichtert nannte er dem anderen seinen Namen. "Chris Neeson."
"Bitte warten Sie." Damit ging der Mann wieder ins Haus, wo er auch eine ganze Weile lang blieb.
Chris wartete. Doch je länger er hier blieb, ohne dass sich etwas tat, desto stärker wurde seine Nervosität. //Und was ist, wenn er nicht hier ist? Was, wenn er irgendwo liegt? Warum ist er nur weggegangen. Er hat doch gesagt, er wird sich schonen.//
Nach zehn Minuten öffnete sich dann endlich die Türe des Gebäudes wieder und sowohl der Butler als auch Patric kamen heraus.
"Sind Sie Mr. Newman?", fragte Chris sofort, während er sich in Gedanken wunderte, wie Otoko bei so einem grimmig dreinblickenden Kerl arbeiten konnte.
"Ja, der bin ich. Was wollen Sie von mir?", fragte Patric barsch. "Ich habe zu tun."
"Es geht um Otoko, einen Freund von mir. Er sagte mir, dass er hier bei Ihnen arbeitet, und da er heute Nachmittag nicht zurückgekommen ist, obwohl er krank ist., dachte ich, dass er vielleicht hier wäre."
"Nein, er ist heute nicht einmal hier aufgetaucht."
"Aber... Er sagte mir, dass er irgendeinen Umschlag verloren hätte, der Ihnen gehört... Otoko wäre niemals rausgegangen, wenn es nicht wichtig gewesen wäre." Chris' Laune sank in von Sekunde zu Sekunde. Wo sollte er Otoko denn sonst suchen?
"Das er den Umschlag verloren hat, wurde mir mittlerweile mitgeteilt. Ich war nicht sehr erfreut darüber, dass Ihr Freund mein Vertrauen enttäuscht hat."
Unsicher, weil er nicht wusste, was er machen sollte, biss sich Chris auf die Lippen. "Das hat er ja nicht mit Absicht gemacht. Er kam Freitag Nacht blutüberströmt zurück und musste auch noch ins Krankenhaus..." Er suchte nach Worten, mit denen er dem anderen den Ernst der Lage erklären konnte, fand aber keine.
"Wenn er bei der Arbeit nicht aufpassen kann, ist das nicht meine Sache, Mr. Neeson."
//Es hat wohl keinen Sinn...// "... Na ja... Danke, dass Sie den Moment Zeit für mich hatten... Es wäre wirklich nett, wenn Sie ihm sagen könnten, dass er nach Hause kommen soll... Falls er hier her kommt."
"Das werde ich machen. Schönen Abend noch." Mit einem falschen Lächeln auf den Lippen drehte sich Patric weg und ging wieder ins Haus.
Enttäuscht machte Chris sich wieder auf dem Heimweg. //Was soll ich nur machen? ... Otoko... Wo bist du?//
36.
Otoko hatte sich in eine Ecke des Zimmers verkrochen und hoffte, dass er irgendwann wieder rausgelassen würde.
Doch Patric hatte andere Pläne. Kurz nachdem Chris da gewesen war, ging er zu dem Jungen. "Na, wie geht's uns jetzt?", fragte er übertrieben freundlich, als er Otoko entdeckt hatte und ging zu ihm hin.
"I-ich will endlich g-gehen...", nuschelte Otoko und schloss die Augen.
"Wirst du aber nicht." Der Ältere setzte sich neben Otoko. "Dein Freund war eben hier."
Sofort riss Otoko die Augen auf. "C-chris?!" Sein Blick wanderte zur Tür. "I-ist er hier?"
"Nein, er ist wieder weg.", antwortete Patric und genoss den entsetzten Gesichtsausdruck des anderen.
"....W-w........wieso...?", fiepte Otoko leise und starrte Patric mit Tränen in den Augen an.
"Ich habe ihm gesagt, du wärst nicht hier, ganz einfach." Ironisch sanft strich Patric über Otokos Wange. "Hab keine Angst, du wirst ihn wieder sehen... In ein paar Tagen vielleicht."
Pure Angst flackerte in Otokos eisblauen Augen. "...A-aber... d-du w-wirst i-i.... ihm n-nichts t-tun.... o-oder?"
"Ihm? Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen..." Ein Lächeln, welches nicht das Geringste mit Freundlichkeit zu tun hatte, erschien auf Patrics Lippen. "Ich überleg es mir."
"N-nein! NEIN!!!!" Otoko griff schwach nach Patrics Hemd. "Bitte nicht!!! L-lass ihn d-da raus!!"
"Was bist du bereit, dafür zu tun, Otoko?"
Zitternd starrte Otoko Patric an. "....A-a... alles..."
"So viel? Nur, damit ich deinen Freund in Ruhe lasse?" Immer noch streichelte Patric Otokos Wange. Es war, als hätte er einen verängstigten Hund vor sich, den er vorher verprügelt hatte. //Ich könnte dafür sorgen, dass du dir vorkommst, wie dieser Hund. Wie ein kleines Stück Dreck, das mich verraten hat!// Neue Wut kam bei diesem Gedanken in ihm hoch.
"E-er h-hat es schon s-schwe-er g-genug....", stammelte Otoko und versuchte, Patrics Blick auszuweichen.
"Ich habe es auch schwer und alles nur wegen dir. Ist das fair? Ich glaube nicht."
Angewidert verzogen sich Otokos Mundwinkel. "D-du hast doch g-genug Geld i-im A-arsch!", keifte Otoko und zog sich sofort wieder zusammen.
Gleich darauf trat ihm Patric gegen die Brust. "So solltest du nicht mit mir reden, weißt du. Das mag ich nämlich gar nicht."
Keuchend presste Otoko seine Arme vor die schmerzende Brust. Im ersten Moment bekam er keine Luft.
"Eigentlich hatte ich vor, wieder ein wenig netter zu dir zu sein, aber da du das offensichtlich nicht willst, lasse ich es bleiben." Patric machte sich daran, zu gehen, doch bevor er den Raum verließ, blieb er noch einmal stehen. "Ich wünsche eine angenehme Nacht. Morgen werde ich vielleicht nicht mehr so gute Laune haben." Dann ging er.
Otoko reagierte auf diese Worte gar nicht erst. Er versuchte bloß, seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.
Auch als Chris wieder zurück in die Wohnung kam, war Otoko nicht da. //Wo bist du nur? Otoko, weißt du denn nicht, was für Sorgen ich mir deinetwegen mache?// Einen Moment lang überlegte, ob er die Polizei rufen sollte, aber was brachte das schon? Die nahmen ihn ja nicht ernst. Er wusste nicht, wie lange er in Gedanken versunken in der dunklen Wohnung gesessen hatte, aber als er das nächste Mal auf die Uhr sah, stellte er erschrocken fest, dass er zu spät zur Arbeit kommen würde, wenn er sich nicht beeilte. Schnell schrieb er eine Nachricht für Otoko, falls dieser zurück kam. //Denk nicht immer so negativ! Er wird wieder zurück kommen.// Dann zog er sich wieder an und hastete zur Straßenbahnhaltestelle.
Für Chris waren diese paar Stunden, die er Arbeiten musste, die reinste qual. Er sehnte seinen Feierabend mehr den je herbei. Doch als er nach Hause kam und sich eigentlich schon fast freute, Otoko wieder sehen zu können, war die Enttäuschung entsetzlich groß und seine Sorgen machten ihn fast wahnsinnig.
Sie hinderten ihn auch beim Einschlafen, so dass er, nachdem er fast eine Stunde wach im Bett gelegen hatte, eine Schlaftablette nahm, die ihren Zweck aber auch nicht besonders gut erfüllte. Morgen würde wieder ein schrecklicher Tag werden.
Otoko selbst schlief auch nicht viel in dieser Nacht. Zum einen wegen den Schmerzen, zum andern, weil er Angst hatte.
Patric kam den ganzen nächsten Tag nicht zu ihm, da er zu viel zu tun hatte. Dafür kam Edward mehrere Male vorbei, offenbar hatte er doch etwas Mitleid mit Otoko. Er ließ ihn auf die Toilette gehen und brachte ihm etwas zu essen und zu trinken, aber auch nicht besonders viel. Vielleicht waren es auch nur Patrics Anweisungen, die er befolgte.
Aber die ganze Angst nagte an Otokos Appetit, so dass er lediglich das Wasser trank, den Rest aber unberührt liegen ließ. Er hatte sich eine Decke nehmen wollen, doch die war so voller altem Blut von ihm, dass er auch diese einfach liegen ließ und sich wieder zitternd in die Ecke setzte.
Es war gegen Abend, als sich die Tür ein weiteres Mal öffnete. Doch dieses Mal war es nicht Edward, er kam, sondern Patric. Mit einer unlesbaren Miene stand er im Türrahmen, machte aber keine Anstalten hineinzukommen. "Otoko, komm her." Seine Stimme klang normal, doch trotzdem hatte sie etwas bedrohliches an sich.
//Wenn ich nicht gehe, wird er nur wieder wütend...// Ungelenk erhob sich der blonde Junge, musste sich aber an der Wand festhalten, weil ihm schwindlig wurde.
//Otoko muss inzwischen festgestellt haben, dass Jähzorn zu meinen schlechten Eigenschaften gehört.//, dachte Patric innerlich grinsend, als er sah, wie Otoko ohne Widerrede seiner Anweisung folgte. Als dieser ihn erreicht hatte, drehte er sich um und deutete mit einer Geste an, dass Otoko ihm folgen sollte.
"K-kann i-ich g-gehen...?", fragte Otoko leise.
Doch ein schlichtes 'Nein' zerstörte diese Hoffnung sofort wieder.
Mit einem kläglichen Gesichtsausdruck versuchte Otoko mit Patric Schritt zu halten.
Dieser führte ihn zu einem Bad. "Wasch dich, du hast eine halbe Stunde. Ach ja, solltest du versuchen zu fliehen, dann kann ich dir gleich sagen, dass du damit keinen Erfolg haben wirst." Und schon ging Patric wieder.
Verwirrt sah sich Otoko im Bad um. "...W-wieso soll i-ich mich waschen.....?" Das kam ihm wirklich ein wenig komisch vor, aber er zog sich dann doch aus. Mit seinem dünnen Pullover hatte er jedoch einige Probleme, da er regelrecht an der Wunde klebte. Mit zusammengebissenen Zähnen riss er den Stoff ab, was ihm allerdings einen gepeinigten Schmerzensschrei entlockte.
Sogar Patric konnte diesen Schrei noch hören, obwohl er schon wieder einige Meter von der Tür entfernt war, doch es kümmerte ihn nicht. Sollte der Junge doch Schmerzen haben, es geschah ihm recht.
Immer noch leise wimmernd sah Otoko auf die nun wieder offene Wunde runter. Er suchte sich in Patrics Bad einige Dinge zusammen, damit er sie notdürftig versorgen konnte. Erst dann begann er sich vorsichtig zu waschen.
Genau eine halbe Stunde später kam Patric wieder zurück. Er trat ohne zu Klopfen ein und entdeckte Otoko, der sich gerade vorsichtig abtrocknete. Auf der blassen Haut waren mehrere dunkle Stellen zu sehen, sie verschönerten den dürren Körper nicht gerade, aber es störte ihn nicht. Mit verschränkten Armen lehnte er sich an die Badezimmertür, die er hinter sich geschlossen hatte, und sah Otoko weiter zu.
Dieser wandte sich von Patric ab und zog das große Badetuch enger um sich.
Ein leichtes Grinsen bildete sich auf Patrics Lippen. "Stimmt, eigentlich brauchst du dich gar nicht wieder anzuziehen. Anscheinend denkst du mit."
Verstört sah Otoko zu Patric rüber. "W-wie m-meinst du das....?"
"Spielst du auf einmal das Unschuldslamm oder was? Das weißt du doch ganz genau. Komm jetzt, ich habe keine Lust, noch länger zur warten." Patric öffnete demonstrativ die Tür und ging heraus.
Mit langsamen und unsicheren Schritten kam Otoko aus dem Bad. "I-ich w-weiss w-wirklich n-nicht, was du m-meinst...."
Der Ältere blieb nicht stehen, sondern drehte nur kurz den Kopf zu Otoko. "Wir reden über Sex." //Ich habe wohl zu fest zugeschlagen.//
Nun blieb Otoko aber stehen. ".....S-sex......?", fragte er mit zitternder Stimme. Ihm wurde noch kälter, als ihm ohnehin schon war, und langsam wich er zurück.
"Exakt." //Dieser Chris hatte doch erwähnt, dass Otoko krank ist.... Man merkt es.// Genervt von Otokos Fragerei ging Patric in sein Arbeitszimmer. //Dann muss ich ihn wohl wieder zum Schweigen bringen. Das ist ja nicht zum Aushalten.//
Als Otoko Patric in seinem Arbeitszimmer verschwinden sah, packte ihn die Panik. Lautlos drehte er sich um und rannte ins Bad, dort zwängte er sich in seiner Kleider, ohne auf seine Wunde zu achten. //Ich muss hier weg! Ich muss hier raus!!!//
Mit einem Seufzen sah Patric dem Jungen hinterher. //Otoko, Otoko, was machst du nur für Sachen? Willst du denn schon wieder Ärger mit mir bekommen?//
Blind vor Angst rannte Otoko nun aus dem Bad.
Doch weit kam er nicht, denn er wurde sofort wieder von Patric abgefangen. Dieser hielt Otoko ohne große Mühe fest und brachte ihn in sein Arbeitszimmer. "Weißt du, ich hätte dich wirklich für klüger gehalten. Je mehr du dich wehrst, desto schlimmer wird es für dich." Der Junge wurde auf das Bett gestoßen, dann schloss Patric erst einmal die Tür ab.
"Und desto schneller kommst du, oder?", murrte Otoko und hielt sich seine schmerzende Schulter.
"Ach, haben wir unseren Humor wiedergefunden?", fragte Patric, während er wieder zu Otoko zurückkam und sich gleichzeitig sein Hemd öffnete. "Wirst du jetzt endlich kooperativ sein oder muss ich dich wieder zurechtweisen?"
"Du glaubst doch nicht, dass ich dir jetzt nen schönen Fick serviere, nachdem du mich so zurechtgestutzt hast, oder?", knurrte Otoko und rutschte zurück.
"Ich dachte wirklich, du hättest nach dem letzten Tag gelernt, dass man mir nicht widersprechen soll." Während dieser Worte kam Patric auf das Bett und hielt Otoko fest. "Willst du eine weitere Kostprobe?"
"Die Frage ist, ob du es nicht endlich aufgeben willst zu versuchen meinen Stolz zu brechen.
"Dein Stolz interessiert mich nicht im Geringsten.", antwortete Patric und drückte Otoko nach unten. Gleichzeitig zwang er dem anderen einen brutalen Kuss auf.
Der allerdings nicht unblutig endete. Otoko biss Patric kurzerhand in die Lippen. Böse funkelte er ihn an. "Na dann, viel Spaß!"
"Den werde ich haben!" Gleich darauf hatte Otoko wieder Patrics Faust im Gesicht.
Mit der berühmten 'Zigarette-danach' im Mund lag Patric zufrieden im Bett, neben ihm Otoko. "Keine Angst, wenn du dich benimmst, dann werde ich auch wieder nett zu dir sein.", meinte er grinsend.
"I-ich kann auf deine Nettigkeiten verzichten, du niveauloses Etwas....", presste Otoko hervor. Er lag auf dem Bauch und getraute sich nicht auch nur eine Bewegung zu machen.
"Pass mit deiner Wortwahl auf." Doch anders als erwartet kümmerte sich Patric nicht weiter darum. Er streckte sich und legte sich bequemer hin.
"Ich sage, was ich denke, Drecksack......"
Das störte Patric aber schon. Er nahm die Zigarette aus dem Mund und drückte das glühende Ende auf Otokos Oberarm. "Wie war das?"
Otoko zuckte leicht zusammen und biss sich auf die Lippen. Verbissen unterdrückte er einen Schmerzenslaut. ".......D-dreck-sack....", presste er hervor.
"Ja? Bin ich das?" Langsam begann die Glut Otokos Haut zu verbrennen.
Mit hektischen Atemzügen zog Otoko seinen Arm weg. "....D-du bist n-nicht einmal d-diese Bezeichnung wert!"
"Du verletzt mich zutiefst." Amüsiert zog Patric wieder an seiner Zigarette.
Otoko lachte kurz auf und versuchte sich auf den Rücken zu drehen. "An dir... gibt es nichts zu v-verletzen...."
"Ja ja."
"......außer deinen mit Geld prallgefüllten Arsch..."
"Wir haben vorher doch über deinen Freund Chris geredet. Was denkst du, sollte ich ihn zu uns beiden mal herbitten, sozusagen als Dankeschön für all die netten Sachen, die du zu mir sagst?"
"Willst du ihm etwa die Freude machen und ihm zeigen, wie es ist, von einem Tattergreis gefickt zu werden....?", fragte Otoko leise strich sich über die nasse Stirn.
Wieder fing Patric an zu grinsen. Sein Stolz war wohl das einzige, was der Junge im Moment noch hatte, so verzweifelt, wie er ihn zu verteidigen versuchte. "Wieso nicht, wenn ich dir damit eine Lektion erteilen kann?"
"....Als wenn ich so ne abgebrühte, feige Lektion nötig hätte...."
"Du scheinst noch viel mehr als das nötig zu haben."
"Was?.... Noch mehr Unterricht bei Präsident Impotent?"
"Deine Beschimpfungen sind auch nicht gerade die neuesten.", antwortete Patric gelassen, obwohl ihn die Bemerkung doch ein wenig störte. //Dir stopfe ich schon noch deine große Klappe.//
"Na dann scheinst du sie ja schon öfters gehört zu haben..... Ich dachte schon, ich sei der einzige, dem deine Fehler aufgefallen sind...." Mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht richtete er seinen Kopf zur Seite. //......Verdammt, meine Schulter macht mich noch wahnsinnig.....//
"Red du nur." Gelangweilt zog Patric die Decke über sich. //Ich muss ihn nachher wieder zurückbringen... Ihm traue ich es zu, dass er versucht, mich im Schlaf umzubringen.//
Chris hatte sich noch nie so einsam und verlassen gefühlt. Er saß, seit er bei Patric Newman gewesen war, in seiner Wohnung und dachte nach. Er wusste nicht, wo er Otoko sonst noch hätte suchen können, besonders weil es jetzt schon dunkel war. Eine Möglichkeit gab es natürlich noch, Otoko konnte in einem der bekannten Drogenviertel sein, aber Chris hatte wenig Hoffnung, den anderen dort zu finden.
Verwundert blickte Chris auf, als sein Handy klingelte. Als er auf den Display schaute, erkannte er, dass ihm Michael anrief.
Sofort hob er ab. "Ja?"
"Chris? Hi! Wie geht's?"
"Bescheuert, um ehrlich zu sein." Chris hatte im Moment wirklich keine Lust, seinen Freund anzulügen. "Was gibt's?"
"Oh.... I-ich wollte nur fragen, wie es dir geht....? Was hast du denn....?"
Mit einem leisen Seufzen ließ Chris sich zurück auf sein Bett fallen. "Es wäre zu viel, um dir das alles zu erzählen. Otoko ist trotz Krankheit irgendwo hingegangen und ich mache mir Sorgen... Na ja, vielleicht unnötig..." //Wahrscheinlich bekomme ich jetzt einen abfälligen Kommentar über Otoko zu hören... //
"Oh je.... Der macht dir ja ganz schön Probleme..... Kann ich dir vielleicht beim Suchen helfen?"
"Nein, danke. Ich gehe sowieso bald zur Arbeit, dann habe ich keine Zeit."
"Du musst sogar heute arbeiten?...... Ich dachte, wir könnten etwas zusammen unternehmen...."
"Tut mir leid, ich arbeite zur Zeit noch jeden Abend. Aber ich werde versuchen meinen Chef zu überreden, dass ich weniger arbeiten muss."
"...Hm... Ok... Sag mir bescheid, wenn es soweit ist, ok?"
"Ja, mach ich. Wir sehen uns ja in der Uni. Sag Janine einen Gruß von mir, ja?" In Gedanken war Chris schon wieder auf dem Weg zur Arbeit. Heute würde es wirklich hart werden.
"Werd ich machen! Machs gut!" Und damit legte Michael auf.
Chris schloss die Augen und legte das Handy weg. //Wenn ich ihn niemals getroffen hätte, wäre ich dann glücklicher gewesen?//
Otoko hatte trotz der Kühle, die in dem Nebenzimmer herrschte, die ganze Nacht durchgeschlafen. Er war müde und erschöpft gewesen und zusätzlich machte ihm nun das wiederkommende Fieber zu schaffen. Zusammengekauert lag er in einer Ecke.
Doch es schien etwas anders zu sein, denn das Zimmer war nun ein wenig ordentlicher als gestern. Anscheinend ließ Patric Otokos Krankheit doch nicht ganz kalt. Eine Decke hatte Otoko trotzdem nicht bekommen.
Leise wimmernd wachte Otoko gegen zehn Uhr auf. Er war, wie so oft in diesen Tag, versöhnt und wusste nicht, wo er war.
Die Wunde an seiner Schulter schmerzte mehr denn je. Doch das war nicht das einzige, was Otoko weh tat. //Patric... Was hat er nur getan?//
Mit zitternden Fingern strich er über seine leicht geschwollene Wange. //.............So sehr hat mein Körper noch nie geschmerzt....... Außer, als mich Chris auf Entzug setzte.....//
Eine Flasche Wasser stand in der Nähe auf dem Boden. Offenbar wollte Patric ihn nicht tot sehen. Abfällig betrachtete Otoko sie. //...... Er braucht mich ja noch.... für etwas anderes....//
//Durst hätte ich schon.............. Aber ich mag nicht.... Sie ist zu weit weg.... Ich will nur noch hier liegen und warten...... Ich habe alles satt.....//
Schritte waren von der Tür her zu hören und einen Moment hatte Otoko wahnsinnige Angst, dass sie sich gleich öffnete. Doch nach einem kurzen Moment wurde es wieder still. Patric hatte im Moment wohl das Interesse an ihm verloren... oder zu tun. Was es auch immer war, es konnte Otoko nur recht sein.
Leise schluchzend vergrub er sein Gesicht in seinen Armen. ".......C-chris... I-ich will z-zu dir....."
Doch Chris kam nicht. Er saß im Moment in der Uni, doch auch er dachte eher an Otoko als an das, was der Professor gerade erklärte.
Michael saß neben Chris. Er hatte schon gemerkt, dass Chris nicht bei der Sache war und als er ihn ansprechen wollte, reagierte er nicht einmal. Also ließ er ihn auch in Ruhe.
Immer wieder fielen Chris die Augen zu, doch noch kämpfte er dagegen an. Er hatte in der letzten Nacht kein Auge zumachen können und sah auch dementsprechend aus.
Nun beugte sich Michael doch zu Chris hin. "Hey... Geht's dir gut?"
Verschlafen blickte Chris zu seinem Freund. War Michael überhaupt noch sein Freund? "Mir?"
"Ja.... Du siehst scheiße aus..."
Ein sarkastisches Lächeln legte sich auf Chris' Lippen. "Hab ich heute Morgen bemerkt."
Gezwungenermaßen zogen sich Michaels Mundwinkel auch nach oben. "....W-wolltest du nicht zu Hause bleiben?"
"Ich wollte, ja... Aber ich komme überhaupt nicht mehr mit, wenn ich noch mehr Vorlesungen verpasse." Doch Chris war auch klar, dass er auch nicht viel mehr mitbekam, nur weil er anwesend war.
"Du überanstrengst dich einfach total..."
Chris seufzte leise. "Ja... Ich sollte das Studium erst einmal abbrechen, glaube ich... Aber irgendwie fühle ich mich dann wie ein völliger Versager, weil ich auch sonst im Moment wirklich nichts auf die Reihe kriege..." Gelangweilt blickte Chris durch den Saal. "Ich fange an, dieses Leben zu hassen."
"Nein Chris... Du kannst doch jetzt nicht alles hinschmeißen... Ich bitte dich.... Ich habe noch ein wenig Geld auf meinem Sparkonto, ich könnte es dir leihen, bist du alles wieder im Griff hast..."
Doch Chris schüttelte den Kopf. "Nein, danke. Das muss wirklich nicht sein. Bisher habe ich meine Mutter noch nicht um Geld gebeten... Von ihr bekomme ich bestimmt etwas."
"Ja.... Mach das... Aber hör nicht mit der Uni auf..."
"Ich überleg es mir... Vielleicht mache ich auch einfach nur bis zum Ende des Semesters Pause und wiederhole dann dieses noch mal." Chris gähnte hinter vorgehaltener Hand. "Sobald Pause ist, gehe ich Heim und ins Bett."
"Ok... Ich werd dich krankmelden..."
"Danke." Eine Frage brannte Chris noch auf der Zunge, obwohl sie durch Michaels Interesse an einem Gespräch eigentlich schon beantwortet wurde. "Michael, verabscheust du mich?"
Fast ein wenig geschockt, brachte Michael erst gar kein Wort über die Lippen. "....v-verabscheuen...? S-sicher nicht! Mache ich etwa den Eindruck?"
"... Nein, ich wollte es nur sicher wissen."
".....Dann weißt du es jetzt..."
Müde nickte Chris und schloss die Augen. "Ja... Danke."
37.
Wieder waren Schritte vom Gang her zu hören. Aber dieses Mal waren sie anders, irgendwie schwerer. Und sie wurden auch nicht langsam wieder leiser, sondern hörten abrupt auf. Dann wurde die Tür geöffnet und Otoko wusste ohne hinzusehen, dass es sich um Patric handelte.
"Na, Süßer, hast du gut geschlafen?", fragte dieser mit beißendem Spott in der Stimme.
Otoko vergrub lediglich sein Gesicht tiefer in seinen Armen und blieb Patric eine Antwort schuldig. //Lass mich in Ruhe!!//
"Ich habe dir einen Vorschlag zu machen."
"....W-was für e-einen....?", fragte Otoko leise, rührte sich aber nicht von der Stelle.
Erst jetzt betrat Patric den Raum und kniete sich neben Otoko auf den Boden. "Wenn du brav bist, Kleiner, dann lasse ich dich morgen oder übermorgen gehen.... Wenn nicht, wird erst dein Freund leiden und dann... fährst du mit der Müllabfuhr raus."
//......Er hat doch gar nichts damit zu tun....// Aufschluchzend verkrampfte sich Otoko noch mehr. ".....W-wieso t-tust du m-mir d-das an........?"
"Weil du versagt hast.", war die schlichte Antwort. "Na, wirst du brav sein oder nicht?"
"....P-patric... M-mir t-tut a-alles... w-weh.... I-ich mag n-nicht mehr....."
"Wirst du brav sein?", fragte Patric nochmals, ohne auf Otokos Worte einzugehen.
"J-ja....", presste Otoko hervor.
"Gut." Der Ältere lächelte Otoko an. "Eine Sorge weniger." Er stand wieder auf. "Wenn du Hunger hast, solltest du mitkommen."
Otokos Magen schmerzte mittlerweile schon fast vor Hunger und so erhob er sich wiederwillig. Vor ihm begann sich sofort alles zu drehen und in seiner Schulter wütete ein pulsierender Schmerz. Mit einem unterdrückten Stöhnen stützte er sich an der Wand ab und ging so zur Tür.
Patric jedoch hatte keinerlei Absicht, dem anderen zu helfen, aber er ging zumindest ein bisschen langsamer.
Zwei Tage später öffnete sich die Türe von Chris' Wohnung. Chris selbst war schon im Bett. Mit schlürfenden Schritten betrat jemand das Schlafzimmer. //........Nur noch schlafen........// Sich durch die dunkle Gegend tastend fand der Eindringling endlich das Bett.
Normalerweise wäre Chris von so etwas aufgewacht, aber sein Körper brauchte den Schlaf und der war so tief, dass Chris fast nichts hätte aufwecken können. Seit Otoko nicht mehr aufgetaucht war, schlief Chris quer über das Bett gelegt und benutzte auch das Kopfkissen des anderen mit.
Als sich Otoko mit zitternden Händen über die Bettdecke tastete, fasste er dabei mitten in Chris' Gesicht. Erschocken zog er die Hand zurück.
Auch das weckte den anderen nicht.
Unsicher fuhr Otoko noch einmal über die warme Haut an Chris' Gesicht. Ihm war zum Heulen zumuten. Er war müde, hatte kaum noch die Kraft, sich auf den Beinen zu halten und nun lag Chris in einer solch unmöglichen Stellung im Bett, dass er nicht wusste, wo er noch Platz hätte finden können.
Obwohl Chris immer noch nicht wach war, reagierte er im Schlaf auf Otokos Berührungen. Er murmelte leise etwas und bewegte sich ein wenig, doch nicht genug, um Otoko genügend Platz zum Schlafen zu lassen.
".....Komm schon Chris.... Sei nicht so egoistisch.... Ich fühl mich scheiße.....", flüsterte Otoko leise und sank in die Knie.
Das allerdings half. Schlaftrunken rutschte Chris zur Seite, doch die Tatsache, dass Otoko endlich wieder da war, registrierte er gar nicht.
"........Danke...." Mit langsamen und ungelenken Bewegungen zog sich Otoko den mittlerweile schmutzigen Pullover und die Hose aus. Vorsichtig krabbelte er unter die Bettdecke. //Mir ist so kalt.....// Zitternd rutschte Otoko näher an Chris ran.
Der bekam von alledem nichts mehr mit und schief friedlich weiter.
Otoko war sofort in einen tiefen traumlosen Schlaf gesunken. Sein Fieber war wieder gestiegen, denn das Ganze hatte enorm an seinen Kräften gezerrt.
Der nächste Morgen war für Chris nur wenig besser als die davor. Er konnte zwar ausschlafen, aber das war auch der einzige Vorteil. Das Wochenende begann, aber was brachte es ihm, außer ein wenig Ruhe vor der Uni? So sehr in seine Gedanken versunken bemerkte er nicht einmal das kleine Häufchen Mensch, das sich in der Nacht an ihn gekuschelt hatte.
Erst als er eine Weile über sein derzeitiges Leben nachgedacht hatte, fiel ihm auf, dass heute Morgen etwas anders war. Als er zur Seite blickte, sah er Otoko und war sofort hellwach. //Träume ich?// Erschrocken und gleichzeitig überglücklich richtete er sich auf und wollte eben Otoko wecken, als ihm etwas einfiel. //Er hat seine Tabletten nicht bekommen...// Die Wunde an Otokos Schulter war unbedeckt und der Anblick, der sich Chris bot, war schlicht und ergreifend erschreckend. Geschockt starrte er den Jungen ein paar Sekunden einfach nur an, ehe er reagieren konnte.
Chris' ruckartiges Aufrichten entlockte Otoko ein leises Murren. Nur sehr langsam öffneten sich seine Augen ein wenig.
"O-otoko... Träume ich... oder bist du das wirklich?"
"....N-nein...... E-es ist nur Mike.....", lallte Otoko leise und blickte Chris müde an. ".....Er hat mich endlich gehen... lassen....."
//Scheiße! Was hat das zu bedeuten?// "Wer?", fragte Chris, der sich nur langsam wieder fing.
"...Patric...."
Diese Antwort ließ Chris' Blut in den Adern gefrieren. //Dieses Arschloch! Dieser elende Drecksack!!// Er zitterte leicht, aber nicht wegen der Kälte. "...Das wird er büßen..." Vorsichtig stand Chris auf. "Ich bringe dich ins Krankenhaus."
"Nein.... Lass ihn in Ruhe... Der hat zu viel Geld und Macht im Arsch.............. Und.... lass mich bitte noch ein wenig schlafen.... Ich bin so müde...."
//Nein, ich werde dafür sorgen, dass er bereut, was er getan hat.// "Aber du gehörst wirklich dahin. Du hättest gestern bei der zweiten Untersuchung sein müssen und die Tabletten hast du auch nicht genommen, schau dich doch nur einmal an." Chris zog sich hastig an und suchte dann nach Kleidung für Otoko.
Der musste sich zusammenreißen, um sich wirklich auch aufzurichten. Mit zerzausten Haaren sah er Chris bei seiner Suche zu. ".........Ich will mich nicht ansehen........ Ich fühle, wie scheiße ich aussehe...."
"Hast du starke Schmerzen?", fragte Chris und kam mit ein paar Kleidungsstücken wieder zum Bett zurück. "Leg dich kurz hin."
"Mein ganzer Körper besteht aus Schmerzen....." Otoko legte sich nur zu gerne wieder hin.
Chris zog dem anderen mit etwas Mühe die Hose an. //Mein Gott, was hat er nur mit Otoko gemacht? Wollte er ihn etwa zu Tode prügeln?//
"Sag mal Chris............... Kannst du mich... tragen...?"
"Wird schon gehen." Er zog Otoko umständlich den Pullover über, dann schnappte er sich seinen Hausschlüssel und den Geldbeutel und ging wieder zu ihm. "Also los."
Die Türe des Patientenzimmers wurde geöffnet und er Arzt trat heraus. Suchend sah er sich nach Chris um.
Der war sofort aufgestanden, als sich die Tür geöffnet hatte, und lief zu dem Arzt hin. Chris blickte den anderen Mann hoffnungsvoll an. "Und?"
"Das Fieber können wir natürlich nicht so schnell senken, aber die Prellungen und anderen Wunden sollten bald wieder in Ordnung sein.... Außerdem wird die Wunde an seiner Schulter eine hässliche Narbe geben.... Ich habe ihm ein Beruhigungsmittel gegeben... Er schläft jetzt..."
"... Also ist sein Leben nicht in Gefahr?"
"Nein..." Der Arzt schüttelte den Kopf, aber seine Mine war immer noch ernst. "...Was mich allerdings ein wenig beunruhigt, sind diese blauen Flecken und sonstigen Verletzungen an seinem Körper..... Können Sie mir sagen, woher diese stammen.....? Er scheint misshandelt worden zu sein..."
Die Erleichterung war Chris deutlich ins Gesicht geschrieben. "...Ich habe einen Verdacht... Aber mehr nicht." Er schüttelte den Kopf, damit der Arzt nicht weiter nachfragte, und seufzte.
"Na ja... Jedenfalls.... Die körperlichen Wunden sollten wieder heilen... Aber für die seelischen können wir nichts tun..."
"Ja... Sicher... Kann ich zu Otoko?"
"Ja... aber er schläft..."
"Ich würde trotzdem gerne zu ihm."
"Nur zu..." Der Arzt trat zur Seite und verabschiedete sich dann.
Dann fiel Chris etwas ein. "Einen Moment noch, Doktor."
"Ja?"
"Haben Sie schon das Ergebnis der Untersuchung, um das ich sie am Sonntag gebeten habe?"
"Oh... ja... Das habe ich ganz vergessen..." Der Arzt drehte sich um und kam wieder auf Chris zu.
Nun wurde Chris doch etwas nervös. //Wenn er jetzt auch noch Aids hat... Ich weiß nicht, ob ich das alles durchhalte.//
"Ich habe den Brief mit dem Ergebnis schon abgeschickt und er kommt wohl erst heute Mittag bei Ihnen an, deshalb habe ich es vergessen.... Also... Er ist mit dem HIV-Virus infiziert... Die Krankheit selbst ist aber noch nicht ausgebrochen..."
"... Aha......" //....Wie hätte es auch anders sein können...?// Eine seltsame Art der Trauer breitete sich in Chris aus. "... Danke."
"Sie sollten es ihm erst später sagen...", meinte der Arzt und verließ Chris dann doch.
"Werde ich." Resigniert ging Chris zu Otokos Zimmer und trat ein. Der andere lag blass wie immer da und wäre da nicht der Verband gewesen, hätte man meinen können, er würde einfach nur schlafen. //Was soll ich nur tun, Otoko?// Langsam setzte sich Chris an Otokos Bett und konnte sich nicht mehr lange beherrschen, so dass schon nach einigen Augenblicken die ersten stummen Tränen über seine Wangen liefen.
Mit einem Seufzen öffnete Otoko langsam seine Augen. Er wusste überhaupt nicht, wo er war. Es war so hell.
Chris hatte die ganze Zeit an seinem Bett gesessen und wollte den anderen nicht alleine lassen. Das Personal des Krankenhauses hatte Verständnis mit ihm, so dass er im Moment auch außerhalb der Besuchszeiten hier sein konnte. Er hatte seinen Stuhl an die Wand gestellt und döste an sie gelehnt leicht, da er noch müde von der vergangenen Woche war.
Otoko war immer noch schummrig im Kopf von dem Beruhigungsmittel. Verwirrt stellte er fest, dass seine Wunde nicht mehr so schmerzte. Langsam ließ er den Blick durch den Raum gleiten und sofort blieb er an Chris hängen. Sein Herz schlug sofort schneller. "....C-chris.....?"
Verwundert blickte der Ältere auf. "Du bist wach?" Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, als Chris näher zu Otoko rutschte. "Wie fühlst du dich?"
"...N-nicht g-ganz.... d-da.....", schluchzte Otoko und eine Träne floss über seine Wange.
//Ob er trotz des Mittels, das man ihm gespritzt hat, Schmerzen hat?// Sanft strich Chris Otoko die Träne weg. "Es ist vorbei, Otoko. Dieser Patric wird dir nichts mehr tun."
"W-wie b-bin i-ich r-raus g-gekommen....?"
"Ich weiß es nicht. Du warst heute Morgen einfach da." Chris' Hand ruhte immer noch nahe an Otokos Wange. Die unnatürliche Hitze, die vom Fieber kam, war gut zu spüren. "Ich hab dich so sehr vermisst."
"I-ich dich a-auch.... I-ich hatte s-solche A-angst...." Schwach griff Otoko nach Chris' Hand.
Chris war unsicher, was er machen sollte. Am liebsten hätte er Otoko umarmt und nie mehr losgelassen, aber das würde diesen mit Sicherheit verletzen. "Es tut mir so leid, dass ich dich nicht gefunden habe."
"E-es i-ist nicht d-deine Schuld... I-ich h-hätte d-den U-Umschlag n-nicht v-verlieren s-sollen..."
Doch Chris schüttelte den Kopf. "Dieser Idiot, auch wenn ich ihn nicht kenne, hat überreagiert. Das hätte er nicht tun sollen, egal ob du etwas verloren hast oder nicht. Du wirst nie wieder zu ihm gehen, ok?"
"N-nein... I-ich will i-ihn n-nie wieder s-sehen..."
Erleichtert sah Chris Otoko an. "... Otoko... Darf ich dich küssen?"
Ein scheues Lächeln erschien auf Otokos Lippen. "....Hai...."
"Danke." Chris beugte über das Bett zu Otoko und stütze sich mit der Hand ab, während er vorsichtig Otokos Lippen mit seinen bedeckte.
Der schloss sofort die Augen und genoss Chris' Berührung. //Ich hatte solche Sehnsucht nach dir....//
Chris ging es genauso. Er spürte dieses leichte Kribbeln im Bauch, das auch bei seinen ersten Küssen mit Otoko gespürt hatte, stärker denn je. //Ich hab gar nicht bemerkt, wie sehr ich dich vermisst habe.//
Sanft legte Otoko seine Hand in Chris' Nacken. Seine Lippen bewegte er was unmerklich gegen die seines Freundes.
Nach nur wenigen, aber scheinbar ewig langen Sekunden löste sich Chris wieder leicht von Otoko, doch er blieb über ihn gebeugt. "Ich liebe dich...", hauchte er lächelnd.
"D-danke... C-chris.... D-du hast m-mir s-so gefehlt.."
"Du mir auch, Otoko. Du mir auch."
Zwei Stunden später verließ Chris Otokos Zimmer wieder. Erst wollte er sofort das Krankenhaus verlassen, doch dann fiel ihm ein, dass er ja noch Neal besuchen konnte. //Eigentlich ist keine Besuchszeit... Aber bei Otoko durfte ich ja auch bleiben.// Neal lag nur einen Stock über dem, in dem Chris sich derzeit befand, also lief er schnell die Treppe nach oben und war gleich darauf bei seinem Bruder im Zimmer.
Die Maschinen verbargen den Körper von Chris' Bruder fast vollständig und das Piepsen zerrte schon jetzt an dessen Nerven. Trotzdem kehrte Chris nicht um.
//Was ist, wenn er überhaupt nicht mehr aufwacht? Wenn er für immer so bleibt, bis er stirbt?// Obwohl die letzten zwei Stunden für Chris die schönsten seit mindestens einer Woche gewesen waren, fühlte er sich jetzt wieder miserabel. Sicher war Neal ein Idiot gewesen, aber er hatte es nicht verdient, so zu enden. "Wieso wachst du nicht auf? Willst du etwa nicht?", fragte er den anderen leise, ohne eine Antwort zu erwarten, während er sich einen Stuhl holte und sich neben Neals Bett setzte.
Er zuckte regelrecht zusammen, als eine raue, krächzende Stimme antwortete. "...Bei solchen... Kopfschmerzen... würdest du auch... schlafen wollen...."
Verwirrt starrte Chris seinen Bruder an. "W-was? Neal?" Hatte er sich das etwa eingebildet oder hatte Neal wirklich etwas gesagt?
Mit halb geöffneten, trüben Augen blickte ihn sein Bruder an. "....Chris.... Was ist passiert......?"
"Du bist zusammengeschlagen worden..." Völlig überrascht wusste Chris nicht, was er tun sollte, außer Neals Fragen zu beantworten. "Und jetzt bist du im Krankenhaus."
Nun schloss Neal seine Augen wieder. "....Uh... stimmt.... scheiße...."
Chris musste einen Moment suchen, bis er den Notfallknopf an der Wand fand und ihn drückte. Er hatte keine Ahnung, was genau man tun musste, wenn jemand aus dem Koma erwachte, also hielt er es für besser, eine Fachkraft zu holen. "Wie fühlst du dich?"
"......Scheiße... wie... Pudding....", bemerkte Neal und versuchte die Hand zu heben. ".....Und wie ein Schwächling..."
Ein leichtes Lächeln legte sich auf Chris' Lippen. "Das dürfte normal sein, in so einer Situation."
Erst jetzt begann Neal zu realisieren, dass um ihn herum eine riesige Gerätschaft aufgebaut war. ".....Was.... was ist das hier alles....?"
"Ich weiß nicht genau..." Ehe Chris weitersprechen konnte, wurde die Tür geöffnet und eine Krankenschwester kam mit einem Arzt herein.
"Was ist passiert?", fragte die Krankenschwester, als sie Chris entdeckte.
"Er ist aufgewacht, ich dachte, das sollten Sie wissen."
Der Arzt ging sofort zu Neal an das Bett und beäugte erst die Monitore und dann Neal. Die Schwester jedoch ging auf Chris zu und bat ihn, den Raum zu verlassen, da sie erst ein paar Tests mit Neal durchzuführen hatten, um zu sehen, wie stabil sein Zustand im Moment war.
Es fiel Chris zwar schwer, aber nach einem kurzen Zögern und einem letzten Blick auf Neal verließ er den Raum. Da es in diesem Gang keine Sitzgelegenheiten gab, setzte sich Chris an die Wand gelehnt auf dem Boden. //Vielleicht geht es jetzt endlich wieder bergauf.//
Nach einer geschlagenen Stunde öffnete sich die Türe wieder und die Schwester kam heraus. Sie hatte ein warmes Lächeln auf den Lippen. "Ihr Bruder möchte Sie jetzt sehen..."
"Danke." Sofort sprang Chris auf und hastete an der Schwester vorbei in das Krankenzimmer.
Der Arzt versperrte ihm allerdings noch kurz den Weg. "Wenn er jetzt wach ist, sollte er ein wenig normale Nahrung zu sich nehmen... Werden Sie Ihren Bruder ein wenig dabei behilflich sein.?"
"Sicher." Chris drückte sich an dem Arzt vorbei. Neal sah nicht anders aus als vorher, als er das Zimmer verlassen hatte, aber trotzdem freute er sich darüber. "Und?", fragte er Neal, als er sich wieder zu seinem Bruder setzte.
"........Mein Kopf schmerzt schlimmer als vorher..... Ich... weiß nicht mehr alles,... was sie gesagt haben... Uhm... Chris... Wieso bist du schon wieder aus dem Gefängnis raus?.... Ich dachte, das geht noch vier Tage...."
"Das war vor fast zwei Monaten, Neal. Du warst ziemlich lange weg.", erklärte Chris.
Ungläubig starrte ihn Neals Augenpaar an. "....Z-zwei Monate?!.... S-Scheiße! Ich will die Schule nicht wiederholen müssen!"
"Na selbst wenn, so schlimm ist das doch auch nicht. Du bist wieder unter den Lebenden, das ist viel wichtiger."
"Uhm..... D-das stimmt schon.... aber... Na egal....... Wann kann ich nach Hause?"
"Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass die dich so schnell gehen lassen. Du bist zum einen viel zu schwach und außerdem werden sie dich noch beobachten müssen." Dann fiel Chris etwas ein. "Ich ruf eben Mum an, damit sie hier herkommt." Schnell zog Chris sein Handy raus und tippte die Nummer ein.
"Ok... Sagst du es Dad auch....?", fragte Neal leise.
"Ich kann versuchen, ihn zu erreichen.", antwortete Chris und wich damit der Frage aus, ob ihr Vater überhaupt kommen wollen würde. Kurze Zeit später waren die zwei Telefongespräche erledigt.
"......Kommen sie....?"
"Mum wird bald da sein, sie fährt sofort los.... Dad hat zu tun, er will es aber nachholen, hat er gesagt." //Wahrscheinlich wartet er, bis er sich sicher sein kann, dass ich weg bin.//
"Gut.... Wie geht es dir eigentlich, Chris....?"
"Mir?" Chris seufzte. "Na ja... Jetzt wird es wohl wieder gehen, aber vorher war es das absolute Chaos."
"...Wegen mir....?"
Kopfschütteln. "Nein. Natürlich hat es mich mitgenommen, aber... Ich wohne nicht mehr daheim... Es ist sehr viel passiert..."
Mit großen, kindlichen Augen bat Neal seinen Bruder, ihm alles zu erzählen. Er hatte keine Ahnung, was alles passiert sein könnte.
"Ich weiß nicht, ob du das wirklich alles hören willst... Ich wohne mit Otoko zusammen..."
"....................................... Das ist ein Witz, oder?"
"Er ist kein so übler Kerl, wenn man ihn erst mal kennenlernt." Einerseits wollte Chris seinen Bruder nicht in diesem Zustand so sehr schocken, doch andererseits hatte Neal das Recht, zu erfahren, was los war. "Ich denke, ich liebe ihn, Neal."
Nun brach Neal in schwaches Lachen aus. "....Du spinnst doch!....Das kann nicht sein! Chris! Hör auf, mich zu verarschen!"
"Reg dich nicht auf, Neal. Das ist nicht gut für dich." Chris nahm die schwache Hand des anderen und versuchte ihn so etwas zu beruhigen. "Es ist klar, dass dir das nicht gefällt, aber es ist eben so. Was glaubst du, warum ich ausgezogen bin?"
Neals sonst schon blasse Haut wurde noch einen Ton heller. ".....D-du... meinst das ernst, ja......?"
"Sieh es doch positiv, du kannst jetzt mein Zimmer verwüsten, wie es dir Spaß macht. Und niemand wird sich mehr aufregen, wenn du und Diana zu laut seid. Sie hat sich übrigens wahnsinnige Sorgen gemacht."
Das war Neal nun wirklich zu viel. "...D-diana...?!", fragte er hysterisch, "Was interessiert mich Diana?! Scheiße! Mein Bruder ist in einen Drogenabhängigen verknallt!!"
"Beruhig dich, Neal. Er ist inzwischen clean." //Hoffe ich.//
"......Scheiße! Wie kannst du nur so naiv sein?!"
"Wenn es dir wieder gut geht, dann kannst du mir die ganze Zeit Vorwürfe machen, wenn es dich glücklich macht, aber jetzt solltest du das wirklich nicht tun. Außerdem hat der Arzt gesagt, ich soll dir was zu essen geben.", versuchte Chris nochmals das Thema zu wechseln.
"Scheiß auf das Essen..... Mir ist der Appetit vergangen.....", murmelte Neal und blickte zur Seite.
"Es tut mir ja leid, aber es ist nun mal passiert.... Wenn du willst, dann gehe ich, auch wenn ich es eigentlich nicht will."
"......Nein..... Bleib ruhig......"
Erleichtert blieb Chris sitzen. "Er liegt auch hier im Krankenhaus... Blutvergiftung..."
//........Geschieht ihm re-........// Seufzend schloss Neal die Augen. "......Verlang nicht von mir, dass ich ihn jemals mögen werde...."
"Hätte ich nicht erwartet." Nachdenklich blickte Chris auf das Tablett, auf dem lediglich ein Jogurt stand. "Du solltest wirklich etwas essen."
"Ja, ja.... Ist ja schon gut.... Was gibt's denn...?"
"Jogurt."
".........Ruf Ma an, sie soll mir was Anständiges mitbringen..."
"Ich weiß nicht, ob du das schon verträgst. Du solltest lieber das hier essen."
Schmollend blickte Neal zum dem Jogurt. "....Wenn's denn sein muss...."
"Danke."
38.
Mit vor Scham geröteten Wangen ließ sich Neal von Chris den letzten Löffel Jogurt in den Mund schieben, als Juliette ins Zimmer trat. Sie war blass und ihr Haar zerzaust, aber als sie in Neals offene Augen blickte, begann sie zu strahlen und Tränen stiegen ihr in die Augen. "Neal.... Oh mein Gott du bist endlich aufgewacht... Danke!"
//Ich hab sie schon lange nicht mehr so glücklich gesehen... Nach all den Sorgen, die ich ihr bereitet habe.// Chris versuchte ebenfalls zu lächeln, doch es gelang ihm nicht wirklich.
"Hi Ma..." Mehr konnte Neal nicht sagen, denn seine Mutter schloss ihn gleich darauf so fest in die Arme, dass ihm fast die Luft wegblieb.
Irgendwie fühlte Chris sich fehl am Platz. //Ich passe nicht mehr in diese Familie...// Stumm betrachtete er Neal und seine Mutter.
"Wie geht es dir, Junge?", fragte Juliette aufgeregt und schluchzend, während sie Neal durch die Haare strich.
"...Ich fühl mich noch ein wenig schwach.... und... na ja... Ich hab noch Kopfschmerzen..."
//Ich sollte gehen. Mum passt jetzt auf Neal auf und ich sollte endlich etwas essen.// Chris stand auf. "Sorry Neal, aber ich hab noch zu tun. Ma ist ja jetzt bei dir."
Nun hob Juliette ihren Kopf und sah Chris an. "Musst du denn schon gehen...?", fragte sie traurig.
Langsam setzte sich Chris wieder, obwohl er sich unbehaglich fühlte. "Lange kann ich nicht mehr bleiben."
"Wo musst du denn hin...?" Sanft strich Juliette Neal über den Kopf und küsste ihn auf die Stirn.
"Irgendwo hin, wo es etwas zu essen gibt." Eigenartigerweise war Chris schon fast neidisch auf Neal, dass er so von seiner Mutter umsorgt wurde. //Das ist jetzt aber wirklich kindisch.//
"Dann kannst du danach ja wieder kommen." Lächelnd löst sich Juliette von Neal und ging auf Chris zu. "Ich bin so froh, euch beide wieder zu haben....", sagte sie leise und schloss Chris in ihre Arme.
Doch auch jetzt fühlte sich Chris kaum besser. //Die menschliche Psyche ist absolut seltsam.// Dieser Gedanke brachte ihn wieder zum Grinsen. //Sonst hätte ich nichts zum Studieren.// "Ist gut, danach komme ich zurück."
"Schön! Dann guten Appetit..." Lächelnd ging sie wieder zurück zu Neal.
Chris dagegen stand wieder auf und verließ den Raum.
"Du darfst wieder raus?", fragte Chris nach, als Otoko ihm eben erklärt hatte, dass er das Krankenhaus verlassen durfte.
Dieser nickte leicht lächelnd und umarmte Chris. ".....Ja... ich möchte endlich wieder zurück..."
"Die Woche hier war ja auch lang genug." Inzwischen sah Otoko auch wieder merklich besser aus. "Dann lass uns gleich gehen, ja?"
"Ja.... Ähm... Jetzt muss ich mir wohl 'nen neuen Job suchen, was....?"
"Erst einmal nein. Du solltest dich immer noch schonen und außerdem arbeite ich ja auch noch." Sanft löste sich Chris aus der Umarmung und sah sich nach Otokos Kleidung um. //Wenn ich gewusst hätte, dass er entlassen wird, hätte ich ihm etwas Sauberes mitgebracht.//
"W-was ist.....?" Otoko folgte Chris Blick, wusste aber nicht, was der wollte.
"Ich sehe deine Kleidung nirgendwo."
"A-ach so... D-die war so k-kaputt, d-dass sie s-sie e-entsorgt haben..."
"....Aber du kannst doch nicht mit diesem Krankenhausnachthemd Bus fahren."
"J-ja... S-sie haben mir w-was anderes g-gegeben....", stammelte Otoko und holte die Kleidung raus. Er begann sofort, sich umzuziehen und zum Schluss sah er in den neuen Kleidern wie ein Schuljunge aus.
Der Anblick brachte Chris zum Grinsen. "Wirklich süß."
"F-findest du?" Otokos Wangen röteten sich.
Zur Bestätigung nickte Chris. "Jep."
"G-gehen wir j-jetzt?"
"Ja." Doch bevor sie das Zimmer verließen, zog Chris Otoko zu sich und küsste ihn kurz. "Ich liebe dich.", hauchte er lächelnd.
Otoko war dem Kuss sofort verfallen und schloss die Augen, während er sich gegen Chris sinken ließ.
Chris ließ seinen Freund auch dann nicht los, als er den Kuss wieder beendet hatte. "Ich bin froh, dass es dir wieder gut geht."
"....A-arigatou....", hauchte Otoko leise und trat ein wenig zurück, um wieder richtig zu stehen.
"Hab ich dir gesagt, dass Neal wieder aufgewacht ist?", fragte Chris, während er mit Otoko den Gang entlang lief.
"N-nein..." Überrascht sah Otoko Chris an. "Wirklich?"
"Ja. Vor einer Woche war ich bei ihm, nachdem ich bei dir gewesen bin. Und da hat er plötzlich geantwortet, als ich ihn etwas gefragt habe. Es geht im inzwischen wieder recht gut.", erzählte Chris mit einer gewissen Heiterkeit, wie er sie schon lange nicht mehr gezeigt hatte.
"S-schön..." Nun auch zufrieden Lächelnd kuschelte sich Otoko an Chris.
Die Busfahrt verlief relativ ereignislos und Chris war froh, als sie wieder in der Wohnung waren. "Sag mal, Otoko. Was ist jetzt mit diesem Patric?"
Ein kalten Schauer ließ Otoko erzittern. "...I-ich weiss nicht...."
//Dieser Bastard darf nicht einfach ungeschoren davon kommen, aber was kann ich schon machen?// "Na ja, lassen wir das Thema lieber." Chris ließ sich auf das Bett fallen und schloss die Augen. //Mir fällt schon etwas ein.//
"F-finde ich auch...", flüsterte Otoko und setzte sich neben Chris. ".....W-wieviel k-kostet d-der Krankenh-hausaufendhalt?"
"...Ich hab es bezahlt... Du brauchst dich darum nicht zu kümmern." //Es wird ne Weile dauern, bis ich Mum das ganze Geld wieder zurückgezahlt habe.//
"A-aber d-du k-kannst doch n-nicht immer für mich zahlen..."
"Noch geht es."
Sanft strich Otoko durch Chris' Haare. "....Danke..."
Chris zog seinen Freund ein wenig zu sich. "Otoko... Sind deine Wunden verheilt?"
"J-ja... W-wieso...?"
"Sie haben gesagt, dass du misshandelt worden bist.", antwortete Chris.
Stumm senkte Otoko den Kopf. Er zog seine Hand zurück und atmete tief ein.
"Tut mir leid." Chris richtete sich wieder auf und legte vorsichtig die Arme um Otoko. "Ich lasse das Thema lieber."
"N-nein... D-das ist e-es nicht.... I-ich weiss n-nur nicht,... w-was ich s-sagen s-soll.... i-ich h-habe d-davon nicht so viel m-mitbekommen...."
"Das ist doch umso besser." //Dann war es wohl Mike, der das meiste ertragen musste.//
"....V-vielleicht.... A-aber.... E-es ist k-komisch.... I-irgendwie f-fühle ich mich trotzdem schmutzig..."
"Das solltest du nicht. Es ist nicht deine Schuld."
Otoko entgegnete nichts mehr und kuschelte sich einfach an Chris.
//Er wird es büßen, auf jeden Fall.//
Frisch geduscht tapste Otoko mit noch nassen Haaren ins Schlafzimmer. Er hatte nur ein Handtuch um seine Hüften geschlungen und suchte nun nach seinem Schlafanzug.
"Otoko?", kam es leise vom Bett, auf dem Chris halb dösend lag.
"H-hai....?" Verwundert drehte Otoko den Kopf zu Chris.
"...Komm mal her..."
"W-was ist denn....?" Otoko ging auf den Älteren zu und musste ein Stück über das Bett krabbeln.
Als Otoko bei ihm war, streckte Chris den Arm nach seinem Freund aus und zog ihn auf sich. "Ich hab dich so sehr vermisst, Otoko.", meinte er leise.
"I-ich... ich d-dich auch...", stotterte Otoko und sah zu seinem Schlafanzug. "...I-ich w-wollte mich gerade anziehen...."
"Wieso?" Doch anstatt auf eine Antwort zu warten, verschloss Chris Otokos Mund mit seinem, während er beide Arme um ihn legte.
Otoko schloss die Augen und vertiefte den Kuss sofort. Als er sich leicht von Chris löste, hauchte er leise "...Du lässt mir wohl keine Schonzeit, was....?"
"Inwiefern?", fragte Chris, während er Otoko verträumt ansah.
"...Gerade erst aus dem Krankenhaus raus und schon willst du wieder mit mir spielen..."
"Wieso spielen?" Chris ließ Otoko wieder lockerer und gähnte.
"Nur so...." Otoko beugte sich runter und hauchte Chris einen Kuss auf den Mund.
Welchen Chris nur zu gerne erwiderte.
Sanft strich Otoko über Chris' Brust. Seine schlanken Hände kreisten aufreizend um Chris' Brustwarzen.
Nun wurde Chris aber doch etwas stutzig. //Das ist doch nicht Otoko...// Vorsichtig drückte er den anderen etwas weg. "Mike?"
"Ja....", hauchte dieser leise und küsste Chris' Kinn.
//Ich hab schon wieder übertrieben...// Chris seufzte leise auf. "Ich wollte dich nur küssen... Nicht mehr..." //Ich sollte mich damit abfinden, dass ich Otoko nicht zu nahe kommen darf.//
"....Nur küssen.... Ok... Sorry..." Otoko hob die Hand und strich nun sanft über Chris' Wange. "...Ist mir nur recht...."
Dieser Kommentar überraschte Chris zwar ein wenig, aber er beruhigte ihn auch. Zögernd legte er einen Arm in Otokos Nacken und zog ihn das letzte Stück zu sich herunter, so dass die Lippen des anderen wieder auf seine trafen.
Otoko begann leise zu schnurren und schmiegte sich an Chris' Körper. Das Tuch um seine Hüften verlor langsam aber sicher den Halt.
Chris stockte, als er bemerkte, wie das Tuch sich nun endgültig von dem schlanken Körper löste. Bei Otoko hätte es ihn nicht gestört, aber Mike machte ihn so nervöser denn je. Und so beendete er den kurzen Kuss schneller, als er es gewollt hatte.
Doch Otoko ließ nicht locker. Sogleich fing er Chris' Lippen wieder mit den seinen ein und saugte sanft daran.
Der Ältere fühlte sich hilfloser denn je. //Wieso muss er nur so sexy sein? Und wieso muss er in jedem kleinen Kuss eine Aufforderung zum Sex sehen?// Doch wieder einmal stoppten alle Gedanken daran, sich zu wehren, bevor Chris sie zu Ende gedacht hatte.
Hauchzart fuhr Otoko mit seiner Zunge über Chris' Lippen. Langsam öffnete er die Augen und funkelte ihn mit seinen eisigblauen Augen an.
"...I-ich muss noch duschen...", stammelte Chris. Er könnte sich über sich selbst aufregen. Wieso benahm er sich Mike gegenüber wie der letzte Idiot?
Otoko musste er ein paar mal blinzeln, bis er sich zu Seite drehte und seufzte. "Das trifft sich gut... Ich hab sowieso Kopfschmerzen..."
"Soll ich dir ne Tablette bringen?", fragte Chris, dankbar darüber, dass er wieder etwas Abstand zu Otoko hatte.
"Nee... Das wird schon wieder...", meinte Otoko und kuschelte sich, wie Gott ihn schuf, in die Decke.
"Wie du willst." Erleichtert verzog sich Chris ins Bad. //Ich muss wirklich mehr aufpassen, was ich tue.//
Als Otoko wieder aufwachte, war er immer noch in die Decke gekuschelt, so dass Chris überhaupt nichts mehr davon hatte. Schuldbewusst strampelte Otoko sich die Decke vom Leib und guckte ein wenig doof, als er ganz nackt war. //........Schon wieder....??// Seufzend erhob er sich und zog sich notdürftig an.
Obwohl Chris die ganze Nacht ohne Decke verbracht hatte, schlief er tief und fest. Er lag zusammengerollt auf der Seite und sah dabei aus, wie ein kleines Kind.
Der Anblick entlockte Otoko ein warmes Lächeln. Er beugte sich runter und küsste Chris sanft auf die Lippen. //....Ich liebe dich...// Dann unterbrach ein Rumoren in Otokos Bauch dessen Gedanken und er schlich schnell in die Küche.
Doch gerade, als er den Kühlschrank öffnen wollte, fiel sein Blick auf einen Umschlag, der ein wenig versteckt unter einem von Chris' Büchern lag. Normalerweise hätte Otoko Chris' Post in Ruhe gelassen, aber auf dem Umschlag befand sich das Abzeichen des Krankenhauses, in dem er gelegen hatte. Wieso bekam Chris Post von dem Krankenhaus?
War es etwa eine Rechnung? Als er den Brief von den Büchern herauszog, zuckte er fast ein wenig zusammen, denn auf den Umschlag stand sein Name. Der Brief war gar nicht für Chris, sondern für ihn. Ein wenig verwirrt und doch erfreut, mal einen Brief, der an ihn gerichtet war, öffnen zu können, riss er den Umschlag auf und entblätterte das Papier.
Otoko hatte einige Mühe, die schwer verständlichen Zeilen zu begreifen, doch die Hauptaussage verstand er sehr wohl. Man hatte sein Blut einem Aidstest unterzogen und der war positiv ausgefallen... Er hatte Aids.
Ungläubig starrte er auf das weiße Blatt. In seinen Ohren rauschte das kranke Blut und ihm wurde übel. Er fühlte sich, als wenn ihm Patric erneut gegen den Magen getreten hätte. Mit Mühe und Not torkelte er zu einem Stuhl und ließ sich darauf nieder.
//A-aber... Wieso dieser Test? ...Warum?// Heiße Tränen traten aus seinen aufgerissenen Augen, ohne dass er es wirklich bemerkte. Otoko verstand die Welt nicht mehr.
//Das ist ein Witz, oder? Das ist ein verdammter Alptraum!!// Auf einmal stieg eine unglaubliche Wut in Otoko hoch und er zerriss schluchzend den Brief, in der Hoffnung, die ganze Sache damit mitzuzerreißen.
Die weißen Papierfetzen segelten langsam durch die Luft in Richtung Boden. Weiß... weiß und unschuldig. Das passte überhaupt nicht zu der schlechten Nachricht, die auf ihnen geschrieben stand. Diese verdammten weißen Fetzen verhöhnten ihn, lachten ihn aus. Voller Wut trat er nach ihnen, aber das half auch nichts.
"D-das stimmt nicht! D-das kann n-nicht sein!! I-ihr lügt!!" Mit blinder Wut schlug er mit seinen Fäusten auf den Boden. Er wollte aufwachen, er wollte, dass Chris ihn endlich weckte. "CHRIS!!! WECK MICH AUF!!! BITTE!!"
Verwirrt richtete sich Chris im Bett auf, hatte keine Ahnung, warum Otoko so rumschrie. Etwas schlaftrunken stand er auf und ging in die Küche, aus der der Lärm kam. "Was ist denn los?"
Otoko schlug immer noch wie wild auf den Boden. "W-weck mich auf!!! I-ich will nicht krank sein!!!"
Obwohl er gerade erst aufgewacht war, hatte Chris den Tisch relativ schnell umrundet und legte dem Arme um Otoko. "Hey, ganz ruhig. Was ist denn los?"
Als Otoko richtig realisierte, dass dies doch kein Traum war, drehte sich ihm der Magen um. Er riss sich von Chris los und würgte.
Nachdem Otoko ins Bad verschwunden war, entdeckte Chris die Papierfetzen und erkannte den Brief des Arztes wieder. //Scheiße... Ich wollte es ihm doch schonend beibringen...// Sofort hastete er Otoko hinterher. //Abgeschlossen.// "Hey, Otoko... Lass mich rein... Bitte..."
Doch Otoko nahm Chris' Stimme gar nicht mehr richtig war. //...D-das ist jetzt die Strafe! Das ist die Strafe für meinen Mord!// Schluchzend hing Otoko über dem Waschbecken. Als er den Kopf ein wenig hob, blickte er in sein eigenes Gesicht, sah seine Tränen. "Ich hasse dich!!!!" Er hob den Arm und schlug so fest zu, dass der Spiegel in tausend kleine Splitter zerbrach.
//Scheiße, scheiße, scheiße!!!// Voller Angst, dass Otoko sich in seiner Wut selbst verletzen würde, wenn er das nicht schon getan hatte, nahm Chris Anlauf und rammte sich mit seiner Schulter gegen die Tür. Einen Vorteil hatte es, in einer relativ alten Wohnung zu leben. Die Tür würde eine solche Behandlung nicht lange durchstehen. "Otoko, bitte lass das! Mach die Tür auf!", rief er, während er weiterhin versuchte, die Tür mit Gewalt zu öffnen.
"Nein!!! L-lass mich in R-ruhe!!!" Schluchzend sank Otoko in die Knie. Sein Arm war mit vielen kleinen Wunden gespickt.
Dann endlich, bei seinem fünften Versuch, gab die Tür nach. Das Holz splitterte und Chris fiel beinahe auf Otoko, als er so plötzlich seinen Halt verlor. "Otoko!" Sofort umarmte er seinen Freund. "Verdammt, was machst du für einen Scheiß?"
Sofort begann Otoko wieder zu schreien. Er drückte Chris mit ganzer Kraft von sich. "F-fass mich nicht an!! I-ich habe Aids! Ich bin krank!!"
Doch der umarmte Otoko nur noch fester. "Das weiß ich doch, Otoko. Aber das ist nicht das Ende der Welt."
Sofort wurde Otoko ein wenig ruhiger. ".....E-es ist m-meine S-strafe.... J-jetzt w-wo ich s-sie nicht m-mehr w-will...."
Chris strich Otoko beruhigend über den Rücken und bemerkte gar nicht, dass er mit seinem Freund mitten in dem Scherbenhaufen saß. "Wir stehen das zusammen durch, Otoko... Es ist nun mal so und lässt sich nicht ändern, aber es hätte auch schlimmer kommen können."
"N-nein... L-lass mich los!..... I-ich will nicht mehr..... Bitte...."
Nur langsam kam Chris dieser Bitte nach. "Otoko... Du solltest dich wirklich erst einmal beruhigen..."
"W-wieso beruhigen?!", fragte Otoko hysterisch und verkrampfte seine Finger in seinen Armen.
"Weil du nicht mehr klar denken kannst." Erst jetzt sah Chris Otokos Wunden an seinem Arm. "Ich sollte dir das erst einmal verbinden."
"Nein!!" Sofort schlug Otoko Chris' Hand weg. "Fass mein Gift nicht an!! Ich will nicht a-auch noch an deinem T-tod schuld sein!!"
"Dann mach es eben selbst, aber ich will nicht zusehen müssen, wie dir das Blut langsam am Arm herunterläuft." Der Ältere stand auf und suchte im Badezimmerschrank nach Verbandsmaterial.
Ein leises Kichern war von Otoko zu hören. "....W-wieso... nicht....? ...Es hat doch so eine sch-schöne Farbe..."
"Hör auf, Otoko." Chris hatte zwar nur ein paar Pflaster gefunden, aber die würden schon reichen. Er nahm noch etwas Klopapier, dann wandte er sich wieder Otoko zu. "Komm schon, wisch es weg. Sonst mache ich es."
"Lass e-es sein, Chris.... N-nenn mich feige...... Sag a-alles, was du i-immer sagen w-wolltest...... I-ich will nicht mehr...."
"Hey, das kann doch nicht dein Ernst sein..." Vorsichtig begann Chris nun, Otokos Blut wegzutupfen. "Wenn du dich beruhigt hast, wirst du wieder anders denken."
Mit einer schnellen Bewegung packte Otoko Chris' Hände. Er sah Chris so tief mit seinen klaren Augen an, dass der seinen Blick nicht mehr abwenden konnte. "Nein Chris... Ich kann n-nicht glücklich werden, auch durch dich nicht.... O-obwohl du mir deine Liebe schenkst.... I-ich kann n-nicht mehr..."
Ungläubig schüttelte Chris den Kopf. "Nein... Das sagst du nur so, weil du dich mit der Situation überfordert fühlst... Später wirst du es wieder anders sehen..."
"...Chris... Ich will kein später......"
Wie in Zeitlupe ließ Chris seine Schultern hängen und sank langsam in sich zusammen. Der Gedanke, Otoko zu verlieren, war für ihn unerträglich.
Otokos Körper begann wieder stärker zu zittern. ".....I-ich habe lange genug k-krampfhaft versucht,... d-das Ganze p-positiv z-zu sehen..... A-aber j-jetzt k-kann ich nicht mehr....."
"...Dann... ist deine Entscheidung vielleicht die Richtige...", antwortete Chris schließlich mit tiefer Verbitterung in der Stimme.
Langsam beugte sich Otoko vor und hob die Hand. Sanft strich er über Chris' Wange. ".....Chris... Lass mich durch d-deine Hände sterben... Sei mein Erlöser...", hauchte er leise und lehnte die Stirn an Chris'.
Eine dicke Träne rollte über Chris' Wange. "...Aber ich liebe dich doch..."
"W-wenn du mich liebst.... Dann tu es für mich.... Bitte....", winselte Otoko und schmiegte sich an Chris' Körper.
Leise schluchzend legte Chris die Arme um Otoko. "...I-ich kann das nicht..."
"...Wieso nicht....?"
"...Weil ich dir nicht weh tun will..."
//Du tust mir doch weh, wenn du mich am Leben halten willst....//
Langsam hörte Chris' Schluchzen wieder auf. "... Du lässt dich nicht mehr davon abbringen?", fragte er fast lautlos.
"....I-ich werde n-niemals r-richtig g-glücklich werden können....."
//Ich auch nicht... ohne dich...// "... Wahrscheinlich nicht..." Zögerlich ließ Chris Otoko wieder los.
Der sank sofort in sich zusammen und sah aus wie ein Häufchen Elend.
Äußerlich wirkte Chris ganz ruhig, doch innerlich sah es ganz anders aus. //Ich kann das nicht machen. Wie sollte ich das anstellen? Außerdem will ich es nicht, selbst wenn er dadurch nicht mehr leiden muss. Ich kann ihm doch nicht einfach ein Messer irgendwo rein rammen.//
Mit kaum wahrzunehmenden Bewegungen griff Otoko nach einer Scherbe des gebrochenen Spiegels.
Verzweifelt schloss Chris die Augen. //Das ist doch nur ein schlechter Traum... Es kann nichts anderes sein...//
Mit ausdruckslosem Gesicht schnitt sich Otoko in seinen Arm. "......Es tut n-nicht einmal weh...."
"Bitte lass es ein Traum sein...", wimmerte Chris leise.
"..........V-vielleicht ist es ja einer.... U-und wenn ich endlich tot bin, kann ich d-daraus aufwachen..... Und mir dir glücklich sein....."
"Ich werde niemals glücklich sein können... ohne dich..." Mit neuen Tränen in den Augen sah Chris zu, wie Otoko weiterhin in seinen Arm schnitt, ohne ihn aufzuhalten.
Otokos Blut hatte dessen Hose schon dunkelrot gefärbt. Er schnitt sich ein letztes Mal in den Arm und ließ dann die Scherbe sinken. "...........Sayonara...."
Ein Zwischending zwischen einem sarkastischen Lachen und einem Schluchzen verließ Chris' Kehle. "...Das kann doch nicht wahr sein... Das ist nur ein verrückter Traum... Mehr nicht..."
"...........W-willst du dich nicht.... von mir verabschieden....?", fragte Otoko leise und lehnte sich an die kalte Wand.
Einen Moment lang reagierte Chris überhaupt nicht auf Otokos Worte. Doch dann kroch er auf Händen und Füßen zu seinem Freund, ohne zu beachten, dass er sich dabei an den Spiegelscherben die Hände aufschnitt. "...Wenn du schon gehen musst, ... dann versprich mir wenigstens, dass du mich nicht vergisst.... Egal, wohin du gehst..."
Ein sanftes Lächeln erschien auf Otokos Lippen. "....Ich werde dich niemals vergessen können....", flüsterte er und keuchte kurz darauf auf. "....L-lass mich durch... deine Hände sterben...."
Chris warf einen flüchtigen Blick auf Otokos immer noch stark blutendes Handgelenk, dann sah er wieder hoch, in Otokos Augen. "I-ich liebe dich... von ganzem Herzen...", hauchte er, dann senkte er seine Lippen zu einem letzten Kuss auf Otokos. Während des Kusses tastete Chris blind mit der einen Hand nach einer Spiegelscherbe, fand sie und stieß sie verzweifelt in die Wunde.
Otoko zuckte zurück. Auch seine Lippen waren nun blutrot. ".....D-danke...", keuchte er und öffnete dann seine Augen, um Chris wieder anzusehen. Sein Atem war kurz und heftig, trotzdem begann er zu grinsen. "........I-ich habe bekommen, w-was ich wollte.... was i-ich von Anfang an wollte...."
Dieser Satz traf Chris mehr als jegliche Art von physischer Gewalt es jemals hätte tun können. "...Nein...", wimmerte er. "Nein, sag, dass das nicht wahr ist!"
".....................H-hör auf....... zu weinen............ C-chris.......", war das letzte, was Otoko über seine Lippen brachte.
Ungläubig schüttelte Chris den Kopf. "Wieso? Hast du das alles nur getan, damit ich dich töte? Antworte mir, Otoko!! Sag mir, ob alles, was du gesagt hast, nur gelogen war, um mich so weit zu bringen!" Kraftlos sank er immer mehr auf den Körper des anderen. "... Sag es mir..."
Doch Otoko antwortete nicht mehr. Auf seinen Lippen lag ein zufriedenes Lächeln.
*~@~* Ende *~@~*
Titel: Rape me
Teil: 27 - 38
Autor: Shinigami und Koryu
E-Mail: Louis_Angel@gmx.net und koryu@gmx.at
Warnung: violence, language, confusion, lemon, death (nicht unbedingt alles in diesem Teil)
Fandom: Reality
Rating: PG-16
Inhalt: Chris entdeckt auf dem Weg zur Uni Otoko, der bewusstlos am Boden liegt, und hilft ihm. Und genau das stellt sich als großer Fehler heraus, wie er später lernen muss.
Kommentar: Es ist leider etwas verwirrend, da wir, selbst wenn Mike da ist, auch teilweise Otoko geschrieben haben. Der Grund dafür ist, dass Mikes Körper ja auch gleichzeitig Otokos Körper ist und man vom Aussehen nicht unterscheiden kann, wen man gerade vor sich hat.
Ein paar Informationen zum Thema 'Multiple Persönlichkeit' findet man auf dieser Seite:
Danke an Del und Miau für´s Betalesen.
27.
Gegen Abend, also nach mehr als einer Stunde, kam Chris wieder zum Motel zurück. Er hatte einen Job gefunden, doch er hatte gleich anfangen müssen, wenn er ihn hatte haben wollten. Das war zwar nicht geplant gewesen, doch Chris hatte zugesagt, denn die Bezahlung in der Bar war nicht schlecht und er befürchtete, dass er sonst nichts anderes finden würde. Chris sah ein wenig erschöpft aus, als er das Zimmer betrat. //Hoffentlich ist er wieder normal.//
"C-chris....?" Als wenn er ein großes Monster vor sich erwarten würde, hob Otoko die Decke, unter der er sich versteckt hatte, und linste heraus. ".....B-bist du w-wieder da.....?"
"Ja... Tut mir leid, dass ich so lange weg war. Alles ok?" Mit einem Seufzen zog Chris seine Jacke und die Schuhe aus, dann setzte er sich neben Otoko auf das Bett.
"J-ja.... A-aber... W-wo warst du d-denn.....?"
"Ich habe mich doch noch nach einem Job umgesehen und auch einen gefunden..." Er überlegte kurz. "Du bist... eingeschlafen und da wollte ich dich nicht stören."
"A-ach so.... T-tut mir l-leid...." Schuldbewusst sah Otoko zu Chris hoch.
"Schon ok." Mit einem Lächeln wuschelte Chris durch Otokos Haare. Dann betrachtete er den Jungen genauer. //Er scheint sich wirklich nicht zu erinnern...//
Fragend blickten ihn zwei eisblaue Augen an. "....Was i-ist?"
"Erinnerst du dich an vorhin, bevor du eingeschlafen bist?"
"...J-ja... w-wieso....?"
"An was genau?"
"...W-wieso fragst du das? D-du h-hast mich doch m-massiert..."
Chris lächelte erleichtert. "Ja, habe ich." Er küsste Otoko auf die Stirn. "Hast du Hunger?"
"E-ein wenig...", nuschelte der kleinere Junge. "Chris.... W-was ist das f-für ein J-job, den du h-hast...?"
"In so einer Bar, an der Theke. Nichts besonderes. Ich muss nur lernen, wie man Cocktails mixt." Chris deutete auf seine Tasche. "Ich hab dir etwas mitgebracht, ist zwar nur Fast Food, aber ich denke, es geht trotzdem. Oder?"
"K-klar..." Doch im Moment dachte Otoko nicht daran, essen zu wollen. Er griff nach Chris' Arm und zog ihn zu sich. Mit geschlossenen Augen lehnte er seinen Kopf an Chris' Brust.
Dem stockte kurz der Atem, doch dann lächelte er wieder. //Ich dachte für einen Moment, es wäre Mike...// "Ich hab dich vermisst, Kleiner.", murmelte er leise.
"....Hmm... I-ich d-dich auch....", flüsterte der andere zu Antwort.
//Er ist so anders...// Wie um sich zu vergewissern, dass Otoko da blieb, festigte Chris seinen Griff um den anderen.
"....D-denkst du,... i-ich k-kann m-mir auch einen J-job s-suchen....?"
"Na ja, ich denke schon... Du müsstest halt überlegen, als was.", antwortete Chris nachdenklich.
"....A-als Putze v-vielleicht....?"
"Wenn du das willst..."
"I-ist wohl d-das Einzige, w-was ich m-machen könnte..."
"Ich weiß es nicht." Chris behagte das Thema nicht unbedingt, auch nicht die Vorstellung, Otoko alleine nach draußen zu lassen. Doch andererseits fiel ihm auf, dass er Otoko vielleicht doch zu sehr bemutterte. Schließlich war der andere fast so alt wie er und er konnte ihn nicht wie ein kleines Kind behandeln.
"...A-aber i-ich hab keine A-ahnung, w-wie ich so 'nen Job kriegen k-önnte..."
"Wir können morgen zusammen auf die Suche gehen, wenn du willst. Doch jetzt..." Chris griff nach der Fast Food Tüte. "Sollten wir essen."
Stumm löste sich Otoko von Chris und linste zu der Tüte.
Die nächsten zwei Wochen verliefen ohne wichtige Ereignisse. Otoko hatte tatsächlich einen Job als Putzkraft gefunden und Chris lebte sich in seinem ein. Sie verließen das Motel wieder und fanden eine Ein-Zimmer-Wohnung, die sie sich leisten konnten.
Es war nicht gerade eine Prachtwohnung, aber mit ein wenig Mühe war sie doch ziemlich gemütlich geworden. Otoko schlief immer, während Chris in der Uni war und stand dann auf, wenn er nach Hause kam. Er musste abends arbeiten, wenn die Leute aus dem Bürogebäude, in dem er arbeitete, nach Hause gegangen waren und so kam er immer erst gegen drei Uhr morgens zurück.
Auch Chris arbeitete in dieser Zeit, wenn auch nicht so lange. Er war froh, dass er sich entschlossen hatte, weiter zu studieren, denn sonst wäre ihm mit Sicherheit langweilig geworden. Nur war es schade, dass er Otoko durch dessen Job meist schlafend sah.
Chris erwachte, nachdem er nur eine Stunde geschlafen hatte. Er war heute bis kurz nach zwei Uhr morgens in der Bar geblieben und hatte noch mit aufgeräumt, als die letzten Gäste schon gegangen waren. Müde blickte er sich um. Otoko schien gerade zurückzukommen.
Leise fluchend hob Otoko den Schlüssel, der ihm auf dem Boden gefallen war, wieder auf. //Hoffentlich habe ich ihn nicht geweckt....// Auf Zehenspitzen schlich der blonde Junge ins Zimmer und linste prüfend hinein.
"Otoko?", kam es leise aus Richtung des Bettes. Verschlafen richtete Chris sich auf.
"G-gomen nasai.. I-ich wollte d-dich nicht w-wecken....", flüsterte Otoko leise und zog seine Jacke aus.
"Ich hab noch nicht lange geschlafen." Chris streckte sich, dann stieg er aus dem Bett und kam nur mit Boxershorts bekleidet auf Otoko zu.
"...I-ich hatte k-kalte Hände und d-da ist mit der Wohnungsschlüssel runter g-gefallen..." Scheu lächelte Otoko in die Dunkelheit, die ihn Chris nicht gut erkennen ließ.
"Egal.", murmelte Chris und legte die Arme um den Jüngeren. Noch ein wenig schlaftrunken presste er seine Lippen auf die des anderen.
Sofort schlossen sich Otokos Augen wie von selbst. Bis jetzt war es noch nie vorgekommen, dass er Chris nach seiner Arbeit geweckt hatte und nun genoss er es ein wenig, selbst jetzt noch Chris' zarte Lippen küssen zu können.
Mit einem Lächeln löste sich Chris einige Momente später von Otoko. Die Kälte hatte bei ihm eine Gänsehaut verursacht. "Komm mit ins Bett, ja?"
"H-hai... A-aber i-ich will mich n-noch kurz waschen gehen...." Und damit tapste er auch schon ins Bad.
Chris hingegen schlüpfte wieder unter die Decke und wartete, bis Otoko zurückkam.
Er schlief schon fast wieder, als Otoko endlich zurückkam und sich unter der Decke verkroch. Schnuffelnd kuschelte er sich in die Decke. ".........I-ich rieche i-immer noch nach P-putzmittel....."
Ein müdes Grinsen legte sich auf Chris' Lippen. "Sehr erotisch..." Er rutschte zu dem anderen und legte den Arm um ihn. "Hast du morgen frei?"
"N-nein... W-wieso....?", fragte Otoko verwirrt. "....H-habe i-ich das e-etwa g-gesagt....?"
"Nein... Ich dachte, es wäre vielleicht so, weil doch Wochenende ist." Chris legte den Kopf zurück auf das Kopfkissen. "Morgen hab ich keine Uni..."
"A-ach so...... E-es k-kommen a-auch am W-wochenende i-immer a-ab und zu w-welche arbeiten...."
Gähnend schloss Chris die Augen. "Morgen machen wir trotzdem wieder etwas, ok?"
"O-ok... g-gerne..."
"Schön." Er drückte Otoko einen letzten Kuss auf die Wange, dann schmiegte er sich an den anderen und versuchte wieder einzuschlafen.
Am nächsten Morgen war Chris vor Otoko aufgewacht und überlegte sich nun, wie er den blonden Jungen so sanft und so schnell wie möglich wecken konnte.
Doch andererseits konnte er sich auch Zeit lassen. Immerhin war es erst Mittag und sie hatten Zeit bis zum Abend, wenn Chris wieder in die Bar und Otoko in das Bürogebäude musste. Mit einem Lächeln auf den Lippen kniete er sich auf das Bett und lehnte über den anderen Jungen. "Hey...", hauchte er leise.
"....Hnn... Ich will nichts...", nuschelte Otoko und patschte seine Hand mitten in Chris' Gesicht.
Der blickte für einen Moment recht dumm aus der Wäsche, dann versuchte er es nochmals. "Otoko... Steh auf."
Verschlafen blinzelte dieser nun um sich. "....W-was......?"
Doch anstatt zu antworten küsste Chris den anderen.
Jetzt war Otoko sehr schnell wach. Erschrocken und mich weit aufgerissenen Augen starrte er Chris an.
Als Chris das bemerkte, beendete er den Kuss sofort. "Tut mir leid... Ich wollte dich nur wecken."
Otokos Augen waren immer noch verwirrt auf Chris gerichtet. "......I-ich.... bin wach...... jetzt..."
"Alles ok?"
Ein heftiges Nicken war die Antwort.
Nun lächelte Chris wieder leicht. "Schön." Er richtete sich wieder auf, so dass er auf dem Bett saß, und fuhr durch Otokos Haare. "Hast du gut geschlafen?"
"Z-zu w-wenig....", meinte er und kuschelte sich wie eine Katze an Chris.
Der strich leicht über Otokos Oberschenkel. "Soll ich dich weiterschlafen lassen?"
"Hmm... N-nein..... D-du wolltest d-doch e-etwas mit mir u-unternehmen...."
"Ja... Obwohl ich nicht weiß, was. Hauptsache, ich bin wieder ein wenig mit dir zusammen."
Lächelnd schloss Otoko die Augen. "Ja... I-in letzter Zeit haben wir uns n-nur wenig g-gesehen..."
"Na ja, die Zeiten sind ein wenig schlecht." Chris stand auf und streckte sich. "Wie läuft's bei dir im Job? Alles ok?"
"H-hai..... B-bis jetzt schon....", murmelte Otoko und räkelte sich auf dem Bett.
Nachdenklich sah Chris ihm zu. //Mike ist nicht mehr aufgetaucht seitdem... und Otoko geht es gut.// Trotzdem reichte es Chris nicht wirklich, Otoko nur küssen zu können. Doch andererseits wollte er ihn nicht bedrängen.
Langsam stand Otoko nun auf taumelte dann auf Chris zu. Bei diesem angelangt schlang er die Arme um ihn und legte den Kopf in dessen Nacken. ".....Du schenkst mir so viel..."
"Du gibst es mir ja auch wieder zurück...", antwortete Chris lächelnd und legte ebenfalls die Arme um den anderen.. "Ich bin froh, dich bei mir zu haben."
"....Danke C-chris....." Mit wässrigen Augen beugte sich Otoko zu Chris hoch und bedeckte dessen Lippen mit seinen.
Verwundert sah Chris den anderen an. //Wieso weint er?//
Langsam schlang Otoko die Arme um Chris' Nacken und zog ihn so enger an sich.
Doch der drückte Otoko leicht von sich. "Was ist denn los?", fragte er sanft.
"N-nichts... I-ich.... ich bin nur.... so.... so... g-glücklich...."
"Dann ist gut." Chris zog den anderen nun wieder an sich. "Ich dachte, dich stört irgend etwas."
"N-nein...i -ich.... E-es ist a-alles i-irgendwie so.... so u-unecht..."
"Du hast recht, es ist komisch." Vorsichtig ließ Chris den anderen wieder los. "Ich glaube, ich sollte mal wieder mit meinen Eltern reden...", überlegte er laut.
//Es ist alles so...... zerbrechlich.... Ich habe Angst etwas Falsches zu machen....//
"Worauf hast du Lust, hm?"
"...Auf d-dich....", sagte Otoko, bevor er überhaupt merkte, was er da gesagt hatte.
"So?", fragte Chris grinsend.
Sofort liefen Otokos Wangen rot an. "E-e... I-ich meine, i-ich m-möchte mit dir z-zusammen sein."
//Gegen das andere hätte ich auch nichts.// "Und sonst noch? Wir könnten zusammen irgendwo hingehen, die Frage ist nur, wohin."
"I-ich weiß nicht....W-wo bist du d-denn m-mit d-deinen Freunden h-hin?"
"Na ja, ins Café, manchmal ins Kino. Aber Café finde ich gar nicht schlecht."
"O-ok.... D-dann g-gehen wir d-dahin?"
"Gerne." Chris streckte sich, dann sah er wieder zu Otoko. "Kommst du mit zum Duschen?", fragte er vorsichtig.
"O-ok... V-vielleicht w-werde ich dann ein wenig wach..." Er eilte ins Bad und schlüpfte vor Chris durch die Tür.
Mit einem Lächeln auf den Lippen folgte Chris ihm.
Als er ebenfalls im Bad ankam, hatte sich Otoko schon ausgezogen.
Und prompt ertappte Chris sich dabei, wie er Otoko anstarrte. //Nein, du wirst nichts tun. Es wird nur wieder so, dass Mike kommt und das ist willst du nicht.//, sagte er zu sich selbst.
"D-du willst doch nicht i-in den Kleidern duschen, o-oder?", fragte Otoko verwirrt, als sich Chris nicht auszog.
"N-nein, natürlich nicht." Schnell zog Chris seine Schlafsachen aus und huschte unter die Dusche. Mit einem Lächeln ließ er die Tür auf, bis Otoko hineinkam.
"D-die Dusche i-ist enger a-als die im Motel...", bemerkte der blonde Junge zuckte zusammen, als der erste eiskalte Wasserstrahl auf seinen Rücken traf.
Sofort drehte Chris den Regler auf warm. "Ja... stimmt.", murmelte er, doch er war viel zu abgelenkt von Otokos nacktem Körper. //Du benimmst dich schon wieder wie jemand in der Pubertät. Das muss doch wirklich nicht sein.// Entschlossen riss er sich von dem Anblick los.
Als das Wasser wärmer wurde, seufzte Otoko leise genüsslich auf. "Hmm.... Warm i-ist schon viel b-besser....."
Chris jedoch hätte das kalte Wasser vorgezogen. Mit einem leisen Seufzen wandte er sich ab, um sich endlich auf das Duschen zu konzentrieren zu können.
"S-soll i-ich dir den Rücken waschen?", fragte Otoko nach einer Weile.
"Gerne." Chris hatte mittlerweile seine Selbstsicherheit wieder halbwegs zurückerlangt.
Otoko griff nach dem Duschgel und drückte eine großzügige Portion auf Chris' Rücken, dann fing er an, mit seinen langen schlanken Fingern über Chris' Rücken zu streichen und an ein paar verspannten Stellen massierte er die Haut leicht.
Mit geschlossenen Augen lehnte Chris an der Wand und genoss Otokos Berührungen. Es fühlte sich mehr als gut an.
"I-ist g-gut so...?", fragte Otoko und lehnte sich dabei über Chris' Schulter, damit dieser ihn auch verstand.
"Ja...", hauchte Chris leise. Im Moment befand er sich eher in einer Traumwelt, als in der grausamen Realität.
"W-wenigstens ein wenig Massieren scheine ich zu können...." //Wo ich das bloß herhab....?// Lächelnd machte Otoko weiter.
"Das machst du super.", stimmte Chris zu. Ihm hatten die Zärtlichkeiten des anderen gefehlt, selbst wenn sie das letzte Mal nur von Mike gekommen waren.
Otoko selbst stieg langsam die Röte ins Gesicht. Chris' Stimme hatte sich verändert und das hatte er sehr wohl mitgekommen. Wie von selbst beugte er sich vor und küsste Chris' Schulter.
Trotz der Wärme des Wassers bekam Chris eine Gänsehaut, doch das störte ihn im Moment nicht wirklich. Otokos Berührungen erregten ihn, wieder einmal.
"...Ich liebe dich, Chris...", hauchte Otoko und zog sich dann wieder zurück. "...I-ich glaube, dein Rücken ist jetzt sauber genug..."
"...Danke...", murmelte Chris. Er schüttelte einen Moment den Kopf und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass es nicht so schnell gehen würde, wenn er nicht bald kaltes Wasser bekam. //Mist.//
"D-du stehst ja gar nicht m-mehr unter dem Wasser...." Und so zog ihn Otoko wieder unter den Wasserstrahl, leider zog er ihn auch gleich zu sich hin.
Chris schluckte. Mit ein wenig steifen Bewegungen begann er, sich selbst zu einzuseifen, passte aber höllisch auf, dass er Otoko nicht mehr als seinen Rücken zeigte. //Ich will ihn ja nicht schon wieder verschrecken.//
Etwas verwirrt verfolgte Otoko Chris' Verhalten. "...Warum b-bist du auf einmal s-so v-verklemmt?"
"Tut mir leid. Du solltest dich vielleicht mit dem Waschen etwas beeilen.", gab Chris gepresst zurück.
Einen leichten Stich im Herzen spürend, starrte Otoko auf die Seife in seiner Hand. "O-ok... g-gomen..." und schon war Otoko aus der Dusche verschwunden.
//Es tut mir doch wirklich leid.// Chris sah dem anderen leicht traurig hinterher. Er hatte ihn doch nicht verletzen wollen. Aber erst einmal musste er etwas gegen sein Problem zu unternehmen.
In ein dickes Badetuch gehüllt hatte sich Otoko ins Schlafzimmer verzogen. Er wollte sich eigentlich abtrocknen, aber dann hatte er sich doch anders entschieden, denn jetzt saß er auf seiner Seite des Bettes und krallte das Tuch um sich.
Nach ein paar Minuten kam auch Chris dazu. Mit einem Handtuch um die Hüften setzte er sich neben Otoko auf das Bett und legte die Arme um ihn. "Hey... Du hast es falsch verstanden. Ich wollte dich nicht loswerden, ich wollte dich nur nicht wieder erschrecken."
"....S-schon o-ok...", stotterte Otoko und verstand eigentlich nur Bahnhof. Er schloss die Augen und legte den Kopf auf seine angezogenen Knie.
"Ich verstehe ja auch nicht, warum es mich schon so sehr anmacht, wenn du mich nur massierst. Vielleicht war ich nur zu lange alleine...", überlegte Chris weiter.
Verwirrt öffnete Otoko die Augen wieder, ließ den Kopf aber auf seinen Knien ruhen. ".....E-es hat dich a-angemacht....?" Mit einem Seufzer zog er das Badetuch enger um sich. "......Was ist s-so besonders a-an S-sex....? W-wieso s-sind a-alle s-so gierig d-danach....?"
"Das weiß ich nicht..." Er betrachtete Otokos Verhalten genau. //Hat er Angst, ich würde im Moment nur an Sex mit ihm denken und mich nicht mehr zurückhalten können?// "Vielleicht, weil nicht jeder so schlechte Erfahrungen damit macht, wie du und weil es normalerweise einfach eine schöne Sache ist..."
Nun hob der blonde Jungen doch seinen Kopf, aber er wich Chris' Blick aus. "D-dann z-zeig mir, w-was so s-schön d-daran sein s-soll...."
Chris musste schlucken. "Vielleicht sollten wir uns damit noch ein wenig Zeit lassen."
"A-aber du willst e-es doch.... o-oder....?"
"Ja..."
Sofort biss sich Otoko auf die Lippen. "....W-wieso willst du uns dann Z-zeit lassen....?"
"...Weil ich Angst habe, etwas falsch zu machen.", antwortete Chris nach einem Moment des Zögerns.
"....Angst.....?" Erneut senkte Otoko den Kopf und lehnte sich an Chris. "...I-ich habe a-auch A-angst...", flüsterte er leise.
Sanft küsste Chris Otokos Hals. "Ich werde mein Bestes tun, dass du sie nicht mehr haben musst.", hauchte er. "Aber nicht heute."
Stumm schmiegte sich Otoko an Chris. ".....G-gomen nasai...."
"Das ist schon ok." Chris festigte den Griff um Otoko.
Nach mehr als einer Minute Ruhe war Otoko auch schon wieder eingeschlafen, was sein regelmäßiger Atem verriet.
Verwundert sah Chris auf den anderen herunter. //Er scheint den Schlaf wirklich noch zu brauchen.// Vorsichtig legte er Otoko in eine andere Position, damit dieser weiterschlafen konnte. //Ich lasse ihn lieber in Ruhe.//
Doch bevor Chris aufstehen konnte, schlang sich Otokos Hand um dessen Handgelenk. "....Bleib hier..."
"Ich dachte, du schläfst.", antwortete Chris leise.
"...Nicht wirklich...", nuschelte der blonde Junge und zog Chris' Hand zu sich.
Der blickte Otoko fragend an, sagte aber erst einmal nichts.
"...Mir ist kalt..." Seufzend zog Otoko das Badetuch enger um sich.
"Dann solltest du dich abtrocknen... Und im Bad ist es wärmer.", fügte er hinzu.
"...Wieso wärmst du mich nicht...?"
"... Ich bin genauso kalt wie du."
"Das glaube ich nicht..." Und schon zog ihn Otoko zu sich runter.
Überrascht sah Chris Otoko an. //Ist das wieder Mike?//
"...Du bist doch schön warm...", hauchte der andere Junge, ohne zu wissen, was Chris dachte.
Mit leichtem Unbehagen rutschte Chris ein wenig weg. "Mike?"
Sofort öffneten sich Otokos Lieder, die eisblauen Augen kamen zum Vorschein und blickten Chris fragend an.
//Heißt das jetzt ja oder nein?// "Ich muss mir noch die Haare föhnen."
"...Kann das nicht warten?"
"Dann wird das Bett nass."
"...Das trocknet doch wieder...." Flehend sah ihn Otoko an.
"Bist du es, Mike?" Chris hielt es nicht mehr aus, er musste es jetzt wissen.
Seufzend sah Otoko zu Seite. "...Was soll denn die Frage jetzt wieder...? Ich dachte, du willst mich Otoko nennen...."
"Also ja...", murmelte Chris. //Ich habe doch überhaupt nichts getan. Wieso hat er immer noch Angst vor mir?// Beinahe verzweifelt betrachtete Chris Otoko. "Will ich nicht.", antwortete er verspätet.
"...Bist du wieder sauer auf mich....?"
"Wieso wieder?"
"....Du bist doch die ganze Zeit immer wieder sauer auf mich...."
"Das stimmt doch gar nicht.", antwortete Chris mit einem Seufzen.
"Wieso weichst du mir dann aus...?"
"Weil ich Otoko liebe." Doch obwohl die Antwort aus Chris' Sicht ehrlich und einleuchtend klang, hörte sie sich doch mehr als lächerlich für Mike an.
".....Und wieso kaufst du dann mich?"
Anstatt die Frage zu beantworten, drehte Chris den Kopf weg. //Ich kann es ihm nicht erklären... Ich kann es niemandem erklären.//
"Kriegst du ihn etwa nicht?", rief Otoko ihm nach.
"...Ich habe Angst." Die Situation kam Chris so surreal vor. Er redete hier mit Otoko, besser gesagt mit dessen zweiter Persönlichkeit Mike über seine Ängste, die er wegen Otoko hatte.
Nun entwich Otoko ein Lachen. "..Du hast Angst? Vor was?"
"Ihm weh zu tun..."
"Und dann lässt du deine Triebe an mir aus, damit du deinem Porzellanpüppchen nichts antust, sehe ich das richtig so?"
"Nein, das ist nicht wahr." Aus irgend einem Grund hatte Chris das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. Aber aus Mikes Sicht war die Frage mehr als berechtigt.
"Hör mal, Chris. Wenn du diesen Otoko liebst, solltest du ihn nicht betrügen... Oder versuch ihn zu vergessen und schlaf so oft mit mir, wie du willst.... Aber beides zusammen geht schlecht..."
"Das weiß ich auch.", murmelte Chris.
"Dann entscheide dich." Otoko stand auf und tapste ohne das Tuch ins Bad.
//Das ist nicht meine Schuld.// Verzweifelt und frustriert schlug Chris mit der Faust auf die Bettdecke. //Scheiße!//
Nach wenigen Sekunden stand Otoko wieder vor Chris. "...Chris, sag mal... Hatte ich keinen Stoff bei mir?"
"Du bist clean.", grummelte Chris.
Schnaubend ließ sich Otoko auf das Bett fallen. "Scheiß drauf, ich will endlich wieder Spaß haben..."
Skeptisch hob Chris eine Augenbraue. //Wenn es das ist, was ich denke, dann kannst du es vergessen.//
"Kannst du mir nicht ein wenig Geld vorschießen? ... Immerhin bin ich schon ne Weile bei dir... und ganz untätig war ich ja wohl auch nicht...."
//Ich könnte ihn einfach an das Bett binden, bis er wieder normal ist.// "Vergiss es."
"Hey, komm schon Chris...." Sanft strichen Otokos Finger durch Chris' Haar. "...Du könntest dich dann auch ein wenig besser entspannen..."
"Ich will hier drin keine Drogen haben!", fauchte Chris, den Otokos Verhalten im Moment einfach nur wütend machte.
"Hey, hey! Beruhig dich, ok!! Ich hab ja nur gefragt!"
Grummelnd drehte sich Chris auf die andere Seite. //Ich muss mit Otoko reden. Ich muss es ihm erzählen. Sonst brauche ich bald selbst einen Therapeuten.//
"....Chris...." Otoko krabbelte über das Bett zu Chris und schlang die Arme um dessen Körper. "....Sei doch nicht gleich so sauer.... Ich bin es nun mal gewohnt, solche Orgien zu feiern.... Tut mir leid, dass ich nicht ein wenig feinfühliger bin... Sei mir nicht böse, ok...?"
Otokos flehender Tonfall beruhigte Chris wieder ein wenig. //Ich frage mich, was er von mir denkt... Wahrscheinlich hält er mich für einen totalen Vollidioten.//
"....Wie lange bin ich schon bei dir, hm...?", fragte Otoko leise.
"...Schon länger..."
"...Und du hast mich noch nie richtig angefasst... Ich versteh das nicht... Du bezahlst mich, sträubst dich aber gegen irgendwelchen sexuellen Kontakt mit mir..." Sanft stich Otoko über Chris' Brust.
"...Lass es... bitte...", murmelte dieser. "Es kann dir doch egal sein..."
Doch Otokos Hand hielt nicht still. Zielstrebig steuerte sie auf Chris' Brustwarzen zu und fing an, diese zu liebkosen. "....Du vergisst doch eines......", hauchte Otoko und küsste Chris' Schulter. "....Ich bin auch nur ein Mann...."
"Ich will das nicht..." Chris hatte kein Vertrauen in seine Fähigkeit, sich zurückzuhalten, schon gar nicht nach dem, was in letzter Zeit immer passierte, wenn Otoko ihn berührte. Wenn er nicht bald dafür sorgte, dass Otoko aufhörte, würde sein Körper ihm wahrscheinlich wieder einen Strich durch die Rechnung machen.
"Vergiss ihn, Chris..."
Aber der schüttelte nur den Kopf. "Ich liebe ihn.", gab er schwach zurück.
"...Was ist das für eine qualvolle Liebe, wenn du ihn nicht einmal berühren darfst...?", hauchte Otoko und saugte leicht an Chris' Hals.
//Wenn du nur wüsstest, wie es wirklich ist...// Leise wimmernd drehte Chris den Kopf auf die Seite. //Wieso kann es nicht ganz normal sein?//
Seufzend löste sich Otoko von Chris. "...Sorry... Du scheinst dich wirklich beschissen zu fühlen....." Entschuldigend strich ihm Otoko über die Seite. Doch so richtig ans Aufgeben dachte er nicht.
Aber auch jetzt entspannte sich Chris nicht, obwohl er erreicht hatte, was er wollte. //Ich will nicht nur die ganze Zeit arbeiten und in der Uni die seltsamen Blicke von Janine und Michael ertragen müssen. Ich will wieder nach Hause, zu meiner Familie... zu Neal...und zu meinen alten Freunden.//
Ein leises Stöhnen neben sich ließ Chris aus seinen Gedanken hochschrecken.
Verwirrt starrte er zu Otoko. "W-was wird das?"
Mit geröteten Wangen grinste ihn Otoko an. "...Ich brauche.... das auch.... ab und... zu..." , seufzte er und streichelte sich weiter über seinen Körper.
Chris sah ihn an, als wäre Otoko kein Mensch sondern eine riesengroße, ekelerregende Spinne. "Mach doch, was du willst.", murmelte er, als er hastig aufstand und schließlich im Bad verschwand.
"Hnn.... Chris.... sei... ah... sei doch nicht so... ein... Spielverderber...", rief ihm Otoko mit rauer Stimme nach.
//So ein Idiot! Soll er sich doch einen runterholen, aber mich soll er in Ruhe lassen!// Nachdem Chris abgeschlossen hatte, setzte er sich auf den geschlossenen Toilettendeckel und sank in sich zusammen. //Otoko...//
28.
Eine halbe Stunde später, Chris hatte sich inzwischen die Haare geföhnt und angezogen, schloss er die Tür wieder auf und ging heraus. Wie erwartet lag Otoko wieder einmal schlafend auf dem Bett. Nachdenklich betrachtete Chris ihn. //Es ist derselbe Körper... Ich muss unbedingt mit ihm reden, aber wecken will ich ihn deshalb nicht...//
Immer noch nackt lag der blonde Junge auf dem Bett. Er schlief nicht wirklich friedlich, denn er zitterte leicht.
//Ist das nur wegen der Kälte?// Behutsam deckte Chris den anderen zu. //Seit ich dich kenne, ist mein Leben ein Chaos... Aber andererseits will ich dich nicht gehen lassen, trotz der Probleme...// Sein Blick fiel auf sein Handy. //Ich könnte sie jetzt anrufen.// Gesagt, getan: Chris stand auf, nahm das Gerät und ging zurück ins Bad, um Otoko nicht zu stören.
Fast hysterisch erklang die Stimme seiner Mutter am anderen Ende der Leitung. "Chris?! Chris! Bist du das?!"
"Ja.", antwortete dieser und hielt das Handy etwas von seinem Ohr weg. Warum musste sie auch so schreien?
"Junge! Wo bist du?! Ich sterbe fast vor Sorge! Was ist los?!"
"Es ist alles ok. Ich bin in einer kleinen Wohnung, mehr kann ich mir im Moment nicht leisten. Und nein, ich habe mich noch nicht prostituiert, falls mein Herr Vater das vorhergesagt hat." Bei dem Gedanken an seinen Vater wurde er wieder schlechter gelaunt. Hoffentlich war er wieder auf Geschäftsreise.
"Chris! Bitte, keine solchen Späße! Wieso tust du uns das an?! Erst wird Neal ins Koma geprügelt und dann verschwindest du einfach! Wieso hast du dich so lange nicht gemeldet?! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!"
"Du hättest einfach in der Uni anrufen können, da hätten sie dir gesagt, dass ich immer noch komme." Wieder in einem freundlicheren Tonfall fuhr er fort. "Es ist wirklich alles in Ordnung. Ich hab 'nen Job in einer Bar gefunden."
"A-aber Chris!.....Wieso?"
"Wieso? Ihr wolltet mich doch nicht mehr da haben, also bin ich gegangen. Und ich habe es euch vorher gesagt!"
"A-aber.... Das war doch nur von der ersten Enttäuschung... Du musst uns doch auch verstehen! Wir hatten keinen klaren Kopf."
"Dafür müsst ihr jetzt nicht mehr in Schande leben.", gab Chris sarkastisch zurück.
"Du bist immer noch unser Sohn, Chris! Egal, was du tust!"
"Ach wie nett..."
"Chris! Du weißt, wie ich das meine! Wir lieben dich!"
Für einen Moment blieb Chris still, dann wechselte er das Thema. "Wie geht es Neal?"
"Besser.... Na ja... Das sagen jedenfalls die Ärzte... I-ich merke aber keinen Unterschied...." Die Stimme von Juliette wurde leiser und trauriger.
"Wie stehen die Chancen, dass er wieder aufwacht?"
Ein Seufzen war von der anderen Seite zu hören. "...Fünfzig, fünfzig..."
Es schien im Raum merklich kälter zu werden. //Nur fünfzig Prozent?//
"...Chris...? Hast du deinen Bruder eigentlich wieder einmal besucht?"
"Nein..."
".....Wieso nicht...?"
"Ich bin ziemlich eingespannt... Aber ich werde es heute machen, denke ich."
"S-sagst du mir, wann...? I-ich möchte dich wiedersehen..."
Einen Moment überlegte Chris, bevor er antwortete. //Es ist jetzt fast 11 Uhr.// "Um drei Uhr."
"O-ok... Ich werde auch dort sein.... Ich hab dich lieb..."
"Ich werde nicht alleine kommen.", fügte er hinzu, bevor seine Mutter auflegte.
"....K-kommt er mit...?"
"Ja."
".........O-ok... I-ich werde auf dich warten..."
"Bis dann." Schnell legte Chris auf, denn aus irgendeinem Grund fühlte er sich plötzlich wieder niedergeschlagen. Vielleicht war es wegen Neal, vielleicht wegen seiner Mutter. Er vermisste sie, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Mit einem Seufzen verließ er das Bad wieder und war überrascht, Otoko nicht mehr auf dem Bett zu sehen.
Notdürftig hatte sich Otoko die Decke um seinen Körper geschlungen und war in die Küche getapst. Er fühlte sich irgendwie schrecklich und war mehr als verwirrt. Wieso war er auch nackt und ganz alleine im Bett aufgewacht? Doch das Schlimmste war die warme Flüssigkeit, die an ihm klebte. "....W-was h-habe i-ich... n-nur getan....?", fragte er sich und holte sich ein Glas Wasser.
Chris folgte den Geräuschen und fand den anderen mit dem Glas Wasser in der Hand. "Du bist wieder wach?", fragte er, obwohl die Antwort offensichtlich war, und wollte eigentlich nur herausfinden, wen er gerade vor sich hatte.
"J-ja.....", stotterte Otoko und drehte Chris sofort den Rücken zu.
//Otoko.// Erleichtert seufzte Chris. "Wir müssen reden, denke ich."
Mit zitternder Hand stellte Otoko das Wasserglas auf den kleinen Tisch, doch er drehte sich Chris nicht um. "....W-was..... was habe i-ich.... g-getan....?"
"Was du getan hast, ist egal. Du warst nicht du selbst." Chris legte Otoko die Hände auf die Schultern. "Zieh dir etwas an und ich erkläre dir, was ich glaube, was der Grund ist, ok?"
Doch statt Chris zu folgen, sank Otoko in die Knie. "....G-gomen n-nasai..... I-ich f-fühle..... m-mich so.... sch-schrecklich......."
"Otoko..." Auch Chris setzte sich auf den Boden und zog den anderen Jungen sanft in seine Arme. "Ich glaube, du hast eine multiple Persönlichkeit. Es gibt noch jemand anderen in dir, sein Name ist Mike. Und er kommt immer dann, wenn du Angst hast."
"M-mike....?" Verstört sah ihn Otoko an. ".....S-sag d-diesen Namen n-nie w-wieder!"
//Kennt er ihn?// "Sagst du mir, wer das ist?", fragte Chris vorsichtig nach.
"I-ich weiß es nicht!!" Schluchzend vergrub Otoko sein Gesicht an Chris' Brust.
Etwas unschlüssig, was er tun sollte, strich Chris dem anderen über den Kopf. "Es ist nicht so schlimm, wie es sich vielleicht anhört."
Mit geröteten Augen hob Otoko nach ein paar Sekunden Den Kopf. "....W-was ist es.....?"
"Ein Abwehrmechanismus, eine Reaktion auf sexuellen Missbrauch in frühester Kindheit.", antwortete Chris wahrheitsgemäß. Er wollte Otoko nicht länger etwas vorspielen und so tun als wäre nichts.
"....W-was....?" Ungläubig starrte Otoko Chris an.
"Das stand in dem Buch, in dem ich nachgeschlagen habe... Ich könnte mich natürlich irren." Chris strich dem anderen beruhigend über die Schulter. "Es ist keine Krankheit, Otoko."
"W-was d-dann....?", wimmerte der blonde Junge. "...I-ich bin doch k-krank... o-oder...? I-ich bin dumm...."
"Nein, bist du nicht. Du bist wahrscheinlich misshandelt worden, das steckt man nicht einfach so weg."
"....I-ich d-dachte, i-ich könnte e-es endlich v-vergessen.... A-aber j-jetzt h-hab i-ich wieder d-das G-gefühl,... n-nicht hier h-her z-zu... g-gehören.... I-ich m-mache dir d-doch nur P-probleme..."
"Nein, ich will nicht, dass du gehst." Sofort festigte Chris seinen Griff um den anderen. "Ich gebe alles für dich auf, Otoko, aber lass mich nicht alleine."
"....D-du bist w-wirklich e-ein guter M-mensch...", stotterte Otoko und schlang die Arme um Chris. "....D-danke... danke...."
"Ist schon gut.", murmelte Chris. "Otoko... Es ist vielleicht der falsche Augenblick, aber ich muss dir noch etwas sagen."
"W-was ist....?", flüsterte Otoko leise.
"Mike... Er hat..." //Wie sag ich das jetzt? Mist!// "Na ja, er war nicht ganz untätig... sexuell gesehen... und ich hab mitgemacht..."
Otoko zuckte zusammen und eine Weile herrschte Stille, bis ein erneutes Schluchzen ertönte. ".....B-bitte.... s-sag d-diesen..... N-namen n-nicht m-mehr....."
"Es tut mir so leid..."
"....H-hast du.... m-mit m-mir.... g-geschlafen.....?"
"Nein... das nicht."
"..........."
"... Er hat mir einen geblasen... Es tut mir wirklich leid, ich hätte nein sagen sollen." Schuldbewusst sah Chris Otoko an.
".......D-du... du kannst n-nichts d-dafür.... E-es tut m-mir leid...."
"Nein, das braucht es nicht..." Chris' Blick wanderte auf den kalten Boden. "Komm mit hier raus, ok? Das kann doch nicht bequem sein."
//...Passend für Gesindel wie mich....// Ungelenk versuchte Otoko aufzustehen.
Sofort stand auch Chris auf und half dem anderen. "Ich liebe dich, wirklich. Und egal, was du tust, das wird sich nicht so schnell ändern."
Otokos Augen schienen nicht mehr so eisigblau zu sein. Sie waren dunkler geworden. ".....I-ich dich auch.... I-ich w-will d-dich für i-immer l-lieben...."
Ein Lächeln bildete sich auf Chris' Lippen. "Das wäre schön." Vorsichtig, um den anderen nicht zu überrumpeln, küsste er Otoko für einen Moment sanft, doch er löste sich gleich darauf wieder von ihm.
Otoko hatte die Augen immer noch geschlossen, als Chris ihn wieder ansah. Kleine Tränen blitzten in seinen Augenwinkeln.
Vorsichtig strich Chris dem anderen die Tränen weg. "Ich will nachher meinen Bruder besuchen. Kommst du mit?"
"...N-neal.....? W-wo i-ist er.......?"
"Im Krankenhaus... immer noch."
"....W-wenn du e-es m-möchtest..."
Chris nickte. "Ja. Meine Mutter wird auch da sein, sie will mich sehen. Ich habe ihr gesagt, dass ich dich mitbringe, du brauchst also keine Angst haben."
"Hmm....", mehr gab der blonde Junge nicht von sich.
Als Chris seinen Bruder das erste Mal seit über zwei Wochen sah, war er so überrascht, dass er abrupt stehen blieb. Neals Zustand hatte sich seit dem letzten Mal überhaupt nicht gebessert, im Gegenteil. Er sah aus wie eine Leiche, blass und leblos.
"W-was i-ist...?", flüsterte Otoko leise und krallte seine Hände in Chris Mantel.
"...N-nichts..." Chris sah sich um, seine Mutter war noch nicht hier. Er war auch ein paar Minuten zu früh dran. Mit einem mitleidigen Blick ging er zu dem Bett seines kleinen Bruders, vermied es aber, ihn genauer zu betrachten.
"S-soll d-das N-neal s-sein...?", fragte Otoko und trat ebenfalls zum Bett.
"Scheint so..." Etwas gefasster wagte Chris es nun doch, seinem Bruder ins Gesicht zu sehen. Der Anblick weckte ein seltsames Gefühl in ihm, eine Mischung aus tiefer Trauer und Heimweh. Ja, er vermisste seine Familie wirklich und auch Neal. Er vermisste es, wie es früher war.
"....T-tut m-mir leid, d-dass das p-passiert i-ist...."
"Es ist ja nicht deine Schuld." Die Tür ging auf und Chris blickte auf.
Stumm trat seine Mutter ein. Sie sah erst Chris, dann Otoko an. "...H-hallo Chris..." Sie lächelte traurig und ging auf ihren Jungen zu.
Aus irgend einem Grund senkte Chris den Kopf und blickte zu Boden. Er hatte sich falsch verhalten, das wusste er. Mit einem Seufzen blickte er wieder auf. "...Hi..."
"Schön, dass du da bist..." Juliette schloss die Arme um Chris.
Zögernd tat Chris es ihr gleich und legte ebenfalls die Arme um sie. Einerseits fühlte er sich schrecklich, aber andererseits auch erleichtert, denn er liebte seine Mutter, auch wenn er es nicht oft zeigte.
Otoko hatte sich zurückgezogen, er fühlte sich mehr als fehl am Platze.
Doch nach einem Moment drückte Chris sie wieder leicht von sich. Er sah zu Otoko, bemerkte dessen Unbehagen und zog ihn deshalb zu sich. "Ist irgend etwas wichtiges passiert, während ich weg war?", fragte er, wieder an seine Mutter gerichtet.
Nervös lächelnd sah Otoko zu Juliette, die ihn allerdings mit einem nicht sehr netten Blick begrüßte. Aber Otoko nahm ihr das nicht übel, immerhin war er der Grund, dass Chris abgehauen war.
"Es... ist nichts passiert.... Dein Vater ist wieder auf Geschäftsreise.... Und sonst ist rein gar nichts passiert...."
"Ah... Dann bist du ganz allein daheim.", stellte Chris fest. //Kein Wunder, dass sie einsam ist.//
"Ja... Das bin ich...", gab Juliette leise von sich.
//Er hätte bei ihr bleiben können... Dieser egoistische Kerl!// "Wieso geht er dann wieder auf Geschäftsreise? Hat er denn überhaupt kein Mitleid oder so etwas, zumindest mit dir?", fragte Chris erbost über seinen Vater, der seine Mutter gerade in dieser Zeit allein ließ.
"Aber er würde sonst seine Arbeit verlieren!"
"Sicher! Wenn er sich einmal um seine Familie kümmert, verliert er seinen Job." Das Fünkchen Freude, das er bei dem Anblick seiner Mutter empfunden hatte, war erloschen und nun war er einfach nur wütend.
"Was denkst du denn? Diesen Haien ist es doch egal, wie es seiner Familie geht!"
"Ich glaube eher, er hat genug von allem und ist jetzt wieder bei seiner Geliebten!", fauchte Chris, doch gleich im gleichen Moment tat es ihm wieder leid.
Mit geweiteten Augen starrte ihn seiner Mutter einige Sekunden an, bevor eine schallende Ohrfeige Chris' Wange traf.
"Das ist doch keine Liebe mehr.", murmelte Chris leise. "Eine Zweckgemeinschaft, mehr nicht."
"Sei still! Wie kannst du so etwas nur sagen?!"
"Dann sieh mich an und sag mir, dass es nicht so ist! Sag mir, dass ihr euch noch liebt und ich werde nie wieder so etwas behaupten!" Chris' Stimme klang wieder fester.
"Ich liebe ihn noch!", sagte Juliette mit fester Stimme.
"Und was ist mit ihm?"
"...I-ich weiß es nicht..." Traurig blickte seine Mutter zur Seite.
//Er hat dich nicht verdient.// Doch Chris zog es vor, nichts dazu zu sagen. "Du bist sicher nicht hier hergekommen, um mit mir darüber zu sprechen, oder?"
"Nein... Ich wollte dich einfach wiedersehen..."
"Na ja..." Unsicher, was er erwidern wollte, blickte Chris zu Otoko und dann zu Neal. "Ich wäre sowieso in der nächsten Zeit ausgezogen... Du kannst mich ja anrufen, wenn etwas ist."
"Du hast aber nie dein Handy abgenommen..."
"Ich hatte den Ton abgestellt." Eigentlich stimmte das nicht. Chris hatte vorher einfach nicht mit seiner Mutter reden wollen.
"Zurückgerufen hast du aber auch nicht...."
"Ich werde es jetzt machen."
Seufzend blickte sie auf ihre Hände. "....Ich hoffe es..... Na dann... Ich... will euch nicht länger stören..."
"Ich werde mich melden.", meinte Chris erleichtert. Er hatte nicht vor, seine Mutter aufzuhalten.
"Bis bald... und... besuch deinen Bruder ein wenig mehr... ja?", meinte Juliette, als sie bei der Tür noch einmal stehen blieb.
"Mach ich."
Und schon war Juliette verschwunden. Sie wirkte niedergeschlagener als vorher.
Sobald seine Mutter den Raum verlassen hatte, seufzte Chris leise auf und ließ den Kopf hängen. //Was für ein tolles Treffen.//
29.
Die Wärme des Kaffees genießend schloss Otoko die Hände um die Tasse. "......I-ist das wirklich o-ok für dich.....? I-ich meine, d-dass wir schon gegangen s-sind..."
"Klar..." Ein wenig nachdenklich sah Chris auf sein Getränk - einen Milchkaffee - herunter. "Er lag doch sowieso nur da... Wie tot..."
"A-aber e-er ist j-ja noch nicht tot..."
"Nein..." //Noch nicht...// Niedergeschlagen trank der Größere einen Schluck. //Es ist so seltsam... So, wie es jetzt ist...//
"....C-chris....?"
"Hm?", fragte der, während er noch trank.
"...D-darf ich d-dich u-umarmen....?", fragte Otoko und sah Chris dabei wie ein kleines Hündchen an.
"Sicher." Obwohl Chris ein wenig irritiert war von der Frage, brachte sie ihn wieder zum Lächeln.
Sofort begann Otoko, lautstark mit seinem Stuhl zu Chris' zu rutschen. Als er endlich bei ihm angekommen war, schlang er die Arme um ihn.
//Egal, wie schlimm es wird. Solange du bei mir bist, werde ich es aushalten können.// Das Lächeln auf Chris' Lippen blieb und auch er legte die Arme um den anderen.
"....T-tut m-mir l-leid, was i-ich dir alles a-antue..."
"Ist schon gut... Du machst mich glücklich, das ist es wert.", erwiderte Chris. Ihm war die Aufmerksamkeit, die sie erregten, im Moment völlig egal.
Seufzend schmiegte sich Otoko enger an Chris' Körper. //...Wenn du bloß wüsstest, was du dir antust....//
Obwohl es Chris leid tat, löste er sich nach etwa einer Minute wieder von dem anderen. "Ich liebe dich, Otoko."
Otokos Lippen formten sich zu einem Lächeln und seine Wangen wurden erneut ein wenig rot. "...Arigatou...", hauchte er leise.
Am liebsten hätte Chris Otoko hier und jetzt geküsst, doch er hielt sich zurück. Wenn sich sogar seine Freunde von ihm abwendeten, weil er Otoko liebte, dann würden die Leute hier im Cafe mindestens genauso reagieren.
"...I-ich muss g-gehen....", nuschelte Otoko nach einer Weile und sah bedrückt zu Boden.
Verwundert blickte Chris ihn an. "Jetzt schon?"
"I-ich muss u-um fünf Uhr anf-fangen.... Weil h-heute Samstag ist..."
"Ach so..." Man sah Chris seine Enttäuschung an. "Na ja, da kann man nichts machen."
"Gomen nasai...", murmelte Otoko und stand auf, um sich seine Jacke anzuziehen.
"Du kannst ja nichts dafür." Ein wenig traurig lächelnd sah Chris zu Otoko hoch. "Ich bleibe noch etwas hier."
"O-ok..... B-bis später...." Mit einem kurzen Lächeln verabschiedete sich Otoko von Chris und verließ das Café.
Seufzend sah Chris auf seine Tasse. //Wieder allein... Was mache ich jetzt nur?//
Schweren Herzens begann Otoko seine Arbeit. Als erstes mussten eigentlich immer die Mülleimer geleert werden, doch wenn Otoko alleine in einem Raum arbeitete, verrichtete er die Arbeit so, wie er gerade wollte. Und so begann er damit, ein wenig die Sachen abzustauben abzustauben.
Doch Otoko bemerkte weder, dass er nicht allein war, noch, dass die andere Person im Raum ihn neugierig betrachtete, seit er das Zimmer betreten hatte. //Sieh an, sieh an...// Ein Grinsen legte sich auf die Lippen des anderen.
Seufzend stellte Otoko die Vasen der Blumen zur Seite, damit auch ja alles bis in die kleinste Ecke wieder sauber wurde, denn die Leute im Büro waren manchmal einfach zu pingelig.
//Er scheint neu zu sein...// Der Fremde beobachtete Otoko weiter, während er leise einen Stift weglegte und die Lautsprecher des Computers ausschaltete. Es könnte ja sein, dass die Maschine gerade jetzt, wenn er diesen unerwarteten Besucher ungestört ein wenig betrachten konnte, durch irgendeine laute Fehlermeldung auf sich aufmerksam machte.
Der Computer war aber nicht das, was die Stille im Raum zerriss, denn wie es der Zufall wollte, fiel Otoko eine Vase zu Boden, so dass sie zwar nicht brach, aber das ganze Wasser lief aus ihr heraus und die Blumen verloren ein paar Blütenblätter. Seufzend betrachtete Otoko den Schlamassel erst einmal. "....Kuso.... doushite?......" Er holte das Papier aus seinem Putzwagen und bückte sich zu der Vase hinunter, um die sauber zu bekommen und sie wieder an ihren Platz zu stellen.
//Ein ungewöhnlicher Junge...// Ihm fiel der beinahe zierliche Körperbau von Otoko auf, doch viel mehr Beachtung schenkte er den langen hellen Haaren. //Wirklich hübsch.// Doch nun fand er, dass er genug Zeit damit verbracht hatte, den Jungen zu mustern. Mit einem Ruck stand er auf und schob seinen Stuhl ein wenig zurück. Der Teppichboden verschluckte beinahe jedes Geräusch.
Immer noch in das Reinigen des Parkettbodens vertieft, merkte Otoko auch jetzt noch nicht, dass er nicht alleine war.
Erst als er den mit Teppich ausgelegten Bereich durchquert hatte und seine Schuhe nun das Holz berührten, konnte man seine Schritte hören. Mit einem Lächeln, das zum Teil eher ein Grinsen war, ging er den letzten Meter zu dem auf dem Boden knienden Jungen.
Otoko zuckte sofort zusammen und sprang auf die Beine. Entsetzt starrte er den anderen Mann an. "....W-was...? I-ich dachte, i-ich sei alleine....", stotterte er verwirrt.
"Du warst wohl sehr in deine Arbeit vertieft.", meinte der andere mit einem Blick auf die Vase. Seine dunklen, kurzen Haare waren glatt gekämmt und sein Anzug saß perfekt. Er wirkte wie das komplette Gegenteil von Otoko.
"I-ich w-wollte Sie nicht stören... T-tut mir leid... Ich werde d-das kurz sauber machen und d-dann gehen."
"Bleib nur.", gab der andere in einem gleichgültigen Ton zurück, obwohl es ihm eigentlich überhaupt nicht gleichgültig war. Der Kleine würde ihm nicht entwischen.
"A-aber störe ich denn nicht....?", fragte Otoko verdattert und blickte dem Mann vor sich eher der Freundlichkeit wegen in die Augen.
"Ich wollte sowieso eine Pause machen." Die Farbe der Augen des Jungen faszinierte ihn fast so sehr wie die Haarfarbe. Das helle Blau schien eisig kalt zu sein und doch wieder nicht. Das Erscheinungsbild des anderen war wirklich mehr als ungewöhnlich. "Wer bist du?"
Im ersten Moment konnte Otoko gar nichts sagen. Wieso wollte dieser Kerl wissen, wer er war? Das war ja wohl offensichtlich. "I-ich bin d-der neue R-raumpfleger...", nuschelte er dann leise.
"Ich meinte deinen Namen." Er überlegte, was er mit dem Jungen anfangen konnte. Er gefiel ihm, das auf jeden Fall. Aber das war nicht alles, wozu er ihn vielleicht gebrauchen konnte.
"O-otoko..."
Skeptisch hob der andere die Augenbraue. "Du hast vorhin in einer anderen Sprache geredet. In welcher?"
Nun wurde Otoko rot. Es war ihm bis jetzt gar nicht aufgefallen, dass er vor dem Fremden geflucht hatte. "...D-das war Japanisch... T-tut mir leid, d-das war u-unhöflich v-von mir....
//Japanisch...// "Wie gut beherrscht du die Sprache?", fragte er weiter und überging die Entschuldigung.
"I-ich kann nur e-ein paar W-wörter...."
"Hm..." //Trotzdem könnte ich ihn brauchen.// "Was hältst du davon, wenn wir weiterreden, wenn du deine Pause machst?"
"I-ich h-habe nicht v-vor, P-pause zu m-machen... I-ich komme schon so sehr s-spät nach Hause..."
"Na ja, dann kann man nichts machen." Er kramte kurz in seiner Jackettasche, dann gab er Otoko ein kleines Kärtchen. "Falls du 'nen besseren Job haben willst als diesen, dann ruf mich einfach mal an."
Mit großen Augen starrte Otoko auf das Kärtchen. "...E-einen besseren Job?....W-wirklich?"
Ein Nicken antwortete ihm. "Überleg es dir." Damit ging der Fremde - Patric Newman, wie auf dem Kärtchen stand - wieder zu seinem Schreibtisch.
"D-da gibt es n-nichts zu ü-überlegen..." Otoko konnte es nicht fassen, der Mann bot ihm tatsächlich einen Job an?
Den Rest des seiner Arbeitszeit verbrachte Otoko ohne weitere Zwischenfälle, doch irgendwie ging es dieses Mal schneller, denn er war schon sehr viel früher als sonst fertig. Gut gelaunt, zum einen, weil er früher gehen konnte und zum anderen wegen diesem Patric, weil er ihm einen Job angeboten hatte, verließ Otoko den Bürokomplex.
Als Otoko in der kleinen Wohnung ankam, war Chris noch nicht zurück. Seufzend zog er das Kärtchen noch mal hervor. "...Einen besseren J-job.... M-mehr Geld v-vielleicht.....? D-dann m-müsste Chris seinen Job vielleicht n-nicht mehr haben....." Er starrte auf die Nummer von Patric. "....O-ob er noch w-wach ist.....?" Er würde es einfach versuchen und so ging Otoko in die Küche, in der das Telefon war und wählte die Nummer.
Nach einem dreimaligen Klingeln hob jemand ab und eine harte, nicht im geringsten müde klingende Stimme fragte: "Newman. Wer ist dort?"
"E-eh... H-hier ist O-otoko...", stammelte der blonde Junge in den Hörer. Es wurde ihm erst jetzt bewusst, dass dies sein erstes Telefongespräch seit langem war.
"Ah, der Junge aus dem Büro." //Er hat also angebissen.// Patrics Stimme klang nun freundlicher als eben. "Hast du dich schon entschieden?"
"J-ja... I-ich würde s-sehr g-gerne einen a-anderen Job haben... W-wenn d-das möglich w-wäre...?" Ein aufgeregtes Lächeln lag auf Otokos Lippen.
"Sicher, sonst hätte ich es nicht angeboten." Einen Moment lang blätterte Patric in seinem Terminplaner. "Hast du morgen Zeit?"
"M-morgen....? D-da i-ist doch S-sonntag...."
"Da könnten wir ein paar Einzelheiten bereden. Falls du keine Zeit hast, müssten wir unter der Woche einen anderen Termin suchen."
"N-nein... I-ist schon ok.... D-dann morgen..."
"Wann hast du Zeit?"
"I-ich schlafe i-immer b-bis z-zum M-mittag.... A-aber d-dann würde e-es gehen..."
"Gut, dann um 14 Uhr." Patric gab Otoko eine Adresse. "Du wirst es nicht bereuen, Otoko." //Und ich auch nicht.//
"Ok... d-danke sehr...."
"Bis morgen." Dann war nichts mehr außer einem durchgehenden Ton in der Leitung zu hören. Mit einem befriedigten Lächeln blickte Patric aus dem Fenster. Er würde den Jungen bekommen.
Vor Freude biss sich Otoko auf die Lippen, als er auflegte. "I-ich werde Chris n-nichts davon sagen.... E-es soll eine Überraschung sein...."
Eine ganze Weile später kam Chris zurück. Er war überrascht, Otoko schlafend im Bett liegen zu sehen, da dieser normalerweise immer nach ihm zurückkam. Doch er dachte nicht weiter darüber nach und verzog sich, nach einem kurzen Abstecher im Bad, ins Bett. Er war hundemüde.
Als am Sonntag die ersten Sonnenstrahlen auf Chris' und Otokos Bett schien, wurde es Otoko sofort zu heiß und er strampelte die Decke von sich.
Chris jedoch war es ohne die Decke viel zu kalt. Mit einem unwilligen Geräusch drehte er sich auf den Bauch, doch die Kälte ließ sich nicht verscheuchen.
Seufzend schmiegte sich Otoko an Chris.
Doch auch das war Chris nicht genug. Müde richtete er sich auf und blickte suchend um sich. Als er die Decke fand, holte er sie sich umständlich und wickelte sich und Otoko wieder damit ein.
Davon wachte Otoko auf. Leicht verwirrt blickte er um sich. ".....Chris.....?"
"Hm?"
"....Du bist spät...."
"... Versteh ich nicht...", murmelte Chris und wollte eigentlich nur weiterschlafen.
"...Du bist doch noch nie nach H-hause gekommen, wenn es schon hell wurde....."
"Es war noch dunkel... Du hast schon geschlafen."
"...A-ach so.... g-gomen..." Müde lächelnd blickte ihn Otoko an.
Doch das sah Chris nicht. Er war viel mehr damit beschäftigt, wieder einzuschlafen.
Leicht schmollend kuschelte sich Otoko wieder an Chris.
Obwohl Otoko mittlerweile wieder tief und fest schlief, hörte er das nervtötende Klingeln des Weckers doch. Erst wollte er das Gerät sofort wieder ausschalten, bis ihm einfiel, wieso der Wecker klingelte. Er hatte eine Verabredung. Plötzlich hellwach schaltete Otoko das Piepsen ab und verschwand schnell ins Bad, wo er sich nervös wusch. Vielleicht würde er heute wirklich einen besseren Job bekommen.
Als er das Bad verließ und noch mal ins Schlafzimmer kam, um sich umzuziehen, schlief Chris immer noch friedlich auf seiner Seite des Bettes. Mit krakeliger Schrift schrieb Otoko eine kleine Nachricht für Chris, die zwar nicht verriet, wo er selbst hinging, aber Chris immerhin beruhigte. Er legte den Zettel neben das Bett und küsste seinen Freund kurz auf die Wange. Lächelnd verließ er dann die Wohnung.
Er brauchte eine Weile, bis er die Adresse, die Patric ihm gegeben hatte, fand, doch schließlich stand er vor einem nicht gerade kleinen Anwesen und sah staunend durch das Tor. //....Bin ich hier wirklich richtig?// Doch die Adresse schien wirklich zu stimmen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er gerade zur richtigen Zeit angekommen war. Erleichtert klingelte er und wartete dann.
Er erschrak ein wenig, als sich das riesige Tor automatisch öffnete und ihm den Weg hinauf zu dem Haus freigab. Mit großen Augen sah er sich um, während er den Weg entlangging. Wie konnte man so etwas nur bezahlen? Wie konnte man so etwas Großes überhaupt besitzen wollen? Als er auf den schwarzen Knopf neben der dunkelbraunen Holztüre drückte, drang dumpf eine klassische Melodie zu ihm vor. //Das ist aber nun wirklich kitschig......//
Sofort öffnete ihm ein vornehm gekleideter Mann in einem schwarzen Anzug. Er erklärte kurz, dass Otoko bereits erwartet wurde und dieser ihm folgen sollte. Mehr sagte er nicht, als er sich umdrehte und in einer Art Eingangshalle eine Treppe hochging.
Die Einrichtung schon alleine in der Eingangshalle erschlug den Straßenjungen schier. So viele Dinge, die zwar schön anzusehen waren, aber eigentlich absolut keinen Nutzen hatten, stahlen sich gegenseitig die Aufmerksamkeit des Betrachters und Otoko wusste absolut nicht, wo er hätte hinsehen sollen.
Eine Bemerkung des anderen, er solle doch bitte mitkommen, riss Otoko aus seinen Gedanken und so folgte er ihm rasch. Doch er konnte es nicht lassen, sich weiter umzusehen. Alles hier war so groß, dass er eher das Gefühl hatte, er befände sich in einem Luxushotel als in einem normalen Haus.
Als er endlich vor einer Tür ankam waren tatsächlich zwei Minuten vergangen, doch endlich bekam er Patric zu Gesicht. Er begann scheu zu lächeln und wusste nun beim besten Willen nicht, was er sonst hätte tun sollen.
Patric trug nicht wie gestern einen dunklen Anzug, sondern hatte heute eine helle Hose und ein dazu passendes Hemd an. Diese weniger strenge Kleidung ließ ihn jünger aussehen, als gestern Abend. Als sich die Tür öffnete, sah er auf. "Ah, Otoko. Schön, dass du da bist. Komm rein."
"...Ein g-großes Haus h-haben Sie...", meinte Otoko und trat langsam ein.
Doch Patric tat diese Bemerkung mit einem Achselzucken ab. "Hast du Hunger?", fragte er stattdessen.
Etwas verwirrt blinzelte ihm Otoko an. "N-nein... Danke..."
"Also kommen wir gleich zum geschäftlichen Teil..." Patric, der bisher an seinem Schreibtisch gesessen hatte, stand auf. "Dir liegt nicht viel an deinem Job als Putzkraft, denke ich. Würdest du ihn ganz aufgeben, wenn ich dir etwas besseres anbiete?"
"S-sicher!", gab Otoko sofort von sich ohne eigentlich nachzudenken.
"Gut." Otoko wurde nen ein wenig genauer von dem anderen betrachtet. "Dein Job beinhaltet mehrere Arbeiten, die meisten sind relativ einfache Lieferantendienste."
"....L-lieferantendienste....? A-aber i-ich muss nicht A-autof-fahren können, o-oder?" Beinahe flehend starrte Otoko den anderen Mann an.
Ein Lächeln legte sich auf Patrics Lippen. "Nein. Das lässt sich zu Fuß erledigen." Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. "Was hast du gemacht, bevor du deinen Job angefangen hast?"
Röte stieg in Otokos Gesicht. Er hatte nicht erwartet, so eine Frage gestellt zu bekommen. "...I-ich.... n-nichts...." Beschämt senkte er den Kopf.
"Das ist ziemlich wenig.", meinte der andere, ein wenig belustigt. Er hatte eine Vorahnung, was Otokos Vergangenheit anging. "Du warst mal ein Junky?"
Otoko zuckte unter diesen Worten ein wenig zusammen. "....W-wenn sie es so ausdrücken w-wollen..."
"Bist du inzwischen clean?", fragte Patric weiter, in einem Tonfall, als würde er sich mit Otoko über dessen Hobbys unterhalten.
"Ja..."
"Gut." Einen Blick auf die Unterlagen auf seinem Schreibtisch werfend fuhr Patric fort. "Wir müssen bei Gelegenheit noch ein wenig über deine jetzigen Lebensumstände reden, denn die Lieferungen, die ich dir anvertrauen werde, sind wichtig für mich."
"I-ich lebe nicht m-mehr auf der Strasse!", warf Otoko verteidigend ein.
"Du verstehst mich falsch, Otoko. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe, sonst kann ich dir nicht vertrauen.", gab der andere beschwichtigend zurück.
"A-ach so...", nuschelte der blonde Junge und senkte erneut den Kopf.
"Ich möchte dich einfach ein bisschen kennenlernen." Mit einem Ruck stieß sich Patric von seinem Schreibtisch ab und kam auf Otoko zu. "Komm, ich zeige dir etwas, damit du weißt, worum es geht."
Etwas verwirrt ließ sich Otoko vor Patric leiten. //...W-was meint er damit? Muss ich jetzt einen Fragebogen ausfüllen...?//
Doch das musste er nicht. Patric führte ihn ein wenig auf seinem Anwesen herum, zeigte ihm einige Dinge und erzählte ihm unwichtige Sachen, aber wenig Konkretes über seine Geschäfte. Der eigentliche Zweck des Gesprächs war Otoko ein wenig zum Reden zu bringen, doch das gelang ihm nur bedingt. Er erfuhr, dass der Junge mit seinem Freund Chris zusammenwohnte, der studierte, aber mehr nicht. Doch für den Anfang reichte ihm das.
Das erste, was Chris auffiel, war, dass Otoko nicht da war. Zuerst dachte er, dass er andere einfach nur im Bad oder in der Küche war, doch auch da fand Chris ihn nicht. Erst dann sah er den Zettel. Aber auch der half ihm nicht weiter. Auf ihm stand lediglich, dass Otoko gegangen war und Chris sich keine Sorgen zu machen brauchte.
Nach zwei Stunden tauchte Otoko leise wieder in der Wohnung auf. Es hätte ja sein können, dass Chris noch am Schlafen war und er wollte ihn nicht aufwecken.
Aber Chris befand sich in der Küche und hatte vor lauter Nervosität, weil er eben doch darüber nachdachte, wo Otoko blieb, angefangen, etwas für seinen Freund und sich zu kochen. Nur war er mit seinen Gedanken immer wieder woanders, so dass ihm das Essen schon mehrere Male fast angebrannt wäre.
Mit einem nervösen Lächeln schlich Otoko in die Küche. "H-hi Chris..."
Fast ließ Chris den Kochlöffel fallen, den er in der Hand hatte. "Otoko?" Schnell legte er ihn weg und ging auf den anderen zu. "Wo warst du?"
"Sag i-ich nicht..", nuschelte der blonde Junge und schloss Chris in seine Arme.
Die Verwunderung war Chris deutlich ins Gesicht geschrieben. "Wieso nicht?"
"W-weil es ein G-geheimnis ist..."
Wirklich zufrieden war Chris mit dieser Antwort zwar nicht, doch er blies es dabei. "Na gut..." Mit einem leichten Lächeln befreite er sich aus der Umarmung. "Hast du Hunger?"
Ein wenig unsicher suchte Otoko nach der Adresse, die auf dem Zettel stand, den Patric ihm gegeben hatte. Er wollte keinen schlechten Eindruck machen und schon bei seinem ersten Auftrag alles versauen, also ging er schnellen Schrittes die Strasse hinunter und suchte nach der Nummer 69.
Otoko war etwas verwundert, dass Patric ihn ausgerechnet in diese Gegend der Stadt geschickt hatte. Es war bekannt, dass in diesem Viertel viele illegale Geschäfte getätigt wurden. Die Polizei kümmerte sich aber nicht darum, da sich hier meist die kleineren Fische herumtrieben. Auch Otoko war früher ein paar Male hier gewesen, um sich Drogen zu besorgen. Doch egal wo er war, er würde auf jeden Fall das Paket abliefern.
Nachdem er die Strasse einmal abgelaufen war, ging er sie noch einmal langsamer ab und dann fand er die Neunundsechzig auch endlich.
Das Gebäude war eine wie es aussah verlassene Wohnsiedlung. Die Klingeln an den Türen waren entweder zertrümmert oder zugeklebt, bis auf eine. //Das muss die richtige Klingel sein... Er hat mit keine Wohnungsnummer gegeben...// Die Klingel funktionierte auch tatsächlich, wie Otoko feststellte.
Nachdem erst einmal nichts passierte, öffnete sich nach einigen Momenten eine Tür und ein großgewachsener Kerl trat heraus. "Was willst du?", grummelte er.
"E-ehm... I-ich habe e-eine Lieferung v-von P-partric Newman...", stotterte Otoko und starrte den Mann vor sich an.
Ehe er sich versah, wurde Otoko an Kragen gepackt und in die Wohnung gezogen. Gleich darauf schloss der andere die Tür wieder. Erst dann ließ er Otoko los. "Komm mit.", befahl er und ging durch die dreckige Wohnung in einen anderen Raum.
Otoko war von dem Mann so eingeschüchtert, dass er nicht widersprach,und brav mitging.
Die Einrichtung des Zimmers, das wohl als Wohnraum vorgesehen war, war mehr als seltsam. Überall standen in weiße Tücher verhüllte Gegenstände herum und abgesehen davon sah alles ziemlich schäbig aus. "Wo ist es?", fragte der große Kerl.
"H-hier...", nuschelte Otoko und streckte dem Kerl ein kleines Päckchen hin.
Ohne ein weiteres Wort nahm der andere Otoko den Gegenstand aus der Hand und betrachtete ihn. Dann ging er zu einem kleinen Tisch und untersuchte den Inhalt, mit dem Rücken zu Otoko, so dass dieser nicht sehen konnte, was in dem Päckchen enthalten war.
"Hmm... Patric hat gesagt, ich w-würde dafür hundert Dollar bekommen....."
"So... hat er das?", kam die gemurmelte Antwort zurück.
"J-ja...."
Ein amüsiertes Lachen war zu hören.
Nun wurde es Otoko wirklich mulmig.
Doch nach einer halben Minute packte der andere die Sachen wieder zusammen, stand auf und hielt Otoko grinsend einen Hundert-Dollar-Schein hin. "Sag ihm einen Gruß von mir."
"W-werde i-ich machen.....", nuschelte Otoko und sah zu, dass er das Haus schnell verließ.
Das Grinsen blieb auf den Lippen des anderen. //Lustiger Kerl...//
30.
Otokos Hände hätten sich um den Hundert-Dollar-Schein verkrampft, als er wieder bei Patric ankam. Blasser als sonst trat er in die Eingangshalle des riesigen Hauses.
Es war nicht wie sonst ganz still im Haus, nein, dieses Mal drang leise Musik aus dem oberen Geschoss.
Etwas unsicher schlich Otoko die Treppen hoch. Er hatte nicht gewusst, was er sonst hätte tun sollen, schließlich musste er ja noch das Geld abliefern. Er klopfte an die Tür, hinter der er Patric vermutete und wartete.
Doch er hörte weder ein 'Herein', noch öffnete sich die Tür. Es war mehr als seltsam, denn die Musik kam ganz eindeutig aus diesem Raum.
Noch einmal versuchte er es mit Anklopfen, diesmal ein wenig fester. "Hallo...?"
Zwar kam keine wirkliche Antwort aus dem Zimmer, doch nun hörte Otoko jemanden leise zur Musik mitsummen. Es schien Patrics Stimme zu sein.
//Wieso antwortet er mich nicht...?// Schüchtern drückte der blonde Junge die Türe auf und spähte in den Raum.
Und dort war wirklich Patric. Er stand mit einem Bademantel bekleidet in seinem großen Schlafzimmer und hatte den Blick anscheinend auf irgendetwas im Garten gerichtet. Doch er schien in Gedanken zu sein, denn das leise Mitsummen stoppte nicht, als Otoko die Tür öffnete.
"....P-patric...?", versuchte Otoko noch einmal seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Und jetzt funktionierte es auch. Der ältere Mann drehte den Kopf und sah lächelnd zu Otoko. "Ah, hallo. Ich hatte dich nicht so früh erwartet."
"W-wieso d-denn nicht...? Der Weg w-war nicht w-weit....", meinte Otoko und ging mit ausgestreckter Hand, in der er das Geld hielt, auf Patric zu.
"Kai hält meine Leute gerne ein wenig auf." Patric sah wieder zum Fenster und machte bisher noch keine Anstalten, sich zu Otoko umzudrehen.
"E-er war ein wenig a-angsteinflössend... A-aber er hat mich g-gehen lassen... Hier ist d-das Geld."
"Leg es einfach auf den Tisch."
Otoko tat, wie ihm geheißen. "....W-war d-das alles....?"
"Noch nicht... Komm her."
Schweigend tapste Otoko zu Patric. Etwas unangenehm war ihm das schon, da Patric ja nur den Bademantel anhatte.
Als der Junge neben ihm stand, schien er noch nicht zu ahnen, was Patric mit ihm vorhatte. Er selbst hatte ein wenig Mühe, sein Grinsen zu verbergen. Durch das gekippte Fenster zog ein leichter Lufthauch, der seinen Bademantel ein wenig rascheln ließ.
"I-ist Ihnen nicht kalt, nur im Bademantel?", fragte Otoko, der schon wieder erschauderte.
Doch anstatt zu antworten, streckte Patric die Hand nach Otoko aus und umfasste sanft, aber keineswegs locker dessen Kinn. "Mir ist ganz und gar nicht kalt.", meinte er, während er Otokos Gesicht mit regem Interesse betrachtete.
Verwirrt starrte Otoko Patric an. "H-hab i-ich was f-falsch gemacht...?"
"Nein.", war die einfache Antwort. Da Patric nun ganz zu Otoko gedreht war, bemerkte der Junge jetzt, dass sein Bademantel geöffnet war und die losen Enden des Gürtels locker um seine nackten Beine baumelten.
Der blonde Junge selbst wurde immer nervöser. "...W-was s-soll i-ich denn noch m-machen....?"
"Da fällt mir einiges ein.", murmelte Patric. Aber er redete nicht weiter, sondern hauchte einen sanften Kuss auf Otokos Lippen. Normalerweise hätte er sich einfach genommen, was er wollte, doch dieser Otoko schien nicht einfach nur schüchtern zu sein. Hinter seiner Zurückhaltung steckte anscheinend mehr.
Starr vor Schreck spürte Otoko die fremden Lippen auf den seinen. //Was wird das denn.....?!//
Patric nutzte Otokos Verwirrung und ließ seine Zunge in dessen Mund gleiten, während er den anderen leicht zurück gegen das Fenster drückte.
Doch das ging Otoko nun doch zu weit. Er griff nach Patrics Armen und löste sich von ihm. Verstört starrte er den anderen Mann an. "W-was s-soll das w-werden....?"
"Das kommt auch dich an.", antwortete dieser grinsend.
"W-wieso...?"
"Warum nicht?" Doch zu Otokos Überraschung hackte Patric nicht weiter nach, sondern drehte sich zu dem Tisch und nahm den Hundert-Dollar-Schein. "Das ist deine Bezahlung für den Auftrag. Mach dir damit einen schönen Tag, wenn du willst." Damit gab er dem verdutzen Jungen den Schein.
"S-soll d-das e-etwa zum J-job gehören.....?", fragte Otoko nicht lauter als ein Flüstern und starrte auf das Geld. Seine Freude über den guten Job war auf einen Schlag gefährlich nahe am Einsturz.
"Nein, das nicht.", meinte Patric mit einem leisen Lachen, mit dem er erreichen wollte, dass Otoko sich wieder ein wenig entspannte.
Was Otoko in seiner Naivität auch wirklich tat. "....G-gut.... I-ich dachte schon...", stammelte er und lächelte sogar ein wenig erleichtert.
Patric widmete seine Gedanken nun wirklich wieder dem Geschäft. //Er hat es abgeliefert und das Geld mitgebracht, die Probe hat er also bestanden. Dann könnten wir ja nun mit den wirklichen Aufträgen anfangen.//
//...Was hätte ich bloß getan, wenn er das wirklich verlangt hätte....?! ....Chris würde mich umbringen, wenn ich mitmachen würde....// Sich in seine Gedanken steigernd biss sich Otoko verzweifelt in die Unterlippe.
Mit einem Lächeln sah Patric wieder auf. "Du kannst gehen, Otoko. Ich brauche dich heute nicht mehr."
Seufzend hob Otoko den Kopf. "Jetzt nennst du mich auch schon so....?"
"Hm?" Ein wenig verständnislos sah Patric den anderen an.
"Möchte mal wissen, wie vielen meiner Kunden er noch den Kopf verdrehen will..."
//Wovon redet er?// "Wer?"
"Na dieser Otoko."
"Ah." //Was soll das jetzt? Dreht er durch?// Immer noch verwundert ging Patric zu Otoko und legte ihm die Arme von hinten auf die Schultern. "Dir geht es noch gut, ja?"
"Hmm... bestens... Aber könntest du mich nicht doch Mike nennen?"
"Wenn dir das lieber ist."
"Ja, eigentlich schon..."
"Mir ist das relativ egal." Patrics Hände ruhten immer noch auf Otokos Schultern und er ließ sie dort. //Erst war er total nervös, aber das war ja zu erwarten. Doch diesen Wandel kann ich mir nicht erklären. Was soll das jetzt?//
Otoko strich Patrics Arme nun doch von seinen Schultern und drehte sich ihm mit einem Lächeln auf den Lippen zu. "Und wie soll ich dich nennen? Besondere Wünsche?"
"Du kennst meinen Namen."
"Ja, aber vielleicht hättest du was anderes lieber gehabt.... Patric...", hauchte Otoko und stellte sich auf die Zehenspitzen, um flüchtig mit seinen Lippen über die des anderen zu streichen.
//Egal, was diesen plötzlichen Wechsel ausgelöst hat, ich habe nichts dagegen.// Patric nahm diese Gelegenheit sofort wahr und legte die Arme um Otoko, um ihn an sich zu ziehen.
Überrascht aufkeuchend grinste Otoko gegen Patrics Lippen und verschloss sie dann fester mit seinen.
Der ältere Mann hatte zwar nicht erwartet, seinen Plan heute noch ausführen zu können, doch andererseits kam es ihm wirklich gelegen. Der Junge, egal ob Otoko oder Mike, hatte ihm von Anfang an gefallen und jetzt würde er ihn sich nehmen.
Geschickt ließ Otoko seine Hände unter dem Bademantel verschwinden und strich über die warme Haut von Patrics Rücken.
Der hatte inzwischen angefangen Otokos Hemd aufzuknöpfen, doch letztendlich riss er es einfach auf, während er den Kuss dort fortsetze, wo er eben noch abgebrochen worden war.
"Hnn... Sind wir ungeduldig....?", nuschelte Otoko gegen die fremden Lippen und ließ seine Zunge in Patrics Mund gleiten.
Eine Antwort auf diese Frage gab er nicht. Mitten im Raum stehend gefiel es Patric nicht besonders, so dass er Otoko kurzerhand hochhob und zum Bett trug, wo er ihn niederließ und sich über ihn beugte.
Otoko hatte die Augen halbgeschlossen und sah Patric stolz und verführerisch wie eine Katze an. "...Weiches Bett...."
Doch den Älteren kümmerte das Bett im Moment nicht viel. Mit einem lustvollen Grinsen legte er sich halb auf Otoko und saugte an seinem Hals, während er eine Hand weiter nach unten wandern ließ.
Seufzend neigte Otoko seinen Hals zur Seite um mehr von Patrics Liebkosungen zu erhaschen, welche dieser ihm auch nur zu gerne gab. Die schlanken Finger des blonden Jungen streiften den überflüssigen Bademantel von Patrics Schultern.
Der zog ihn ganz aus und warf das Stück Stoff dann unachtsam weg. Schnell hatte er Otokos Hose geöffnet und stoppte nun seine Liebkosungen an Otokos Hals, um sie dem Jungen herunterzuziehen.
Otoko half ihm dabei, indem er seine Hüften ein wenig hob und dabei an Patrics Becken presste.
Nachdem auch dieses störende Kleidungsstück entfernt worden war, legte Patric sich wieder auf den so einladend auf seinem Bett liegenden Körper. Der Junge war wirklich kein schlechter 'Fang'.
"...Immer noch so kalt...?", fragte Otoko und biss sanft in Patrics Unterlippe.
"Und wenn es so wäre?" Wieder erschien dieses Grinsen auf Patrics Lippen.
"Dein Pech... So etwas turnt ab..."
"Wir sind aber taktvoll.", meinte Patric, doch er verlor sein Grinsen nicht, sondern bedeckte die nackte Haut unter ihm mit leichten Küssen.
"Hmmm... taktvoll....? Was ist das...?", schnurrte Otoko und räkelte sich leicht.
"...Unwichtig....", murmelte der andere, während er sich immer weiter nach unten arbeitete. In Gedanken überlegte er jedoch gerade, wie er am besten an die Kondome im Nachtkästchen herankommen konnte, ohne die Berührungen allzu lange stoppen zu müssen.
//Ich scheine mich ja ganz schön nach oben gearbeitet zu haben... Der Kerl ist, wie es aussieht, stinkreich... Kein schlechter Fang....//, dachte Otoko und stieß den anderen dann von sich, um sich aufrichten zu können. "Langweilig, lass mich mal lieber machen..."
Wäre Patric nicht so erregt gewesen, hätte er bei diesem Kommentar geschmollt. Doch jetzt war ihm das erst einmal egal.
Er ließ sich von Otoko auf das Bett drücken. Mit einem neckischen Lächeln beugte sich der blonde Junge über ihn und griff ihm sogleich zwischen die Beine.
Sofort entwich ein leises Stöhnen Patrics Kehle.
"Na....? Klingt doch schon mal viiiel interessanter, oder?", hauchte Otoko gegen den Hals des anderen Mannes, bevor er sanft hinein biss. Mit seinen Händen umschloss er Patrics Glied und fing an es zu streicheln.
Patric neigte seinen Hals zur Seite und genoss nun die Zärtlichkeiten des anderen, auch wenn er es eigentlich lieber hatte, wenn er die Initiative ergriff.
Otoko löste sich kaum von Patrics Hals, als er sprach, so dass seine Lippen immer noch leicht die zarte Haut berührten. "Willst du mich?"
"Die Kondome sind im Nachtkästchen.", antwortete Patric mit einem erregten Seufzen.
//Langweiler...// "Das heißt wohl ja..." Otoko löste sich nun ganz von Patric und legte sich neben ihm. "Dann hol sie mal..."
Ein wenig enttäuscht, weil Otoko aufgehört hatte, richtete sich Patric auf und holte schnell eines der Kondome aus der Schublade. Ja, er wollte diesen Jungen. Und zwar jetzt gleich.
"...Hast du welche mit Vanillegeschmack....?", fragte Otoko und grinste herablassend.
"Die hättest du mitbringen müssen.", gab Patric in einem nicht so freundlichen Tonfall zurück. //Ich werde schon dafür sorgen, dass du still bist.// Mit einem diesmal eher bösartigen Grinsen legte er das Kondom neben sich und drückte Otoko zurück auf das Lacken. "Bald wirst du nicht mehr grinsen."
Diese kleine Drohung schien allerdings ihre Wirkung verfehlt zu haben. Gelassen blickten ihn Otokos eisige Augen an. "...Wir werden sehen..."
Eigentlich hatte Patric nicht vorgehabt, so stürmisch und rücksichtslos zu sein, aber die Worte des anderen stachelten ihn genau dazu an. "Wie du willst..." Er riss das Plastik um das Kondom auf und rollte es sich über, dann kniete er sich zwischen die Beine des anderen und zog sie weiter auseinander. //Es geht auch so...// Doch trotzdem zögerte Patric noch. Er würde ihm wirklich weh tun.
Ein wenig erbost funkelte ihn Otoko an, doch sein Grinsen war noch nicht gänzlich verschwunden. "Dass man immer gleich zu sadistischen Mitteln greifen muss...."
"Du hast entschieden dazu beigetragen..." Mit einem ironischen Lächeln setzte Patric nun doch sein Vorhaben gleich in die Tat um und drang in den Jungen ein. Zufrieden registrierte er, wie der andere erstickt aufkeuchte.
"Oh... ah... Mann.... D-den hab ich ja ganz schön hart hinbekommen...", presste Otoko hervor.
Ein leises Lachen von Patric war zu hören. Aber jetzt ließ er dem anderen ein wenig Zeit, um sich an ihn zu gewöhnen und strich sanft über den leicht zitternden Körper. Er hatte Otoko da, wo er ihn haben wollte.
//Wer hätte das gedacht, doch kein Hasenrammler...// Bei diesen Gedanken konnte sich Otoko ein erneutes Grinsen nicht verkneifen. Er beugte sich vor und leckte leicht über Patrics Lippen.
Wäre das Gefühl nicht so überwältigend gewesen, hätte Patric jetzt alles getan, um dieses Grinsen wieder aus Otokos Gesicht zu bekommen. Doch er ließ es und küsste Otoko stattdessen.
Sofort vertiefte Otoko den Kuss und fing an, mit Patrics Zunge zu ringen. Als Patric sich nach ein paar Augenblicken immer noch nicht bewegte, presste er seinen Hintern leicht gegen dessen Becken und seufzte in Patrics Mund auf.
Der Kuss hatte Patric dermaßen abgelenkt, dass er bei Otokos Bewegung überrascht aufkeuchte. Es schien nun zu gehen. Langsam begann Patric sich zu bewegen, denn seine sadistische Ader war nicht wirklich ausgeprägt, zumindest beim Sex nicht. Er hatte nicht vor, Otoko noch mehr wehzutun.
Doch weil das Otoko im Moment einfach zu langsam war, versuchte er sich, so gut es ihm möglich war, gegen Patric zu bewegen. Er löste sich von dem Mund des anderen und ließ sich zurück in die Kissen fallen.
Patrics Hände fanden mittlerweile Halt im Lacken und so stütze er sich ab, während er nun doch ein wenig das Tempo beschleunigte. Selbst er merkte, dass es Otoko bisher nicht reichte.
//Gott!! Der ist eher ein alter Tattergreis als ein Hase!// Otoko schlang seine weißen Beine um Patrics Hüften und presste ihn damit noch enger an sich. "...Hnn... sag mal.... Patric..."
"...Was...?", fragte dieser leicht atemlos. Er versuchte einen gemeinsamen Rhythmus mit Otoko zu finden, doch dem anderen schien es immer noch nicht zu genügen.
Nun schlang Otoko auch seine Arme um Patrics Nacken und zog ihn zu sich, so dass dessen dunkle Haare leicht über Otokos Brust strichen. "...H-hast du... nicht.... was bei... dir?"
"....Was ... genau?" Dunkel erinnerte sich Patric, dass Otoko gemeint hätte, er wäre clean.
Ein erregtes Seufzen drang über Otokos Lippen. "...W-was.... wohl....? Etwas,... womit man... Spaß haben... unn... oh ja....... Spaß haben kann...."
"Sicher... habe ich das... Aber glaub nicht, dass es ... das umsonst gibt...", antwortete Patric leise keuchend. Eigentlich wollte er sich lieber über andere Dinge Gedanken machen... oder besser über gar nichts.
//Ich bezahle doch gerade......// Doch statt etwas für Patric hörbares zu erwidern, beließ er es lieber bei seinen Gedanken und ließ seine Hände über Patrics Rücken streichen.
Nun, da der Junge endlich Ruhe gegeben hatte, konnte er sich endlich wichtigeren Dingen zuwenden. Aber eines musste man Otoko lassen, er war wirklich gut und Patric genoss den Sex in vollen Zügen.
Otoko selbst hatte nicht viel davon, er wollte eigentlich nur, dass das Ganze so schnell wie möglich vorbei war. Patric bekam, was er wollte, denn die Mittel dazu waren Otoko bestens bekannt. So war der ganze Spaß für den anderen schon nach wenigen Minuten vorbei.
Bei ihrem ersten Gespräch bei ihm zu Hause hatte Patric kurz überlegt, ob der Junge sich verkaufte. Nun war er sich sicher. Aber was interessierte ihn das? Gar nichts, also war es egal. Trotzdem kratzte es ein wenig an seinem Stolz, dass Otoko sich so unbeeindruckt zeigte.
Sich sanft über seinen eigenen gebrechlich wirkenden Körper streichend lag Otoko neben Patric. "...Hmmm....Könntest du mir nicht was geben....?", nuschelte er, drehte sich auf den Bauch und baumelte mit den Füssen in der Luft.
Nachdenklich sah Patric ihn an. Einerseits wollte er Otoko nichts geben, aber andererseits hatte er ihm gerade einen nicht so kleinen Gefallen getan. Eine Ausnahme konnte er also ruhig machen. Sein Blick wanderte zu den Armen des anderen. "Heroin?"
Otoko folgte Patrics Blick und zog dann seinen Arm zu sich. "Am liebsten, ja...."
"Warte kurz." Träge stand Patric auf. Eigentlich hatte er dazu überhaupt keine Lust. Er ging in ein Nebenzimmer und holte dort die notwendigen Utensilien aus einem Versteck in einem der Schränke heraus. Dann kehrte er wieder ins Schlafzimmer zurück und warf die Sachen aufs Bett. "Beeil dich, du musst dann gehen. Ich hab bald einen Termin."
"Awwww.... Wie Ungentleman like.....", murrte Otoko griff aber gleich darauf nach dem, was ER eigentlich die ganze Zeit wollte.
Patric setzte sich auf das Bett und sah Otoko zu. Er wollte noch duschen, doch das würde er erst tun, wenn er wieder allein war. Noch konnte er Otoko nicht ganz vertrauen, besonders nicht nach dem Verhalten, welches dieser im Moment zeigte.
"Guckst du dabei gerne zu?", fragte Otoko nach einer Weile eher ein wenig abwesend.
"Nicht unbedingt." Nun stand Patric auf und drückte auf einen Knopf am Kopfende des Bettes. "Zieh dich an, Edward bringt dich raus. Ach ja, das gehört dir." Damit zeigte er auf den Hundert-Dollar-Schein, der Otoko heruntergefallen war und auf dem Boden lag.
"Ich lese kein Geld vom Boden auf, wenn mich meine Kunden beobachten...", entgegnete der blonde Junge und zog sich langsam an.
"Ich werde dich sicher nicht zwingen, es zu nehmen.", erwiderte Patric, doch er blieb trotzdem noch im Zimmer.
"Na dann wirst du es mir ja nächstes Mal geben können..." Damit verließ Otoko den Raum.
Verwundert blickte Patric ihm hinterher. "Ein wirklich seltsamer Junge..."
Otoko ärgerte sich ein wenig darüber, dass er die hundert Dollar liegen gelassen hatte, aber andererseits wollte es sein Stolz nicht zulassen, sich vor Patric nach Geld zu bücken. Er wusste im Moment eigentlich gar nicht so recht, wo er hinwollte oder ob er überhaupt irgendwo hinwollte, denn seine Sicht wurde immer schlechter. Keine Frage, Patrics Stoff war gut, zu gut und zu viel für den abgewöhnten Körper. So entschloss sich der blonde Junge, erst mal seinen Rausch zu genießen, bevor er sich weiter um irgendetwas kümmerte.
Wütend über sich selbst warf Chris seinen Kugelschreiber in die Ecke des Zimmers. Wieso konnte er sich nicht aufs Lernen konzentrieren? Ein Blick auf die Uhr verriet es ihm. Otoko war wieder einmal weg, arbeiten. Das wäre kein Problem gewesen, doch der andere hatte ihm immer noch nicht - immerhin hatte Otoko den Job nun seit einer Woche - gesagt, was er tat. Auch damit konnte Chris leben. Was ihn störte war, dass Otoko bisher immer um die Uhrzeit zurückgewesen war, die er Chris gesagt hatte. Nur war das vor zwei Stunden gewesen. Er machte sich Sorgen, doch was konnte er schon tun? Er wüsste nicht, wo er seinen Freund hätte suchen können.
Otoko war allerdings gar nicht weit von Chris entfernt. Nur zwei Straßenblocks trennten sie, doch als Otoko wieder einigermaßen zu sich kam, war wieder einige Zeit vergangen. Verwirrt und desorientiert blickte sich Otoko um. //.....Was mache ich hier......??// Schwankend versuchte er aufzustehen. Er fühlte sich seltsam wohl, was die leichte Beunruhigung in ihm allerdings nicht ganz wegmachen konnte. Als er das Elektrogeschäft gegenüber der Straße erkannte, wusste er sofort, wo er war und so versuchte er, mehr schlecht als recht in Chris' und seine Wohnung zu kommen.
Als er die Schritte im Treppenhaus hörte, sprang Chris sofort auf und öffnete die Tür. "Otoko?! Bist du das?"
Mit leicht verhangenen Augen blickte Otoko auf. "...J-ja...." Er versuchte zu lächeln, krallte seine Hand allerdings fester in das Treppengeländer, um nicht vornüber zu kippen.
Erschrocken hastete Chris zu Otoko und zog ihn zu sich. "Was ist denn passiert?", fragte er, während er den anderen in die Wohnung trug.
"Hmmm... N-nichts b-besonderes....", nuschelte der blonde Junge und schlang die Arme um Chris' Nacken.
"So siehst du aber nicht aus.", meinte Chris, immer noch besorgt. Er legte Otoko auf dem Bett ab und betrachtete ihn.
"....M-mir geht es.... w-wirklich.... gut..." Ein wenig unbeholfen strich sich Otoko durch die Haare. Sein Blick wurde wieder glasiger und er schien Chris gar nicht mehr richtig wahr zu nehmen. Er fühlte, wie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmerte, doch zugleich war sein Körper so angenehm betäubt.
Verzweiflung stieg in Chris auf. //Das kann doch nicht normal sein... Ich hab ihn noch nie so erlebt... Er ist so anders... oder...// Ein schlimmer Verdacht kam ihm, doch er hoffte, dass er sich irrte. //Nein... wenn es das ist, dann ... weiß ich nicht, was ich noch machen soll...// Ohne auf Otokos schwache Gegenwehr zu achten, nahm er einen Arm des Jungen und zog den Ärmel der Jacke nach oben. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. //....Scheiße...//
".....W-was ist d-denn....?", fragte Otoko in leicht genervten Tonfall.
Doch Chris ließ einfach nur Otokos Arm los und stand auf. "Nichts." Ohne ein weiteres Wort ging er ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. Nun bahnten sich die Tränen ihren Weg über seine Wangen, die er so lange zurückgehalten hatte. //Wieso tust du mir das an, Otoko?//
Etwas unverständliches nuschelnd drehte sich Otoko zur Seite und gab sich seinem Rausch wieder hin.
Chris blieb weiterhin im Badezimmer, saß dort auf der geschlossenen Toilette und ertrug seinen Schmerz alleine. So verletzt, wie er sich jetzt fühlte, wollte er Otoko nicht sehen. Und wahrscheinlich war es dem im Moment auch völlig egal.
31.
Otoko 'erwachte' erst nach einer Stunde wieder, als sich die Muskeln in seinem linken Unterschenkel leicht zusammenzogen. "...M-mist... Was i-ist denn jetzt l-los....?"
Chris, der immer noch im Bad war und sich mittlerweile wieder ein wenig beruhigt hatte, hörte Otoko und lauschte, doch er wollte trotzdem nicht mit dem anderen reden. Er war doch selbst schuld, wenn er sich etwas spritzte.
Otoko erhob sich. Er fühlte sich komisch und irgendwie hatte er wieder das Verlangen nach Stoff. Aber wieso? Er humpelte in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen, erst dann fiel ihm auf, dass Chris nirgends zu sehen war. //......Ist er schon gegangen......?// ".....C-chris....?"
//Nein, ich werde nicht zu ihm hingehen.// Obwohl es in dem Bad doch ein wenig kalt war und Chris jetzt viel lieber seinem Bett liegen oder bei Otoko sein würde, blieb er.
"....Chris?!" //Er geht doch sonst nicht so früh......//
Seufzend stand Chris auf. //Es hat doch keinen Sinn...// Mit einem leisen 'Ich bin hier.' kam er aus dem Bad.
Verwundert blickte Otoko ihn an. "....G-geht es d-dir nicht g-gut...?"
"Bist nicht du der, dem es schlecht geht?" Chris' Stimme klang vorwurfsvoll und genau das sollte sie auch.
"....N-nein..." Otokos Wangen färbten sich rot. "...I-ich fühle m-mich nur ein wenig m-müde..."
"Aha." Erst jetzt fiel Chris auf, dass Otokos Hemd zerrissen war. Was ihn aber noch mehr störte, war der dunkle Fleck an Otokos sonst weißem Hals. //Was habe ich dir getan, dass du mir so etwas antust? Ich dachte, zwischen uns herrscht inzwischen so etwas wie Vertrauen.//
Otoko fiel Chris' Gemütszustand sofort auf und er ging leicht humpelnd auf seinen Freund zu. "W-was hast du....?", fragte er sanft und wollte über Chris' Wange streichen.
Doch dieser wich sofort zurück. "Ich hoffe, du hast dich gut amüsiert, bei der Arbeit." Das Wort 'Arbeit' betonte Chris besonders.
Sofort wich auch Otoko zurück. "...W-wieso a-amüsiert....?" Er erinnerte sich plötzlich, wie Patric ihn geküsst hatte und er fasste sich sofort an die Lippen. "...I-ich habe m-mich nicht a-amüsiert....."
"Ist mir egal." Auf irgend eine Art empfand Chris sein Verhalten selbst als kindisch, doch andererseits fühle er sich berechtigt, sich so zu benehmen. Immerhin war es nicht er, der etwas falsch gemacht hatte.
Otokos Blick wurde nun verstört. "...W-was ist l-los Chris...? H-hab ich w-was f-falsch g-gemacht...?"
Chris setzte sich auf die Bettkante und sah zu Otoko hoch. "Schau mal in den Spiegel."
"W-wieso...?"
"Weil du dort den Grund für mein Verhalten siehst."
"....I-ich mag mein S-spiegelbild n-nicht..."
Frustriert, weil Otoko nicht tat, was er wollte, legte er sich auf das Bett, das Gesicht von Otoko abgewendet. Gut, das war auf jeden Fall kindisch, aber er hatte allen Grund dazu.
Mehr als widerwillig begab sich Otoko nun doch ins Bad. Leicht zitternd hob er den Kopf und blickte in sein eigenes Gesicht.
Chris sah ihm hinterher. Er würde Otoko so gerne in seine Arme schließen und ihm das Ganze ersparen, doch sein Stolz ließ es nicht zu. Diesmal nicht.
Das Zittern in Otokos Körper verstärkte sich, als er den Fleck an seinem Hals und sein zerrissenes Hemd bemerkte. //.....W-was ist p-passiert...?// Angeekelt stieß er sich von dem Spiegel weg und drehte sich um. Er schlang die Arme um seinen Körper und sank lautlos in die Knie. //....Das bin nicht ich!!//
Doch wie so oft änderte Chris seine Meinung, als er sah, wie Otoko zu Boden sank. Er stand auf und ging zu ihm hin. "Wieso tust du mir das an?", fragte er leise.
Otoko hob den Kopf und starrte Chris mit geweiteten Augen an. ".....W-was..........?" Seine Lippen begannen zu zittern und er presste beide Arme an den Kopf. "WAS UM ALLES IN DER WELT HABE ICH DENN GETAN???!!"
Erschrocken wich Chris einen Schritt zurück. "Das weiß ich doch nicht.", antwortete er mit verbitterter Stimme.
"....I-ich a-auch nicht.....", wisperte der blonde Junge und wischte die Tränen in seinen Augen weg. ".....I-ich weiss es nicht........"
"Du hast dir wieder etwas gespritzt."
"W-was....?" Ungläubig starrte Otoko Chris an.
"Du hast frische Einstichwunden an deinem Arm.", antwortete Chris. Er fühlte sich wie in einem schlechten Film. Wieso musste so etwas jetzt kommen? Er hatte sich so gut mit Otoko hier eingelebt, doch jetzt schien der Frieden vorbei zu sein.
//Nein.... bitte nicht....// Als auch Otoko die Wunde erkannte presste er die Augen zusammen und schluchzte auf. ".....g-gomen nasai... "
Aber dieses Mal erwiderte Chris nichts. Er würde lügen, wenn er antworten würde, dass alles ok sei.
//.....Jetzt ist alles vorbei.... ich wusste doch, dass ich nicht glücklich sein darf....// Otoko verkroch sich wieder ins Bad und schloss die Türe ab.
Chris sah ihm nach, aber er versuchte nicht, ihn dazu zu bringen, die Tür zu öffnen. Wieso auch? Entmutigt und mit den Nerven im Moment völlig am Ende beschloss er schlafen zu gehen.
// Ich tue ihm nur weh.... Ich mache ihm nur Probleme!! Verdammt! Wieso habe ich es zugelassen, dass ich mich wohl bei ihm fühle?! Wieso hab ich es zugelassen, dass er mich liebt??!!!// Total in seinen dunkeln Gedanken versunken brachen die Tränen aus Otoko heraus. //Wieso.....? Wieso...... Wieso?! Wieso?!?! Ich hasse mich!! Ich hasse mich so sehr!!!// Sein Körper wurde regelrecht durchgeschüttelt und schon nach wenigen Minuten war ihm, als würde er an seinen eigenen Tränen ersticken müssen.
Die Geräusche, die aus dem anderen Zimmer zu Chris vordrangen, zerrissen diesem fast das Herz. //Hör auf...//, schluchzte er in Gedanken. //Hör endlich damit auf, mir weh zu tun...//
Otokos Sicht war schon lange verschwommen vor Tränen, doch nun schien es immer dunkler um ihn zu werden. Ob die Dämmerung eingesetzt hatte oder er dank des Luftmangels in Ohnmacht fiel, wusste er nicht, denn der Schmerz in ihm wurde immer wie schlimmer. Er hörte auf zu schluchzen.
Doch auch die Stille war für Chris unerträglich. //Was, wenn er sich etwas angetan hat? Was, wenn er inzwischen tot ist?// Er riss sich zusammen, stand auf und klopfte gegen die Tür. "Otoko! Mach auf, bitte."
Chris bekam keine Antwort.
Nun packte ihn wirklich die Panik. "Otoko! Otoko, bitte!! Mach auf!"
Stille war auch jetzt die einzige Antwort, die Chris erhielt.
"Nein... Otoko..." Chris schlug mit den Händen gegen die Tür, doch sie ging nicht auf. "Otoko!!" //Ich will nicht, dass du dich umbringst... Lass mich nicht allein...//
Doch nun wurde die Türe geöffnet und Otoko stand vor ihm. "....Wieso schreist du so, verdammt....? Ich wollte schlafen..."
Mit Tränen den Augen sah Chris Otoko einen Moment einfach nur an, dann schlang er die Arme um den anderen und umarmte ihn, anstatt zu antworten.
"Hey, hey, hey! Was ist denn jetzt los?"
"Es tut mir so leid, dass ich dir Vorwürfe gemacht habe.", schluchzte Chris mit erstickter Stimme, während er den anderen immer noch eng an sich drückte. "Ich werde es nie wieder tun."
Leicht verwirrt blickte Otoko auf Chris. ".....Von was redest du eigentlich?"
Die bittere Erkenntnis, dass er wieder Mike vor sich hatte, traf Chris wie ein Schlag. Zitternd ließ er den anderen los und sank vor ihm auf die Knie. "Nein..." //Nicht schon wieder...//
"Mann, was hast du denn geschluckt...?" Nun doch ein wenig besorgt kniete sich Otoko vor Chris und strich ihm beruhigend über den Rücken.
"Nichts." Die Hoffnungslosigkeit, die Chris im Moment spürte, zeigte sich deutlich in seiner Stimme. //Ich wünschte, ich hätte es... Dann ließe sich das alles leichter ertragen.//
//Jetzt dreht er total ab...// Sanft drückte Otoko Chris an sich. "Na komm schon... so schlimm wird's ja nicht sein...."
Neue Tränen vermischten sich mit den Spuren der alten, die noch nicht getrocknet waren. //Ich hätte ihn nicht beschuldigen dürfen... Wahrscheinlich hat Mike die Drogen genommen, nicht Otoko...// Chris schmiegte sich an den warmen Körper des anderen, obwohl er Mike ganz und gar nicht mochte. Er brauchte jetzt Trost, egal von wem.
"Ssschschh.... Vielleicht solltest du ein wenig schlafen gehen....", hauchte Otoko leise und legte seinen eigenen Kopf auf Chris' Schulter.
Der stand nun langsam auf. Seine ganze Haltung drückte Niedergeschlagenheit aus. Chris hielt den Kopf gesenkt, wodurch die Augen von seinen Haaren verdeckt waren und ging langsam zum Bett, wo er sich, ohne sich auszuziehen, hinlegte. Vielleicht war Schlafen wirklich das Beste, was er tun konnte.
//Was hat er denn bloß.....?? Hat er etwa ne schlechte Note nach Hause gebracht und Mama hat ihn ausgeschimpft oder was.....?// Seufzend stand auch Otoko auf und begab sich zu Chris in Bett. Dort kuschelte er sich an den anderen Körper.
Chris tat dasselbe und genoss im Moment einfach die Wärme des anderen, die ihn langsam wieder beruhigte.
"Morgen ist alles wieder anders.... Du wirst sehen....", flüsterte Otoko und kraulte Chris sanft den Nacken.
//Wird es nicht... Es wird immer so weitergehen...//, dachte Chris aussichtslos. Das Zittern hatte inzwischen wieder aufgehört und auch die Tränen waren versiegt. //Wenn du wüsstest, wie es wirklich ist...//
Otoko liebkoste Chris weiter sanft, bis er selbst von der Ruhe, die um sie herum herrschte, müde wurde und einschlief.
Als Chris dies merkte, öffnete er die Augen wieder und sah auf. Selbst wenn Mike in vielen Dingen ein Idiot war, so zeigte er zumindest Mitgefühl... Vielleicht war er doch nicht so schlimm, wie Chris ihn immer empfunden hatte.
Als Chris am nächsten Tag in die Uni kam, stand schon der nächste Schock für ihn bereit. Er hatte vergessen für eine wichtigen Test zu lernen, den er heute morgen hatte.
Dementsprechend lief die Prüfung für ihn mehr als schlecht. Zum einen konnte er den Stoff nur halbwegs und zum anderen schweiften seine Gedanken immer wieder zu Otoko ab. Als Chris die Wohnung heute Morgen verlassen hatte, war der andere noch tief und fest am Schlafen und deshalb hatte Chris ihn nicht geweckt. Er hoffte nur, dass er wieder Otoko gegenüberstand, wenn er später zurückkam.
Als es die Mittagspause einläutete, blieb Chris deprimiert sitzen. "Hey Chris, wie ist es bei dir gelaufen?"
Verwirrt sah er nach oben. Michael und Janine standen vor seinem Platz. "Mies.", antwortete er wahrheitsgemäß und fragte sich, was die beiden hier bei ihm wollten. Sie hatten ihn doch die letzte Zeit auch ignoriert.
"...Oh... Das klingt nicht gut... Hast du denn nicht gelernt?"
"Ich hatte es vergessen." Chris packte seine Sachen zusammen und wollte eigentlich so schnell wie möglich von hier verschwinden, um sich in einen Bereich der Uni zu verziehen, in dem er seine Ruhe hatte.
"Du solltest es dir das nächste mal in die Agenda schreiben..... In letzter Zeit scheinst du nicht mehr so gute Noten zu haben....", meinte Janine und lächelte leicht.
Doch das Lächeln wurde nicht erwidert. Mit einem 'Werd ich machen.' stand Chris auf und wandte sich zum Gehen.
"Wollen wir zusammen essen gehen?", fragte Michael dann schnell.
"Ich hab keinen Hunger."
"Können wir dann trotzdem reden?"
"Wenn es euch so wichtig ist.", antwortete Chris gleichgültig.
Die drei waren in der Kantine der Uni. Michael und Janine aßen, während Chris nur stumm dasaß.
"Du siehst nicht gut aus..... Vielleicht solltest du doch was essen...", bemerkte Janine und hielt Chris ein Stück Brot hin.
Aber auch das nahm er nicht an. "Ich habe wirklich keinen Hunger."
"Chris.... was ist mit dir los....?"
"... Ich habe ein paar Probleme, aber damit komme ich schon klar. Es ist nichts ernstes."
"Können wir dir helfen....?", fragte Michael nun und biss in sein Sandwich.
"Nein." Nachdenklich betrachtete Chris die Tischplatte. "Das kann niemand."
"W-wie meinst du das....? Was ist denn los...?" Nun war Michael und Janine wirklich besorgt.
"Egal, was ich tue... es hilft nichts... Die Probleme kommen immer wieder..."
"Wieso...? Was hast du denn für Probleme?......Iist es... wegen diesem Otoko?"
Ein Nicken von Chris bestätigte diese Annahme.
"Was hat er gemacht?" Sofort rückten die beiden näher zu Chris.
Der überlegte, wie viel er den beiden erzählen sollte. Wenn er zu viel sagte, würden sie sicher mit seiner Mutter reden. "Er hat eben ein paar Probleme... und die nehmen mich auch mit..."
"Aber.... du nimmst jetzt nicht auch Drogen, oder?"
"Nein." //Aber es könnte sein, dass ich damit anfange, wenn es so weiter geht...//
"Hat er denn irgendwelche Straßengangs am Hals?"
"Nein..." Plötzlich kam es Chris so vor, als hätte er schon zu viel erzählt. "Es ist nicht so schlimm. Ich habe einfach in letzter Zeit ein wenig Stress, weil ich ja nebenbei noch arbeite. Es nimmt mich ein bisschen zu viel mit, aber das wird schon wieder."
"Bist du sicher......?"
"Sicher. Schließlich gibt es für jedes Problem eine Lösung.", antwortete Chris mit einem Grinsen im Gesicht. Doch er wusste selbst, dass er nicht besonders überzeugend war.
"Na ja...... Aber manchmal sind die Lösungen doch recht beängstigend....", meinte Michael und erwiderte das Grinsen und kurz.
"Hm..." //Ja... diese Art der Lösungen gibt es auch noch...//
"Na ja..... Du scheinst jetzt wohl deine Ruhe vor uns haben zu wollen, was?"
"Wäre besser." Und schon stand Chris auf. "Bis später." Damit ging er.
Verbittert blickten Michael und Janine Chris nach.
Als Otoko, oder besser gesagt Mike, Patrics Arbeitszimmer betrat, saß dieser an seinem Schreibtisch und schrieb gerade etwas auf einem Laptop. Otokos Hundert-Dollar-Schein lag neben ihm auf der Ablage.
"Bin wieder da.... Störe ich....?", fragte Otoko und ging auf Patric zu.
"Nicht doch.", antwortete Patric, ohne aufzusehen.
"Gibt's wieder Arbeit für den Laufjungen?"
Patric nickte. "Ja. Hier..." Er deutete auf einen Zettel. "...Ist die Adresse. Das Päckchen liegt darunter."
Kurz ließ Otoko seinen Arm über Patrics Schulter streichen, bevor er das Päckchen und den Zettel an sich nahm. "....Wie viel muss ich einkassieren....?"
"Dreihundert. Deine Bezahlung bekommst du hier."
"Ok.... und tschüss! Bin bald wieder da....", damit verließ Otoko das Zimmer.
Mit einem Grinsen arbeitete Patric weiter.
Als Otoko nach einigem Suchen die Adresse fand, war er angenehm überrascht. Diesmal war das Gebäude nicht ganz so heruntergekommen wie letztes Mal. Er klingelte an der Tür und wartete eine Weile.
Eine junge Frau öffnete ihm. "Ja, bitte?"
"Um... Guten Tag, ich hab hier eine Lieferung von Patric Newman."
"Von Patric? Schön, komm rein." Die Frau, oder besser gesagt das Mädchen, denn sie sah wirklich noch sehr jung aus, zog Otoko herein. Freudig lächelnd blickte sie ihn an. "Wie geht es ihm?"
"Gut..........Denke ich doch...." //Habe ich mich nicht in der Adresse geirrt....? Was will dieses Gör....? Die Lieferung ist doch nicht für sie...?// "Wem kann ich das Packet geben....?"
"Mir natürlich. Die anderen sind im Moment nicht da, aber das macht nichts. Sie haben mir das Geld dagelassen." Es war wirklich ein wenig komisch, dass das Mädchen die Lieferung bekommen sollte. Sie schien so unbekümmert und unschuldig, dass niemand daran denken würde, dass sie Geschäfte mit Drogen oder etwas ähnlichem machte. "Dreihundert Dollar, ja?"
"Ja, dreihundert....." Er nahm das Geld entgegen, behielt das Packet aber noch in den Händen. "Weißt du, was in dem Päckchen ist?"
"Sicher. Du nicht?", fragte sie mit einem Zwinkern.
".......Ich bin mir nicht ganz sicher....."
"Na komm schon, ich hab dir das Geld gegeben, also gib es her." Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich plötzlich. "Mach schon!"
"Na, na, wer wird denn gleich unfreundlich....", murrte Otoko und hielt ihr das Packet hin.
Sofort packte sie es und zog es zu sich. "Ich habe keine Lust, von dir verarscht zu werden. Das machen schon genug andere!", fauchte sie.
"Hey, Kleine, nun komm mal von deinem Trip runter! Ich habe dir gar nichts getan, ok?!"
Doch das Mädchen dachte nicht daran, sich wieder zu beruhigen. "Du hast dein Geld, also hau wieder ab!"
"Hatte ich vor, du kleine Schlampe, nur leider stehst du mir im Weg!"
Mit einem wütenden 'Hmpf!' öffnete sie dir Tür und trat dann zur Seite. "Ich hoffe, Patric schickt das nächste Mal jemanden mit Manieren."
"Und ich hoffe, das nächste Mal schickt er mich zu jemandem mit Verstand!"
Sie rief ihm noch einige Schimpfworte hinterher, als er die Wohnung verließ, doch dann wandte sie sich dem Päckchen zu. Wenigstens hatte sie es jetzt, auch wenn der Überbringer ein Idiot gewesen war.
Als Otoko wieder an Patrics Zimmertür klopfte, war er ziemlich schlecht gelaunt. Wieso hatte ihm Patric nicht gesagt, dass er auch mit so jungen Gören handelte, das hätte ihm einiges erspart.
Doch wie schon am gestrigen Abend bekam er keine Antwort.
//Der sollte sich mal die Ohren durchlüften lassen......// Lautlos öffnete Otoko die Türe und trat ein.
Anders als gestern war der Raum aber leer.
"Eh.......? Wo ist er denn jetzt hin....?" Er verließ den Raum wieder und ging runter zu Edward. "Wo ist Patric?"
"Im Arbeitszimmer.", antwortete dieser.
"Das ist aber leer..."
"Dann weiß ich es auch nicht." Der gelangweilte Tonfall des anderen zeigte, dass er eigentlich gerne seine Arbeit machen würde und nicht dauernd gestört werden wollte.
"Na toll.... Dann werde ich eben mal die ganze Hütte auf den Kopf stellen....." Gesagt, getan. Er stöberte das ganze Haus nach Patric ab
Der war inzwischen wieder in seinem Arbeitszimmer - denn er war nur auf der Toilette gewesen - und arbeitete unwissend, dass Otoko schon da war, weiter.
Otoko achtete nicht darauf, vorsichtig oder gar leise zu sein. Er wollte endlich seinen 'Lohn' bekommen und nach Hause oder was Patric auch immer mit ihm vorhatte, Hauptsache es ging schnell. Gelangweilt entdeckte er einen neuen Gang mit noch mehr Türen. "......Verdammtes Labyrinth..."
Ihm kam nicht in den Sinn, dass ihn dieses Labyrinth vielleicht überhaupt nichts anging. Denn da Patric mit Drogen handelte, hatte er wahrscheinlich auch sonst keine weiße Weste.
Der erste Raum, den Otoko betrat, schien als Wohnzimmer zu dienen. Er erschien dem Jungen nicht als besonders interessant, deshalb ging er zum nächsten Zimmer. Auch diese Tür war nicht abgeschlossen. Das hier war wohl ein Abstellraum. Große Gegenstände, Otoko konnte nicht erkennen, was sie waren, denn wie bei dem Kerl gestern waren die Sachen mit Tüchern verhängt, standen überall und verstaubten langsam.
//So ne große Hütte und dann nicht einmal den Überblick behalten..... So ne Flasche...// Seufzend schlug Otoko die Türe wieder zu und ging zum nächsten Raum. Er kam sich ein wenig dumm vor, als er sich in der Toilette wiederfand. Das war auch nicht das, was er wollte und so suchte er weiter oder wollte es zumindest.
Denn gerade als er aus dem Raum gehen wollte, stand Patric vor ihm. "Was machst du hier?", fragte er und seine Stimme klang nicht so freundlich wie sonst.
Otoko drehte sich zu ihm um. "Ich suche dich."
"Hier hast du nichts zu suchen, weder mich noch etwas anderes."
Abwehrend hob Otoko die Hände. "Ja, ja! Schon ok! Hör auf zu bellen."
"Du solltest die Warnung ernst nehmen, Junge.", meinte Patric, immer noch in demselben Tonfall. Er zog Otoko aus der Toilette und schloss die Tür. "Wenn du herkommst, dann gehst du gleich in mein Arbeitszimmer. Und wenn du mich da nicht findest, dann wartest du da. Verstanden?"
"Ok! Das könntest du mir auch früher sagen!"
"Ich habe es jetzt gesagt, das reicht." Patric ließ Otoko los und ging in Richtung Treppe. "Komm schon."
//Ja sicher reicht es! Du Arschgeburt hättest dir deinen Wutanfall sparen können, hättest du es mir früher gesagt!!// Grummelnd ging Otoko hinter Patric die Treppe hoch.
Der Ältere merkte, dass Otoko wütend war, doch eigentlich war es ihm egal. Er wollte nur niemandem im Haus haben, der herumschnüffelte. Etwas anderes war nicht wichtig.
Als sie beide wieder in Patrics Arbeitszimmer waren, setzte sich Otoko gleich auf das Bett. "Verkaufst du auch an Gören?"
"Meinst du Christine? Sie ist eigentlich nicht der Käufer, sondern ihr großer Bruder.", antwortete Patric. "Hast du das Geld?"
"Ja, hab ich....... Aber die Kleine scheint auch von den Zeug zu bekommen...... Die hat sich draufgestürzt wie ein hungriger Löwe....", meinte Otoko und hielt Patric das Geld hin.
Der nahm die Scheine und legte sie vor sich auf den Tisch. "So ist sie eben."
"Ja.... Und sie wünscht sich übrigens 'nen Boten mit mehr Manieren....."
"Aha." Patric sah auf dem Laptop nach, was für Aufträge in den nächsten Tagen für Otoko noch drankamen. "Hast du noch Zeit oder musst du gleich gehen?"
"Ich hab noch Zeit..... Muss ich noch mal wohin?"
"Vielleicht. Leider ist ein anderer Mitarbeiter von mir krank geworden und ich kann es nicht selbst erledigen, also wäre ich dir dankbar, wenn du es machen könntest.", antwortete Patric, den Blick immer noch auf den Laptop gerichtet.
Nun verzog Otoko leicht die Augenbrauen. "....Was muss ich tun?"
"Nichts schweres. Etwas abliefern und wieder gehen. Es gibt keine Bezahlung."
"Hmm......... Ok.... Wo muss ich hin?"
Bei dieser Frage drehte Patric sich mit seinem Stuhl um und sah Otoko an. "Ins örtliche Polizeirevier."
Als ob die Worte wie Schläge wirken würden, zuckte Otoko zusammen. "Was?!"
"Ich habe einen Freund dort, der sollte etwas von mir bekommen. Kannst du es machen oder nicht?"
Otoko zögerte sehr lange. "......Was bekomme ich dafür?"
"Nun. Zum einen solltest du deine 100 Dollar von gestern nehmen, das war ein Geschenk. Wenn du es nicht annehmen willst, dann werde ich es wieder nehmen. Für die beiden Aufträge heute würdest du zusammen 50 Dollar bekommen, das ist ziemlich viel für diese Arbeit, also mach es gut."
"Wenn man bedenkt, was für ein Risiko ich eingehe, ist es nur gerecht....", entgegnete Otoko und stand auf. "Ok. Gib mit die Ware."
Patric gab ihm eine Tüte, die wie diese aussah, in denen man Fastfood verkaufte. "Der Name meines Freundes steht auf diesem Zettel." Otoko bekam auch diesen in die Hand gedrückt. "Ach ja, du solltest vielleicht die Haare unter der Mütze verstecken, du siehst so ziemlich auffällig aus."
"Danke, werd ich machen....." //Draußen hab ich meine Haare immer unter der Mütze, du Blindschleiche!// Und so verließ er das Zimmer.
Patric hingegen dachte darüber nach, dass Otoko sich erschreckt hatte, als er die Polizei erwähnt hatte. //Er scheint Probleme mit ihnen gehabt zu haben.//
32.
//Wieso bin ich eigentlich immer noch bei ihm.....? Er will mich ja doch nicht.....Der ist so komisch..... Aber immerhin ist die Wohnung gemütlich.....// Er schloss die Türe auf und ging herein. ".......Hallo.....?"
Chris sah auf und blickte zu Otoko. "Hi..." //Ist es jetzt Otoko... oder Mike?//
"Na..... hast du dich wieder beruhigt?", fragte Otoko und zog seine Jacke aus.
//Mike.// "Geht schon." Chris wandte sich wieder seinen Büchern zu. "Ich hab vorhin gekocht, es steht noch in der Küche, falls du Hunger hast."
"Danke.... Hast du schon gegessen?"
"Ja, vorhin."
"Und? Hat's geschmeckt?" Ein leichtes Lächeln lag auf Otoko Lippen.
"Ja, ging so." Ein wenig verwundert sah Chris Otoko - nein Mike - an. Er war doch sonst nicht so.
"Was machst du da eigentlich........?", fragte Otoko und beugte sich über den Tisch zu Chris.
"Ich muss lernen. Hab heute Morgen eine Prüfung versaut und das sollte nicht noch einmal passieren." Immer noch kam Chris das Interesse des anderen ein wenig seltsam vor.
Blitzschnell griffen Otokos Hände nach Chris' Buch und zog es weg. Er drehte es um und las die Überschrift laut. "Psychologie Nummer vier..... Klingt..... spannend......."
Ein Hauch eines Lächeln huschte über Chris' Gesicht. "Komm schon, gib es wieder her. Es wird dich langweilen."
"Wenn du es mir erklären würdest sicher nicht...", entgegnete Otoko und gab Chris das Buch zurück. "Sag mal...... wegen gestern.... Was war da los...? Hattest du 'nen Alptraum oder ist mit diesem Otoko etwas passiert?"
Sofort war Chris' Laune wieder schlechter. "... Ja... Otoko...mit ihm ist etwas passiert..."
"Was denn.....?"
"...Er hat Probleme... und wie es aussieht, geht es ihm ziemlich schlecht. Aber er scheint mich nicht sehen zu wollen..." //Sonst wäre er jetzt hier...//
"Das klingt aber nicht nett...... So ein Idiot.......... Wenn der wüsste, wie du deswegen durchdrehst, würde er dir so was nicht antun...."
"Nein. Er hat genug mit sich selbst zu kämpfen, da muss er nicht auf mich Rücksicht nehmen..." Mit einem Seufzen sah Chris auf seine Bücher. //Ich werde mich wohl kaum noch konzentrieren können... Außerdem habe ich schon einiges erledigt, der Rest kann eigentlich noch warten...//
"Oh Mann...... Du bist zu gut für diese Welt....", murrte Otoko und ging in die Küche.
//...Das hat Otoko auch gesagt...//
"Boah! Du hast ja viel zu viel gekocht!! Bist du sicher, dass du was gegessen hast?"
"Ein wenig.", rief Chris und schloss seine Bücher.
"Dann nimmst du noch mal was mit mir...." Und schon stand Otoko mit zwei vollen Tellern wieder bei Chris.
"Ich bin wirklich satt. Wieso glaubt mir das niemand?" Er fand es ziemlich seltsam, dass ihn jeder zum Essen bringen wollte.
Nun sah ihn Otoko ein wenig betreten an. ".......Ich wollte nur nicht alleine essen....."
"...Ach so..." Der Jüngere sah wirklich enttäuscht an. "... Na ja, ein bisschen kann ich schon essen..."
Nun begann Otoko zu grinsen. Er hielt Chris den Teller hin und setzte sich auf das Bett.
Die Bücher verstaute Chris in seiner Tasche, dann setzte er sich zu Otoko und aß ein wenig.
"Du kochst besser als meine Mutter.....", lobte Otoko Chris mampfend.
//...Seine Mutter...? Ich dachte, die hätte er nie kennengelernt...//
Nachdem Otoko fertig gegessen hatte, legte er den Teller zu Seite und ließ sich auf das Bett zurücksinken. "...Hast du das bei deiner Mutter gelernt?"
"Ja... Sie hat es mir mal gezeigt, aber es ist auch nicht so schwer." Auch Chris stellte seinen Teller weg, doch er hatte kaum etwas davon gegessen.
Otoko streckte den Arm aus und strich sanft über Chris' Wangen. "Wann musst du gehen?"
Zuerst wusste Chris nicht, was Otoko meinte, doch dann fiel es ihm wieder ein. Schnell sah er auf die Uhr und stellte erleichtert fest, dass er noch Zeit hatte. "In etwa einer Stunde."
Langsam rutschte Otoko näher. "....Wie lange..... bleibe ich noch hier.....?"
//Was soll ich jetzt sagen?// "...Du wohnst hier..."
"Ja, klar, so lange wie du mich willst, aber für wie lange? Kannst du das nicht sagen?"
"Du verstehst mich falsch... Mike... Du wohnst hier wirklich."
Mit gelassenem Gesichtsaudruck blinzelte Otoko ihn an. "Du willst mit mir zusammenleben?"
//Scheiße, wenn er jetzt abhaut, werde ich ihn verlieren. Ich kann ihm doch nicht ewig vorlügen, dass ich ihn gekauft habe.// "...Na ja, das tun wir doch...oder?"
Otoko drehte den Kopf zur Seite und lachte kurz auf. ".....Du spinnst doch....."
//Ja, anscheinend doch.// Anstatt etwas zu erwidern stand Chris auf und trug die Teller in die Küche.
"Du bist saukomisch...", hauchte Otoko, der Chris lautlos gefolgt war, diesem in den Nacken.
"Dann lach doch. Es macht mir nichts aus.", antwortete Chris, doch in Wirklichkeit machte es ihm sehr wohl etwas aus. Aber was hätte er erwarten können? Mike war eben Mike und nicht Otoko.
"...Mir ist nicht zum Lachen zumute....", flüsterte Otoko leise und trat näher an Chris.
Dem war das Ganze mehr als unangenehm. "Mike... bitte... Lass es."
"Nur ein wenig....... bitte....", nuschelte Otoko.
//Ein wenig was?// Unsicher drehte Chris den Kopf zu Otoko. "Was meinst du?"
Verwirrt sah ihn Otoko an. "....I-ich wollte nur ein wenig kuscheln...."
//Otoko?!// "...Ach so... Das ist ok..."
//Er ist wirklich komisch...// Nun legte Otoko die Arme um Chris' Körper.
Chris erwiderte nach kurzem Zögern die Umarmung. //Ich vermisse Otoko...//
//Mit mir zusammenleben... So ein Witz! Ich bin nicht dazu da, um einer einsamen Seele Gesellschaft zu leisten!// Sanft schmiegte sich der blonde Junge enger an Chris.
//Es ist derselbe Körper... aber... trotzdem... Ich wünschte, er würde wieder zu mir zurück kommen...// Wieder war Chris zum Heulen zumute, doch er konnte nicht schon wieder zulassen, dass er vor Otoko seine Selbstbeherrschung verlor. Dessen Reaktion bei dem einen Mal hatte schon gereicht.
"Chris...?" Otokos Atem durchdrang Chris' dünnen Pulli und wärmte ihn. "...Magst du mich......?"
//Was soll ich jetzt darauf antworten?// Unbewusst ging Chris ein wenig zurück, wollte weg von Otoko. "...Denke schon..." //Aber nicht dieses Verhalten!//
Grinsend hob Otoko den Kopf und streckte Chris die Zunge raus. "Wusste ich's doch!" Damit löste er sich von Chris und ging wieder zum Bett.
Erleichtert atmete Chris aus und sah auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde, dann musste er sich fertig machen und gehen. Diese halbe Stunde würde er schon mit Mike aushalten.
Erschöpft ging Chris die Treppe zu seiner Wohnung nach oben. Er war vor der Arbeit noch bei Neal gewesen, das hatte ihn ein wenig aufgeheitert, und jetzt, um kurz nach ein Uhr morgens, freute er sich, bald schlafen gehen zu können. Eine Woche war sein Streit mit Otoko nun her und dieser war die ganze Zeit nicht mehr aufgetaucht. Mike hatte sich inzwischen wohl daran gewöhnt, dass er jeden Morgen nach seinem Namen gefragt wurde, aber so konnte Chris einfach am leichtesten feststellen, wer sein Gegenüber gerade war.
Als er die Türe öffnete kam nur ein unwilliges Murmeln von Otoko.
//Ist er noch wach?// Müde blickte Chris auf. Der andere lag halb schlafend auf dem Bett und schien ihn nicht wirklich wahrzunehmen. //Ist doch eigentlich egal. Es ist sowieso nur Mike...// Chris zog sich die Schuhe und die Jacke aus, dann wanderte sein Blick wieder zu Otoko. //Mike, nicht Otoko.... Ich wünsche mir so sehr, dass er wieder zurückkommt...//
"........Hmm..... Chris......?" Seufzend drehte sich Otoko zu Chris. Er streckte die Hand aus und griff nach Chris'
"Schlaf weiter.", murmelte dieser und versuchte seine Hand der des anderen zu entziehen.
"......Du hast mich aber gerade geweckt....." Ein erneutes Seufzen war zu hören und die Hand schloss sich fester um Chris'. "....Wie ist es gelaufen....?"
"Es war wie immer. Ich will ins Bad, Mike. Lass mich bitte los." Die letzten Tage war Chris dem anderen gegenüber eher abweisend und schweigsam gewesen, aber Mike holte sich seine 'Streicheleinheiten' ja sowieso bei seiner Arbeit, egal, was diese auch war. Nun ja, Chris konnte es sich denken.
Die Hand löste sich und gab Chris' frei. "......Komm bald wieder....."
//Was bleibt mir auch anderes übrig?// In seinen traurigen Gedanken versunken ging Chris ins Bad und machte sich eben für´s Schlafen fertig. Mit einem Seufzen trat er wieder heraus und blickte überrascht auf, als er Otoko nicht mehr auf dem Bett liegen sah. //Wo ist er jetzt schon wieder hin?//
Diese stumme Frage wurde ihm sofort beantwortet, als sich zwei Arme von hinten um ihn schlangen.
Verwirrt drehte Chris den Kopf zu Otoko, um ihn zu fragen, was das denn sollte, aber bevor er das tun konnte, pressten sich schon die Lippen des anderen auf seine. Doch obwohl er diese Berührung wirklich vermisst hatte, drückte er den Jungen ein wenig von sich weg. Es gab sehr wohl einen Unterschied zwischen Mike und Otoko und er würde ihn nicht vergessen. "Lass es, Mike. Ich bin müde."
"Du bist immer müde! Wie könntest du dich denn auch ausschlafen?! Du gehst morgens zur Uni, kommst kurz hier her und gehst dann wieder bist zwei Uhr morgens! Das hält doch kein Mensch aus... " Erneut schmiegte sich Otoko an Chris.
"Bitte, lass mich schlafen." Otokos Umarmung war fester als erwartet und Chris hatte keine Lust, dagegen anzukämpfen. Es war ja nicht so, dass es sich schlecht anfühlte, aber es war einfach so anders.
"Nein...... heute nicht...." Sanft strich Otoko über Chris' Rücken.
//Nein, ich werde nicht nachgeben. Nicht noch einmal. Nicht bei ihm.// Nun wurde es Chris doch zu blöd und er drückte Otoko ein wenig stärker von sich, um sich sofort ins Bett zu verziehen. Doch eine Frage beschäftigte ihn schon seit ein paar Tagen: "Was willst du eigentlich, du hast doch deinen Spaß?"
Etwas säuerlich sah ihn Otoko nun an. "Das ist nicht Spaß, das ist Arbeit...."
"Ist es bei mir denn nicht dasselbe?"
"Nein. Wenn du wie die anderen wärst, hätte ich schon viele Male mit dir geschlafen."
"Wärst du dann glücklicher?", fragte Chris schläfrig, während er die Decke über sich zog.
"Wann wäre ich glücklich?", fragte Otoko und krabbelte nun doch unter die Decke.
//Wenn du im Drogenrausch bist.// Doch Chris antwortete nichts auf die Frage, sondern stellte sich den Wecker.
"Chris.....? Hey, Chris, du schläfst doch nicht etwa schon, oder?"
"Nein, du lässt mich ja nicht.", antwortete Chris in einem leicht mitleiderregenden Ton.
"Ach Mann.... Chris.... Komm schon.... Du kannst doch jetzt nicht wirklich schlafen, oder?" Sanft strichen Otokos Hände über Chris' Schultern. ".....Du bist doch ganz verspannt..."
"Du bist einer der Gründe dafür. Mike, es reicht, ich brauche meinen Schlaf, morgen muss ich früh raus. Ok?" Chris glaubte nicht wirklich Erfolg damit zu haben. //Ich glaube, ich sollte heute Nacht in der Badewanne schlafen.//
Sofort zogen sich die Hände zurück. "....Ist es, weil ich meinen Körper verkaufe? Ekelt dich das an?"
"Nein, sondern weil Sex für dich einfach etwas anderes ist als für dich. Ganz einfach. Und selbst, wenn es nicht so wäre..." Sofort biss sich Chris auf die Lippen. //Mist, damit wollte ich nicht anfangen. Wenn es so weitergeht, wird er gehen und das will ich auch nicht...// "Hör zu, es tut mir leid. Es ist ziemlich spät, also lass uns schlafen, ok?"
"........Was........? Was wäre dann....? Sag es!"
"...Du bist eben nicht Otoko."
Nun herrschte eine ganze Weile lang Stille zwischen den beiden. ".................Weil ich...... nicht Otoko bin...........? W-wieso willst du dann, dass ich bei dir wohne?! Du hasst mich doch eigentlich, oder?!"
"Nein, das tue ich nicht... Es ist nicht so einfach zu erklären, du wirst es mir auch nicht glauben, denke ich...Bitte, lass uns jetzt nicht darüber reden, das ist wirklich nicht die Zeit für solche Gespräche..."
"Nicht die Zeit?! Wann denn bitte schön?! Du bist nicht da!!"
"Ich arbeite, um mir diese Wohnung leisten zu können."
"Ich kann doch auch zahlen!"
"Das ist bestimmt ein ganz tolles Gefühl, in einer Wohnung zu leben, deren Miete bezahlt wird, indem du deinen Körper verkaufst.", antwortete Chris sarkastisch. Gut, wenn Mike mit ihm reden oder besser streiten wollte, dann würden sie es eben jetzt tun.
Nun reichte es Otoko aber schon und er beglückte Chris mit einer ordentlichen Backpfeife. "Sei bloß still, du Schnösel!! Ich liefere in erster Linie Pakete aus, ist das klar?!? Ich gehe nicht auf den Strich!!"
"Und wie soll ich das wissen, wenn du mir nichts erzählst? Was soll ich denn deiner Meinung nach machen, hm? Brav studieren und dir zusehen, wie du dich wieder mit Drogen volldröhnst und was weiß ich noch machst? Vergiss es!"
"So wenig Drogen, wie ich in der letzten Woche genommen habe, habe ich noch nie genommen, seit ich damit angefangen habe!!"
//Das ist mir doch so was von egal.// "Ich schlafe heute im Bad. Gute Nacht." Damit stand Chris auf, nahm seine Decke und das Kissen und stieg aus dem Bett.
"N-nein! Chris, warte!! Stell dich nicht so dumm an! Chris!!" Sofort griff Otoko nach Chris' Handgelenk.
Der sah Otoko nur stumm an. Natürlich würde er lieber im Bett schlafen.
"......Bleib hier..."
Nach einem Moment des Überlegens setzte Chris sich wieder auf das Bett. "Ich will wirklich nicht mit dir streiten, Mike. Akzeptier doch einfach, dass ich nicht mit dir schlafen will."
Ein kleines Grinsen huschte über Otokos Lippen. ".........Ich kann nicht..........." //Das lässt mein Stolz nicht zu......//
"... Ich werde jetzt auf jeden Fall schlafen..." Demonstrativ zog Chris seine Decke und das Kissen wieder zurecht und machte es sich bequem.
"Aber......... ich.... darf mich an dich kuscheln, ja?"
"Ist ok.", murmelte Chris. Hauptsache, er konnte jetzt endlich schlafen.
Diese Zusage nutzte Otoko voll und ganz aus. Er schmiegte sich so eng an Chris, dass es diesem fast unmöglich war, einzuschlafen.
Nachdem die mittlerweile regelmäßigen Atemzüge des anderen zeigten, dass dieser eingeschlafen war, blickte Chris nochmals auf die Uhr. //Kurz vor halb drei... Ich werde morgen keinen schönen Tag haben...// Otokos Nähe war entgegen seiner Erwartungen doch ziemlich angenehm, nur im Moment konnte er sie nicht brauchen. Aber er hatte sein Ok gegeben, also musste er es jetzt auch einhalten. Auch wenn das bedeutete, dass er nicht richtig einschlafen konnte.
Der nächste Morgen hielt für Chris eine weitere Überraschung bereit. Beinahe ungläubig starrte er an seinem Körper herab. //Super, das kann ich jetzt wirklich brauchen. Das ist der beste Zeitpunkt dafür.// Sehr schlecht gelaunt, zum Teil weil er noch ziemlich müde war, hastete er ins Bad und duschte dort. Er hatte noch genau 40 Minuten um sich zu waschen, sich anzuziehen und zu essen. Dann fuhr sein Bus ab.
Müde und verwirrt starrte ihm Otoko nach. "..........W-was.............?"
Frisch gewaschen kam Chris ein paar Minuten später wieder aus dem Bad heraus und ging zum Kleiderschrank, um sich anzuziehen. Er lag gut in der Zeit, sprich, er musste heute nicht auf sein Frühstück verzichten.
"Hmm...... Chris..... Du hast mich schon wieder geweckt...... Was ist denn.....? War dir schlecht?"
"Nein, ich muss zur Uni. Sorry, ich bin morgen leiser.", antwortete Chris, während er immer noch überlegte, was er heute anziehen sollte. Er hätte die Sachen in den Waschsalon bringen sollen. Verzweifelt suchte er im Schrank nach einem letzten sauberen T-Shirt.
"Kannst du das heute nicht lassen.....? Ich kann ohne dich nicht noch einmal einschlafen...."
"Ich muss wirklich gehen. Meine Noten sind im Moment nicht so gut und ich muss zusehen, dass sie wieder besser werden.", erklärte Chris, der endlich etwas für sich gefunden hatte. Schnell zog er sich die Sachen über.
//Du bist doch echt nicht normal!// Langsam krabbelte Otoko aus dem Bett und tapste auf Chris zu. Er schmiegte sich an den Größeren. ".....Im Bett ist es aber jetzt so kalt....."
Doch Chris schob den Jungen gleich wieder weg. "Sorry, meine Zeit ist knapp." Damit verschwand er auch schon in die Küche und kramte im Kühlschrank herum.
"......Wieso bist du so gemein zu mir......?", nuschelte Otoko und tapste Chris nach.
"Ich bin nicht gemein, ich bin beschäftigt. Willst du auch etwas?" Chris hielt gerade einen Tetrapack Orangensaft in der Hand.
Verwirrt linste Otoko auf den Saft runter. ".......Ich hätte lieber was anderes...."
"Milch? Kaffee?"
//Nein, noch was anderes!!// Seufzend wandte sich der blonde Junge ab. "Ich geh schlafen....."
"Wie lange arbeitest du heute?", rief Chris ihm hinterher, während er sich sein Frühstück zubereitete.
"So lange wie Patric will....", kam die Antwort aus dem Schlafzimmer.
//Patric...// Eine leichte, aber trotzdem unangenehme Eifersucht kam in ihm hoch, doch Chris kämpfte dagegen an. //Ich habe keinen Grund, eifersüchtig zu sein... Es ist nicht Otoko, es ist Mike!//
Nun tauchte Otokos Kopf wieder in der Türe auf. ".......Wenn du willst, werd ich ihn nicht anmachen, dann komm ich früher nach Hause."
"Mach, was du willst." Es war deutlich herauszuhören, dass es Chris ganz und gar nicht egal war.
"Ou.... Das solltest du bei mir nicht sagen....."
Chris erwiderte nichts darauf, sondern biss in sein Marmeladenbrötchen.
"Naa.... Chris... Rede doch mit mir...... Dein Blick sagt tausend Worte und ich weiß nicht, welche du ernst meinst..."
Nachdem er heruntergeschluckt hatte, antwortete Chris mit einem Seufzen. "Ich kann nicht gleichzeitig essen und reden. Und das Erste ist im Moment wichtiger."
Schmollend tapste Otoko wieder zu Chris. "Na gut, wenn du meinst..." Damit setzte er sich auf den Tisch und schnappte sich Chris' Brötchen, um herzhaft reinzubeißen.
//Irgendwie ist das kindisch...// Die Uhr zeigte, dass seine Zeit immer knapper wurde. "Mike, ich habe wirklich keine Zeit für solche Spielchen."
"Ich hab aber auch Hunger......", maulte Otoko und mampfte weiter.
Also gab Chris sich geschlagen und ließ die Schultern hängen. "Dann guten Appetit." Schnell machte er sich ein neues Marmeladenbrötchen.
"....Wieso magst du mich nicht?"
"Das habe ich nicht gesagt. Mike, ich bin im Stress. Ich kann jetzt nicht mit dir lange Unterhaltungen führen."
"Ok......" Seufzend erhob sich Otoko. "Viel Spass beim langweilen!"
"...Den werde ich wohl eher nicht haben..." //Du wahrscheinlich schon.// Mit dem Brötchen zwischen den Zähnen eingeklemmt stand er auf und ging aus der Küche, um sich Schuhe und Jacke anzuziehen.
Unterdessen hatte sich der blonde Junge wieder im Bett verkrochen.
Mit Tasche und Brötchen in der Hand kam Chris noch einmal zu ihm. "Also, bis später dann. Ich werde gegen drei Uhr zurückkommen."
"Mach, was du willst!"
33.
Als Otoko nach Hause kam, war es schon längst dunkel. Zu Patric war er kalt gewesen, in der Hoffnung, gleich nach den Lieferungen gehen zu können, doch die Kälte schien Patric erst recht angemacht zu haben und so wurde nichts aus dem frühen Feierabend.
Da es schon ziemlich spät war, hatte Chris die Wohnung längst wieder verlassen und war zur Arbeit gegangen. Wieder einmal, wie so oft in der letzten Zeit, war Otoko wieder alleine.
"Hmmm... langweilig, wie immer..... Vielleicht sollte ich Chris mal einen Besuch abstatten...." Grinsend wandte sich Otoko zur Türe und verließ dann das Gebäude.
Die Adresse der Bar, in der Chris arbeitete, hatte Otoko aus dessen Adressbuch. Er hatte einmal darin herumgeblättert, als Chris vor lauter Erschöpfung am Nachmittag eine Stunde geschlafen hatte.
Er musste nicht lange suchen, um die Bar zu finden und so trat er ein, die Augen nach Chris suchend offen.
Der stand an der weniger beleuchteten Theke und wusch gerade ein paar Gläser. Im Moment war noch nicht viel los, denn der Abend war ja noch jung.
Grinsend ging Otoko auf Chris zu. Er hoffte, dass dieser so lange das Glas waschen würde, bis er selbst bei ihm angekommen sein würde, schließlich wollte er ihn ja überraschen.
Als Chris bemerkte, dass jemand an die Theke kam, trocknete er schnell die Gläser ab und wandte sich dann dem Gast zu. Er war ziemlich überrascht, als er Otoko - //Mike!// - erkannte. "Oh... hi... Was machst du hier?", fragte er verblüfft.
"Mir war langweilig.", meinte Otoko bloß und setzte sich vor Chris hin.
"Aha..." Chris fasste sich schnell wieder. "...Willst du etwas trinken?"
"Offerierst du mir was?"
"Ja, such dir etwas aus." //Hoffentlich macht er mir dann keine Probleme...//
Nun war Otoko wirklich überrascht. "Meinst du das ernst?"
"Ja. Such dir einen Drink aus." Einen Moment stockte Chris. "Sag mal, wie alt bist du eigentlich?" Er wusste, dass man die Bar unter 21 Jahren eigentlich nicht betreten und Chris Otoko auch keinen Alkohol geben durfte, aber der andere konnte doch unmöglich schon so alt sein. Wenn jemand fragte, konnte Chris ihn decken, aber es interessierte ihn dennoch.
"Weiß nicht...", nuschelte Otoko, während er nach einem schmackhaften Drink für sich suchte.
//Wow, was für eine Antwort.//
Nun hob Otoko den Kopf und grinste Chris an. "Bring mir 'nen Wodka."
Chris blickte den anderen skeptisch an, doch dann holte er ein Glas und goss das verlangte Getränk hinein. "Es gibt wesentlich bessere Sachen.", meinte er, während er das Glas vor Otoko abstellte.
"Na, na! Man muss ihn nur genießen, mein Lieber.", belehrte ihn Otoko.
Irgendwie fühlte Chris sich nicht ernst genommen, aber das ignorierte er. Um sich zu beschäftigen wischte er die Theke ab.
"Wie hältst du es hier nur aus?" Abschätzend ließ Otoko den Blick durch den Raum gleiten.
"Es ist ok. Im Moment ist nur noch nicht so viel los."
"Und wann wird viel los sein?"
"In ein oder zwei Stunden, denke ich. Unter der Woche ist es nie so voll wie am Wochenende." Chris war froh, dass Otoko ihm die Suche nach einem Gesprächsthema abgenommen hatte.
"Ist ja auch logisch..... Ach ja, sorry, dass ich heute nicht so früh nach Hause gekommen bin..."
"Du hast ja zu arbeiten.", gab Chris möglichst gelangweilt zurück.
"Hätte ich nicht gehabt, wenn Patric nicht so unglaublich scharf auf mich gewesen wäre....", murmelte Otoko und nippte an seinem Wodka.
//Wie schön, dass er das erwähnt. Wenn er jetzt noch ein paar Details erzählt, wird er nicht lange hier bleiben.//
"Weißt du, was das schlimmste war?", fragte Otoko und funkelte Chris mit seinen eisblauen Augen an.
"Dass ich keine Lust habe, mir das anzuhören." Suchend ließ Chris seinen Blick durch die Gegend wandern. Was konnte er jetzt machen, um diesem Gespräch zu entgehen?
"Hm... Na ja, das ist auch nicht gerade nett.... Aber schlimmer war, dass ich mich gelangweilt habe! Ich musste mich richtig zusammenreißen, dass ich nicht eingeschlafen bin. Kannst du dir das mal vorstellen?"
"Nein, kann ich nicht. Für solche Sachen bist du der Experte." Obwohl Chris' Tonfall normal war, musste der andere doch verstehen, dass er nicht über so etwas reden wollte. Oder er ärgerte Chris mit Absicht?
"Hast du dir schon mal überlegt, dass dein Verhalten ziemlich schmerzhaft sein kann?"
//Das passt nicht zu ihm, er spielt mir doch immer noch etwas vor.// "Es ist doch die Wahrheit, oder nicht? Ich meine, warum würdest du sonst mit ihm schlafen, wo er doch so langweilig ist?"
Nun schwieg Otoko eine Weile. Mit seinem schlanken Finger fuhr er den Rand des Glases nach, so dass leise Geräusche entstanden. ".....Wieso putzt du dieses Glas ab, Chris? Wieso bedienst du all diese Menschen hier, hm? Weil du Geld brauchst, oder? Denkst du, ich brauche kein Geld? Hättest du eigentlich lieber eine Welt ohne Stricher und Huren?"
"Das habe ich nicht gesagt. Ich meine nur, dass du dich nicht beklagen sollst, weil dich jemand einen Stricher oder sonst etwas nennt, weil du nämlich genau das bist."
"Es gibt aber einen Unterscheid, mich einen Stricher zu nennen oder mich einen Stricher zu schimpfen, verstehst du das?"
Nachdenklich blickte Chris den anderen an. "... Du hast recht, tut mir leid."
"Hm.... Merk es dir einfach...."
//Vielleicht bin ich wirklich zu hart zu ihm. Er gibt sich in letzter Zeit ziemlich viel Mühe... und ich bin launisch und stoße ihn weg. Ich sollte mich daran gewöhnen, dass ich es mit Mike aushalten muss, bis Otoko wieder zurückkommt...// Ein leicht erzwungenes Lächeln legte sich auf Chris' Lippen. "...Werd ich machen."
"Steck dein Lächeln weg und bewahre es für deine Kunden auf." Er nahm einen großen Schluck aus seinem Glas und deutete dann auf ein Paar an einem runden Tisch in der Ecke der Bar. "Die zum Beispiel sehen ziemlich durstig aus...."
Chris hatte gar nicht bemerkt, dass sich noch jemand an die Theke gesetzt hatte. Schnell ging er zu dem Gast hin, redete mit ihm und gab ihm dann das verlangte Getränk. Dann wandte er sich dem Pärchen.
Ein wenig belustigt beobachtete ihn derweilen das blaue Augenpaar. //.....Sieh an, sieh an, er hat sich bei mir entschuldigt....//
Seine Aufgabe lenkte Chris erst einmal davon ab, weiter über Mike nachzudenken und im Augenblick war er sehr dankbar dafür. Die Gespräche mit Otoko waren eigentlich nie unangenehm für Chris gewesen, aber wenn er mit Mike sprach, musste er immer höllisch aufpassen, dass er nicht in irgend eine Falle tappte.
Als Chris endlich wieder zu Otoko zurückkehrte, war dessen Glas schon leer. "Hältst du das bis zwei Uhr gut aus?"
"Du meinst ohne dich? Ich mache an den anderen Tagen nichts anderes.", antwortete Chris und stellte die leeren Gläser, die er von den anderen Tischen mitgebracht hatte, in die Spüle.
Genervt verzog Otoko sein Gesicht. "Nein, du Schlaumeier, ich meinte, ob es nicht ab und zu mal schlimm für dich ist... Immerhin hast du ja nicht gerade viel Schlaf...."
"Es geht normalerweise.", antwortete Chris und wusch die Gläser ab. //Auch wenn ich in fast jeder Pause einschlafe...//
"Sag mal.... Wie lange sehen wir uns pro Tag?"
"Die paar Stunden, wenn du von Patric zurückkommst, bis ich hier her muss."
"Hmm..... nicht gerade viel... Findest du nicht auch....?"
"Ja, es ist ziemlich wenig. Aber viel kann man da nicht machen."
"Gib den Job auf, ich könnte genug für uns beide verdienen."
Doch Chris schüttelte den Kopf. "Ich will das nicht, Mike."
"Dann nimm an und schlaf mit mir."
"Das hat nichts miteinander zu tun." Chris zwang sich zur Ruhe. Er konnte sich hier nicht mit Mike streiten. Zu Hause ja, aber nicht bei der Arbeit. Hier würde er nur Ärger bekommen, denn der Streit wäre nicht gut fürs Geschäft.
"Es würde dir ein wenig Entspannung bringen.... Ich merke, doch, wie du mich jeden Abend ansiehst, wenn du in Bett kommst... Du willst mich."
"Siehst du das nicht bei jedem?", stritt der andere die Behauptung ab, doch eigentlich wusste Chris, dass der andere Recht hatte.
"Nur bei jenen, bei denen es stimmt, Chris."
"Selbst wenn, es geht nicht. Könnten wir bitte diese Diskussion jetzt lassen?"
"Wieso? Zu Hause bist du zu müde, um daran weiter zu diskutieren...."
"Dann reden wir in der Pause, in Ordnung? Aber nicht jetzt." Es kamen immer mehr Leute in die Bar und Chris hatte wieder etwas zu tun. "Ich habe jetzt wirklich keine Zeit."
//Wohl eher keinen Mumm.....//
Bis zur Pause war Chris die ganze Zeit beschäftigt, so dass er nicht mehr die Gelegenheit hatte, mit Mike zu reden. Nicht, dass er es gewollt hätte. Er konnte erst wieder etwas aufatmen, als ein zweiter Barkeeper kam und mit ihm die Arbeit erledigte.
Otoko war es zwischenzeitlich zu langweilig geworden, so dass er sich ab und zu draußen die Füße vertrat.
Gähnend begann eine Weile danach Chris mit seiner Pause. Er schlief wohl wirklich zu wenig, denn ihm fielen schon fast die Augen zu. Ohne sich nach Mike umzusehen ging er durch eine Tür in den Privatbereich der Bar und setzte sich dort erst mal. //Vielleicht sollte ich sein Angebot doch annehmen... einen Teil davon zumindest...//
Otoko, der mittlerweile wieder seinen Platz eingenommen hatte, sah Chris nach. //Na was denn jetzt? Ich dachte, er wollte in der Pause weiterdiskutieren...... Dann muss ich eben zu ihm....// Er stand auf und schlenderte dem Privatbereich entgegen.
Chris hatte sich gerade einen Kaffee gemacht, damit er die restliche Zeit noch durchstand. In letzter Zeit war das zu einem richtigen Ritual geworden. //Oder ich könnte nur noch an ein paar Tagen in der Woche arbeiten, dann könnte ich manchmal früher schlafen gehen.//
"Chris? Bist du da?"
"Ich bin hier.", antwortete dieser. Obwohl Chris den Geschmack von Kaffee eigentlich nicht leiden konnte, trank er das heiße Gebräu zügig.
"Wolltest du dich etwa klammheimlich verziehen?", fragte Otoko und setzte sich zu Chris.
"Nein. Ich muss sowieso hier bleiben." Chris füllte seine zweite Tasse. Vielleicht bildete er es sich nur ein, doch er fühlte sich schon wieder etwas wacher.
"Weißt du eigentlich, dass Kaffee schädlich ist?"
"Dieses Opfer bin ich gerne bereit zu geben.", antwortete Chris mit einem Lächeln, auch wenn dieses eher dem Kaffee galt als Mike.
Nun musste Otoko anfangen zu grinsen. "Du spinnst doch...."
"So wie du."
"Wir spinnen eben beide..."
"Willst du auch eine Tasse?" Nach einem letzten Gähnen streckte Chris sich ausgiebig.
"Nein danke, ich kann das nicht ausstehen..."
//Auch gut.// Nun wieder besser gelaunt drehte sich Chris zu Otoko. //Ich sollte mich daran gewöhnen, von ihm als Mike zu denken...//
"Hm... Wo waren wir eigentlich stehen geblieben?"
Das leichte Lächeln, das einen Moment lang auf Chris' Lippen gelegen hatte, verflog wieder. "...Weiß nicht..."
"......Egal... Ich weiß es auch nicht mehr..."
Und Chris war froh darüber. Natürlich wusste er noch, worüber er mit Mike gesprochen hatte, aber er hatte überhaupt keine Lust das Gespräch weiterzuführen.
"Über was wollen wir dann reden? Irgend eine Idee?", fragte Otoko leise und rutschte zu Chris.
"Nein..." Über was redete er mit Mike normalerweise? Eigentlich über nichts, denn sie stritten fast die ganze Zeit.
"Ich hab dich gar nie richtig gefragt, was du an der Uni lernst...." Er lehnte seinen Kopf an Chris' Schulter und schloss die Augen.
"Psychologie. Du hast doch das Buch gesehen." Chris sah zu Mike herunter und betrachtete ihn. Eigentlich sah er ganz niedlich aus. Vielleicht zu niedlich.
"Hmm... Ich dachte, vielleicht ist das nur ein Nebenfach...."
"Man merkt es mir nicht besonders an.", meinte Chris, wieder mit einem leichten Grinsen im Gesicht. "Ich sollte mich vielleicht mehr meinem Studienfach entsprechend benehmen."
"Bloß nicht, sonst wirst du grau wie eine Maus, ziehst ne Brille an und fängst an, aus dem Mund zu stinken...."
Bei dieser Vorstellung musste Chris lachen. "Das lass ich dann lieber mal."
"Ja doch....", murrte Otoko. "........Mann... Ich schlafe gleich ein....."
"Du musst nicht hier bleiben."
"Ich will aber...... oder störe ich so sehr?"
"Nein. Ich werde nur keine Zeit haben, dich zu unterhalten."
".....Dann unterhalt mich doch jetzt...", hauchte Otoko und hob den Kopf.
Noch ein wenig müde begriff Chris nicht, wie die Bemerkung gemeint war. "Wie?"
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen hob Otoko die Hand und legte sie in Chris' Nacken, um ihn zu sich runterzuziehen und seine Lippen auf Chris' zu pressen.
Zuerst wollte Chris den anderen sofort von sich drücken, doch andererseits war es lange her, dass sie sich geküsst hatten... dass er Otoko geküsst hatte. Also wich er von seinem Vorhaben ab und erwiderte den Kuss zögerlich.
//Endlich!//, dachte Otoko und saugte sanft an Chris' Lippen. Er rutschte noch ein wenig näher zu ihm.
Ein leises Seufzen entwich Chris. Er verlor sich in der zarten Berührung und hatte im Moment ganz vergessen, wo er sich befand. Doch dann hörte er plötzlich ein Geräusch hinter sich, drehte verwundert den Kopf und sah... seinen Chef.
Ein genervtes Murren entwich Otoko, als der Kuss so schnell beendet wurde. Desinteressiert blickte er den Mann hinter Chris an.
Chris jedoch reagierte nicht so gelassen. Er starrte seinen Chef an, als wäre dieser seine Mutter, die ihm bei irgend etwas Unerlaubtem entdeckt hatte. Im übertragenen Sinn war es ja auch so.
"Unbefugte haben hier nichts zu suchen, Chris!", war das einzige, was sein Chef sagte, aber sein Blick sagte weitaus mehr.
"...Ja... E-entschuldigung... Er geht sofort...", stammelte Chris und drückte Otoko leicht von sich.
Der stand auf und funkelte Chris' Chef an. "Ist gut, ich geh ja schon.... Ich steh nicht auf Zuschauer..." Damit verließ er den Raum.
Kopfschüttelnd wandte sich sein Chef zu Chris. "Chris, was soll das?! Das ist doch ein Kerl!"
"Ja... Ist er..." Chris hatte keine Ahnung, was er sonst hätte antworten sollen. Er hoffte, er würde deswegen keinen allzu großen Ärger bekommen, denn er wollte den Job hier behalten. //Und wenn Mike es deswegen gemacht hat, damit ich Ärger bekomme? ...Nein, er konnte nicht wissen, dass jetzt gerade jemand kommt...//
Erbost fuhr sich der ältere Mann durch die Haare. "Hör mal, Chris, ich will hier keinen Schwulen haben, ist das klar? Ich will nicht, dass du mir die Kunden aus dem Laden schwuchtelst!"
"Davor hat es auch niemand gemerkt und er kommt nicht mehr hier her. Es wird nichts mehr in der Art passieren.", erwiderte Chris mit leicht gesenktem Kopf. Langsam wurde er wirklich wütend auf sich selbst. Wieso hatte er auch mitgemacht?
"Das will ich auch hoffen! Und nun geh wieder an die Arbeit, draußen ist die Hölle los, auch wenn erst Donnerstag ist!"
Ohne ein weiteres Wort verließ Chris das kleine Hinterzimmer. Er war erleichtert darüber, dass er seinen Job behalten konnte. Als Chris wieder in den Hauptraum trat, stellte er fest, dass sein Chef recht hatte. Was war denn heute los, dass so viele Leute hier herkamen? Egal, jetzt musste er seine Arbeit machen. Einen weiteren Fehler konnte er sich nicht leisten.
Mike hatte unterdessen die Bar verlassen und schlenderte in Richtung Wohnung. "........Wieso musste diese Arschgeburt auch gerade jetzt kommen.......?" //Ich hätte ihn endlich so weit gehabt.....// Seinen Unmut ließ er an ein paar Dosen aus.
Drei Stunden später war Chris wieder zurück und schloss gerade die Haustüre auf. Er hatte zwar schon vor einer Stunde Feierabend gehabt, aber die Straßenbahnverbindungen waren auch nicht immer die besten und so hatte er noch eine halbe Stunde an der Haltestelle warten müssen. Es wurde zwar langsam Frühling, aber trotzdem war es viel zu kalt gewesen, um so lange Zeit in der windigen Nacht zu stehen.
Erstaunt musste Chris feststellen, dass das Licht in der Küche noch brannte. Otoko saß vor einer Tasse Kaffee und blickte zu ihm rüber. "......Dieses Gebräu ist wirklich widerlich......"
Erst sah Chris den anderen ziemlich verblüfft an, dann grinste er. "Du hättest auch Cola trinken können, wenn du wach bleiben willst."
"Na danke, das sagst du mir aber auch reichlich früh...."
"So was müsstest du eigentlich selbst wissen. Hast du auf mich gewartet?", fragte Chris, während er sich gerade im Flur auszog, dann kam er wieder in die Küche zurück.
"Nein, ich hatte einfach Lust, mich mit Kaffee zu quälen....", meinte Otoko und grinste leicht.
"Auch gut." Chris überlegte, ob er auch eine Tasse trinken sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Wenn er jetzt etwas Koffeinhaltiges trank, würde er gar nicht einschlafen können. Also nahm er lieber einen Orangensaft.
"Hast du Ärger bekommen?"
Das Glas in der Hand setzte sich Chris zu dem anderen an den Tisch. "Ja, aber es ging noch. Bitte komm nicht noch mal in die Bar, ok? Sonst rastet mein Chef wirklich aus." //Und wehe, du machst es gerade deswegen.//
"Ok......Ich hab nicht Lust noch mal auf diesen Spanner zu treffen...... Ich hätte ihm wirklich den Kopf umdrehen können."
"Lieber nicht." Ein Gähnen unterdrückend sah Chris auf die Uhr. Kurz vor drei Uhr. //Morgen gehe ich nicht in die Uni... Ich hab sowieso keine wichtigen Vorlesungen und außerdem würde ich nicht aufpassen können, vor lauter Müdigkeit.//
"Du bist jetzt wohl zu müde um da weiterzumachen, wo wir gestört wurden, was?", fragte Otoko mit geschlossenen Augen.
"Ja.", antwortete Chris schnell. Nein, weitermachen wollte er auf keinen Fall, auch wenn es schön gewesen war.
"Mist...", grummelte Otoko und stand auf. "Dann geh ich eben ins Bett..."
Erleichtert trank Chris sein Glas aus, dann stellte er es ins Waschbecken. //Sollte ich wohl auch...//
"Komm mit, sonst schläfst du morgen in der Uni!", krähte Otoko aus dem Schlafzimmer.
"Ich geh morgen nicht hin." Hose, T-Shirt und Socken wurden über einen Stuhl geworfen, dann verzog sich Chris ins Bad, ohne eine Antwort von Otoko abzuwarten.
"Nicht? Wieso denn nicht? Ich dachte, du wärst schon schlecht genug."
Trotz der geschlossenen Tür konnte Chris hören, was Otoko meinte. "Morgen kommt nichts wichtiges und ich würde sowieso nichts mitbekommen.", rief er zurück.
Mit einem freudigen Lächeln kuschelte sich Otoko dann in die Decke. //Dann hab ich bald wieder ne Chance//
Kurze Zeit später kam Chris wieder aus dem Bad und kroch sofort auf seiner Seite unter die Decke. Gähnend wünschte er Otoko noch eine gute Nacht, dann schloss er die Augen und hoffte, bald einzuschlafen.
Als der Morgen dämmerte, drehte sich Otoko unruhig im Bett. Er wurde von schlimmen Alpträumen geplagt, die ihn nicht aufwachen ließen.
Chris hingegen bekam von dem Ganzen nichts mit und genoss es, endlich mal wieder richtig ausschlafen zu können.
Nachdem sich der blonde Junge fast eine Stunde lang gequält hatte, wachte er dann doch mit einem erstickten Schrei auf. Verstört und völlig desorientiert blickte er sich um. //........Was zur Hölle war das?!//
Otokos Schrei weckte auch Chris. Erst sah er sich völlig verwundert um, dann erkannte er, was er eben gehört hatte und rutschte sofort zu Otoko. "Alles ok mit dir?"
Otoko reagierte kaum auf Chris. "....Ja.... d-denke schon......", war das einzige, das er herausbrachte.
Ein Lächeln legte sich auf Chris' Lippen. "Otoko?"
"Was?" Nun starrte ihn der blonde Junge an. "....Kommst du mit dem jetzt schon wieder?"
Sofort machte sich wieder Enttäuschung in Chris breit. "Nein... Tut mir leid, ich bin einfach nur müde..." //Einen Moment dachte ich wirklich, er wäre es wieder... Was ist, wenn er gar nicht mehr zurück kommt?//
"....Schon ok.... Ich... hab gerade nur einen ziemlichen Mist geträumt..."
//Ob er dieselben Alpträume hat wie Otoko?// "Von so einem Penner, der dich bedroht?", fragte er möglichst beiläufig.
Entnervt schlug Otoko die Hand auf die Decke. "Scheiße, woher weißt du das?!"
"...Du hast im Schlaf geredet.", log Chris.
"Und wieso hast du mich dann nicht geweckt?"
"Du hast dann wieder aufgehört und ich dachte, es wäre vorbei."
Seufzend ließ sich der blonde Junge wieder zurückfallen. ".........Ich fühle mich schrecklich........"
"Soll ich dir Frühstück machen?"
"Nein danke....... Ich hab keinen Appetit auf so was....."
//Mit Drogen kann ich dich leider nicht dienen.//, dachte Chris sarkastisch. "Ich hätte dir auch ne Tablette, wenn es wirklich schlimm ist."
"Nein.... Schon in Ordnung..... Sorry...."
Chris streckte sich, dann stand er auf und öffnete das Fenster. "Wenn dir irgendwie schlecht wird oder du etwas brauchst, dann sag es, ok?"
"Ja, danke...." Schaudernd zog Otoko die Decke über sich. Am liebsten hätte er sich in der hintersten Ecke verkrochen.
//Es scheint ihm wirklich dreckig zu gehen.// Chris beschloss erst einmal ins Bad zu gehen, ließ aber die Tür offen, falls Otoko nach ihm rief.
Aber Otoko rief nicht mehr nach Chris, er verkroch sich einfach im Bett, dachte aber nicht daran, seine Augen wieder zu schließen.
In Gedanken versunken stieg Chris in die Dusche und stellte das Wasser an. //Es ist neun Uhr... Ich könnte zu Neal gehen... und einkaufen müsste ich auch mal wieder... Wir haben kaum noch etwas hier...//
Chris war nicht der einzige, der in Gedanken versunken war. //Wieso war das bloß so real..... Als wenn es echt gewesen wäre... Ich habe den Atem in meinem Nacken gespürt! Ich habe die kalte Klinge gespürt........//
Mit geschlossenen Augen ließ Chris das Wasser an sich herunterrinnen. //Otoko... Wann kommst du wieder?//
//Scheiße! Ich zittere immer noch.... Wieso träum ich solchen Mist?!// Langsam fielen Otoko doch die Augen zu.
Seufzend stellte Chris das Wasser wieder ab, als er fertig war. //Ich sollte damit aufhören. Er wird kommen oder nicht, aber ich kann es nicht ändern, wenn ich mir Sorgen mache.// Er angelte sich ein Handtuch und wickelte es um sich. //Vielleicht kommt Mike ja mit zum Einkaufen, wenn es ihm wieder besser geht. Hab ich überhaupt noch genug Geld da?// Immer noch mit diesen Gedanken beschäftigt ging er wieder ins Schlafzimmer zurück. //Er ist wohl wieder eingeschlafen.// Mit einem leichten Lächeln ging er zu dem Schlafenden und beugte sich über ihn. //Schlafend sieht du so harmlos aus... Mike...// Er hauchte Otoko einen sanften Kuss auf die Lippen.
Doch das reichte schon aus, um Otoko wieder aufzuwecken. Verwirrt starrten Chris zwei eisblaue Augen an.
Sofort richtete Chris sich wieder auf. "...Du hast einen sehr leichten Schlaf..."
".........W-was m-machst du da.....?", stammelte Otoko und rutschte von Chris weg.
"...Nichts..." Verwirrt sah Chris den anderen an. //So benimmt sich Mike doch nicht, nein, das ist doch niemals Mike... Ist es dann wieder Otoko?//
"W-wieso bin i-ich wieder hier?"
"Wieso nicht?" Vorsichtig, um den anderen nicht zu erschrecken, setzte sich Chris auf die Bettkante. "Alles ok?"
"N-nein! I-ich hatte mich i-im Bad e-eingeschlossen..... w-wie bist du rein g-gekommen?"
"Otoko, beruhig dich." Sanft legte Chris seine Hand auf Otokos. "Das ist schon über eine Woche her."
"W-was.....?" Zitternd zog Otoko seine Hand weg. "...D-das kann nicht sein..... I-ich... D-du lügst!"
"Bitte, es ist doch gar nicht so schlimm... Otoko..." Einerseits freute sich Chris wahnsinnig glücklich, dass er Otoko endlich wieder zurück hatte, doch andererseits bedrückte es ihn, dass dieser sich so quälte.
"I-ich wollte d-das alles d-doch gar nicht!" Schluchzend krallte Otoko seine Hände in die Decke.
"Es ist in Ordnung, Otoko. Alles ok." Schnell versuchte Chris, Otoko zu beruhigen, doch er hatte keine Ahnung, wie er es machen sollte.
".... I-ich will dir nicht mehr w-weh tun.... E-es tut mir leid..."
"Das macht nichts, Otoko. Du verletzt mich nicht."
Schluchzend hielt Otoko die Hand vor den Mund und schloss die Augen. "....G-gomen nasai....."
Nun hielt es Chris nicht mehr aus. Er sprang auf und legte die Arme um Otoko. "Ich sagte doch, es ist ok. Du brauchst keine Rücksicht auf mich zu nehmen."
Otoko verkrampfte sich zwar, doch eigentlich genoss er Chris' Wärme. Seinen Tränen nun wieder freien Lauf lassend schlang er die Arme um Chris.
"Ich liebe dich, Otoko.", flüsterte Chris und war glücklich, seinen Freund endlich wieder in den Armen halten zu dürfen.
Otoko selbst erwiderte nichts darauf. Es wäre ihm wahrscheinlich auch wegen der Tränen nicht möglich gewesen.
Nach einer Weile ließ Chris Otoko wieder ein wenig los. "Ich hab dich wirklich vermisst, Otoko... Und ich bin so glücklich darüber, dass du wieder da bist..."
"...I-ich verstehe d-das nicht.... I-ich w-weiss nicht w-was los i-ist....."
"Ich werde es dir erklären, was es ist, ok? Aber erst, wenn du dich wieder beruhigt hast."
Langsam schüttelte Otoko den Kopf. "I-ich habe A-angst davor...."
"Ok... Dann lassen wir das..." Die Arme immer noch um Otoko geschlungen, beugte Chris sich vor und gab Otoko einen leichten Kuss auf die Stirn.
"W-wieso k-kann ich n-nicht ei-einfach normal s-sein....?", fragte Otoko leise und schmiegte sich nun enger an Chris.
"...Du wirst dich damit abfinden müssen... Aber wir können versuchen, das Beste daraus zu machen." Chris versuchte aufmunternd zu lächeln, obwohl er wusste, dass das wohl nichts bringen würde.
"A-aber i-ich tu die d-doch nur weh...."
"Das ist nicht wahr, Otoko. Ich sagte doch, du machst mich glücklich, einfach indem du bei mir bist."
Stumm schüttelte Otoko den Kopf. //Und was war letztes Mal....?!// "....D-du hast m-mich gefragt, w-wieso i-ich dir d-das antue...."
"Ich hab zu spät bemerkt, dass es nicht du warst. Die Situation hat mich einfach fertig gemacht, aber mir geht es wieder gut. So leicht bringst du mich nicht noch einmal aus der Fassung." Schnell nahm Chris Otokos Hand, bevor der sie wieder wegzog, und umschloss sie ein wenig fester als vorhin. "Vergiss es einfach, ok?"
Verstört blickte Otoko ihn an. "D-das k-kann ich .... nicht...."
Doch Chris' aufmunterndes Lächeln blieb. "Lass es uns gemeinsam versuchen, ok? Ich bin sicher, zusammen schaffen wir es."
Darauf bekam Chris keine Antwort. Otoko ließ sich einfach gegen ihn sinken.
Sanft strich Chris seinem Freund über den Rücken, sagte aber nichts weiter. //Die Tagesplanung kann ich dann ja wohl vergessen...//
Doch dann kam wieder Leben in Otoko. Er krallte sich an Chris' Pulli fest und sah hoch. "K-kannst d-du mich n-nicht heilen?"
Chris konnte auf diese Frage nur den Kopf schütteln. "Es dauert noch Jahre, bis ich so etwas machen kann und darf, wenn überhaupt." //Ich weiß nicht einmal, ob man es überhaupt rückgängig machen kann...// "Tut mir leid, aber ich kann es nicht..."
Ein verbittertes Lächeln legte sich auf Otokos Lippen. "...Na ja.... dann.... lebe ich eben damit...."
"Ich bin sicher, dass du auch so glücklich werden kannst."
".......W-wir werden sehen...." Sanft strich Otoko über Chris' Arm.
34.
Etwas unsicher betrat Otoko das Zimmer von Patric. Er fühlte sich noch nicht so wohl, da er ja noch nicht so viele Male hier war.
Wie fast immer saß Patric an seinem Schreibtisch und tippte auf seinem Laptop herum. Normalerweise arbeitete er immer zu Hause, der Tag, an dem er Otoko in dem Bürokomplex getroffen hatte, war eine Ausnahme gewesen. Als der blonde Junge den Raum betrat, sah er kurz auf und lächelte. "Wie geht´s?"
"G-gut.... U-und ihnen.....?", fragte Otoko leise und trat näher zu Patric.
//Was ist denn jetzt los?// Patric unterbrach seine Arbeit und drehte sich dem anderen zu. "Wir waren doch schon beim Du. Ist irgend etwas passiert?"
Sofort stieg die Röte ins Otokos Gesicht. "....I-ich hab es v-vergessen.... T-tut mir leid....", nuschelte er.
Verwundert stand der Ältere auf und ging zu Otoko. "Hast du Probleme, Entzugserscheinungen oder sonst irgendwas? Dir schient es nicht wirklich gut zu gehen."
Nun wurde Otoko nervös. "N-nein.... i-ich.... i-ich.... ehm.... M-mir geht es g-gut..."
"Wieso bist du so nervös?"
"D-das lieg i-in meiner N-natur...."
Skeptisch blickte ihn Patric an. "Die letzte Zeit warst du nicht so."
"J-ja.... Da... war ich e-eben anders...."
"Soll ich dich jetzt auch wieder Otoko nennen?", fragte Patric scherzend.
Verwirrt blickte Otoko ihn an. "......W-wieso nicht....? D-das ist mein Name...."
Einen Moment lang blickte Patric ziemlich dumm aus der Wäsche, dann fing er sich wieder. "Ja... Klar." //Er ist wirklich ziemlich durchgedreht.//
"Ehm.... W-was muss ich... h-heute machen....?"
"Also, du hast heute die Auswahl zwischen zwei Sachen. Entweder ein größerer Auftrag oder zwei kleinere. Was willst du?" Patric hatte sich inzwischen wieder von Otoko entfernt und war zu seinem Schreibtisch zurückgegangen, um ein paar Unterlagen herauszusuchen.
Wie ein kleiner Welpe folgte Otoko Patric. "....Z-zwei kleinere..."
"Ah, du scheinst also im Moment keine Geldsorgen zu haben. Hier sind die beiden Päckchen, die Adressen stehen auf den Zetteln darunter. Pass auf, dass du sie nicht verwechselst." Patric überlegte gerade, welchem seiner Lieferanten er dann den großen Auftrag geben könnte.
"G-geldsorgen...?" Ein wenig verwirrt sah ihn Otoko an. ".. I-ich wusste nicht, dass d-die anders b-bezahlt werden..."
"Na je größer der Auftrag, desto größer die Bezahlung. Willst du doch den anderen?"
"J-ja..."
"Ok." Patric nahm die beiden kleineren Päckchen wieder an sich, während er fortfuhr. "Es ist allerdings auch ein größeres Risiko, sei dir dessen bewusst."
Das verunsicherte Otoko nun noch mehr. ".....W-was muss ich machen.....?"
"Eigentlich nichts anderes als sonst. Der Ort, wo du es hinbringen musst, ist nur gefährlicher, aber das kriegst du schon hin. Kannst du mit Waffen umgehen?"
"W-was für Waffen?"
"Ganz normale Faustfeuerwaffen."
"D-denke schon...."
"Gut. Komm mal eben mit." Der Ältere stand auf und ging aus dem Raum, wartete aber im Flur auf Otoko.
"I-ich werde sie nicht wirklich g-gebrauchen müssen, o-oder?"
"Normalerweise nicht, aber auszuschließen ist es auch nicht. Die meisten Menschen lassen sich von dem Anblick einer Waffe beeindrucken.", erklärte Patric, während er mit Otoko in einen anderen Raum ging.
"O-ok... D-dann wird es sch-schon gehen...."
Der andere Raum war ein perfekt eingerichtetes Arbeitszimmer, wurde anscheinend aber nicht benutzt. Patric öffnete einen der Schränke und suchte einen Moment nach der passenden Waffe.
Otoko konnte ein Zittern nicht unterdrücken. Er mochte jegliche Art von Waffen nicht mehr.
Dann fand Patric, was er wollte. Als er sich wieder zu Otoko wandte, hielt er einen .38er Revolver in der Hand. "Hier. Steck ihn ein, aber pass auf, der ist geladen."
"O-ok...... D-danke...." Mit schlotternden Händen griff der blonde Junge nach der Waffe.
Dieser Anblick brachte Patric zum Grinsen. //So nervös, wie der ist, kann ich den Sex heute vergessen... Schade eigentlich, aber er sieht ja jetzt schon aus, als ob er sich gleich in die Hose macht...// Patric führte den anderen wieder zurück in sein Arbeitszimmer, wo er Otoko noch eine dunkle Mappe reichte, sowie ihm ein paar Geldscheine in die Hand drückte. "Also... Du wirst jetzt erst einmal bis zur nächsten Bushaltestelle gehen und dort irgendwo hin fahren. Von da aus nimmst du ein Taxi bis zum Alsonway. Den Rest bis zum Übergabeort kannst du problemlos laufen."
"O-ok.... M-muss ich d-danach zurück k-kommen?"
"Nein. Du läufst ein paar Meilen, dann rufst du ein anderes Taxi. Fahr irgendwo ins Stadtzentrum und geh von dort aus nach Hause. Wenn du das geschafft hast, kannst du zwei oder drei Tage Pause machen, dann kommst du wieder zu mir zurück. Ok?"
".....O-... ok...." Mit einem mulmigen Gefühl im Magen sah Otoko auf die Waffe runter.
Patric deutete darauf. "Steck sie weg, Otoko."
"J-ja...", und damit ließ Otoko die Waffe unter seiner Kleidung verschwinden.
"Ok. Du solltest um spätestens 15 Uhr am Treffpunkt sein, andernfalls wäre es ziemlich schlecht, für dich und für mich. Als Gegenleistung für die Mappe bekommst du einen Umschlag, steck ihn ein und bring ihn dann mit der Waffe wieder mit." Patric lächelte Otoko schon fast warmherzig an. "Schaffst du das?"
Otoko nickte fest und drehte sich dann weg. "J-ja, d-das wird schon..."
//Gut.// "Enttäusche mein Vertrauen nicht."
Mit einem flauen Gefühl im Magen näherte sich Otoko dem ihm genannten Ort. Das ganze Viertel sah wirklich nicht sonderlich angenehm aus. Jedes vierte Haus war schwer beschädigt und glich nur noch einer Ruine.
Doch sein Blick wanderte von den Häusern immer wieder zu der Mappe unter seinem Arm. //Was da wohl drin ist?// Seine Neugierde lenkte Otoko ein wenig von seiner Nervosität ab, doch er wusste, dass er die Mappe nicht öffnen dürfte. Das Risiko, dass er Ärger mit Patric bekam, war ihm einfach zu groß.
Vor allem wegen dieser Mappe war er so aufgeregt. Er wollte sie nur loswerden und unbeschadet wieder nach Hause kommen.
Es war kurz vor der verabredeten Zeit, als Otoko endlich an dem Ort, an dem die Übergabe stattfinden sollte, ankam. Suchend schaute er sich um, doch außer einigen vergammelten Häusern und leeren, dreckigen Straßen war nichts zu sehen.
Er setzte sich auf eine einigermaßen heile Treppe und wartete. Er hatte ja keine Ahnung auf wen. Er kannte weder Namen noch ein Codewort.
Doch Otoko musste nicht lange warten. Kurz nachdem er sich hingesetzt hatte, tauchten schon zwei unauffällige Männer auf, die bei näherem Hinsehen aber doch nicht so gewöhnlich aussahen. Bei beiden konnte man eine leichte Beule auf der einen Seite der Jacke sehen - sie trugen wohl Schulterhalfter - und in ihren Augen schien eine professionelle Wachsamkeit aufzublitzen. Die beiden Männer entdeckten Otoko sofort, aber nur einer kam zu ihm hin.
Sofort spürte Otoko, wie sein Blut durch seine Adern schoss und sein Herz gegen die Brust hämmerte. Er wünschte sich in Chris' Arme, aber er konnte sich vor Angst kaum bewegen, vergaß sogar fast zu atmen.
Der Mann, der sich Otoko immer weiter näherte, sah aus, als wäre er wirklich auf Unauffälligkeit hin ausgesucht worden. Normale Größe, eine normale Haarfarbe - ein mittleres Braun -, eine normale Statur und Gesichtszüge, die keinerlei besonderes Erkennungsmerkmal hatten. Niemand würde sich an diesen Mann erinnern oder ihn wiedererkennen. "Was machst du hier, Junge?", fragte er und sogar seine Stimme klang alles andere als außergewöhnlich.
"I-ich warte...", nuschelte Otoko leise.
"Worauf?"
"Weiß i-ich nicht...."
Der Mann überlegte, während er Otoko betrachtete. Dann sah er die dunkle Mappe und sein Blick veränderte sich leicht. "Ist das deine?" Er schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob Otoko der war, wegen dem er hier war.
"J-jein.... Nicht w-wirklich...."
"Woher hast du sie?"
//Verdammt, was fragt der so lange?! Willst du sie oder willst du sie nicht?!?// Nervös fuhr sich Otoko durch die Haare. "...Von meinem Chef..."
"Du scheinst es wirklich zu sein. Ich hab hier etwas für dich.", meinte der andere. Offensichtlich war ihm die Fragerei inzwischen auch zu blöd.
Wie ein aufgeschrecktes Tier verfolgte Otoko jeder der Bewegungen des Mannes.
Nach einer kurzen Suche in seiner Jackentasche hielt er einen Umschlag in der Hand, gab ihn aber nicht Otoko. "Die Mappe."
"H-hier..." Mit leicht zitternden Händen streckte Otoko dem Mann die Mappe hin.
Der nahm sie und begann sofort, den Inhalt zu überprüfen. Den Umschlag hielt er nach wie vor in der Hand.
Etwas verwirrt wartete Otoko erst mal einen kurzen Augenblick, doch dann zwang ihn seine Unsicherheit zur Handlung. "...K-kann ich das haben...."?
"Moment."
Langsam stand Otoko auf und sah zu dem anderen Mann herüber. //Ich will weg hier.....//
Der zweite Mann beobachtete die Szene gelangweilt, während der andere immer noch den Inhalt der Tasche begutachte. Als er damit fertig war, gab er Otoko endlich den Umschlag.
Otoko riss dem anderen den Umschlag förmlich aus der Hand und drückte ihn an sich. "K-kann ich j-jetzt gehen?"
"Sicher." Der Mann sah Otoko noch einmal an, dann stand er auf und ging zu dem anderen zurück, welcher Otoko aber die ganze Zeit nicht aus den Augen ließ. Die beiden waren ein Team, das sah man.
Nun hatte Otoko endlich, was er wollte. Er ging sofort die Treppe runter und hetzte den Weg, den er gekommen war, wieder zurück.
Doch weit lief er nicht. Er lief gerade an einem Hinterhof vorbei, als er dort Schreie und auch Schüsse hörte. Was dann kam, war alles viel zu schnell, als dass er es hätte verhindern können.
Er drehte sich in Richtung des Lärms, doch er sah nur noch einen schwarzen Schatten auf sich zuschießen, dann spürte er einen harten Schlag, der ihn sofort zu Boden riss. Ein wenig benommen wollte er sich aufrichten, doch ein schweres Gewicht drückte ihn auf den Boden. Er öffnete die Augen und versuchte herauszufinden, was auf ihm lag.
Doch bevor er etwas sah, folgte wieder ein Schuss und das Gewicht verschwand wieder von ihm. In seinen Ohren konnte er das Geräusch immer noch hören, obwohl es schon längst wieder aufgehört hatte. Dadurch bekam er auch nur sehr leise mit, dass jemand herumfluchte. Gleich darauf wurde es wieder still.
Zitternd und völlig unfähig sich bewegen zu können, lag Otoko auf der Strasse. Er atmete nur stockend und traute sich nicht, sich zu rühren.
Chris hatte sich nicht besonders wohl dabei gefühlt, Otoko zu Patric gehen zu lassen, doch letztendlich hatte er es tun müssen. Jetzt saß er mal wieder beim Lernen und machte sich Gedanken über seinen Freund, anstatt über seinen Lernstoff. Die Pläne, die er am Morgen im Bad geschmiedet hatte, hatte er alle verwirklichen können, nur eben ohne Otoko. Er hatte nicht gesagt, wann er zurückkommen würde, also hatte es auch keinen Sinn zu warten.
Chris wurde aus seinen Gedanken gerissen, als das Klicken des Schlosses zu hören war und jemand eintrat. "..........C-ch.... Chri-is.......?", war Otokos spärliche Stimme zu vernehmen.
Erschrocken sah Chris zu Otoko und erstarrte. Die Jacke des blassen Jungen war völlig mit Blut besudelt und er selbst war einer Leiche ähnlicher denn je. Sofort sprang Chris auf und eilte zu ihm hin. "Otoko? Scheiße, was ist passiert?"
"I-i... i-ich.... w-weiss.. n-nicht..." Zitternd krampfte Otoko seine Hände in die Jacke. ".....E-es..... .... es w-war a-alles.... s-so schnell... I-ich...... ich lag a-auf dem B-boden, ... k-konnte n-nicht auf-aufstehen, ... d-dann s-schon wieder e-ein Schuss.... u-und...."
"Schht, ok. Ich sehe mir das kurz an, ok?" Chris hob den Jüngeren kurzerhand hoch und legte ihn aufs Bett, wo er ihm vorsichtig die Jacke auszog. Erleichtert stellte er fest, dass zwar die Jacke ziemlich schrecklich aussah, Otokos Körper allerdings weniger. Das Blut schien nicht von ihm zu kommen und Otoko stand wahrscheinlich nur unter Schock.
"....I-ich... i-ich hab d-den U-umschlag v-ver-verloren....."
"Welchen Umschlag?", fragte Chris, während er Otoko weiter absuchte. Er hatte einen kleinen Streifschuss abbekommen, doch das war nicht allzu schlimm. Ansonsten war er unverletzt.
Mit seinen weißen Händen griff Otoko nach Chris' Arm und zog ihn zu sich. "....D-den U-umschlag f-für P-p.... Patric......"
"War der denn wichtig?" Eigentlich interessierte Chris der Umschlag im Moment wirklich wenig, er wollte lieber die Wunde reinigen und verbinden.
"I-ich d-denke sch-schon....", nuschelte der blonde Junge.
"Otoko, du kannst den Umschlag später suchen. Morgen vielleicht oder übermorgen, aber jetzt solltest du dich erst einmal um die Verletzung kümmern. Ich habe nicht so viel Zeit, leider, ich kann dir nur noch etwa eine Stunde helfen, dann muss ich zur Arbeit, also müssen wir dich bis dahin versorgt haben." Kurz überlegte Chris, ob er heute einfach nicht zur Arbeit gehen sollte, doch er konnte nicht schon wieder Ärger mit seinem Chef riskieren. Es ging also nicht.
"N-nein! I-ich will n-nicht d-dorthin z-zurück...."
"Auch gut. Du kannst ihm später erklären, dass du ihn verloren hast. Aber jetzt bist du erst einmal dran." Also machte Chris sich daran, die Wunde zu versorgen.
Ein wenig apathisch lag Otoko auf dem Bett und starrte an die Zimmerdecke. Er merkte nicht einmal, wie Chris das Zimmer betrat.
"Ich muss jetzt gehen, tut mir echt leid. Wenn du etwas brauchst oder irgend etwas ist, dann ruf mich an, ja? Meine Nummer ist ja eingespeichert." Mit einem besorgten Blick ging Chris neben Otoko in die Hocke. "Ich hoffe, du bist noch hier, wenn ich wieder zurückkomme und es geht dir gut."
Langsam drehte Otoko den Kopf zu Chris. ".....K-kannst du n-nicht hier bleiben.......?"
"Ich kann versuchen, früher zu gehen, aber mein Chef ist sowieso schon sauer auf mich, also muss ich zumindest hingehen." //Obwohl er mich am Freitag sicher nicht gehen lässt...// "Machs gut." Chris küsste seinen Freund zum Abschied kurz auf die Lippen.
"I-ich liebe dich....", hauchte Otoko kurz und sah Chris traurig an.
"Ich dich auch. Ich bin wieder hier, sobald ich kann." Damit stand Chris wieder auf und verließ den Raum, auch wenn es ihm mehr als schwer fiel.
Sehr viel später als normalerweise kam Chris wieder zurück. Sein Chef war ein Sklaventreiber, das stand fest. Als er erwähnt hatte, dass er gerne früher gehen wollte, hatte dieser ihm gleich noch ein paar Überstunden aufgebrummt. Und jede einzelne Minute, die er länger dageblieben war, hatte er an Otoko denken müssen und an das, was ihm passieren könnte. Aber wenigstens war er jetzt zu Hause.
Es herrschte absolute Stille in der kleinen Wohnung. Nicht einmal auf den Strassen waren Autos zu hören.
//Hoffentlich schläft er.//, war Chris' erster Gedanke, als er diese Stille bemerkte. Und dem war auch so. Leise, aber tiefe Atemzüge waren vom Bett zu hören, als Chris näher kam. Erleichtert lächelnd strich Chris über Otokos Stirn. //Ich liebe dich...//
Langsam drehte Otoko den Kopf zur Seite. Ein leises Stöhnen war zu vernehmen, doch dann war es wieder still.
Leise, um den anderen nicht doch noch zu wecken, huschte Chris ins Bad. Ein paar Minuten später kam er wieder zurück und legte sich schnell auf seine Seite des Bettes.
Mit kurz stockender Atmung drehte sich Otoko zu Chris, dabei legte er seine eiskalte Hand auf dessen Oberarm.
//Ob er doch etwas hat? Ich denke, ich werde morgen mal mit ihm zum Arzt müssen.// "Alles ok?"
Ein halbherziges 'Hmmm....?' war alles, was Chris zur Antwort bekam.
Chris' Haut war von einer Gänsehaut überzogen, doch er rutschte nicht weg. "Schlaf weiter.", antwortete er leise.
"Hm...." Und damit riss es Otoko wieder in den Schlaf.
//Hoffentlich ist es nichts allzu schlimmes...//
Otoko wachte schon früh am Morgen auf. Ein wenig desorientiert blickte er um sich, bevor ihn den Schlaf wieder zu übermannen drohte, drehte er sich zu Chris um und kuschelte sich an ihn.
Der wachte erst viel später auf, da er es sonst nicht die Gelegenheit dazu hatte, auszuschlafen. Er konnte ja nicht ahnen, wie es Otoko ging... Als Chris dann endlich aufstand, betrachtete er Otoko nur kurz und verzog sich dann ins Bad - denn wie es aussah ging es seinem Freund ja blendend.
Chris ließ sich Zeit unter der Dusche und genoss das frische Wasser. Als er wieder ins Schlafzimmer trat, lag Otoko immer noch genauso da, wie er vorhin gelegen hatte.
Er beschloss, seinen Freund wenigstens kurz zu wecken, dann konnte er ihn ja weiterschlafen lassen. Doch er musste wissen, wie es ihm ging, obwohl er wirklich nicht krank aussah. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen setzte sich Chris an den Bettrand und strich über Otokos Stirn. Erschrocken stellte er fest, dass die Haut vor Hitze glühte. //Ist er etwa doch krank?// "Otoko?"
Dieser zog lediglich die Augenbrauen zusammen und zog die Decke höher.
"Otoko, wach auf. Bitte." Chris' Sorgen wurden schlimmer, da der andere einfach nicht aufwachte. //Ich muss einen Arzt rufen... Verdammt, das wird schon wieder so teuer...//
Doch nun schlug der blonde Junge die Augen auf. "......w-was ist.....?", fragte er leise und blinzelte Chris an. "....Schon M-morgen....?" Ein leichtes Lächeln erschien auf dessen Lippen.
Ein Nicken bestätigte die Frage. "Du bist ganz heiß. Wie geht es dir?"
Otoko blinzelte, als ob er erst über die Frage nachdenken müsste. ".....Ein wenig schummrig im Kopf.... a-aber sonst... ist nichts..."
Chris zog die Decke leicht zurück. "Ich will mir kurz mal deine Schulter ansehen..."
Wieso wollte Chris seine Schulter sehen? Verwirrt erhob sich Otoko ein wenig. Erst jetzt bemerkte er das leichte Brennen an seiner Schulter. ".....O-oh..... D-das ist j-ja noch v-von g-gestern...." Ein leichter Schauder ließ Otoko erzittern, als er an den gestrigen Tag dachte.
Vorsichtig öffnete Chris Otokos Schlafanzug und entfernte den Verband. Die Wunde sah schlimmer aus und soweit er das mit seinen laienhaften Kenntnissen sagen konnte, war damit nicht zu spaßen. "Ich glaube, das sollte sich ein Arzt mal ansehen."
"E-ein Arzt?.....A-aber der wird doch s-sicher wieder fragen, w-woher i-ich die Wunde h-habe.... o-oder....?"
"Der ist so etwas sicher gewöhnt. Bleib liegen, ich rufe eben an."
"D-das k-kann doch nicht s-so schlimm sein..... o-oder....?", fragte Otoko leise, als der Arzt seinen Arm begutachtet hatte. Er saß auf einer Liege in einem Untersuchungszimmer in demselben Krankenhaus, in dem Neal lag. Chris war gerade bei ihm.
"Die Blutuntersuchung wird meine Annahme, dass es sich hier um eine akute Lymphangitis handelt, wahrscheinlich bestätigen. Bis dahin sollten Sie sich hinlegen und am besten nichts tun." Der Arzt bereitete Otokos Blut so vor, dass man gleich mit den Untersuchungen beginnen konnte. "Es wird etwas dauern, bis man weiß, welches Medikament Sie einnehmen müssen."
"M-medikament........? W-wird das w-wieder s-so teuer werden....?"
"Es hält sich in Grenzen, da Sie nur Antibiotika nehmen werden müssen."
"....W-wie viel i-in etwa....?", stammelte Otoko und machte sich schon Gedanken darüber, dass Chris wohl nicht sehr erfreut darüber sein würde.
"Etwa 25 bis 30 Dollar. Es könnte aber sein, dass sie mehr brauchen."
Ein erleichtertes Lächeln erschien auf Otokos Lippen. //........Gut.... So viel kann ich auch selbst bezahlen..../
Der Arzt lächelte Otoko an. "Man wird sie Benachrichtigen, dann kann ihr Freund sich das Rezept abholen."
"E-er braucht e-es ja nicht, o-oder? I-ich habe doch d-die V-verletzung...."
"Sie können das Medikament nur mit dem Rezept abholen. Und sie sollten jegliche Anstrengung vermeiden."
//Aber so mache ich Chris nur noch mehr Arbeit.....// Seufzend schloss Otoko die Augen. //Wieso passieren mir solche Sachen jetzt....?//
"Ich habe ihre Nummer jetzt aufgeschrieben und werde sie dann anrufen." Der Arzt wartete, bis Otoko sich seine Jacke anzog, aufstand und zur Tür ging. "Machen sie sich keine Sorge, das bekommen wir alles wieder hin."
"....D-danke...." Otoko bekam sogar so etwas wie ein Lächeln in sein Gesicht, doch dann wandte er sich ab. "......A-aber das b-bezweifle i-ich...."
"Wenn sie sich schonen und das Medikament nehmen, dann treten höchstwahrscheinlich keine Komplikationen auf.", versicherte der Arzt trotzdem. "In fünf Tagen kommen sie dann noch einmal zu einer weiteren Untersuchung, damit wir schauen, ob es alles so verläuft, wie es soll."
"K-kann ich d-das Geld b-bei der nächsten Untersuchung b-bezahlen?"
"Das ist in Ordnung. Ich kenne ihren Freund ja, durch seinen Bruder."
Nun war Otoko erst ein wenig verwirrt, doch dann wandte er sich ab und ging. "J-ja...... stimmt."
Der Arzt hingegen ging wieder zurück in das Untersuchungszimmer und nahm die Blutproben mit in das Labor nebenan.
Draußen war es in der Sonne schon recht angenehm, wenn man etwas Warmes anhatte. Aber da Otoko die Sonne als zu hell empfand, stellte er sich in den Schatten eines Baumes und wartete auf Chris.
Der kam erst nach einer Weile wieder. Suchend blickte Chris sich um, bis er Otoko entdeckte, welcher mit geschlossenen Augen an dem Baum lehnte. "Was hat der Arzt gesagt?", fragte er, als er bei Otoko war.
Otoko zuckte erst leicht zusammen und starrte Chris an. "...E-es i-ist irgendwas m-mit dem B-blut, h-hat er gesagt..."
"Und weiter? Ist es gefährlich? Musst du Medikamente nehmen?"
"E-er muss e-erst noch mein Blut u-untersuchen, damit er b-bestimmen kann, w-welches M-medikament i-ich nehmen muss..."
"Ah. Aber so gefährlich ist es nicht, wenn er dich wieder gehen lässt, oder?"
"D-denke schon..."
"Wann weiß man, welches Medikament du nehmen musst?" Es war mühsam, Otoko die Informationen alle aus der Nase zu ziehen, aber andererseits verstand Chris ihn. Otoko war verwirrt und krank.
"E-er wird m-morgen anrufen, d-dann können wir es a-abholen gehen.... a-also.......e-eigentlich du.... E-er hat gesagt, i-ich müsse mich r-ruhig v-verhalten......"
"Dann mache ich es." //Dann kann ich den Arzt gleich noch fragen, ob er Otokos Blut auf Aids hin untersucht...// "Gehen wir wieder zurück?"
"J-ja.... e-es ist i-immer noch k-kalt draussen...." Otoko stieß sich von dem Baum ab und schmiegte sich an Chris. "....Gomen nasai.... I-ich mache d-dir schon wieder P-probleme...."
"Ist schon gut. Du kannst ja gar nichts dafür." Um den anderen zu stützen legte Chris einen Arm um seinen Freund. "Mach dir keine Vorwürfe."
".....E-es k-kommt m-mir i-immer noch so u-unwirklich v-vor, d-dass d-du so n-nett zu mir b-bist..."
"Glaub es einfach."
35.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Chris hatte vor einer halben Stunde einen Anruf aus dem Krankenhaus erhalten, dass er das Rezept für Otoko abholen konnte. Jetzt stand er vor dem Untersuchungszimmer und klopfte.
Nach einer kurzen Weile wurde die Türe auch schon geöffnet und der Arzt, der gestern Otoko behandelt hatte, bat Chris ins Zimmer. "Sie wollen das Rezept abholen, ja?"
"Ja, genau... Und ich hätte da noch ein anderes Anliegen." Ein wenig unsicher trat Chris ein. Er kam sich vor, als würde er Otoko hintergehen. Aber er musste es einfach wissen.
"Ja? Was denn?", fragte der Arzt nebenbei, als er in einem kleinen Archiv nach dem Rezept suchte.
"Könnten sie das Blut meines Freundes nach Aids untersuchen?" //Wenn man dafür seine Zustimmung braucht, bin ich aufgeschmissen.//
Nun stockte der Arzt kurz. "Nach Aids?.... Ja, das könnte ich, aber wenn er es mir gestern gesagt hätte, hätte ich die beiden Untersuchungen in einem Mal machen können.... Jetzt würde es wieder extra kosten..."
Chris versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Anscheinend ging es auch so. "Das ist nicht so schlimm... Wie lange werden sie etwa brauchen?"
"Na ja... Da diese Untersuchung nicht so lebenswichtig ist, wie seine Wunde, die er hatte, werde ich erst in ein paar Tagen Zeit für die Untersuchung finden.... Also etwa eine Woche...."
"Es eilt nicht." Chris wartete geduldig, bis der Arzt das Rezept fand. //Ich frage mich, wie viel die Medizin kostet.//
Lange musste er auch gar nicht warten. "Hier, die Dosierung steht auch drauf, und ich glaube bei der Apotheke werden sie es auch noch mal erklären."
"Danke. Ach ja, was bin ich ihnen schuldig?"
Der Arzt winkte ab. "Das wird erst später bezahlt."
"Wie sie meinen." Ein wenig kurz angebunden ging Chris zur Tür. Er verabschiedete sich, dann ging er. //Ich muss so schnell wie es geht wieder zurück... Ich sollte ihn nicht zu lange allein lassen."
In der Wohnung angekommen zog sich Chris nicht einmal die Jacke aus und ging sofort ins Schlafzimmer. Blass wie immer lag Otoko im Bett und hatte die Augen geschlossen.
"Otoko? Du musst aufwachen, ich hab hier deine Medikamente." Einen Moment verschwand Chris aus dem Zimmer, um ein Glas Wasser zu holen, dann kam er wieder zu Otoko zurück. Er strich sanft über die Stirn des anderen und stellte fest, dass sie heißer als normal war. //Gut, dass man mir noch ein fiebersenkendes Mittel mitgegeben hat.// "Komm schon, wach auf."
"....B-bin ja schon wach....", nuschelte der andere Junge und öffnete langsam die Augen. "...D-du warst schnell w-wieder hier...."
"Ich wollte dich nicht zu lange alleine lassen. Ich hab deine Medizin, Otoko. Du musst sie einmal täglich nehmen, immer zur selben Uhrzeit, also immer Mittags." Er gab Otoko die Tablette und das Glas. "Schluck es einfach als Ganzes runter."
Etwas verschlafen nahm Otoko die Tablette in seine Hand. "....O-ok.... d-danke...." Er warf die Tablette ein und griff dann nach dem Wasserglas, um es in einem Zug zu leeren.
Danach nahm Chris es ihm wieder ab. "Wie fühlst du dich?"
"Hm.... I-ich vermisse dich...."
"Ich war ja nicht lange weg." Ein Lächeln erschien auf Chris' Lippen. "Und heute hast du mich ganz für dich allein, wenn du willst."
"H-hai....." Sofort schlang Otoko die Arme um Chris und schmiegte sich an ihn.
Doch Chris drückte ihn sanft weg. "Einen Moment noch, ich muss erst meine Jacke und die Schuhe ausziehen. Ok?"
Stumm beobachtete Otoko Chris dabei. ".....Du..... b-bist dünner g-geworden...."
"Findest du?" Immer noch mit einem Lächeln im Gesicht kam Chris wieder zu Otoko zurück und legte sich neben ihm aufs Bett. "Na ja, hier hab ich ja auch keine Mutter, die dafür sorgt, dass ich drei ausgewogene Mahlzeiten am Tag esse.", meinte er grinsend.
"N-nein... A-aber dafür h-hast du e-einen M-mitesser....", sagte Otoko leise und strich über Chris' Wange.
Chris' Grinsen wurde breiter. "Ja, hab ich."
Langsam legte sich ein feiner Schleier über Otokos Augen, als er Chris so ansah. ".....Ai shiteru...."
"Ich liebe dich auch... Otoko..."
Nun legte sich ein leichtes Lächeln auf Otoko Lippen. "....Du sch-scheinst J-japanisch a-auch langsam zu v-verstehen..."
"Nur die paar Wörter, die du zu mir sagst." Chris beugte sich vor und küsste Otoko hauchzart auf die Lippen.
Sie waren immer noch etwas spröde, was Chris aber wenig störte. Otoko schloss seine blauen Augen und erwiderte den Kuss zurückhaltend und schüchtern
Ein warmes Gefühl breitete sich in Chris' Körper aus. //Er ist so anders als Mike... So unendlich viel besser...//
Schon nach kurzer Zeit löste sich Otoko wieder von Chris. "...H-hast du m-morgen wieder Uni?"
"Ja, leider. Von 10 bis 16.30 Uhr. Ist das ok oder soll ich hier bleiben?"
"N-nein... D-das wird s-schon gehen.... I-in der U-uni s-solltest d-du wegen m-mir nicht mehr f-fehlen..."
"Dafür bleibe zumindest heute bei dir." Da er immer noch nahe bei Otoko war, konnte Chris problemlos die Arme um ihn legen.
"M-macht e-es dir e-eigentlich e-etwas a-aus, d-dass i-ich n-nicht mit d-dir schlafen k-kann.....?", fragte Otoko nach einer Weile, in der sie einfach friedlich nebeneinander gelegen hatten..
"Nein, es ist in Ordnung. Mach dir deswegen keine Gedanken, Otoko."
"Wirklich n-nicht?" Otoko hob den Kopf und sah Chris wieder in die Augen.
"Es ist wirklich ok. Ich kann dich verstehen, an deiner Stelle würde es mir wahrscheinlich nicht anders gehen." Sanft strich er seinem Freund über die Stirn. "Setz dich wegen mir nicht unter Druck, ok?"
"D-danke..." Mit einem leisen Seufzen schloss Otoko die Augen und schmiegte sich an Chris. Sanft strich er mit seiner Nase über Chris' Hals.
Chris tat es ihm gleich und schloss ebenfalls die Augen. Ein wenig hier dazuliegen und nichts zu tun war gar nicht schlecht. Dann würde er morgen in der Uni vielleicht wieder besser aufpassen können, anders als in den letzten Tagen.
Verschlafen blickte Chris um sich. Er lag angezogen im Bett, neben ihm Otoko im Schlafanzug. Es war bereits Nachmittag, wie ihm die Uhr auf dem Nachtkästchen zeigte. Er überlegte, ob er aufstehen oder lieber liegen bleiben wollte, entschloss sich dann aber für die erste Möglichkeit, wobei sein Magen bei seiner Entscheidungsfindung eine maßgebliche Rolle spielte. //Ich werde einfach etwas kochen. Wenn Otoko Hunger hat, kann er ja mitessen.// Sanft und sehr vorsichtig, damit sein Freund nicht aufwachte, befreite er sich aus dessen Umarmung und stand langsam auf.
Murrend drehte sicht Otoko zur Seite und zog sofort die Decke über sich, die immer noch Wärme von Chris enthielt.
//Schlaf ruhig weiter, Schneewittchen, dich werde ich erst wecken, wenn es fertig ist.// Chris verzog sich in die Küche und schloss die Tür, um gleich darauf mit dem Kochen anzufangen.
Otoko zuckte im Bett zusammen, als ein lautes Geschepper aus der Küche in Schlafzimmer drang. Verwirrt blickte er um sich. "....Chris....?" Etwas wackelig auf den Beinen ging er zur Tür und öffnete sie. "...A-alles in Ordnung?"
Ein wenig überrascht blickte Chris zu Otoko. "Hab ich dich geweckt?", fragte er, während er den Topfdeckel, an dem er sich verbrannt hatte, diesmal mit Topflappen aufhob.
"Uhm... j-ja..... H-hast du dir weh g-getan....?"
"Nicht schlimm. Ich hab einfach vergessen, dass der Metalldeckel auch heiß wird." Chris grinste leicht. "Aber ich bin gleich fertig. Hast du Hunger?"
Nickend tapste Otoko zu Chris. "W-was gibt e-es denn....?"
"Ich hab Reis gemacht und Paprika und Zwiebeln zusammen angebraten. Hast du darauf Appetit?" Schnell stellte Chris den Herd ab und deckte dann den Tisch für Otoko und sich.
"J-ja... Denke schon....." Immer noch etwas schlaftrunken setzte sich Otoko an den Tisch.
"Du musst ja nicht so viel essen, aber ein bisschen schadet dir sicher nicht." Otoko wurde ein Glas mit Orangensaft hingestellt, dann tat Chris für Otoko und sich jeweils eine kleine Portion des Essens auf den Teller.
"N-nein... I-ich dachte nur.... So was h-hab ich noch nie g-gegessen... Aber bei dir w-wird es ja w-wohl sowieso sch-schmecken..."
"Du solltest meinen Kochkünsten aber nicht blind vertrauen.", erklärte Chris grinsend, während er sich an den Tisch setzte. "Ich hab meinen Bruder schon manches Mal halb vergiftet."
Nun wurden Otoko Augen groß. "...W-wirklich?"
"Na ja, vielleicht ein bisschen, weil ich zu viel von den scharfen Gewürzen hineingetan habe oder wenn ich mal etwas ausprobieren wollte. Er war mein Versuchskaninchen."
Otokos Blick wurde nun doch ein wenig kritisch, als er das Essen ansah.
"Keine Angst, das hab ich schon öfters gemacht." Er aß einen Löffel. "Sieht du, ich kann es essen."
"U-und die N-nebenwirkungen?"
"Es dürften keine auftreten." //Oder nimmt er das etwa ernst?// "Otoko, es war nur ein Witz. Du brauchst keine Angst vor meinem Essen zu haben."
"D-da bin ich froh.... I-ich h-hab jetzt nämlich d-doch Hunger b-bekommen..."
//Ich sollte mit meinen Witzen wirklich aufpassen...// Bevor sich sein Magen noch lautstark bemerkbar machte, begann Chris mit dem Essen.
"Guten Appetit." Damit begann auch Otoko zu essen.
//Montag Morgen, 8.30 Uhr.// Bis Chris diesen Gedanken zusammenbrachte, hatte der Wecker drei Minuten lang geklingelt. //Ich muss aufstehen.... Aber ich will nicht...// Verschlafen drehte Chris sich auf die Seite und blickte in Otokos Gesicht.
Etwas desorientiert blinzelte ihn dieser an. ".....S-schon Morgen.......?"
"...Leider...", nuschelte Chris, doch er machte keine Anstalten, jetzt schon aufzustehen.
".....I-ich bin i-immer noch müde..... W-wieso h-hältst du das aus, m-mit so wenig Schlaf...?"
"Es muss gehen." Nun konnte Chris sich doch dazu bewegen, sich aufzurichten. Nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, stieg er langsam aus dem Bett. "Falls das Fieber zu schlimm wird, hat man mir übrigens noch fiebersenkende Mittel für dich mitgegeben." Mehr schlafend als wach taumelte Chris ins Bad, ließ aber die Tür offen, damit er weiter mit Otoko reden konnte.
"...D-das wird schon.... I-ich will nicht wieder z-zu viel d-davon nehmen..."
"Bisher hattest du ja noch gar nichts davon. Das Antibiotika musst du aber nehmen, bis die Schachtel leer ist, meinte die Apothekerin." Nachdem er sich etwas Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, fühlte Chris sich schon wieder ein wenig wacher. Trotzdem würde er vorsorglich eine Thermosflasche mit Kaffee mit in die Uni nehmen.
"A-aber ich bin im M-moment lieber v-vorsichtiger d-damit...."
"Das kannst du mit den anderen Tabletten gerne sein, nur diese musst du auf jeden Fall nehmen."
"J-ja.... W-werd ich....." Gähnend kuschelte sich Otoko nochmals in die Decke.
"Ok." Dann hörte man aus dem Bad eine Weile lang nur noch die Geräusche von prasselndem Wasser.
Als Otoko gegen Mittag wieder aufwachte, war Chris verschwunden. Ein wenig weh tat es ihm schon, dass er wieder eingeschlafen war und sich nicht mehr von Chris verabschieden konnte. Grummelnd erhob er sich und griff sogleich nach seinen Medikamenten.
Er wollte nicht, dass er sie vergas, deshalb schluckte er sie lieber jetzt, auch wenn es noch ein wenig zu früh war. Angeekelt betrachtete er die eiternde Wunde an seinem Arm und verband sie schnell wieder. Er zuckte beinahe zusammen, als ihm wieder klar wurde, woher er sie hatte.
Mit einer hektischen Handbewegung öffnete er die kleine Schublade, neben seinem Bett. Darin lag immer noch die Waffe, die er von Patric erhalten hatte. Heute würde er sie ihm wieder zurückbringen müssen. Bei dem Gedanken breitete sich eine Gänsehaut auf Otokos Körper aus. //........Er wird wütend sein, dass ich es verbockt habe.....//
Und Patric war wütend, auch wenn man ihm das auf den ersten Blick nicht ansah. Als Otoko in sein Arbeitszimmer gekommen war und ihm gesagt hatte, dass er den Umschlag verloren hatte, konnte sich Patric nur mit größter Mühe zurückhalten. Er stand mit einem leicht verkniffenen Gesichtsausdruck stocksteif da und starrte Otoko an. "Sag das noch einmal."
"I-ich h-habe die M-m-mappe a-abgeg-geben.... u-und den U-umschlag hatte ich a-auch bekommen.... A-aber als ich g-gehen wollte, w-waren plötzlich Sch-schüsse z-zu hören..." Otoko zitterte leicht und wagte es nicht, Patric in die Augen zu sehen. "A-alles ging s-so schnell... I-ich bin p-plötzlich z-zu Boden g-gerissen worden... A-als ich wieder e-einigermaßen k-klar d-denken k-konnte w-war der Umschlag w-weg...."
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"Wie konnte ich das nur machen?", murmelte Patric leise. "Wie konnte ich nur so einen Fehler machen?" Mit hektischen Schritten ging er zu seinem Schreibtisch und wähle eine Telephonnummer. "Warte draußen!", fuhr er Otoko an.
Das Häufchen Elend, zu dem Otoko langsam wurde, biss sich auf die Lippen und verzog sich lautlos nach draußen. //...Ich will den Job nicht verlieren... Wir brauchen doch das Geld.... Wieso musste das nur passieren....?//
Patric beachtete Otoko nicht weiter, sondern telephonierte mit ein paar Leuten, um die Sache wieder halbwegs in Ordnung zu bringen. Auch wenn das gar nicht ganz funktionieren konnte. In dem Umschlag waren einige äußerst wichtige Berichte gewesen, von denen es keine einzige Kopie gab. Trotzdem wanderten seine Gedanken immer wieder zu Otoko. //Der bekommt noch Ärger mit mir, wenn ich hier fertig bin. Ich werde ihn auf keinen Fall ungeschoren davonkommen lassen.//
Leicht zitternd lehnte sich Otoko draußen an die Wand. //.....Was soll ich bloß tun? ..... Ich kann ja nichts dafür, dass der Umschlag weg ist....//
Nach etwas mehr als einer halben Stunde öffnete Patric die Tür wieder. Er schien noch genauso wütend zu sein wie vorher, wenn nicht noch mehr. "Wir haben noch zu reden.", gab er gepresst von sich.
"J-ja........" Etwas umständlich erhob sich Otoko, denn er musste den linken Arm in einer Schlinge tragen, damit die Schulter nicht belastet wurde.
Patric lehnte sich an den Schreibtisch und sah Otoko mit verschränkten Armen von oben herab an. "Du hast mich sehr enttäuscht." Er zitterte leicht, aber nicht wie Otoko vor Angst.
"E-es ging a-alles so sch-schnell.. I-ich k-konnte n-nicht mehr r-reagieren!", versuchte sich Otoko zu verteidigen.
"Dann hättest du eben aufpassen müssen, verdammt! Wieso denkst du, habe ich dir eine Waffe gegeben?! Sicher nicht, um damit nur herumzuspielen! Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie viel Geld ich verloren habe, weil dieser Deal ins Wasser gefallen ist?!!" Inzwischen war Patric wirklich außer sich vor Wut. Er hatte große Lust, Otoko einfach tot zu prügeln, aber er würde den anderen später noch brauchen, wenn auch nicht mehr für Aufträge. Trotzdem das hielt ihn nicht davon ab, Otoko zu bestrafen.
Wie unter Peitschendhieben zuckte Otoko zusammen. "I-ich w-war viel z-zu g-geschockt, a-als d-dass ich n-noch an die Wa-waffe gedacht hätte...", gab er leise von sich. "I-ich h-habe es n-nicht mit A-absicht gemacht..."
"Wenn du es mit Absicht gemacht hättest, würdest du jetzt tot in der Gosse liegen!!", brüllte Patric. Edward hörte ihn wahrscheinlich, aber da dieser die einzige Person außer ihnen beiden auf seinem großen Gelände war, konnte er so laut herumschreien, wie er wollte. "Komm her! Sofort!" Patrics Stimme duldete nicht den kleinsten Widerspruch.
Otoko verkrampfte sich augenblicklich. Mit steifem Gang ging er langsam auf Patric zu. "I-ich w-wollte e-es wirklich n-n-nicht...."
Der andere packte ihn grob am Kragen und zog ihn das letzte Stück zu sich. "Das ist mir scheiß egal!" Noch während er diese Worte aussprach, holte Patric aus und ohrfeigte Otoko so stark, dass dieser ein ganzes Stück weiter weg zu Boden fiel.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht und leise wimmernd presste Otoko seine Hand auf die getroffene Wange. Mit angsterfüllten Augen starrte er Patric an.
"Und komm mir bloß nicht mit der Ausrede, dass du verletzt wurdest! Das interessiert mich genauso wenig!!" Patric hatte sich mittlerweile so in seinen Zorn hineingesteigert, dass er kaum noch normal reden konnte. Das Wimmern des Jungen, genauso wie sein angsterfüllter Blick brachten ihn nur dazu, noch stärker zuzuschlagen, als er sich wieder über den anderen beugte und ihn hochzog.
"I-ich habe nichts d-davon gesagt!!!", schrie Otoko und versuchte verzweifelt sich von Patric loszureißen.
Auch die Tatsache, dass Otoko sich doch tatsächlich wehrte, obwohl er Patric eindeutig unterlegen war, sorgte dafür, dass Patric immer noch nicht von Otoko abließ. Als er Otokos Wunde an der Schulter erwischte und dessen lauten Aufschrei hörte, beruhigte er sich allerdings wieder ein wenig.
Wimmernd und heulend sank Otoko in die Knie. Seine bebende Hand presste er auf die schmerzende Wunde. "...N-nicht mehr... b-bitte..."
"So? Wieso sollte ich deiner Meinung nach aufhören?!"
"WEIL ICH ES WILL!!", schrie der blonde Junge und rutschte von Patric weg.
Patric fing an zu lachen. "Tolle Antwort, wirklich." Mit einem Schritt war er wieder bei Otoko und stellte seinen Fuß auf dessen Rücken, so dass der andere nicht mehr weiter kriechen konnte. "Leider reicht sie mir nicht."
"L-lass m-mich.... i-in Ruhe....." Schluchzend legte sich Otoko auf den Boden.
"Nein." Patric setzte sich auf dem Rücken des Jungen. "Du hast mich einen Haufen Geld gekostet, sogar mehr als das." Er beugte sich soweit herunter, dass sein Atem Otokos Ohr streifte. "Hast du schon eine Idee, wie du einen kleinen Teil von dem, was du mir angetan hast, wieder gutmachen kannst?", fragte er grinsend.
Angeekelt drückte Otoko den Kopf weg. "N-nein...."
"Ich schon." Mit einer schnellen Handbewegung schlug Patric Otokos Kopf so stark gegen den Boden, dass dieser bewusstlos wurde. "Nur habe ich jetzt noch keine Zeit dafür."
Um Otoko herum wurde alles schwarz. Und hätte er Patrics letzte Worte noch mitbekommen, wäre er wahrscheinlich auch dankbar dafür gewesen, dass er ohnmächtig geworden war.
Patric hingegen stand wieder auf und kümmerte sich nicht weiter um Otoko. Er rief kurz bei Edward, seinem Butler, an und gab ihm ein paar Anweisungen, dann wandte er sich wieder anderen Dingen zu. Er hatte immer noch mit der Schadensbegrenzung zu tun.
Wimmernd fasste sich Otoko an den Kopf, als er wieder langsam zu sich kam. Sein Schädel dröhnte und ihm war schlecht. Er wagte es noch nicht, die Augen zu öffnen. //......Was ist bloß passiert.....?//
Inzwischen lag er nicht mehr in Patrics Arbeitszimmer, nur wusste er das noch nicht. Patric hatte ihn in eines der anderen Zimmer gebracht, das er als Abstellkammer gebrauchte. Die Vorhänge waren zugezogen, so dass sehr wenig Licht hereinkam, und die meisten Gegenstände in dem Raum waren zentimeterdick verstaubt.
//V-vielleicht spinne ich wieder.... Vielleicht bin ich wieder bei Chris....?// Ein klägliches 'C-chris....?' kam über seine Lippen, doch er erhielt keine Antwort. //........Ich habe Angst.... Ich will bei Chris sein....//
Der saß wie so oft bei sich zu Hause und lernte, seit er von der Universität zurück gekommen war. Und wie immer in den letzten Tagen machte er sich immer wieder Sorgen um Otoko, da dieser weggegangen war. Eigentlich hätte Chris erwartet, dass Otoko sich wirklich schonen würde. Aber er hatte es nun mal nicht getan und Chris musste sich damit abfinden.
Doch als Otoko auch um sieben Uhr Abends noch nicht zurückkam, wurde Chris wirklich nervös. //Und wenn ihm etwas passiert ist? Ich halte das nicht aus!// Auch wenn er es unter normalen Umständen nie machen würde, fing er an, Otokos Sachen zu durchsuchen. Erst fand er nichts besonderes, doch dann entdeckte er eine Visitenkarte von einem Patric Newman. //Das muss Otokos Arbeitgeber sein... Am besten gehe ich gleich hin und nehme ihn mit zurück, wenn er noch dort ist.// Schnell zog er sich seine Jacke über und die Schuhe an, dann ging er aus dem Haus und rannte zur Bushaltestelle.
Nach einer längeren Fahrt und einem zehnminütigem Fußmarsch kam Chris endlich bei der Adresse von diesem Patric an. Würde er sich nicht solche Sorgen um Otoko machen, wäre er überwältigt gewesen. Doch so ließ ihn dieses riesige Grundstück kalt. Da das Tor leicht geöffnet war, schlüpfte Chris hindurch und lief den langen Weg zur Haustür entlang. Dort klingelte er und hoffte, Otoko würde wirklich hier sein.
Nach ein paar Augenblicken tauchte ein schwarz gekleideter Mann auf. "Sie wünschen?"
"Ich muss mit Patric Newman sprechen, er wohnt doch hier, oder?"
"Ja, aber er ist im Moment sehr beschäftigt und wünscht keine Gäste, bitte kommen Sie ein andermal wieder."
"Das kann ich nicht. Ich muss unbedingt mit ihm sprechen, hören Sie? Ist sehr wichtig." Während er mit diesem Mann sprach, wer auch immer er war, überlegte Chris fieberhaft, wie er ihn dazu bringen konnte, dass er mit diesem Patric reden konnte.
"Wenn Sie einen Termin hätten, könnten Sie reinkommen, aber Mr. Newman hat nichts dergleichen erwähnt."
"Ich muss aber mit ihm reden. Es geht um meinen Freund Otoko, er ist krank und ich denke mal, dass er auch hier ist. Es ist sehr dringend, wieso wollen Sie das nicht verstehen?"
"Wenn ich jedermann hereinlassen würde, der mir solch eine Geschichte auftischt, wäre das Gebäude heute nicht, was es ist."
"Verdammt noch mal, dann holen Sie ihn eben her!" Langsam aber sicher wurde es Chris wirklich zu bunt.
Seufzend wandte sich der Butler ab. "Ihren Namen, bitte..."
Erleichtert nannte er dem anderen seinen Namen. "Chris Neeson."
"Bitte warten Sie." Damit ging der Mann wieder ins Haus, wo er auch eine ganze Weile lang blieb.
Chris wartete. Doch je länger er hier blieb, ohne dass sich etwas tat, desto stärker wurde seine Nervosität. //Und was ist, wenn er nicht hier ist? Was, wenn er irgendwo liegt? Warum ist er nur weggegangen. Er hat doch gesagt, er wird sich schonen.//
Nach zehn Minuten öffnete sich dann endlich die Türe des Gebäudes wieder und sowohl der Butler als auch Patric kamen heraus.
"Sind Sie Mr. Newman?", fragte Chris sofort, während er sich in Gedanken wunderte, wie Otoko bei so einem grimmig dreinblickenden Kerl arbeiten konnte.
"Ja, der bin ich. Was wollen Sie von mir?", fragte Patric barsch. "Ich habe zu tun."
"Es geht um Otoko, einen Freund von mir. Er sagte mir, dass er hier bei Ihnen arbeitet, und da er heute Nachmittag nicht zurückgekommen ist, obwohl er krank ist., dachte ich, dass er vielleicht hier wäre."
"Nein, er ist heute nicht einmal hier aufgetaucht."
"Aber... Er sagte mir, dass er irgendeinen Umschlag verloren hätte, der Ihnen gehört... Otoko wäre niemals rausgegangen, wenn es nicht wichtig gewesen wäre." Chris' Laune sank in von Sekunde zu Sekunde. Wo sollte er Otoko denn sonst suchen?
"Das er den Umschlag verloren hat, wurde mir mittlerweile mitgeteilt. Ich war nicht sehr erfreut darüber, dass Ihr Freund mein Vertrauen enttäuscht hat."
Unsicher, weil er nicht wusste, was er machen sollte, biss sich Chris auf die Lippen. "Das hat er ja nicht mit Absicht gemacht. Er kam Freitag Nacht blutüberströmt zurück und musste auch noch ins Krankenhaus..." Er suchte nach Worten, mit denen er dem anderen den Ernst der Lage erklären konnte, fand aber keine.
"Wenn er bei der Arbeit nicht aufpassen kann, ist das nicht meine Sache, Mr. Neeson."
//Es hat wohl keinen Sinn...// "... Na ja... Danke, dass Sie den Moment Zeit für mich hatten... Es wäre wirklich nett, wenn Sie ihm sagen könnten, dass er nach Hause kommen soll... Falls er hier her kommt."
"Das werde ich machen. Schönen Abend noch." Mit einem falschen Lächeln auf den Lippen drehte sich Patric weg und ging wieder ins Haus.
Enttäuscht machte Chris sich wieder auf dem Heimweg. //Was soll ich nur machen? ... Otoko... Wo bist du?//
36.
Otoko hatte sich in eine Ecke des Zimmers verkrochen und hoffte, dass er irgendwann wieder rausgelassen würde.
Doch Patric hatte andere Pläne. Kurz nachdem Chris da gewesen war, ging er zu dem Jungen. "Na, wie geht's uns jetzt?", fragte er übertrieben freundlich, als er Otoko entdeckt hatte und ging zu ihm hin.
"I-ich will endlich g-gehen...", nuschelte Otoko und schloss die Augen.
"Wirst du aber nicht." Der Ältere setzte sich neben Otoko. "Dein Freund war eben hier."
Sofort riss Otoko die Augen auf. "C-chris?!" Sein Blick wanderte zur Tür. "I-ist er hier?"
"Nein, er ist wieder weg.", antwortete Patric und genoss den entsetzten Gesichtsausdruck des anderen.
"....W-w........wieso...?", fiepte Otoko leise und starrte Patric mit Tränen in den Augen an.
"Ich habe ihm gesagt, du wärst nicht hier, ganz einfach." Ironisch sanft strich Patric über Otokos Wange. "Hab keine Angst, du wirst ihn wieder sehen... In ein paar Tagen vielleicht."
Pure Angst flackerte in Otokos eisblauen Augen. "...A-aber... d-du w-wirst i-i.... ihm n-nichts t-tun.... o-oder?"
"Ihm? Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen..." Ein Lächeln, welches nicht das Geringste mit Freundlichkeit zu tun hatte, erschien auf Patrics Lippen. "Ich überleg es mir."
"N-nein! NEIN!!!!" Otoko griff schwach nach Patrics Hemd. "Bitte nicht!!! L-lass ihn d-da raus!!"
"Was bist du bereit, dafür zu tun, Otoko?"
Zitternd starrte Otoko Patric an. "....A-a... alles..."
"So viel? Nur, damit ich deinen Freund in Ruhe lasse?" Immer noch streichelte Patric Otokos Wange. Es war, als hätte er einen verängstigten Hund vor sich, den er vorher verprügelt hatte. //Ich könnte dafür sorgen, dass du dir vorkommst, wie dieser Hund. Wie ein kleines Stück Dreck, das mich verraten hat!// Neue Wut kam bei diesem Gedanken in ihm hoch.
"E-er h-hat es schon s-schwe-er g-genug....", stammelte Otoko und versuchte, Patrics Blick auszuweichen.
"Ich habe es auch schwer und alles nur wegen dir. Ist das fair? Ich glaube nicht."
Angewidert verzogen sich Otokos Mundwinkel. "D-du hast doch g-genug Geld i-im A-arsch!", keifte Otoko und zog sich sofort wieder zusammen.
Gleich darauf trat ihm Patric gegen die Brust. "So solltest du nicht mit mir reden, weißt du. Das mag ich nämlich gar nicht."
Keuchend presste Otoko seine Arme vor die schmerzende Brust. Im ersten Moment bekam er keine Luft.
"Eigentlich hatte ich vor, wieder ein wenig netter zu dir zu sein, aber da du das offensichtlich nicht willst, lasse ich es bleiben." Patric machte sich daran, zu gehen, doch bevor er den Raum verließ, blieb er noch einmal stehen. "Ich wünsche eine angenehme Nacht. Morgen werde ich vielleicht nicht mehr so gute Laune haben." Dann ging er.
Otoko reagierte auf diese Worte gar nicht erst. Er versuchte bloß, seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.
Auch als Chris wieder zurück in die Wohnung kam, war Otoko nicht da. //Wo bist du nur? Otoko, weißt du denn nicht, was für Sorgen ich mir deinetwegen mache?// Einen Moment lang überlegte, ob er die Polizei rufen sollte, aber was brachte das schon? Die nahmen ihn ja nicht ernst. Er wusste nicht, wie lange er in Gedanken versunken in der dunklen Wohnung gesessen hatte, aber als er das nächste Mal auf die Uhr sah, stellte er erschrocken fest, dass er zu spät zur Arbeit kommen würde, wenn er sich nicht beeilte. Schnell schrieb er eine Nachricht für Otoko, falls dieser zurück kam. //Denk nicht immer so negativ! Er wird wieder zurück kommen.// Dann zog er sich wieder an und hastete zur Straßenbahnhaltestelle.
Für Chris waren diese paar Stunden, die er Arbeiten musste, die reinste qual. Er sehnte seinen Feierabend mehr den je herbei. Doch als er nach Hause kam und sich eigentlich schon fast freute, Otoko wieder sehen zu können, war die Enttäuschung entsetzlich groß und seine Sorgen machten ihn fast wahnsinnig.
Sie hinderten ihn auch beim Einschlafen, so dass er, nachdem er fast eine Stunde wach im Bett gelegen hatte, eine Schlaftablette nahm, die ihren Zweck aber auch nicht besonders gut erfüllte. Morgen würde wieder ein schrecklicher Tag werden.
Otoko selbst schlief auch nicht viel in dieser Nacht. Zum einen wegen den Schmerzen, zum andern, weil er Angst hatte.
Patric kam den ganzen nächsten Tag nicht zu ihm, da er zu viel zu tun hatte. Dafür kam Edward mehrere Male vorbei, offenbar hatte er doch etwas Mitleid mit Otoko. Er ließ ihn auf die Toilette gehen und brachte ihm etwas zu essen und zu trinken, aber auch nicht besonders viel. Vielleicht waren es auch nur Patrics Anweisungen, die er befolgte.
Aber die ganze Angst nagte an Otokos Appetit, so dass er lediglich das Wasser trank, den Rest aber unberührt liegen ließ. Er hatte sich eine Decke nehmen wollen, doch die war so voller altem Blut von ihm, dass er auch diese einfach liegen ließ und sich wieder zitternd in die Ecke setzte.
Es war gegen Abend, als sich die Tür ein weiteres Mal öffnete. Doch dieses Mal war es nicht Edward, er kam, sondern Patric. Mit einer unlesbaren Miene stand er im Türrahmen, machte aber keine Anstalten hineinzukommen. "Otoko, komm her." Seine Stimme klang normal, doch trotzdem hatte sie etwas bedrohliches an sich.
//Wenn ich nicht gehe, wird er nur wieder wütend...// Ungelenk erhob sich der blonde Junge, musste sich aber an der Wand festhalten, weil ihm schwindlig wurde.
//Otoko muss inzwischen festgestellt haben, dass Jähzorn zu meinen schlechten Eigenschaften gehört.//, dachte Patric innerlich grinsend, als er sah, wie Otoko ohne Widerrede seiner Anweisung folgte. Als dieser ihn erreicht hatte, drehte er sich um und deutete mit einer Geste an, dass Otoko ihm folgen sollte.
"K-kann i-ich g-gehen...?", fragte Otoko leise.
Doch ein schlichtes 'Nein' zerstörte diese Hoffnung sofort wieder.
Mit einem kläglichen Gesichtsausdruck versuchte Otoko mit Patric Schritt zu halten.
Dieser führte ihn zu einem Bad. "Wasch dich, du hast eine halbe Stunde. Ach ja, solltest du versuchen zu fliehen, dann kann ich dir gleich sagen, dass du damit keinen Erfolg haben wirst." Und schon ging Patric wieder.
Verwirrt sah sich Otoko im Bad um. "...W-wieso soll i-ich mich waschen.....?" Das kam ihm wirklich ein wenig komisch vor, aber er zog sich dann doch aus. Mit seinem dünnen Pullover hatte er jedoch einige Probleme, da er regelrecht an der Wunde klebte. Mit zusammengebissenen Zähnen riss er den Stoff ab, was ihm allerdings einen gepeinigten Schmerzensschrei entlockte.
Sogar Patric konnte diesen Schrei noch hören, obwohl er schon wieder einige Meter von der Tür entfernt war, doch es kümmerte ihn nicht. Sollte der Junge doch Schmerzen haben, es geschah ihm recht.
Immer noch leise wimmernd sah Otoko auf die nun wieder offene Wunde runter. Er suchte sich in Patrics Bad einige Dinge zusammen, damit er sie notdürftig versorgen konnte. Erst dann begann er sich vorsichtig zu waschen.
Genau eine halbe Stunde später kam Patric wieder zurück. Er trat ohne zu Klopfen ein und entdeckte Otoko, der sich gerade vorsichtig abtrocknete. Auf der blassen Haut waren mehrere dunkle Stellen zu sehen, sie verschönerten den dürren Körper nicht gerade, aber es störte ihn nicht. Mit verschränkten Armen lehnte er sich an die Badezimmertür, die er hinter sich geschlossen hatte, und sah Otoko weiter zu.
Dieser wandte sich von Patric ab und zog das große Badetuch enger um sich.
Ein leichtes Grinsen bildete sich auf Patrics Lippen. "Stimmt, eigentlich brauchst du dich gar nicht wieder anzuziehen. Anscheinend denkst du mit."
Verstört sah Otoko zu Patric rüber. "W-wie m-meinst du das....?"
"Spielst du auf einmal das Unschuldslamm oder was? Das weißt du doch ganz genau. Komm jetzt, ich habe keine Lust, noch länger zur warten." Patric öffnete demonstrativ die Tür und ging heraus.
Mit langsamen und unsicheren Schritten kam Otoko aus dem Bad. "I-ich w-weiss w-wirklich n-nicht, was du m-meinst...."
Der Ältere blieb nicht stehen, sondern drehte nur kurz den Kopf zu Otoko. "Wir reden über Sex." //Ich habe wohl zu fest zugeschlagen.//
Nun blieb Otoko aber stehen. ".....S-sex......?", fragte er mit zitternder Stimme. Ihm wurde noch kälter, als ihm ohnehin schon war, und langsam wich er zurück.
"Exakt." //Dieser Chris hatte doch erwähnt, dass Otoko krank ist.... Man merkt es.// Genervt von Otokos Fragerei ging Patric in sein Arbeitszimmer. //Dann muss ich ihn wohl wieder zum Schweigen bringen. Das ist ja nicht zum Aushalten.//
Als Otoko Patric in seinem Arbeitszimmer verschwinden sah, packte ihn die Panik. Lautlos drehte er sich um und rannte ins Bad, dort zwängte er sich in seiner Kleider, ohne auf seine Wunde zu achten. //Ich muss hier weg! Ich muss hier raus!!!//
Mit einem Seufzen sah Patric dem Jungen hinterher. //Otoko, Otoko, was machst du nur für Sachen? Willst du denn schon wieder Ärger mit mir bekommen?//
Blind vor Angst rannte Otoko nun aus dem Bad.
Doch weit kam er nicht, denn er wurde sofort wieder von Patric abgefangen. Dieser hielt Otoko ohne große Mühe fest und brachte ihn in sein Arbeitszimmer. "Weißt du, ich hätte dich wirklich für klüger gehalten. Je mehr du dich wehrst, desto schlimmer wird es für dich." Der Junge wurde auf das Bett gestoßen, dann schloss Patric erst einmal die Tür ab.
"Und desto schneller kommst du, oder?", murrte Otoko und hielt sich seine schmerzende Schulter.
"Ach, haben wir unseren Humor wiedergefunden?", fragte Patric, während er wieder zu Otoko zurückkam und sich gleichzeitig sein Hemd öffnete. "Wirst du jetzt endlich kooperativ sein oder muss ich dich wieder zurechtweisen?"
"Du glaubst doch nicht, dass ich dir jetzt nen schönen Fick serviere, nachdem du mich so zurechtgestutzt hast, oder?", knurrte Otoko und rutschte zurück.
"Ich dachte wirklich, du hättest nach dem letzten Tag gelernt, dass man mir nicht widersprechen soll." Während dieser Worte kam Patric auf das Bett und hielt Otoko fest. "Willst du eine weitere Kostprobe?"
"Die Frage ist, ob du es nicht endlich aufgeben willst zu versuchen meinen Stolz zu brechen.
"Dein Stolz interessiert mich nicht im Geringsten.", antwortete Patric und drückte Otoko nach unten. Gleichzeitig zwang er dem anderen einen brutalen Kuss auf.
Der allerdings nicht unblutig endete. Otoko biss Patric kurzerhand in die Lippen. Böse funkelte er ihn an. "Na dann, viel Spaß!"
"Den werde ich haben!" Gleich darauf hatte Otoko wieder Patrics Faust im Gesicht.
Mit der berühmten 'Zigarette-danach' im Mund lag Patric zufrieden im Bett, neben ihm Otoko. "Keine Angst, wenn du dich benimmst, dann werde ich auch wieder nett zu dir sein.", meinte er grinsend.
"I-ich kann auf deine Nettigkeiten verzichten, du niveauloses Etwas....", presste Otoko hervor. Er lag auf dem Bauch und getraute sich nicht auch nur eine Bewegung zu machen.
"Pass mit deiner Wortwahl auf." Doch anders als erwartet kümmerte sich Patric nicht weiter darum. Er streckte sich und legte sich bequemer hin.
"Ich sage, was ich denke, Drecksack......"
Das störte Patric aber schon. Er nahm die Zigarette aus dem Mund und drückte das glühende Ende auf Otokos Oberarm. "Wie war das?"
Otoko zuckte leicht zusammen und biss sich auf die Lippen. Verbissen unterdrückte er einen Schmerzenslaut. ".......D-dreck-sack....", presste er hervor.
"Ja? Bin ich das?" Langsam begann die Glut Otokos Haut zu verbrennen.
Mit hektischen Atemzügen zog Otoko seinen Arm weg. "....D-du bist n-nicht einmal d-diese Bezeichnung wert!"
"Du verletzt mich zutiefst." Amüsiert zog Patric wieder an seiner Zigarette.
Otoko lachte kurz auf und versuchte sich auf den Rücken zu drehen. "An dir... gibt es nichts zu v-verletzen...."
"Ja ja."
"......außer deinen mit Geld prallgefüllten Arsch..."
"Wir haben vorher doch über deinen Freund Chris geredet. Was denkst du, sollte ich ihn zu uns beiden mal herbitten, sozusagen als Dankeschön für all die netten Sachen, die du zu mir sagst?"
"Willst du ihm etwa die Freude machen und ihm zeigen, wie es ist, von einem Tattergreis gefickt zu werden....?", fragte Otoko leise strich sich über die nasse Stirn.
Wieder fing Patric an zu grinsen. Sein Stolz war wohl das einzige, was der Junge im Moment noch hatte, so verzweifelt, wie er ihn zu verteidigen versuchte. "Wieso nicht, wenn ich dir damit eine Lektion erteilen kann?"
"....Als wenn ich so ne abgebrühte, feige Lektion nötig hätte...."
"Du scheinst noch viel mehr als das nötig zu haben."
"Was?.... Noch mehr Unterricht bei Präsident Impotent?"
"Deine Beschimpfungen sind auch nicht gerade die neuesten.", antwortete Patric gelassen, obwohl ihn die Bemerkung doch ein wenig störte. //Dir stopfe ich schon noch deine große Klappe.//
"Na dann scheinst du sie ja schon öfters gehört zu haben..... Ich dachte schon, ich sei der einzige, dem deine Fehler aufgefallen sind...." Mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht richtete er seinen Kopf zur Seite. //......Verdammt, meine Schulter macht mich noch wahnsinnig.....//
"Red du nur." Gelangweilt zog Patric die Decke über sich. //Ich muss ihn nachher wieder zurückbringen... Ihm traue ich es zu, dass er versucht, mich im Schlaf umzubringen.//
Chris hatte sich noch nie so einsam und verlassen gefühlt. Er saß, seit er bei Patric Newman gewesen war, in seiner Wohnung und dachte nach. Er wusste nicht, wo er Otoko sonst noch hätte suchen können, besonders weil es jetzt schon dunkel war. Eine Möglichkeit gab es natürlich noch, Otoko konnte in einem der bekannten Drogenviertel sein, aber Chris hatte wenig Hoffnung, den anderen dort zu finden.
Verwundert blickte Chris auf, als sein Handy klingelte. Als er auf den Display schaute, erkannte er, dass ihm Michael anrief.
Sofort hob er ab. "Ja?"
"Chris? Hi! Wie geht's?"
"Bescheuert, um ehrlich zu sein." Chris hatte im Moment wirklich keine Lust, seinen Freund anzulügen. "Was gibt's?"
"Oh.... I-ich wollte nur fragen, wie es dir geht....? Was hast du denn....?"
Mit einem leisen Seufzen ließ Chris sich zurück auf sein Bett fallen. "Es wäre zu viel, um dir das alles zu erzählen. Otoko ist trotz Krankheit irgendwo hingegangen und ich mache mir Sorgen... Na ja, vielleicht unnötig..." //Wahrscheinlich bekomme ich jetzt einen abfälligen Kommentar über Otoko zu hören... //
"Oh je.... Der macht dir ja ganz schön Probleme..... Kann ich dir vielleicht beim Suchen helfen?"
"Nein, danke. Ich gehe sowieso bald zur Arbeit, dann habe ich keine Zeit."
"Du musst sogar heute arbeiten?...... Ich dachte, wir könnten etwas zusammen unternehmen...."
"Tut mir leid, ich arbeite zur Zeit noch jeden Abend. Aber ich werde versuchen meinen Chef zu überreden, dass ich weniger arbeiten muss."
"...Hm... Ok... Sag mir bescheid, wenn es soweit ist, ok?"
"Ja, mach ich. Wir sehen uns ja in der Uni. Sag Janine einen Gruß von mir, ja?" In Gedanken war Chris schon wieder auf dem Weg zur Arbeit. Heute würde es wirklich hart werden.
"Werd ich machen! Machs gut!" Und damit legte Michael auf.
Chris schloss die Augen und legte das Handy weg. //Wenn ich ihn niemals getroffen hätte, wäre ich dann glücklicher gewesen?//
Otoko hatte trotz der Kühle, die in dem Nebenzimmer herrschte, die ganze Nacht durchgeschlafen. Er war müde und erschöpft gewesen und zusätzlich machte ihm nun das wiederkommende Fieber zu schaffen. Zusammengekauert lag er in einer Ecke.
Doch es schien etwas anders zu sein, denn das Zimmer war nun ein wenig ordentlicher als gestern. Anscheinend ließ Patric Otokos Krankheit doch nicht ganz kalt. Eine Decke hatte Otoko trotzdem nicht bekommen.
Leise wimmernd wachte Otoko gegen zehn Uhr auf. Er war, wie so oft in diesen Tag, versöhnt und wusste nicht, wo er war.
Die Wunde an seiner Schulter schmerzte mehr denn je. Doch das war nicht das einzige, was Otoko weh tat. //Patric... Was hat er nur getan?//
Mit zitternden Fingern strich er über seine leicht geschwollene Wange. //.............So sehr hat mein Körper noch nie geschmerzt....... Außer, als mich Chris auf Entzug setzte.....//
Eine Flasche Wasser stand in der Nähe auf dem Boden. Offenbar wollte Patric ihn nicht tot sehen. Abfällig betrachtete Otoko sie. //...... Er braucht mich ja noch.... für etwas anderes....//
//Durst hätte ich schon.............. Aber ich mag nicht.... Sie ist zu weit weg.... Ich will nur noch hier liegen und warten...... Ich habe alles satt.....//
Schritte waren von der Tür her zu hören und einen Moment hatte Otoko wahnsinnige Angst, dass sie sich gleich öffnete. Doch nach einem kurzen Moment wurde es wieder still. Patric hatte im Moment wohl das Interesse an ihm verloren... oder zu tun. Was es auch immer war, es konnte Otoko nur recht sein.
Leise schluchzend vergrub er sein Gesicht in seinen Armen. ".......C-chris... I-ich will z-zu dir....."
Doch Chris kam nicht. Er saß im Moment in der Uni, doch auch er dachte eher an Otoko als an das, was der Professor gerade erklärte.
Michael saß neben Chris. Er hatte schon gemerkt, dass Chris nicht bei der Sache war und als er ihn ansprechen wollte, reagierte er nicht einmal. Also ließ er ihn auch in Ruhe.
Immer wieder fielen Chris die Augen zu, doch noch kämpfte er dagegen an. Er hatte in der letzten Nacht kein Auge zumachen können und sah auch dementsprechend aus.
Nun beugte sich Michael doch zu Chris hin. "Hey... Geht's dir gut?"
Verschlafen blickte Chris zu seinem Freund. War Michael überhaupt noch sein Freund? "Mir?"
"Ja.... Du siehst scheiße aus..."
Ein sarkastisches Lächeln legte sich auf Chris' Lippen. "Hab ich heute Morgen bemerkt."
Gezwungenermaßen zogen sich Michaels Mundwinkel auch nach oben. "....W-wolltest du nicht zu Hause bleiben?"
"Ich wollte, ja... Aber ich komme überhaupt nicht mehr mit, wenn ich noch mehr Vorlesungen verpasse." Doch Chris war auch klar, dass er auch nicht viel mehr mitbekam, nur weil er anwesend war.
"Du überanstrengst dich einfach total..."
Chris seufzte leise. "Ja... Ich sollte das Studium erst einmal abbrechen, glaube ich... Aber irgendwie fühle ich mich dann wie ein völliger Versager, weil ich auch sonst im Moment wirklich nichts auf die Reihe kriege..." Gelangweilt blickte Chris durch den Saal. "Ich fange an, dieses Leben zu hassen."
"Nein Chris... Du kannst doch jetzt nicht alles hinschmeißen... Ich bitte dich.... Ich habe noch ein wenig Geld auf meinem Sparkonto, ich könnte es dir leihen, bist du alles wieder im Griff hast..."
Doch Chris schüttelte den Kopf. "Nein, danke. Das muss wirklich nicht sein. Bisher habe ich meine Mutter noch nicht um Geld gebeten... Von ihr bekomme ich bestimmt etwas."
"Ja.... Mach das... Aber hör nicht mit der Uni auf..."
"Ich überleg es mir... Vielleicht mache ich auch einfach nur bis zum Ende des Semesters Pause und wiederhole dann dieses noch mal." Chris gähnte hinter vorgehaltener Hand. "Sobald Pause ist, gehe ich Heim und ins Bett."
"Ok... Ich werd dich krankmelden..."
"Danke." Eine Frage brannte Chris noch auf der Zunge, obwohl sie durch Michaels Interesse an einem Gespräch eigentlich schon beantwortet wurde. "Michael, verabscheust du mich?"
Fast ein wenig geschockt, brachte Michael erst gar kein Wort über die Lippen. "....v-verabscheuen...? S-sicher nicht! Mache ich etwa den Eindruck?"
"... Nein, ich wollte es nur sicher wissen."
".....Dann weißt du es jetzt..."
Müde nickte Chris und schloss die Augen. "Ja... Danke."
37.
Wieder waren Schritte vom Gang her zu hören. Aber dieses Mal waren sie anders, irgendwie schwerer. Und sie wurden auch nicht langsam wieder leiser, sondern hörten abrupt auf. Dann wurde die Tür geöffnet und Otoko wusste ohne hinzusehen, dass es sich um Patric handelte.
"Na, Süßer, hast du gut geschlafen?", fragte dieser mit beißendem Spott in der Stimme.
Otoko vergrub lediglich sein Gesicht tiefer in seinen Armen und blieb Patric eine Antwort schuldig. //Lass mich in Ruhe!!//
"Ich habe dir einen Vorschlag zu machen."
"....W-was für e-einen....?", fragte Otoko leise, rührte sich aber nicht von der Stelle.
Erst jetzt betrat Patric den Raum und kniete sich neben Otoko auf den Boden. "Wenn du brav bist, Kleiner, dann lasse ich dich morgen oder übermorgen gehen.... Wenn nicht, wird erst dein Freund leiden und dann... fährst du mit der Müllabfuhr raus."
//......Er hat doch gar nichts damit zu tun....// Aufschluchzend verkrampfte sich Otoko noch mehr. ".....W-wieso t-tust du m-mir d-das an........?"
"Weil du versagt hast.", war die schlichte Antwort. "Na, wirst du brav sein oder nicht?"
"....P-patric... M-mir t-tut a-alles... w-weh.... I-ich mag n-nicht mehr....."
"Wirst du brav sein?", fragte Patric nochmals, ohne auf Otokos Worte einzugehen.
"J-ja....", presste Otoko hervor.
"Gut." Der Ältere lächelte Otoko an. "Eine Sorge weniger." Er stand wieder auf. "Wenn du Hunger hast, solltest du mitkommen."
Otokos Magen schmerzte mittlerweile schon fast vor Hunger und so erhob er sich wiederwillig. Vor ihm begann sich sofort alles zu drehen und in seiner Schulter wütete ein pulsierender Schmerz. Mit einem unterdrückten Stöhnen stützte er sich an der Wand ab und ging so zur Tür.
Patric jedoch hatte keinerlei Absicht, dem anderen zu helfen, aber er ging zumindest ein bisschen langsamer.
Zwei Tage später öffnete sich die Türe von Chris' Wohnung. Chris selbst war schon im Bett. Mit schlürfenden Schritten betrat jemand das Schlafzimmer. //........Nur noch schlafen........// Sich durch die dunkle Gegend tastend fand der Eindringling endlich das Bett.
Normalerweise wäre Chris von so etwas aufgewacht, aber sein Körper brauchte den Schlaf und der war so tief, dass Chris fast nichts hätte aufwecken können. Seit Otoko nicht mehr aufgetaucht war, schlief Chris quer über das Bett gelegt und benutzte auch das Kopfkissen des anderen mit.
Als sich Otoko mit zitternden Händen über die Bettdecke tastete, fasste er dabei mitten in Chris' Gesicht. Erschocken zog er die Hand zurück.
Auch das weckte den anderen nicht.
Unsicher fuhr Otoko noch einmal über die warme Haut an Chris' Gesicht. Ihm war zum Heulen zumuten. Er war müde, hatte kaum noch die Kraft, sich auf den Beinen zu halten und nun lag Chris in einer solch unmöglichen Stellung im Bett, dass er nicht wusste, wo er noch Platz hätte finden können.
Obwohl Chris immer noch nicht wach war, reagierte er im Schlaf auf Otokos Berührungen. Er murmelte leise etwas und bewegte sich ein wenig, doch nicht genug, um Otoko genügend Platz zum Schlafen zu lassen.
".....Komm schon Chris.... Sei nicht so egoistisch.... Ich fühl mich scheiße.....", flüsterte Otoko leise und sank in die Knie.
Das allerdings half. Schlaftrunken rutschte Chris zur Seite, doch die Tatsache, dass Otoko endlich wieder da war, registrierte er gar nicht.
"........Danke...." Mit langsamen und ungelenken Bewegungen zog sich Otoko den mittlerweile schmutzigen Pullover und die Hose aus. Vorsichtig krabbelte er unter die Bettdecke. //Mir ist so kalt.....// Zitternd rutschte Otoko näher an Chris ran.
Der bekam von alledem nichts mehr mit und schief friedlich weiter.
Otoko war sofort in einen tiefen traumlosen Schlaf gesunken. Sein Fieber war wieder gestiegen, denn das Ganze hatte enorm an seinen Kräften gezerrt.
Der nächste Morgen war für Chris nur wenig besser als die davor. Er konnte zwar ausschlafen, aber das war auch der einzige Vorteil. Das Wochenende begann, aber was brachte es ihm, außer ein wenig Ruhe vor der Uni? So sehr in seine Gedanken versunken bemerkte er nicht einmal das kleine Häufchen Mensch, das sich in der Nacht an ihn gekuschelt hatte.
Erst als er eine Weile über sein derzeitiges Leben nachgedacht hatte, fiel ihm auf, dass heute Morgen etwas anders war. Als er zur Seite blickte, sah er Otoko und war sofort hellwach. //Träume ich?// Erschrocken und gleichzeitig überglücklich richtete er sich auf und wollte eben Otoko wecken, als ihm etwas einfiel. //Er hat seine Tabletten nicht bekommen...// Die Wunde an Otokos Schulter war unbedeckt und der Anblick, der sich Chris bot, war schlicht und ergreifend erschreckend. Geschockt starrte er den Jungen ein paar Sekunden einfach nur an, ehe er reagieren konnte.
Chris' ruckartiges Aufrichten entlockte Otoko ein leises Murren. Nur sehr langsam öffneten sich seine Augen ein wenig.
"O-otoko... Träume ich... oder bist du das wirklich?"
"....N-nein...... E-es ist nur Mike.....", lallte Otoko leise und blickte Chris müde an. ".....Er hat mich endlich gehen... lassen....."
//Scheiße! Was hat das zu bedeuten?// "Wer?", fragte Chris, der sich nur langsam wieder fing.
"...Patric...."
Diese Antwort ließ Chris' Blut in den Adern gefrieren. //Dieses Arschloch! Dieser elende Drecksack!!// Er zitterte leicht, aber nicht wegen der Kälte. "...Das wird er büßen..." Vorsichtig stand Chris auf. "Ich bringe dich ins Krankenhaus."
"Nein.... Lass ihn in Ruhe... Der hat zu viel Geld und Macht im Arsch.............. Und.... lass mich bitte noch ein wenig schlafen.... Ich bin so müde...."
//Nein, ich werde dafür sorgen, dass er bereut, was er getan hat.// "Aber du gehörst wirklich dahin. Du hättest gestern bei der zweiten Untersuchung sein müssen und die Tabletten hast du auch nicht genommen, schau dich doch nur einmal an." Chris zog sich hastig an und suchte dann nach Kleidung für Otoko.
Der musste sich zusammenreißen, um sich wirklich auch aufzurichten. Mit zerzausten Haaren sah er Chris bei seiner Suche zu. ".........Ich will mich nicht ansehen........ Ich fühle, wie scheiße ich aussehe...."
"Hast du starke Schmerzen?", fragte Chris und kam mit ein paar Kleidungsstücken wieder zum Bett zurück. "Leg dich kurz hin."
"Mein ganzer Körper besteht aus Schmerzen....." Otoko legte sich nur zu gerne wieder hin.
Chris zog dem anderen mit etwas Mühe die Hose an. //Mein Gott, was hat er nur mit Otoko gemacht? Wollte er ihn etwa zu Tode prügeln?//
"Sag mal Chris............... Kannst du mich... tragen...?"
"Wird schon gehen." Er zog Otoko umständlich den Pullover über, dann schnappte er sich seinen Hausschlüssel und den Geldbeutel und ging wieder zu ihm. "Also los."
Die Türe des Patientenzimmers wurde geöffnet und er Arzt trat heraus. Suchend sah er sich nach Chris um.
Der war sofort aufgestanden, als sich die Tür geöffnet hatte, und lief zu dem Arzt hin. Chris blickte den anderen Mann hoffnungsvoll an. "Und?"
"Das Fieber können wir natürlich nicht so schnell senken, aber die Prellungen und anderen Wunden sollten bald wieder in Ordnung sein.... Außerdem wird die Wunde an seiner Schulter eine hässliche Narbe geben.... Ich habe ihm ein Beruhigungsmittel gegeben... Er schläft jetzt..."
"... Also ist sein Leben nicht in Gefahr?"
"Nein..." Der Arzt schüttelte den Kopf, aber seine Mine war immer noch ernst. "...Was mich allerdings ein wenig beunruhigt, sind diese blauen Flecken und sonstigen Verletzungen an seinem Körper..... Können Sie mir sagen, woher diese stammen.....? Er scheint misshandelt worden zu sein..."
Die Erleichterung war Chris deutlich ins Gesicht geschrieben. "...Ich habe einen Verdacht... Aber mehr nicht." Er schüttelte den Kopf, damit der Arzt nicht weiter nachfragte, und seufzte.
"Na ja... Jedenfalls.... Die körperlichen Wunden sollten wieder heilen... Aber für die seelischen können wir nichts tun..."
"Ja... Sicher... Kann ich zu Otoko?"
"Ja... aber er schläft..."
"Ich würde trotzdem gerne zu ihm."
"Nur zu..." Der Arzt trat zur Seite und verabschiedete sich dann.
Dann fiel Chris etwas ein. "Einen Moment noch, Doktor."
"Ja?"
"Haben Sie schon das Ergebnis der Untersuchung, um das ich sie am Sonntag gebeten habe?"
"Oh... ja... Das habe ich ganz vergessen..." Der Arzt drehte sich um und kam wieder auf Chris zu.
Nun wurde Chris doch etwas nervös. //Wenn er jetzt auch noch Aids hat... Ich weiß nicht, ob ich das alles durchhalte.//
"Ich habe den Brief mit dem Ergebnis schon abgeschickt und er kommt wohl erst heute Mittag bei Ihnen an, deshalb habe ich es vergessen.... Also... Er ist mit dem HIV-Virus infiziert... Die Krankheit selbst ist aber noch nicht ausgebrochen..."
"... Aha......" //....Wie hätte es auch anders sein können...?// Eine seltsame Art der Trauer breitete sich in Chris aus. "... Danke."
"Sie sollten es ihm erst später sagen...", meinte der Arzt und verließ Chris dann doch.
"Werde ich." Resigniert ging Chris zu Otokos Zimmer und trat ein. Der andere lag blass wie immer da und wäre da nicht der Verband gewesen, hätte man meinen können, er würde einfach nur schlafen. //Was soll ich nur tun, Otoko?// Langsam setzte sich Chris an Otokos Bett und konnte sich nicht mehr lange beherrschen, so dass schon nach einigen Augenblicken die ersten stummen Tränen über seine Wangen liefen.
Mit einem Seufzen öffnete Otoko langsam seine Augen. Er wusste überhaupt nicht, wo er war. Es war so hell.
Chris hatte die ganze Zeit an seinem Bett gesessen und wollte den anderen nicht alleine lassen. Das Personal des Krankenhauses hatte Verständnis mit ihm, so dass er im Moment auch außerhalb der Besuchszeiten hier sein konnte. Er hatte seinen Stuhl an die Wand gestellt und döste an sie gelehnt leicht, da er noch müde von der vergangenen Woche war.
Otoko war immer noch schummrig im Kopf von dem Beruhigungsmittel. Verwirrt stellte er fest, dass seine Wunde nicht mehr so schmerzte. Langsam ließ er den Blick durch den Raum gleiten und sofort blieb er an Chris hängen. Sein Herz schlug sofort schneller. "....C-chris.....?"
Verwundert blickte der Ältere auf. "Du bist wach?" Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, als Chris näher zu Otoko rutschte. "Wie fühlst du dich?"
"...N-nicht g-ganz.... d-da.....", schluchzte Otoko und eine Träne floss über seine Wange.
//Ob er trotz des Mittels, das man ihm gespritzt hat, Schmerzen hat?// Sanft strich Chris Otoko die Träne weg. "Es ist vorbei, Otoko. Dieser Patric wird dir nichts mehr tun."
"W-wie b-bin i-ich r-raus g-gekommen....?"
"Ich weiß es nicht. Du warst heute Morgen einfach da." Chris' Hand ruhte immer noch nahe an Otokos Wange. Die unnatürliche Hitze, die vom Fieber kam, war gut zu spüren. "Ich hab dich so sehr vermisst."
"I-ich dich a-auch.... I-ich hatte s-solche A-angst...." Schwach griff Otoko nach Chris' Hand.
Chris war unsicher, was er machen sollte. Am liebsten hätte er Otoko umarmt und nie mehr losgelassen, aber das würde diesen mit Sicherheit verletzen. "Es tut mir so leid, dass ich dich nicht gefunden habe."
"E-es i-ist nicht d-deine Schuld... I-ich h-hätte d-den U-Umschlag n-nicht v-verlieren s-sollen..."
Doch Chris schüttelte den Kopf. "Dieser Idiot, auch wenn ich ihn nicht kenne, hat überreagiert. Das hätte er nicht tun sollen, egal ob du etwas verloren hast oder nicht. Du wirst nie wieder zu ihm gehen, ok?"
"N-nein... I-ich will i-ihn n-nie wieder s-sehen..."
Erleichtert sah Chris Otoko an. "... Otoko... Darf ich dich küssen?"
Ein scheues Lächeln erschien auf Otokos Lippen. "....Hai...."
"Danke." Chris beugte über das Bett zu Otoko und stütze sich mit der Hand ab, während er vorsichtig Otokos Lippen mit seinen bedeckte.
Der schloss sofort die Augen und genoss Chris' Berührung. //Ich hatte solche Sehnsucht nach dir....//
Chris ging es genauso. Er spürte dieses leichte Kribbeln im Bauch, das auch bei seinen ersten Küssen mit Otoko gespürt hatte, stärker denn je. //Ich hab gar nicht bemerkt, wie sehr ich dich vermisst habe.//
Sanft legte Otoko seine Hand in Chris' Nacken. Seine Lippen bewegte er was unmerklich gegen die seines Freundes.
Nach nur wenigen, aber scheinbar ewig langen Sekunden löste sich Chris wieder leicht von Otoko, doch er blieb über ihn gebeugt. "Ich liebe dich...", hauchte er lächelnd.
"D-danke... C-chris.... D-du hast m-mir s-so gefehlt.."
"Du mir auch, Otoko. Du mir auch."
Zwei Stunden später verließ Chris Otokos Zimmer wieder. Erst wollte er sofort das Krankenhaus verlassen, doch dann fiel ihm ein, dass er ja noch Neal besuchen konnte. //Eigentlich ist keine Besuchszeit... Aber bei Otoko durfte ich ja auch bleiben.// Neal lag nur einen Stock über dem, in dem Chris sich derzeit befand, also lief er schnell die Treppe nach oben und war gleich darauf bei seinem Bruder im Zimmer.
Die Maschinen verbargen den Körper von Chris' Bruder fast vollständig und das Piepsen zerrte schon jetzt an dessen Nerven. Trotzdem kehrte Chris nicht um.
//Was ist, wenn er überhaupt nicht mehr aufwacht? Wenn er für immer so bleibt, bis er stirbt?// Obwohl die letzten zwei Stunden für Chris die schönsten seit mindestens einer Woche gewesen waren, fühlte er sich jetzt wieder miserabel. Sicher war Neal ein Idiot gewesen, aber er hatte es nicht verdient, so zu enden. "Wieso wachst du nicht auf? Willst du etwa nicht?", fragte er den anderen leise, ohne eine Antwort zu erwarten, während er sich einen Stuhl holte und sich neben Neals Bett setzte.
Er zuckte regelrecht zusammen, als eine raue, krächzende Stimme antwortete. "...Bei solchen... Kopfschmerzen... würdest du auch... schlafen wollen...."
Verwirrt starrte Chris seinen Bruder an. "W-was? Neal?" Hatte er sich das etwa eingebildet oder hatte Neal wirklich etwas gesagt?
Mit halb geöffneten, trüben Augen blickte ihn sein Bruder an. "....Chris.... Was ist passiert......?"
"Du bist zusammengeschlagen worden..." Völlig überrascht wusste Chris nicht, was er tun sollte, außer Neals Fragen zu beantworten. "Und jetzt bist du im Krankenhaus."
Nun schloss Neal seine Augen wieder. "....Uh... stimmt.... scheiße...."
Chris musste einen Moment suchen, bis er den Notfallknopf an der Wand fand und ihn drückte. Er hatte keine Ahnung, was genau man tun musste, wenn jemand aus dem Koma erwachte, also hielt er es für besser, eine Fachkraft zu holen. "Wie fühlst du dich?"
"......Scheiße... wie... Pudding....", bemerkte Neal und versuchte die Hand zu heben. ".....Und wie ein Schwächling..."
Ein leichtes Lächeln legte sich auf Chris' Lippen. "Das dürfte normal sein, in so einer Situation."
Erst jetzt begann Neal zu realisieren, dass um ihn herum eine riesige Gerätschaft aufgebaut war. ".....Was.... was ist das hier alles....?"
"Ich weiß nicht genau..." Ehe Chris weitersprechen konnte, wurde die Tür geöffnet und eine Krankenschwester kam mit einem Arzt herein.
"Was ist passiert?", fragte die Krankenschwester, als sie Chris entdeckte.
"Er ist aufgewacht, ich dachte, das sollten Sie wissen."
Der Arzt ging sofort zu Neal an das Bett und beäugte erst die Monitore und dann Neal. Die Schwester jedoch ging auf Chris zu und bat ihn, den Raum zu verlassen, da sie erst ein paar Tests mit Neal durchzuführen hatten, um zu sehen, wie stabil sein Zustand im Moment war.
Es fiel Chris zwar schwer, aber nach einem kurzen Zögern und einem letzten Blick auf Neal verließ er den Raum. Da es in diesem Gang keine Sitzgelegenheiten gab, setzte sich Chris an die Wand gelehnt auf dem Boden. //Vielleicht geht es jetzt endlich wieder bergauf.//
Nach einer geschlagenen Stunde öffnete sich die Türe wieder und die Schwester kam heraus. Sie hatte ein warmes Lächeln auf den Lippen. "Ihr Bruder möchte Sie jetzt sehen..."
"Danke." Sofort sprang Chris auf und hastete an der Schwester vorbei in das Krankenzimmer.
Der Arzt versperrte ihm allerdings noch kurz den Weg. "Wenn er jetzt wach ist, sollte er ein wenig normale Nahrung zu sich nehmen... Werden Sie Ihren Bruder ein wenig dabei behilflich sein.?"
"Sicher." Chris drückte sich an dem Arzt vorbei. Neal sah nicht anders aus als vorher, als er das Zimmer verlassen hatte, aber trotzdem freute er sich darüber. "Und?", fragte er Neal, als er sich wieder zu seinem Bruder setzte.
"........Mein Kopf schmerzt schlimmer als vorher..... Ich... weiß nicht mehr alles,... was sie gesagt haben... Uhm... Chris... Wieso bist du schon wieder aus dem Gefängnis raus?.... Ich dachte, das geht noch vier Tage...."
"Das war vor fast zwei Monaten, Neal. Du warst ziemlich lange weg.", erklärte Chris.
Ungläubig starrte ihn Neals Augenpaar an. "....Z-zwei Monate?!.... S-Scheiße! Ich will die Schule nicht wiederholen müssen!"
"Na selbst wenn, so schlimm ist das doch auch nicht. Du bist wieder unter den Lebenden, das ist viel wichtiger."
"Uhm..... D-das stimmt schon.... aber... Na egal....... Wann kann ich nach Hause?"
"Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass die dich so schnell gehen lassen. Du bist zum einen viel zu schwach und außerdem werden sie dich noch beobachten müssen." Dann fiel Chris etwas ein. "Ich ruf eben Mum an, damit sie hier herkommt." Schnell zog Chris sein Handy raus und tippte die Nummer ein.
"Ok... Sagst du es Dad auch....?", fragte Neal leise.
"Ich kann versuchen, ihn zu erreichen.", antwortete Chris und wich damit der Frage aus, ob ihr Vater überhaupt kommen wollen würde. Kurze Zeit später waren die zwei Telefongespräche erledigt.
"......Kommen sie....?"
"Mum wird bald da sein, sie fährt sofort los.... Dad hat zu tun, er will es aber nachholen, hat er gesagt." //Wahrscheinlich wartet er, bis er sich sicher sein kann, dass ich weg bin.//
"Gut.... Wie geht es dir eigentlich, Chris....?"
"Mir?" Chris seufzte. "Na ja... Jetzt wird es wohl wieder gehen, aber vorher war es das absolute Chaos."
"...Wegen mir....?"
Kopfschütteln. "Nein. Natürlich hat es mich mitgenommen, aber... Ich wohne nicht mehr daheim... Es ist sehr viel passiert..."
Mit großen, kindlichen Augen bat Neal seinen Bruder, ihm alles zu erzählen. Er hatte keine Ahnung, was alles passiert sein könnte.
"Ich weiß nicht, ob du das wirklich alles hören willst... Ich wohne mit Otoko zusammen..."
"....................................... Das ist ein Witz, oder?"
"Er ist kein so übler Kerl, wenn man ihn erst mal kennenlernt." Einerseits wollte Chris seinen Bruder nicht in diesem Zustand so sehr schocken, doch andererseits hatte Neal das Recht, zu erfahren, was los war. "Ich denke, ich liebe ihn, Neal."
Nun brach Neal in schwaches Lachen aus. "....Du spinnst doch!....Das kann nicht sein! Chris! Hör auf, mich zu verarschen!"
"Reg dich nicht auf, Neal. Das ist nicht gut für dich." Chris nahm die schwache Hand des anderen und versuchte ihn so etwas zu beruhigen. "Es ist klar, dass dir das nicht gefällt, aber es ist eben so. Was glaubst du, warum ich ausgezogen bin?"
Neals sonst schon blasse Haut wurde noch einen Ton heller. ".....D-du... meinst das ernst, ja......?"
"Sieh es doch positiv, du kannst jetzt mein Zimmer verwüsten, wie es dir Spaß macht. Und niemand wird sich mehr aufregen, wenn du und Diana zu laut seid. Sie hat sich übrigens wahnsinnige Sorgen gemacht."
Das war Neal nun wirklich zu viel. "...D-diana...?!", fragte er hysterisch, "Was interessiert mich Diana?! Scheiße! Mein Bruder ist in einen Drogenabhängigen verknallt!!"
"Beruhig dich, Neal. Er ist inzwischen clean." //Hoffe ich.//
"......Scheiße! Wie kannst du nur so naiv sein?!"
"Wenn es dir wieder gut geht, dann kannst du mir die ganze Zeit Vorwürfe machen, wenn es dich glücklich macht, aber jetzt solltest du das wirklich nicht tun. Außerdem hat der Arzt gesagt, ich soll dir was zu essen geben.", versuchte Chris nochmals das Thema zu wechseln.
"Scheiß auf das Essen..... Mir ist der Appetit vergangen.....", murmelte Neal und blickte zur Seite.
"Es tut mir ja leid, aber es ist nun mal passiert.... Wenn du willst, dann gehe ich, auch wenn ich es eigentlich nicht will."
"......Nein..... Bleib ruhig......"
Erleichtert blieb Chris sitzen. "Er liegt auch hier im Krankenhaus... Blutvergiftung..."
//........Geschieht ihm re-........// Seufzend schloss Neal die Augen. "......Verlang nicht von mir, dass ich ihn jemals mögen werde...."
"Hätte ich nicht erwartet." Nachdenklich blickte Chris auf das Tablett, auf dem lediglich ein Jogurt stand. "Du solltest wirklich etwas essen."
"Ja, ja.... Ist ja schon gut.... Was gibt's denn...?"
"Jogurt."
".........Ruf Ma an, sie soll mir was Anständiges mitbringen..."
"Ich weiß nicht, ob du das schon verträgst. Du solltest lieber das hier essen."
Schmollend blickte Neal zum dem Jogurt. "....Wenn's denn sein muss...."
"Danke."
38.
Mit vor Scham geröteten Wangen ließ sich Neal von Chris den letzten Löffel Jogurt in den Mund schieben, als Juliette ins Zimmer trat. Sie war blass und ihr Haar zerzaust, aber als sie in Neals offene Augen blickte, begann sie zu strahlen und Tränen stiegen ihr in die Augen. "Neal.... Oh mein Gott du bist endlich aufgewacht... Danke!"
//Ich hab sie schon lange nicht mehr so glücklich gesehen... Nach all den Sorgen, die ich ihr bereitet habe.// Chris versuchte ebenfalls zu lächeln, doch es gelang ihm nicht wirklich.
"Hi Ma..." Mehr konnte Neal nicht sagen, denn seine Mutter schloss ihn gleich darauf so fest in die Arme, dass ihm fast die Luft wegblieb.
Irgendwie fühlte Chris sich fehl am Platz. //Ich passe nicht mehr in diese Familie...// Stumm betrachtete er Neal und seine Mutter.
"Wie geht es dir, Junge?", fragte Juliette aufgeregt und schluchzend, während sie Neal durch die Haare strich.
"...Ich fühl mich noch ein wenig schwach.... und... na ja... Ich hab noch Kopfschmerzen..."
//Ich sollte gehen. Mum passt jetzt auf Neal auf und ich sollte endlich etwas essen.// Chris stand auf. "Sorry Neal, aber ich hab noch zu tun. Ma ist ja jetzt bei dir."
Nun hob Juliette ihren Kopf und sah Chris an. "Musst du denn schon gehen...?", fragte sie traurig.
Langsam setzte sich Chris wieder, obwohl er sich unbehaglich fühlte. "Lange kann ich nicht mehr bleiben."
"Wo musst du denn hin...?" Sanft strich Juliette Neal über den Kopf und küsste ihn auf die Stirn.
"Irgendwo hin, wo es etwas zu essen gibt." Eigenartigerweise war Chris schon fast neidisch auf Neal, dass er so von seiner Mutter umsorgt wurde. //Das ist jetzt aber wirklich kindisch.//
"Dann kannst du danach ja wieder kommen." Lächelnd löst sich Juliette von Neal und ging auf Chris zu. "Ich bin so froh, euch beide wieder zu haben....", sagte sie leise und schloss Chris in ihre Arme.
Doch auch jetzt fühlte sich Chris kaum besser. //Die menschliche Psyche ist absolut seltsam.// Dieser Gedanke brachte ihn wieder zum Grinsen. //Sonst hätte ich nichts zum Studieren.// "Ist gut, danach komme ich zurück."
"Schön! Dann guten Appetit..." Lächelnd ging sie wieder zurück zu Neal.
Chris dagegen stand wieder auf und verließ den Raum.
"Du darfst wieder raus?", fragte Chris nach, als Otoko ihm eben erklärt hatte, dass er das Krankenhaus verlassen durfte.
Dieser nickte leicht lächelnd und umarmte Chris. ".....Ja... ich möchte endlich wieder zurück..."
"Die Woche hier war ja auch lang genug." Inzwischen sah Otoko auch wieder merklich besser aus. "Dann lass uns gleich gehen, ja?"
"Ja.... Ähm... Jetzt muss ich mir wohl 'nen neuen Job suchen, was....?"
"Erst einmal nein. Du solltest dich immer noch schonen und außerdem arbeite ich ja auch noch." Sanft löste sich Chris aus der Umarmung und sah sich nach Otokos Kleidung um. //Wenn ich gewusst hätte, dass er entlassen wird, hätte ich ihm etwas Sauberes mitgebracht.//
"W-was ist.....?" Otoko folgte Chris Blick, wusste aber nicht, was der wollte.
"Ich sehe deine Kleidung nirgendwo."
"A-ach so... D-die war so k-kaputt, d-dass sie s-sie e-entsorgt haben..."
"....Aber du kannst doch nicht mit diesem Krankenhausnachthemd Bus fahren."
"J-ja... S-sie haben mir w-was anderes g-gegeben....", stammelte Otoko und holte die Kleidung raus. Er begann sofort, sich umzuziehen und zum Schluss sah er in den neuen Kleidern wie ein Schuljunge aus.
Der Anblick brachte Chris zum Grinsen. "Wirklich süß."
"F-findest du?" Otokos Wangen röteten sich.
Zur Bestätigung nickte Chris. "Jep."
"G-gehen wir j-jetzt?"
"Ja." Doch bevor sie das Zimmer verließen, zog Chris Otoko zu sich und küsste ihn kurz. "Ich liebe dich.", hauchte er lächelnd.
Otoko war dem Kuss sofort verfallen und schloss die Augen, während er sich gegen Chris sinken ließ.
Chris ließ seinen Freund auch dann nicht los, als er den Kuss wieder beendet hatte. "Ich bin froh, dass es dir wieder gut geht."
"....A-arigatou....", hauchte Otoko leise und trat ein wenig zurück, um wieder richtig zu stehen.
"Hab ich dir gesagt, dass Neal wieder aufgewacht ist?", fragte Chris, während er mit Otoko den Gang entlang lief.
"N-nein..." Überrascht sah Otoko Chris an. "Wirklich?"
"Ja. Vor einer Woche war ich bei ihm, nachdem ich bei dir gewesen bin. Und da hat er plötzlich geantwortet, als ich ihn etwas gefragt habe. Es geht im inzwischen wieder recht gut.", erzählte Chris mit einer gewissen Heiterkeit, wie er sie schon lange nicht mehr gezeigt hatte.
"S-schön..." Nun auch zufrieden Lächelnd kuschelte sich Otoko an Chris.
Die Busfahrt verlief relativ ereignislos und Chris war froh, als sie wieder in der Wohnung waren. "Sag mal, Otoko. Was ist jetzt mit diesem Patric?"
Ein kalten Schauer ließ Otoko erzittern. "...I-ich weiss nicht...."
//Dieser Bastard darf nicht einfach ungeschoren davon kommen, aber was kann ich schon machen?// "Na ja, lassen wir das Thema lieber." Chris ließ sich auf das Bett fallen und schloss die Augen. //Mir fällt schon etwas ein.//
"F-finde ich auch...", flüsterte Otoko und setzte sich neben Chris. ".....W-wieviel k-kostet d-der Krankenh-hausaufendhalt?"
"...Ich hab es bezahlt... Du brauchst dich darum nicht zu kümmern." //Es wird ne Weile dauern, bis ich Mum das ganze Geld wieder zurückgezahlt habe.//
"A-aber d-du k-kannst doch n-nicht immer für mich zahlen..."
"Noch geht es."
Sanft strich Otoko durch Chris' Haare. "....Danke..."
Chris zog seinen Freund ein wenig zu sich. "Otoko... Sind deine Wunden verheilt?"
"J-ja... W-wieso...?"
"Sie haben gesagt, dass du misshandelt worden bist.", antwortete Chris.
Stumm senkte Otoko den Kopf. Er zog seine Hand zurück und atmete tief ein.
"Tut mir leid." Chris richtete sich wieder auf und legte vorsichtig die Arme um Otoko. "Ich lasse das Thema lieber."
"N-nein... D-das ist e-es nicht.... I-ich weiss n-nur nicht,... w-was ich s-sagen s-soll.... i-ich h-habe d-davon nicht so viel m-mitbekommen...."
"Das ist doch umso besser." //Dann war es wohl Mike, der das meiste ertragen musste.//
"....V-vielleicht.... A-aber.... E-es ist k-komisch.... I-irgendwie f-fühle ich mich trotzdem schmutzig..."
"Das solltest du nicht. Es ist nicht deine Schuld."
Otoko entgegnete nichts mehr und kuschelte sich einfach an Chris.
//Er wird es büßen, auf jeden Fall.//
Frisch geduscht tapste Otoko mit noch nassen Haaren ins Schlafzimmer. Er hatte nur ein Handtuch um seine Hüften geschlungen und suchte nun nach seinem Schlafanzug.
"Otoko?", kam es leise vom Bett, auf dem Chris halb dösend lag.
"H-hai....?" Verwundert drehte Otoko den Kopf zu Chris.
"...Komm mal her..."
"W-was ist denn....?" Otoko ging auf den Älteren zu und musste ein Stück über das Bett krabbeln.
Als Otoko bei ihm war, streckte Chris den Arm nach seinem Freund aus und zog ihn auf sich. "Ich hab dich so sehr vermisst, Otoko.", meinte er leise.
"I-ich... ich d-dich auch...", stotterte Otoko und sah zu seinem Schlafanzug. "...I-ich w-wollte mich gerade anziehen...."
"Wieso?" Doch anstatt auf eine Antwort zu warten, verschloss Chris Otokos Mund mit seinem, während er beide Arme um ihn legte.
Otoko schloss die Augen und vertiefte den Kuss sofort. Als er sich leicht von Chris löste, hauchte er leise "...Du lässt mir wohl keine Schonzeit, was....?"
"Inwiefern?", fragte Chris, während er Otoko verträumt ansah.
"...Gerade erst aus dem Krankenhaus raus und schon willst du wieder mit mir spielen..."
"Wieso spielen?" Chris ließ Otoko wieder lockerer und gähnte.
"Nur so...." Otoko beugte sich runter und hauchte Chris einen Kuss auf den Mund.
Welchen Chris nur zu gerne erwiderte.
Sanft strich Otoko über Chris' Brust. Seine schlanken Hände kreisten aufreizend um Chris' Brustwarzen.
Nun wurde Chris aber doch etwas stutzig. //Das ist doch nicht Otoko...// Vorsichtig drückte er den anderen etwas weg. "Mike?"
"Ja....", hauchte dieser leise und küsste Chris' Kinn.
//Ich hab schon wieder übertrieben...// Chris seufzte leise auf. "Ich wollte dich nur küssen... Nicht mehr..." //Ich sollte mich damit abfinden, dass ich Otoko nicht zu nahe kommen darf.//
"....Nur küssen.... Ok... Sorry..." Otoko hob die Hand und strich nun sanft über Chris' Wange. "...Ist mir nur recht...."
Dieser Kommentar überraschte Chris zwar ein wenig, aber er beruhigte ihn auch. Zögernd legte er einen Arm in Otokos Nacken und zog ihn das letzte Stück zu sich herunter, so dass die Lippen des anderen wieder auf seine trafen.
Otoko begann leise zu schnurren und schmiegte sich an Chris' Körper. Das Tuch um seine Hüften verlor langsam aber sicher den Halt.
Chris stockte, als er bemerkte, wie das Tuch sich nun endgültig von dem schlanken Körper löste. Bei Otoko hätte es ihn nicht gestört, aber Mike machte ihn so nervöser denn je. Und so beendete er den kurzen Kuss schneller, als er es gewollt hatte.
Doch Otoko ließ nicht locker. Sogleich fing er Chris' Lippen wieder mit den seinen ein und saugte sanft daran.
Der Ältere fühlte sich hilfloser denn je. //Wieso muss er nur so sexy sein? Und wieso muss er in jedem kleinen Kuss eine Aufforderung zum Sex sehen?// Doch wieder einmal stoppten alle Gedanken daran, sich zu wehren, bevor Chris sie zu Ende gedacht hatte.
Hauchzart fuhr Otoko mit seiner Zunge über Chris' Lippen. Langsam öffnete er die Augen und funkelte ihn mit seinen eisigblauen Augen an.
"...I-ich muss noch duschen...", stammelte Chris. Er könnte sich über sich selbst aufregen. Wieso benahm er sich Mike gegenüber wie der letzte Idiot?
Otoko musste er ein paar mal blinzeln, bis er sich zu Seite drehte und seufzte. "Das trifft sich gut... Ich hab sowieso Kopfschmerzen..."
"Soll ich dir ne Tablette bringen?", fragte Chris, dankbar darüber, dass er wieder etwas Abstand zu Otoko hatte.
"Nee... Das wird schon wieder...", meinte Otoko und kuschelte sich, wie Gott ihn schuf, in die Decke.
"Wie du willst." Erleichtert verzog sich Chris ins Bad. //Ich muss wirklich mehr aufpassen, was ich tue.//
Als Otoko wieder aufwachte, war er immer noch in die Decke gekuschelt, so dass Chris überhaupt nichts mehr davon hatte. Schuldbewusst strampelte Otoko sich die Decke vom Leib und guckte ein wenig doof, als er ganz nackt war. //........Schon wieder....??// Seufzend erhob er sich und zog sich notdürftig an.
Obwohl Chris die ganze Nacht ohne Decke verbracht hatte, schlief er tief und fest. Er lag zusammengerollt auf der Seite und sah dabei aus, wie ein kleines Kind.
Der Anblick entlockte Otoko ein warmes Lächeln. Er beugte sich runter und küsste Chris sanft auf die Lippen. //....Ich liebe dich...// Dann unterbrach ein Rumoren in Otokos Bauch dessen Gedanken und er schlich schnell in die Küche.
Doch gerade, als er den Kühlschrank öffnen wollte, fiel sein Blick auf einen Umschlag, der ein wenig versteckt unter einem von Chris' Büchern lag. Normalerweise hätte Otoko Chris' Post in Ruhe gelassen, aber auf dem Umschlag befand sich das Abzeichen des Krankenhauses, in dem er gelegen hatte. Wieso bekam Chris Post von dem Krankenhaus?
War es etwa eine Rechnung? Als er den Brief von den Büchern herauszog, zuckte er fast ein wenig zusammen, denn auf den Umschlag stand sein Name. Der Brief war gar nicht für Chris, sondern für ihn. Ein wenig verwirrt und doch erfreut, mal einen Brief, der an ihn gerichtet war, öffnen zu können, riss er den Umschlag auf und entblätterte das Papier.
Otoko hatte einige Mühe, die schwer verständlichen Zeilen zu begreifen, doch die Hauptaussage verstand er sehr wohl. Man hatte sein Blut einem Aidstest unterzogen und der war positiv ausgefallen... Er hatte Aids.
Ungläubig starrte er auf das weiße Blatt. In seinen Ohren rauschte das kranke Blut und ihm wurde übel. Er fühlte sich, als wenn ihm Patric erneut gegen den Magen getreten hätte. Mit Mühe und Not torkelte er zu einem Stuhl und ließ sich darauf nieder.
//A-aber... Wieso dieser Test? ...Warum?// Heiße Tränen traten aus seinen aufgerissenen Augen, ohne dass er es wirklich bemerkte. Otoko verstand die Welt nicht mehr.
//Das ist ein Witz, oder? Das ist ein verdammter Alptraum!!// Auf einmal stieg eine unglaubliche Wut in Otoko hoch und er zerriss schluchzend den Brief, in der Hoffnung, die ganze Sache damit mitzuzerreißen.
Die weißen Papierfetzen segelten langsam durch die Luft in Richtung Boden. Weiß... weiß und unschuldig. Das passte überhaupt nicht zu der schlechten Nachricht, die auf ihnen geschrieben stand. Diese verdammten weißen Fetzen verhöhnten ihn, lachten ihn aus. Voller Wut trat er nach ihnen, aber das half auch nichts.
"D-das stimmt nicht! D-das kann n-nicht sein!! I-ihr lügt!!" Mit blinder Wut schlug er mit seinen Fäusten auf den Boden. Er wollte aufwachen, er wollte, dass Chris ihn endlich weckte. "CHRIS!!! WECK MICH AUF!!! BITTE!!"
Verwirrt richtete sich Chris im Bett auf, hatte keine Ahnung, warum Otoko so rumschrie. Etwas schlaftrunken stand er auf und ging in die Küche, aus der der Lärm kam. "Was ist denn los?"
Otoko schlug immer noch wie wild auf den Boden. "W-weck mich auf!!! I-ich will nicht krank sein!!!"
Obwohl er gerade erst aufgewacht war, hatte Chris den Tisch relativ schnell umrundet und legte dem Arme um Otoko. "Hey, ganz ruhig. Was ist denn los?"
Als Otoko richtig realisierte, dass dies doch kein Traum war, drehte sich ihm der Magen um. Er riss sich von Chris los und würgte.
Nachdem Otoko ins Bad verschwunden war, entdeckte Chris die Papierfetzen und erkannte den Brief des Arztes wieder. //Scheiße... Ich wollte es ihm doch schonend beibringen...// Sofort hastete er Otoko hinterher. //Abgeschlossen.// "Hey, Otoko... Lass mich rein... Bitte..."
Doch Otoko nahm Chris' Stimme gar nicht mehr richtig war. //...D-das ist jetzt die Strafe! Das ist die Strafe für meinen Mord!// Schluchzend hing Otoko über dem Waschbecken. Als er den Kopf ein wenig hob, blickte er in sein eigenes Gesicht, sah seine Tränen. "Ich hasse dich!!!!" Er hob den Arm und schlug so fest zu, dass der Spiegel in tausend kleine Splitter zerbrach.
//Scheiße, scheiße, scheiße!!!// Voller Angst, dass Otoko sich in seiner Wut selbst verletzen würde, wenn er das nicht schon getan hatte, nahm Chris Anlauf und rammte sich mit seiner Schulter gegen die Tür. Einen Vorteil hatte es, in einer relativ alten Wohnung zu leben. Die Tür würde eine solche Behandlung nicht lange durchstehen. "Otoko, bitte lass das! Mach die Tür auf!", rief er, während er weiterhin versuchte, die Tür mit Gewalt zu öffnen.
"Nein!!! L-lass mich in R-ruhe!!!" Schluchzend sank Otoko in die Knie. Sein Arm war mit vielen kleinen Wunden gespickt.
Dann endlich, bei seinem fünften Versuch, gab die Tür nach. Das Holz splitterte und Chris fiel beinahe auf Otoko, als er so plötzlich seinen Halt verlor. "Otoko!" Sofort umarmte er seinen Freund. "Verdammt, was machst du für einen Scheiß?"
Sofort begann Otoko wieder zu schreien. Er drückte Chris mit ganzer Kraft von sich. "F-fass mich nicht an!! I-ich habe Aids! Ich bin krank!!"
Doch der umarmte Otoko nur noch fester. "Das weiß ich doch, Otoko. Aber das ist nicht das Ende der Welt."
Sofort wurde Otoko ein wenig ruhiger. ".....E-es ist m-meine S-strafe.... J-jetzt w-wo ich s-sie nicht m-mehr w-will...."
Chris strich Otoko beruhigend über den Rücken und bemerkte gar nicht, dass er mit seinem Freund mitten in dem Scherbenhaufen saß. "Wir stehen das zusammen durch, Otoko... Es ist nun mal so und lässt sich nicht ändern, aber es hätte auch schlimmer kommen können."
"N-nein... L-lass mich los!..... I-ich will nicht mehr..... Bitte...."
Nur langsam kam Chris dieser Bitte nach. "Otoko... Du solltest dich wirklich erst einmal beruhigen..."
"W-wieso beruhigen?!", fragte Otoko hysterisch und verkrampfte seine Finger in seinen Armen.
"Weil du nicht mehr klar denken kannst." Erst jetzt sah Chris Otokos Wunden an seinem Arm. "Ich sollte dir das erst einmal verbinden."
"Nein!!" Sofort schlug Otoko Chris' Hand weg. "Fass mein Gift nicht an!! Ich will nicht a-auch noch an deinem T-tod schuld sein!!"
"Dann mach es eben selbst, aber ich will nicht zusehen müssen, wie dir das Blut langsam am Arm herunterläuft." Der Ältere stand auf und suchte im Badezimmerschrank nach Verbandsmaterial.
Ein leises Kichern war von Otoko zu hören. "....W-wieso... nicht....? ...Es hat doch so eine sch-schöne Farbe..."
"Hör auf, Otoko." Chris hatte zwar nur ein paar Pflaster gefunden, aber die würden schon reichen. Er nahm noch etwas Klopapier, dann wandte er sich wieder Otoko zu. "Komm schon, wisch es weg. Sonst mache ich es."
"Lass e-es sein, Chris.... N-nenn mich feige...... Sag a-alles, was du i-immer sagen w-wolltest...... I-ich will nicht mehr...."
"Hey, das kann doch nicht dein Ernst sein..." Vorsichtig begann Chris nun, Otokos Blut wegzutupfen. "Wenn du dich beruhigt hast, wirst du wieder anders denken."
Mit einer schnellen Bewegung packte Otoko Chris' Hände. Er sah Chris so tief mit seinen klaren Augen an, dass der seinen Blick nicht mehr abwenden konnte. "Nein Chris... Ich kann n-nicht glücklich werden, auch durch dich nicht.... O-obwohl du mir deine Liebe schenkst.... I-ich kann n-nicht mehr..."
Ungläubig schüttelte Chris den Kopf. "Nein... Das sagst du nur so, weil du dich mit der Situation überfordert fühlst... Später wirst du es wieder anders sehen..."
"...Chris... Ich will kein später......"
Wie in Zeitlupe ließ Chris seine Schultern hängen und sank langsam in sich zusammen. Der Gedanke, Otoko zu verlieren, war für ihn unerträglich.
Otokos Körper begann wieder stärker zu zittern. ".....I-ich habe lange genug k-krampfhaft versucht,... d-das Ganze p-positiv z-zu sehen..... A-aber j-jetzt k-kann ich nicht mehr....."
"...Dann... ist deine Entscheidung vielleicht die Richtige...", antwortete Chris schließlich mit tiefer Verbitterung in der Stimme.
Langsam beugte sich Otoko vor und hob die Hand. Sanft strich er über Chris' Wange. ".....Chris... Lass mich durch d-deine Hände sterben... Sei mein Erlöser...", hauchte er leise und lehnte die Stirn an Chris'.
Eine dicke Träne rollte über Chris' Wange. "...Aber ich liebe dich doch..."
"W-wenn du mich liebst.... Dann tu es für mich.... Bitte....", winselte Otoko und schmiegte sich an Chris' Körper.
Leise schluchzend legte Chris die Arme um Otoko. "...I-ich kann das nicht..."
"...Wieso nicht....?"
"...Weil ich dir nicht weh tun will..."
//Du tust mir doch weh, wenn du mich am Leben halten willst....//
Langsam hörte Chris' Schluchzen wieder auf. "... Du lässt dich nicht mehr davon abbringen?", fragte er fast lautlos.
"....I-ich werde n-niemals r-richtig g-glücklich werden können....."
//Ich auch nicht... ohne dich...// "... Wahrscheinlich nicht..." Zögerlich ließ Chris Otoko wieder los.
Der sank sofort in sich zusammen und sah aus wie ein Häufchen Elend.
Äußerlich wirkte Chris ganz ruhig, doch innerlich sah es ganz anders aus. //Ich kann das nicht machen. Wie sollte ich das anstellen? Außerdem will ich es nicht, selbst wenn er dadurch nicht mehr leiden muss. Ich kann ihm doch nicht einfach ein Messer irgendwo rein rammen.//
Mit kaum wahrzunehmenden Bewegungen griff Otoko nach einer Scherbe des gebrochenen Spiegels.
Verzweifelt schloss Chris die Augen. //Das ist doch nur ein schlechter Traum... Es kann nichts anderes sein...//
Mit ausdruckslosem Gesicht schnitt sich Otoko in seinen Arm. "......Es tut n-nicht einmal weh...."
"Bitte lass es ein Traum sein...", wimmerte Chris leise.
"..........V-vielleicht ist es ja einer.... U-und wenn ich endlich tot bin, kann ich d-daraus aufwachen..... Und mir dir glücklich sein....."
"Ich werde niemals glücklich sein können... ohne dich..." Mit neuen Tränen in den Augen sah Chris zu, wie Otoko weiterhin in seinen Arm schnitt, ohne ihn aufzuhalten.
Otokos Blut hatte dessen Hose schon dunkelrot gefärbt. Er schnitt sich ein letztes Mal in den Arm und ließ dann die Scherbe sinken. "...........Sayonara...."
Ein Zwischending zwischen einem sarkastischen Lachen und einem Schluchzen verließ Chris' Kehle. "...Das kann doch nicht wahr sein... Das ist nur ein verrückter Traum... Mehr nicht..."
"...........W-willst du dich nicht.... von mir verabschieden....?", fragte Otoko leise und lehnte sich an die kalte Wand.
Einen Moment lang reagierte Chris überhaupt nicht auf Otokos Worte. Doch dann kroch er auf Händen und Füßen zu seinem Freund, ohne zu beachten, dass er sich dabei an den Spiegelscherben die Hände aufschnitt. "...Wenn du schon gehen musst, ... dann versprich mir wenigstens, dass du mich nicht vergisst.... Egal, wohin du gehst..."
Ein sanftes Lächeln erschien auf Otokos Lippen. "....Ich werde dich niemals vergessen können....", flüsterte er und keuchte kurz darauf auf. "....L-lass mich durch... deine Hände sterben...."
Chris warf einen flüchtigen Blick auf Otokos immer noch stark blutendes Handgelenk, dann sah er wieder hoch, in Otokos Augen. "I-ich liebe dich... von ganzem Herzen...", hauchte er, dann senkte er seine Lippen zu einem letzten Kuss auf Otokos. Während des Kusses tastete Chris blind mit der einen Hand nach einer Spiegelscherbe, fand sie und stieß sie verzweifelt in die Wunde.
Otoko zuckte zurück. Auch seine Lippen waren nun blutrot. ".....D-danke...", keuchte er und öffnete dann seine Augen, um Chris wieder anzusehen. Sein Atem war kurz und heftig, trotzdem begann er zu grinsen. "........I-ich habe bekommen, w-was ich wollte.... was i-ich von Anfang an wollte...."
Dieser Satz traf Chris mehr als jegliche Art von physischer Gewalt es jemals hätte tun können. "...Nein...", wimmerte er. "Nein, sag, dass das nicht wahr ist!"
".....................H-hör auf....... zu weinen............ C-chris.......", war das letzte, was Otoko über seine Lippen brachte.
Ungläubig schüttelte Chris den Kopf. "Wieso? Hast du das alles nur getan, damit ich dich töte? Antworte mir, Otoko!! Sag mir, ob alles, was du gesagt hast, nur gelogen war, um mich so weit zu bringen!" Kraftlos sank er immer mehr auf den Körper des anderen. "... Sag es mir..."
Doch Otoko antwortete nicht mehr. Auf seinen Lippen lag ein zufriedenes Lächeln.
*~@~* Ende *~@~*
