Anmerkung:
Ich weiß nicht, ab wann genau es nicht mehr möglich wurde nach Hogwarts zu apparieren und aus Hogwarts zu diapparieren, aber ich setzte einfach mal voraus, dass es die entsprechenden Flüche vor tausend Jahren noch nicht gab.
Dies Irae –
Kapitel 3: Blut soll fließen
Hogwarts war schon immer eine Konstante gewesen. In tausend Erdenjahren hatte sich sein Erscheinungsbild kaum verändert, aber es waren viele Generationen von Zauberern gekommen und gegangen. Gute und schlechte. Aber alle hatten sie die Zukunft in ihren Händen gehalten. Sie waren die Zukunft der Zaubererwelt. Sie wurden in Hogwarts ausgebildet und zur Zusammenarbeit erzogen.
Doch jede Zeit hatte ihr schwarzes Schaf. Es gab immer jemanden, der sich ungerecht behandelt fühlte, der mehr wollte, der seinen eigenen Willen durchsetzen wollte. Salazar Slytherin war ein solcher Zauberer gewesen. Er konnte und wollte einst die Werte und Vorstellungen seiner Freunde und Mitbegründer von Hogwarts nicht länger hinnehmen. So wurden Helga Hufflepuff, Rowena Ravenclaw und Godric Gryffindor seine Feinde. Und Salazar verließ Hogwarts. Er hinterließ die Kammer des Schreckens als sein Vermächtnis. Er zog in die Welt, um in jener recht barbarischen Zeit seine Vorstellungen mit eigener Hand durchzusetzen.
Aber ein weiteres Vermächtnis verblieb ebenfalls in Hogwarts. Eine Lehrerin, eine Hexe. Jung, mächtig, schön und einer alten, reinen Linie entstammend. Camenae Daray. Eine Frau, die Slytherins Ansichten teilte, aber der er verwährt hatte, mit ihm zu gehen. Eine Frau, die ohne sein Wissen, seinen Sohn unter dem Herzen trug.
Salazar Slytherin erfuhr nie von diesem Sohn – aber die Welt sollte es wissen. Das Kind erhielt den Namen Feyt Slytherin. Camenae zog ihn in Hogwarts groß und lehrte ihn alles über seinen Vater. Und wie der Junge heranwuchs, wuchs auch der ihm anerzogene Hass auf die drei verbliebenen Gründer Hogwarts'. Ohne von der Kammer des Schreckens zu wissen, schmiedete er seinen eigenen Plan, um Rache für das zu nehmen, was Helga Hufflepuff, Rowena Ravenclaw, vor allem aber Godric Gryffindor seinem Vater angetan hatten...
Schon seit seinem zwölften Lebensjahr war Feyt Slytherins Miene so hart, kalt und verbittert geworden, dass ihm jeder Schüler Hogwarts', auch einige der Lehrer, angsterfüllt aus dem Weg gingen. Er war wie sein Vater. Sein Auftreten jagte eine Kältewelle durch den Raum, sein eisiger Blick hätte für eine neue Eiszeit gereicht und der Klang seiner Stimme war so hart, wie ein Fluch, der alles verdammte.
Salazar Slytherin hatte alle seine dunklen und herrischen Eigenschaften meist verborgen und erst vor seinem Verlassen des Schlosses Hogwarts ungehemmt gezeigt. Feyt hingegen zeigte seine Gefühle und seine Einstellung immer offen.
Auch in diesem Augenblick stolzierte er mit dieser kalten Selbstsicherheit durch die Gänge des Schlosses. Es war ein düsterer Septembermorgen, der Beginn von Feyts 17. Lebensjahr – und es sollte Feyts letzter Tag in Hogwarts sein. Seinen Augen funkelten in finsterer Freude über das Abschiedgeschenk, dass er dem Schloss und seinen Bewohnern machen würde.
Ein einzige Geste genügte und vor Feyt öffnete sich das Tor zur Großen Halle von Hogwarts. Godric Gryffindor, der einzig Anwesende im Saal, machte den Eindruck, Feyt bereits erwartet zu haben. Der alte Mann im dunkelroten Umhang und mit weißem Bart blickte ihn ruhig an. Gryffindor war einer der wenigen, die sich weder durch Feyts Auftreten, noch durch seinen hasserfüllten, dunklen Blick einschüchtern ließen.
„Nun?" war seine schlichte Begrüßung. „Eure Mutter deutete bereits an, dass Ihr mich sprechen wolltet."
Feyt blieb einige Meter vor Godric stehen und sah ihn kühl an. „Ich werde Hogwarts heute noch verlassen."
„Ihr wollt Eure Ausbildung nicht beenden?"
Feyt sah ihn herablassend an und seine Mundwinkel verzogen sich für einen Augenblick zu einem gefährlichen Lächeln. „Es gibt nichts, was ich hier noch lernen könnte."
„Eure Entscheidung."
„In der Tat. Aber ich würde natürlich nicht gehen, ohne mich von Euch zu verabschieden – alter Mann."
Godric Gryffindor hielt immer noch in vollkommener Ruhe Feyts feindseligem Blick stand. Seine respektlose Anrede ignorierte er. „Ich wünsche Euch alles Gute für Eure Zukunft, Feyt."
„Wünsche," zischte Feyt höhnisch. „Ich brauche keine guten Wünsche. Schon gar nicht von Euch! Ich weiß, was ich will und ich werde es auch bekommen."
Godric seufzte lautlos. Er hatte es schon lange aufgegeben, Feyt auf seine Überheblichkeit und deren mögliche Folgen hinzuweisen. Camenae hatte ihn so erzogen, dass er auf nichts und niemanden hörte, inzwischen nicht einmal mehr auf sie. Und sie war auch noch Stolz darauf, dass er so geworden war, wie sein Vater – oder noch schlimmer. Ein gefährliche Kombination. Salazar Slytherin hatte aus seinen Gefühlen Godric, Helga und Rowena gegenüber keinen Hehl gemacht und sogar eine Drohung ausgesprochen, dass sein wahrer Erbe eines Tages Hogwarts von unreinen Zauberern befreien würde, aber er hatte nie die Hand gegen einen von ihnen erhoben. Bei Feyt war sich Godric in diesem Punkt nicht sicher. Er traute dem Jungen durchaus zu, dass er gleich seinen Zauberstab nehmen und Godric zu einem Duell fordern würde. Vielleicht sogar zu einem Schwertkampf. Ganz ohne Zauberkräfte.
„Nun also," begann Feyt und stolzierte vor dem alten Zauberer auf und ab. „Hogwarts hat mich tatsächlich einiges gelehrt." Er sah Godric amüsiert an. „Überrascht Euch das?" Eine Frage, auf die er natürlich keine Antwort erwartete. „Diese Schule, ihre jämmerlichen Lehrer und naiven Schüler haben mich gelehrt, wie Recht mein Vater doch hatte. Zauberer müssen reinblütig sein. Und Zauberer, die diese Tatsache nicht wahrhaben wollen, sind es nicht wert, Zauberer zu sein oder zu werden." Feyt baute sich kaum einen Meter von Gryffindor entfernt auf. Verachtung und Hass loderten so stark wie noch nie in seinen Augen. „Ihr habt mir meinen Vater genommen und meinem Vater habt Ihr Hogwarts genommen." Er machte zwei Schritte zurück und breitete die Arme aus. „Und ich weiß, wie viel Euch diese erbärmliche Ansammlung von Zaubereianwärtern bedeutet. Meinem Vater hat Hogwarts auch alles bedeutet. Noch mehr als meine Mutter."
„Wir haben Salazar nie gezwungen, zu gehen."
„Nein, natürlich nicht," höhnte Feyt und seine Augen verengten sich. „Aber Ihr habt ihm keine andere Wahl gelassen. Damit habt Ihr ihm alles genommen und ich kann und werde Euch nie vergeben, was Ihr meinem Vater angetan habt!"
„Ihr steigert Euch da in etwas hinein, Junge," erwiderte Godric beschwichtigend. „Salazar kannte unseren Standpunkt und versuchte sich mit allem Mitteln gegen uns zu stellen. Wir –"
„Seid still!" fauchte sein Gegenüber. „Ich werde meinen Vater rächen. Das schöre ich, so wahr Slytherin-Blut durch meine Adern fließt! Und was wäre passender, als Euch die zu nehmen, die Euch soviel bedeuten. Diese törichten Geschöpfe, die sich Zauberer nennen wollen!"
Godric schüttelte den Kopf. „Wollt Ihr etwa alle Schüler dahinmetzeln?"
Feyt lachte auf. „Nein, so leicht würde ich es mir nicht machen. Ich bin nicht so barbarisch, wie die lächerlichen, gewöhnlichen Menschen, die da draußen für ihre lächerliche Religion lächerliche Kriege führen." Ein gefährliches Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. „Nein – wir sind Zauberer. Für uns gibt es elegantere und wirkungsvollere Wege. Wenn ich Euch jetzt Hogwarts nehmen würde, würdet Ihr es einfach neu aufbauen." Er trat wieder näher an Godric heran. „Aber Euren Traum von Hogwarts werde ich Euch nehmen. Die Zukunft werde ich Euch nehmen."
Godric versuchte sich seine Verwirrung über Feyts Aussage nicht anmerken zu lassen – auch nicht die Ungläubigkeit, die ihr folgte. Wie sollte ein 17jähriger Zauberer, der nicht einmal seine Ausbildung beenden wollte, Hogwarts seine Zukunft nehmen können?
„Ich nehme an, Ihr wollt uns verfluchen?" sagte Godric in aller Ruhe. Er hatte seine Verwirrung überwunden und die Meinung – vielleicht auch eher die Hoffnung – gefasst, dass Feyt eine solche Drohung nicht bewerkstelligen könnte. Nicht mit seiner mangelnden Erfahrung. „Dazu seid Ihr nicht in der Lage."
Feyt sah Godric abschätzig an. „So, glaubt Ihr das?" Er wandte sich hochmütig von Godric Gryffindor ab. „Nun dann, alter Mann. Ihr werdet sehen, dass meine Macht nicht zu unterschätzen ist." Er ging schnellen Schrittes Richtung Ausgang, sein schwarzes Cape flatterte bedrohlich hinter ihm her, an seiner Seite glänzte ein silbernes Schwert, auf dem der Name Salazar Slytherin eingraviert war. „Ich verfluche Euch, ich verfluche Hogwarts!"
Er ging noch ein paar Schritte, dann blieb er abrupt stehen und drehte sich um. Er funkelte Godric finster an. Er hob seine Hände. Zwischen seinen Handflächen bildeten sich rote Energiefäden. Er hob die Arme, breitete sie langsam und genüsslich aus. Die Fäden zogen in die Luft und formten drei Sternbilder. Es waren Andromeda, Cygnus und Pegasus. In jedem der drei Bilder leuchtete ein Stern besondern hell und verband sich mit den anderen zu einem Dreieck.
„Hogwarts soll blühen," flüsterte Feyt mit gespenstischer Stimme. „Hexen und Zauberer sollen kommen und gehen – aber in einer altehrwürdig-heiligen Nacht sollen Saturn, Pluto und Mars meine Nemesis aus dem Schwan, dem Pferd und der schönen Königstochter auferstehen lassen. Grenzen werden fallen, Blut wird fließen, der Tod wird Hogwarts heimsuchen."
Godric sah fassungslos auf die rot-leuchtenden Bilder, die in der Luft schwebten. Er war sich nun alles andere als sicher, ob er Feyt nicht doch unterschätzt hatte. Der Zorn im Herzen des Jungen war übermächtig und durchaus in der Lage die Jahrhunderte zu überleben.
„Wenn Ihr längst zu Staub zerfallen seid, wird mein Hass noch leben und Euer geliebtes Hogwarts zerstören... Dies irae, dies illa, solvet saecullum in favilla!" donnerte Feyt. „Die Unreinen werden für Eure Sünden bezahlen und die Reinen, die es zuließen, ebenfalls. Blut – ja, ich fordere Blut. Mit Blut hat es begonnen – dem Blut meines Vaters, meinem Blut. Und mit Blut soll es enden!" Feyts Lippen verzogen sich zu einem zufrieden Lächeln. Dann war er fort. Verschwunden. Disappariert.
Godric stand bewegungslos da. Sein Blick klebte an den rubinroten Sternen, die Feyt erschaffen hatte. Sie schienen sich als Zeichen und Beweis für Feyts prophetischen Fluch in der Luft eingebrannt zu haben.
„Deletrius," flüsterte eine sanfte Stimme.
Godric riss seinen Blick von dem verschwimmenden Bild los und sah zur Seite. Rowena Ravenclaw trat aus einer Nische hervor.
„Es wird besser sein, wenn wir Helga informieren," sagte sie leise.
Feyt Slytherin apparierte auf einer großen, ebenen Fläche. Weit und breit nur Wiesen, Büsche, weit entfernt Wälder. Septembernebel zog auf und der Himmel schien keine Anstalten zu machen, seine graue Farbe an diesem Tag zu verändern.
Feyt zog einen kleinen, silbernen Dolch, dessen Griff mit Schlangen, die Smaragdaugen hatten, hervor und zog es mit zusammengepressten Lippen entschlossen durch seine linke Hand. Blut tropfte auf die Erde und er ließ sich auf dem linken Knie nieder.
„Der Fluch ist gesprochen!" rief er in die Stille hinaus. „Das Blut fließt. Der Pakt möge nun besiegelt sein."
Die geisterhaften Umrisse einer in schwarz gekleideten Frau erschienen im Wind. „So möge es geschehen," hallte ihre Stimme vom Wind getragen über die weite Ebene. „Die Zeit sei dein Gefährte, die Sterne dein Geleit – und ich werde das Werkzeug sein, dass beide dereinst vereint."
