Dies Irae –

Kapitel 11: Zu den Waffen

Der Regen prasselte unermüdlich auf den gepflasterten Schlosshof von Hogwarts nieder. Alle waren durchnässt. Nur die selbstgefällige Morrigan blieb durch eine unmerklich schimmernde Aura verschont. Mit verschränkten Armen und hochzufrieden verfolgte ihr Blick den Mann, den sie soeben herbeigerufen hatte. Eine schwarz-gewandete Gestalt, die Kapuze des Umhangs weit ins Gesicht gezogen, in Händen ein silbernes Schwert mit grünen Smaragden am Griff. Begleitet von den fassungslosen Gesichtern der Lehrer und Schüler schritt der Fremde zu Morrigan. Er wahrte respektvoll Abstand zu ihr, sank auf ein Knie und stellte die Schwertspitze auf der Erde auf.

„Seid gegrüßt, Herrin des Schicksals," raunte der Fremde mit tiefer, kühler Stimme.

Die Göttin lächelte kurz und während sich ihr Blick Harry, Hermine und Ron zuwandte, bedeutete sie ihm, sich zu erheben. „Wie ich bereits sagte – dies ist eine besondere Nacht. Darf ich vorstellen? Feyt Slytherin." 

Feyt schlug die Kapuze zurück und starrte die drei Gyffindor-Schüler eisig und voller Verachtung an. Die drei standen einfach nur so da und waren unfähig, sich zu rühren. Hatten sie es zuvor noch mit einer Göttin zu tun gehabt, so war ihr Gegner nun ein Mann, der bereits über 1000 Jahre tot war – aber nun dennoch jung und lebendig vor ihnen stand. Und das Schwert in seiner Hand implizierte eindeutig einen bevorstehenden Kampf – oder wie die Göttin es ausgedrückt hatte: Ein Spiel, dessen Regeln sie allein bestimmte und nach ihrem Ermessen änderte.

Slytherin sah zu Morrigan. „Welcher?" lautete seine schlichte Frage.

Morrigan musterte Harry und Ron. Sie machte „Hm.", dann streckte sie ihre rechte Hand aus. Die Luft begann über ihrer geöffneten Handfläche zu knistern. Rubinrote Energie entstand und formte schließlich ein großes, schweres Schwert, das waagerecht in der Luft schwebte. Eine weitere Geste reichte aus und das Schwert schoss auf Harry zu, landete direkt vor ihm schräg im Boden. Ein einziger Blick, der diese Handlung begleitete genügte – Harry zog das Schwert aus dem Steinboden und trat langsam auf Feyt zu.

„Wollen wir mal sehen, was du kannst, kleiner Gryffindor," spottete Feyt und warf seinen Umhang ab.

Noch bevor Harry die Gelegenheit bekam, in eine Verteidigungsposition zu gehen, griff Feyt ihn auch schon an. Harry schaffte es gerade so, Feyts Schwert mit seinem abzufangen – und Feyt machte gleich weiter. Mit aller Wucht ließ er sein Schwert immer wieder niederfahren. An einen Offensivangriff war für Harry nicht zu denken. Slytherin hatte ungleich mehr Schwertkampferfahrung – auch wenn er bestimmt noch nicht gegen einen Basiliken gekämpft hatte.

Ron verfolgte dem ungleichen Kampf gespannt und voller Sorge. Hermione sah hektisch umher – zu Harry und Feyt, zu den Lehrern, zu Morrigan. Sie überlegte, ob sie es wagen sollte, mit einem Zauber einzugreifen. Der Kampf war nicht fair. Das wussten alle. Diese ganze Angelegenheit war nicht fair. Morrigan hatte sich mit Feyts Erscheinen nun schon zum dritten Mal etwas Neues einfallen lassen. Sie war der beste Beweis für die Behauptung, dass Götter die launischsten Wesen waren, die es gab.

Hermione biss sich auf die Unterlippe. Sie hätte durchaus eine Idee, ein Zauber lag ihr auf der Zunge, aber wenn sie ihn nun aussprechen würde, was würde Morrigan tun? Sie sofort töten oder abwarten, wie Feyt reagieren würde? Und Feyt... Er war wie die Göttin, er spielte gerne mit seinem Opfer, wie unschwer zu erkennen war – aber vor einem Avada Kedavra würde er bestimmt nicht zurückschrecken, wenn man ihn zu sehr reizte.

„Hermione," flüsterte Ron plötzlich und riss sie aus ihren Überlegungen heraus.

Sie sah ihn an. Sie erkannte die Angst um Harry in seinen Augen und die Frage, die sie begleitete. „Es gäbe da einen Spruch, der möglicherweise..." Sie brach ab. „Nein – das ist zu riskant."

„Hermione," jammerte Ron und wies mit seinem Blick auf Harry hin, der von Feyt gnadenlos herumgeschubst wurde.

Hermione sah, wie sich Harry gegen Feyt zu behaupten versuchte, dann blickte sie zu Minerva McGonagall. Sie erkannte, dass alle drei Lehrer zu ihr und Ron sahen und ihren kurzen Dialog mitverfolgt hatten.

„Helfen Sie ihm," sagte die Lehrerin mit fester Stimme.

Hermione schloss einen kurzen Augenblick die Augen und sammelte all ihren Mut und all ihre Kraft. Sie sah kurz zu Morrigan, die über den Kampf sichtlich amüsiert war, dann trat sie einen Schritt vor, hoffte, dass ihre Lateinkenntnisse genügten und hob ihren Zauberstab. „Deae venerabilis, domina ab lacus, obsecraro tua auxilii ut sit oriri aequilibrium ad huic pugnam!"

(Ehrwürdige Göttin, Herrin vom See, ich erflehe deine Hilfe damit in diesem Kampf Gleichgewicht entstehen möge!)

Kaum hatte sie das ausgesprochen, ruhte auch schon Morrigans wutentbrannter Blick auf ihr. „Wie kannst du es wagen!"

Feyt stieß Harry mit seinem Schwert zurück und sah fragend zu Morrigan. Von ihr schweifte sein Blick zu Hermione und wieder zu Morrigan zurück. Ein gleißend heller Blitz zischte über den Himmel.

Hermione wich zwei Schritte zurück, als sie den Zorn in Morrigans Augen lodern sah. „Ich passe mich nur Euren Regeln an," erklärte sie mit leicht zitternder Stimme.

Morrigans Augen verengten sich. Sie krümmte ihre Finger, als ob sie gleich eine Waffe ziehen würde. Ihre Waffe sah jedoch etwas anders aus – sie hob ihre rechte Hand, in der sich ein rot glühender Energieball formte und schleuderte ihn Hermione entgegen.

„Scutum!" rief Hermione schnell. Ein hellblauer Energieschild entstand vor ihr und fing die Kugel gerade noch rechtzeitig ab, doch die Wucht des Aufpralls ließ Hermione zu Boden gehen.

„Hermione!" Harrys Schwert fiel klirrend zu Boden, als er zu ihr rannte.

Auch Ron vergaß alles und stürzte auf sie zu. „Bist du okay?"

Hermione nickte stumm und ließ sich von beiden aufhelfen. Ihr Blick wanderte suchend in den Himmel.

„Was ist?" fragte Harry und folgte ihren Blick, konnte aber nichts außer Dunkelheit und Regen erkennen.

Hermione ließ den Blick sinken. „Nichts," sagte sie leise. Offenbar hatte es nicht funktioniert.

Morrigan sah sie herablassend an. „Netter Versuch, kleine Hexe." Sie presste die Lippen aufeinander. „Feyt!" donnerte sie ungeduldig.

Sofort trat Slytherin neben die Göttin und steckte sein Schwert in die Scheide an seinem Gürtel.

„Nimm dir jetzt deine Rache!"

„Mit größtem Vergnügen, Mylady." Feyt verneigte sich und trat dann einige Schritte nach vorn. „Excudo!" rief er und schleuderte eine grüne Energiekugel auf Harry, Hermione und Ron.

Die drei waren so überrascht, dass er das konnte, dass sie mit voller Wucht getroffen wurden – viel mehr, Ron wurde direkt getroffen. Sein rechter Arm und seine rechte Seite waren von einem Augenblick zum anderen blutüberströmt, die Kleidung zerrissen. Mit einem erstickten Schrei sank er bewusstlos zu Boden. Hermione und Harry, die von der Druckwelle ebenfalls auf die harten Steine des Hofes geschleudert worden waren, prüften sofort ob er noch am Leben war – er atmete.

„Excudo!" schrie Feyt erneut.

Harry warf Hermione zur Seite und ging selbst in Deckung, aber an seiner linken Seite streifte ihn die Energie. Er schrie auf.

„Harry!" Hermione reagierte schnell genug um ihn halb abfangen zu können, als er zu Boden taumelte.

Harry presste seine Hand auf die Wunde. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. „Nur ein Kratzer."

Hermione wollte ihm gerade sagen, dass sie diese Art von Galgenhumor gar nicht gerade witzig fand, da bemerkte sie, dass Feyt nicht erneut Energiekugeln nach ihnen schleuderte. Sie sah zu Ron, der immer noch bewusstlos da lag. Er hatte Glück gehabt, dass er nicht tot war. Aber, so wurde ihr noch im gleichen Augenblick klar – sie waren am Ende. Sie konnten nichts gegen Morrigan und Feyt ausrichten.

Trotzdem wollte Hermione nicht kampflos aufgeben. Obwohl sie mittlerweile jeden einzelnen Knochen ihres Körpers spürte, ihr Zauber versagt hatte und ihr jetzt auffiel, dass das Blut an ihrem Arm ihr eigenes war, stand sie unter Schmerzen auf.

Harry wollte es ihr gleich tun, doch der „Kratzer" ließ es nicht zu. Harry hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Abgesehen von der Fleischwunde an seiner Seite waren bestimmt einige Rippen gebrochen. Er ließ sich auf ein Knie nieder und stützte sich mit einer Hand ab, hielt sich mit der anderen die Wunde.

„Fügt euch in euer Schicksal!" fauchte Morrigan.

Hermione fasste Feyts Augen direkt in den Blick. „Was Euch angetan wurde, wie Ihr sagt, geschah vor einem Jahrtausend," versuchte sie es mit Vernunft. „Ich nehme an, Ihr bezeichnet Euch als einen ‚Mann der Ehre' – dann hättet ihr Godric Gryffindor zu einem Duell fordern und nicht in dieser Art und Weise agieren müssen."

Slytherin funkelte Hermione voller Hass an. „Ich tue, was ich will. Gryffindor selbst hat gegen die Ehre gehandelt, indem er meinen Vater vertrieben hat – er hatte einen ehrenvollen Kampf nicht verdient. Ich zahle ihm hiermit seine Hinterhältigkeit zurück."

„Ihr seid nur geblendet vom Hass, der Euch anerzogen wurde."

„Meine Mutter hat mir nur die Wahrheit gesagt," entgegnete Feyt trotzig. Er sah auf Ron herab, der immer noch regungslos am Boden lag und zu Harry, der verletzt war. „Wie mir scheint, ist Hogwarts' Verteidigungslinie zusammengebrochen."

„Ihr vergesst mich!" fuhr ihn Hermione mit fester Stimme an.

Feyt sah sie belustigt an. „Eine Frau?"

„Traut Ihr Euch nicht gegen eine Frau zu kämpfen?" konterte Hermione und trat einen Schritt auf ihn zu.

„Mione, nicht!" rief Harry leise.

Slytherin breitete zustimmend die Arme aus. „Nun gut – wenn du unbedingt vor den beiden sterben willst."

Hermiones Blick fiel auf das Schwert auf dem Boden, mit dem Harry zuvor gegen Feyt gekämpft hatte. Im Grunde hatte sie keinen blassen Schimmer, ob sie sein Gewicht tragen könnte und wie sie es auch nur halbwegs gegen ihn führen sollte – schon gar nicht in einem langen, völlig durchnässten Kleid. Aber sie hatte keine Wahl. Sie wollte gerade die drei Schritte überbrücken und es aufheben, da fuhr eine heftige Windbrise vom Himmel herab und schien sie zurückhalten zu wollen. Hermione blieb stehen und sah irritiert umher. Die Brise zog um sie herum. Gleichzeitig schien der Regen etwas schwächer zu werden.

Morrigan presste erbost die Lippen zusammen. „Das darf doch alles nicht wahr sein," zischte sie.

„Du spielst nicht fair, Schwester," hauchte eine sanfte Stimme und die Brise wurde urplötzlich zu einer Frau, die ein einfaches, cremefarbes Kleid mit freien Schultern und langen, weiten Ärmeln trug. Blondes, langes Haar fiel in kleinen Löckchen über ihren Rücken. Der Regen konnte ihr nichts anhaben.

Hermione war im ersten Augenblick nicht weniger schockiert, als Harry, Dumbledore, McGonagall und Snape, dann erkannte sie aber, dass ihr Spruch doch funktioniert hatte. Sie war erleichtert. Wie automatisch ging ihr Blick ganz kurz zu Dumbledore, der ihr nach der ersten Überraschung bestätigend zunickte.

Hermione sank vor der Fremden ehrerbietend auf die Knie.