Dies Irae –

Kapitel 13: Sieg und Niederlage

Da standen sie nun in vier Gruppen. Die drei Göttinnen, die nun so schweigsam und bewegungslos wie Statuen geworden waren – die drei Lehrer von Hogwarts – Harry, Hermione und Ron – und Harry, Hermione, Ron und Snape aus der anderen Welt.

Nur Feyt Slytherin stand alleine da und schaute finster drein. So hatte er sich das alles nicht vorgestellt. Er war nun wirklich mehr als nur wütend und es war nicht mehr nur die Wut auf Hogwarts und dessen Gründer und Erben – nun bezog sich sein Zorn auch noch auf Morrigan, seine Verbündete. Sie hatte alles unnötig hingezogen. Sie hätte ihm gleich das Tor öffnen sollen oder an seiner statt alles Leben in Hogwarts vernichten sollen. Aber sie hatte es nicht getan. Sie hatte mit denen, die ihr und ihm die Stirn bieten wollten, gespielt. Ein Spiel, über das sie schließlich die Kontrolle verloren hatte – wegen eines Gryffindor-Mädchens. Jetzt hatte er genug. Jetzt würde er das Ganze selbst und alleine in die Hand nehmen.

„Na schön," knurrte Feyt und zog erneut sein Schwert. „Parallelwelt hin oder her – ich will jetzt meine Rache!"

Noch ehe Hermione wusste, wie ihr geschah, hatte sie instinktiv das Gryffindor-Schwert mit beiden Händen umfasst, hochgerissen und einen Schlag von Feyt abgefangen, der nun erbarmungslos weiter auf sie eindrosch. Keuchend setzte sie sich zur Wehr und wünschte sich einmal mehr, einen Umkleidezauber zu kennen. Der Regen hat zwar fast auf gehört und es nieselte nur noch, doch ihr Kleid war nach wie vor triefend nass, die ebenso nassen Haare flogen ihr um den Kopf und sie wusste kaum noch, wie sie Feyts Angriffe abblocken sollte. Sie hielt einfach nur das Schwert irgendwie hin, damit seine Klinge auf ihre Klinge und nicht auf ihren Körper traf.

„Mione!" rief Harry und hob das Schwert, mit dem er gegen Slytherin gekämpft hatte, vom Boden auf. Er näherte sich ihr und ihm. „Kämpft mit mir!" forderte er von Slytherin, während dieser weiter auf Hermione einschlug.

Feyt hielt einen kurzen Augenblick inne. Seine Lippen formten ein gefährliches Lächeln. „Erst stirbt die Kleine hier!"

„Wenn du mit einer Frau kämpfen willst," begann plötzlich die Hermione aus der Parallelwelt und trat einige Schritte vor, „warum versuchst du es dann nicht mit mir – Kleiner?"

Slytherin klappte der Mund auf, als er sie so herausfordernd und respektlos mit zu ihm sprechen hörte. Er brach augenblicklich seinen Angriff auf die Hermione im Abendkleid ab und wandte sich der Hermione in Uniform zu. Er wollte sofort auf sie zustürzen, hielt sich jedoch erst noch zurück und musterte sie verächtlich. „Dann zeig mal, was du kannst, Mädchen," spottete er.

Seine neue Gegnerin trat langsam auf ihn zu und zog ebenso langsam und gemächlich ihr Schwert, an dessen Griff das Wappen Hogwarts' eingraviert war. Sie blieb mit genug Kampfabstand vor ihm stehen und erwiderte seinen Blick.

Die Luft schien in diesen Moment regelrecht zu knistern. Alle schwiegen und hielten unwillkürlich den Atem an. Diese Hermione hatte zwar ein Schwert, die richtige Kleidung und ihrer ganzen Erscheinung nach Kampferfahrung – aber ob sie sich gegen Feyt Slytherin behaupten könnte?

Der Ron, der Harry und der Snape, die mit dieser Hermione gekommen waren, standen als einzige ruhig da und hatten einen fast amüsierten Ausdruck im Gesicht – sie wussten, was sie konnte.

Feyt holte aus und griff Hermione an. Sie reagierte sofort und kaum hatte sie seinen Schlag abgefangen, führte sie ihr Schwert selbst zum Angriff. Feyt sah sie für einen Augenblick erstaunt an, als er erkannte, dass er es tatsächlich mit einer schwerterfahrenen Gegnerin zu tun hatte – dann griff er erneut an. Sie parierte sofort und augenblicklich entstand ein regelrechter Tanz aus Angriff, Abblocken, Gegenangriff, Ausweichen und erneutem Abblocken. Feyt und Hermione wirbelten gekonnt umeinander herum, während ihre Klingen immer wieder klirrend aufeinander trafen.

So ging es minutenlang, während alle zusahen. Die Göttinnen waren recht gleichmütig und gleichgültig, die, die in dieses Hogwarts gehörten, waren fasziniert und konnten es kaum glauben, was die andere Hermione da tat und die drei Uniformierten standen mit verschränkten Armen da und verfolgten den Kampf mit stoischer Ruhe.

„Wie lange willst du noch so weitermachen?" erkundigte sich Hermione nahezu belustigt zwischen zwei Schwertschlägen.

Feyt sah sie kurz an, bevor er ihrer Klinge mit einer Seitdrehung auswich. „Wirst du etwa müde?"

Sie lachte kurz auf. „Aber nicht doch. Das hier ist doch gar nichts. Ich trainiere jeden Tag drei Stunden – und habe in Harry und Ron weitaus bessere Kampfpartner, als dich," funkelte sie ihn amüsiert an.

Slytherin bekam keine Gelegenheit zu antworten. Hermione wirbelte in einer Drehung herum, ging gleichzeitig in die Knie und war so schnell wieder aufrecht, dass Feyt auf ihre darauffolgende Attacke nicht schnell genug reagieren konnte. Die Wucht, mit der ihre Klinge auf seine traf, schleuderte ihn nach hinten und ließ ihn auf den Rücken fallen. Er wollte sich aufsetzten – doch eine Schwertspitze berührte ein Kinn.

„Ich nehme nicht an, dass du schon einmal von einer Frau besiegt wurdest?"

„In der Tat," presste er hervor und versuchte seine Überraschung und Verärgerung über diesen Umstand zu verbergen. Aber er war innerlich in höchster Rage.

Seine Gegnerin nahm ihr Schwert von seinem Hals, hielt es aber noch verteidigend vor sich. Sie hob Feyts Schwert, das am Boden lag, auf. „Steh auf!"

Feyt folgte ihrer Aufforderung.

Während sie ihn aus den Augenwinkel weiter beobachtete, wandte sie sich den Göttinnen zu. „Ich habe ihn in einem ehrlichen Kampf besiegt. Ich nehme an, darum ging es hier, auch wenn ich die Hintergründe dieser... Versammlung nicht kenne. Und ich nehme an, dass Ihr, Myladys, nun gewillt seid, dies hier zu beenden."

Nicneven trat einen Schritt hervor. „Ja, du hast gesiegt. Eine beachtliche Leistung. Kein Wesen konnte im Zweikampf je gegen Feyt Slytherin bestehen – doch dies hier ist nicht zuende. Und weder ich, noch Branwen oder Morrigan werden dies beenden."

„Was soll das heißen?" mischte sich die Hermione, die in dieses Hogwarts gehörte, ein.

„Es bedeutet, dass es eure Aufgabe ist, dies zuende zu führen," erwiderte Nicneven. „Wir werden nicht weiter eingreifen."

„Was soll das?" entrüstete sich der uniformierte Harry.

„Es ist ein Fluch," antwortete sein durchnässter Zwilling. „Vor 1000 Jahren hat Feyt Slytherin mit Morrigan einen Pakt geschlossen. In einer Nacht mit einer bestimmten Sternenkonstellation sollte Morrigan als Feyts Rachewerkzeug zurückkehren und alle Schüler und Lehrer von Hogwarts vernichten. Es hat sich wohl alles etwas anders entwickelt, als geplant – aber diese Nacht ist heute."

„So ist es," bestätigte der geschlagene Feyt. „Und ich will euer aller Tod nach wie vor!" Er warf der Hermione, die ihn mit ihrem und seinem eigenen Schwert in Schacht hielt, einen verächtlichen Blick zu.

„Du hast verloren," erwiderte diese Hermione. „Find dich damit ab und kehr dahin zurück, wo du hergekommen bist."

„Mein ganzes Leben hatte diese Nacht der Rache zum Ziel – ich gebe nicht so einfach auf!" zischte er. „Ich bin ein Slytherin!"

Ehe die mit zwei Schwertern bewaffnete Hermione wusste, was geschah, hatte Feyt plötzlich seinen Zauberstab in der Hand, ihn gegen sie erhoben und „Excudo!" ausrufen. Eine gewaltige, grünleuchtende Energiekugel, die einer regelechten Explosion glich und zehnmal stärker war als vorheriger Angriff ohne Zauberstab, schleuderte sie quer über den Hof.

Beide Harrys schrieen gleichzeitig: „Hermione!" aus.

Die diesweltige Hermione, die immer noch das Gryffindor-Schwert in ihrer rechten Hand hielt, ließ es klirrend zu Boden fallen und lief so schnell es ihr nasses Kleid erlaubte, zu ihrem Zwilling. Sie half ihr, sich aufzusetzen. „Alles in Ordnung?"

Die andere keuchte. „Ich denke schon." Sie stand mit Hilfe Hermiones auf.

Slytherin hatte sich inzwischen wieder majestätisch aufgebaut und hielt seinen Zauberstab drohend in Händen. Er lächelte selbstsicher und gefährlich. „Und ich denke, es wird mir ein Vergnügen sein, vier von euch zweimal töten zu können."

„Das werden wir ja noch sehen," entgegnete der uniformierte Severus Snape und hielt nun ebenfalls seinen Zauberstab in Händen. „Harry. Ron."

Die beiden, die neben ihm standen, nahmen ebenfalls ihre Zauberstäbe.

„Ihr könnt euch freiwillig zurückziehen – oder die Konsequenzen tragen," fuhr Snape fort. „Die Bewohner dieses Hogwarts mögen vielleicht großmütig genug sein, Euch nicht vereint anzugreifen oder gar einen Unverzeihlichen Fluch auszusprechen..." Er trat einige Schritte nach vorne. „Aber wir würden es sofort tun," flüsterte er eisig.

„Nicht wenn ich schneller bin," zischte Feyt zurück. Jetzt hatte er genug. „Avada Ke –"

„Vincire!" donnerte die Hermione aus der Parallelwelt und bevor Slytherin den Fluch zuende sprechen konnte, hatte sich ein blau-leuchtender Energiering um Feyt gelegt und machte ihn bewegungsunfähig. Sein Zauberstab fiel zu Boden. Er schwebte nun aufrecht und wie in Trance einige Zentimeter über dem Boden.

Die anderen drei aus ihrer Welt sahen fassungslos auf den gefesselten Slytherin. Wohl hatten sie auch schon die Zauberstäbe zu ihrer Verteidigung erhoben gehabt, doch ihnen war klar, dass sie ihrer Freundin ihr Leben verdankten. Sie hatte unglaublich schnell reagiert.

„Du hättest auch den Todesfluch nehmen können," bemerkte ihr Snape mit einem herablassenden Blick auf den nun entgültig besiegten Slytherin.

Seine Hermione ging auf ihn zu. „Wenn ich das getan hätte oder einer von euch – dann wären wir nicht besser als er." Sie wandte sich Nicneven zu. „Werdet Ihr euch wenigstens um ihn kümmern? Er gehört nicht hierher."

„Morrigan wird ihn mit sich nehmen," erwiderte Nicneven.

„Wird das Tor dann verschwinden?" fragte der Ron, der in diese Welt gehörte.

„Das ist nach wie vor eure Aufgabe."

„Was soll das?!" entgegnete der diesweltige Harry. „Das ist doch irrsinnig. So wie ich das sehe, haltet Ihr Morrigan – und Branwen – im Zaun und Slytherin ist ebenfalls außer Gefecht gesetzt. Damit ist der Fluch gebrochen. Warum könnt Ihr jetzt nicht einfach verschwinden, ihn mitnehmen und dieses Portal schließen?"

„Es ist ein Werk von Morrigans und Feyts Blutpakt. Diese beiden als Urheber werden euch nichts mehr tun – doch das Tor muss von einem von euch geschlossen werden."

„Aber –" begann Harry und wurde von Nivneven durch eine Geste zum Schweigen gebracht.

Einige Sekunden herrschte vollkommene Stille.

„Dann sagt uns, wie," bat die Hermione dieser Welt schließlich.

Nicneven sah sie warm an. „Aber das weißt du doch schon."

Hermione wollte gerade fragen, was sie meinte, da wusste sie es plötzlich. „Das Buch..."

Die Göttin nickte.

Hermione nickte ebenfalls. „Die Lösung steht in Rowena Ravenclaws Buch," erklärte sie, als sie die verwirrte Mienen aller anderen bemerkte. „Blut. Alles dreht sich um Blut." Sie schloss einen Augenblick die Augen. „Im Buch steht, dass es mit Blut beginnt und mit Blut enden soll. Das sollte heißen, dass Slytherin einen Teil seines Blutes gab, um den Pakt zu besiegeln und dass dabei das Blut aller Bewohner von Hogwarts fließen sollte – aber gleichzeitig ist das auch die einzige Möglichkeit den Fluch abzuwenden oder zu verhindern..." Sie schluckte. „Indem sich einer für alle anderen opfert." Sie sah zu den Göttinnen. „So ist es doch – nicht wahr?"

„Du bist ein wirklich kluges Mädchen," erwiderte Nicneven anerkennend.

„Wenn ich das wäre, hätte ich es früher erkennen müssen," entgegnete Hermione niedergeschlagen.

„Aber du warst klug genug, einen Spruch zu erdichten, um Branwen zu rufen," begann Nicneven. „Das ist eine beachtliche Leistung für eine junge Hexe. Und ihr alle habt euch tapfer geschlagen."

„Mag sein, aber für uns ist das hier jetzt Sieg und eine Niederlage zugleich," sagte Hermione leise und sah den anderen Hexen und Zauberern. Sie wagte es kaum auszusprechen: „Denn einer von uns muss nun sterben."