Die letzten paar Stunden hatte Boromir auf seiner Terrasse verbracht. Er hatte Nienna schlafen lassen, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte und war seitdem für niemanden mehr zu sprechen gewesen.

Nienna war in den letzten Tagen so geistesgegenwärtig wie seit langem nicht mehr gewesen. Sie hatte sich sogar regelrecht über die Blumen gefreut, die Boromir ihr vor ein paar Tagen mitgebracht hatte. Sie reagierte leicht auf jede Berührung, jedes Lächeln oder jeden neugierigen Blick von Fremden. Und von diesen gab es genug.

Boromir hatte ihr das Reiten wieder beigebracht und sie waren oft genug miteinander ausgeritten, so dass er mittlerweile die Reaktion der Büger der Stadt auf die Königstochter, die scheinbar neben sich zu stehen schien, kannte. Er war es leid. Und Nienna schämte sich für sich selber. Nur die Tatsache, dass sie das nicht anders ausdrücken konnte, als ihr Spiegelbild zu zerschlagen, trieb Boromir beinahe die Tränen in die Augen.

Bilder von einer glücklichen Nienna übefielen Boromir von Zeit zu Zeit. Erinnerungen an ihr lautes, ansteckendes Lachen, ihre trotzige Sturheit, ihr stürmisches Temperament. All die Dinge, in die sich Boromir so verliebt hatte. Sie war eine Besserwisserin und bei ihnen waren schon öfter Gegenstände zu Bruch gegangen, wenn sie sich einer Sache nicht einig waren. Doch war Nienna die liebenswürdigste Person die er kannte. Sie kam sehr nach ihrem Vater.

Boromir riss sich selbst aus seinen Träumen. Es war bereits dunkel geworden und unten in der Stadt brannten nur noch vereinzelnd Lichter. Plötzlich bemerkte er eine kleine Gestalt, die sich der Bank auf der Boromir saß leise näherte. Er erkannte Nienna selbst im Dunkeln. Als sie vor ihm stand erkannte er ihr dünnes Nachthemd und spürte, wie sie zitterte, als er ihre Hand ergriff. Unerwartet zog sie ihn plötzlich von seinem Platz und forderte ihn so auf ihr zu folgen.

Sie hatte kein Wort gesprochen, seit sie wieder zuhause war, doch Boromir verstand sie auch ohne Worte. Drinnen zog Nienna ihn aufs Bett und küsste ihn. Boromir war irritiert. Sie hatte ihn nicht mehr von alleine geküsst seit... seit sie so war wie jetzt. Boromir fand keine anderen Worte für seine Gedanken. Es war eine eindeutige Aufforderung. Nienna wollte mit ihm zusammen sein. Diese Nacht.

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Boromir konnte sich nicht erinnern wann er sich das letzte Mal so gut gefühlt hatte. Der frische Wind bließ ihm durch die Haare und die Sonne schien auf seinen Rücken. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen.

Legolas musste schmunzeln als er seinen Freund sah. Er ritt näher an ihn heran und beobachtete ihn lange von der Seite, bis Boromir ihn endlich bemerkte und ihn angrinste. Der Elb fing laut an zu lachen und Boromirs Gesichtsausdruck wurde noch komischer.

Legolas unterdrückte einen weiteren Lachanfall und brachte hervor: "Boromir, ich kann in dir lesen wie in einem Buch. Und ich frage mich, ob das hier nicht jeder kann. Deine Mundwinkel ersetzen bald deine Ohren, mein Guter!" Er gluckste vor sich hin. Boromirs Blick wurde leicht ärgerlich, doch seine Ohren wurden rot und er verstand auf was sein Freund anspielte. Er schlug zurück. "Dann möchte ich nicht wissen wieviel Spaß du gestern abend hattest, Elb, wenn ich überlege, dass du dich erst über andere lustig machen musst, um gute Laune zu bekommen." Sie ritten langsamer, um nicht vor Lachen vom Pferd zu fallen und wurden von den anderen überholt.

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Als sie die erste Rast einlegten, war es bereits dunkel. Ein kleines Feuer brannte inmitten der Reisenden und beleuchtete das, in Gedanken versunkene, Gesicht von Aragorn. Er schreckte nicht auf, als Legolas plötzlich neben ihm stand. Er war zwischen Elben aufgewachsen und hatte gelernt ihre Anwesenheit zu spüren, selbst bevor er sie sah.

Der Elb setzte sich neben ihn. "Ich kann gerne die Wache für dich übernehmen, Aragorn. Du siehst müde aus." Aragorn lachte leise. "So sehe ich bereits seit zwei Jahren aus, Legolas. Du warst nicht sonderlich oft in Minas Tirith um das bemerkt zu haben, mh?" "Ich bemerke mehr als du denkst. Mir reicht ein Blick von dir und ich weiß, dass du dir Sorgen um ihr Wohl auf dieser Reise machst." Er machte eine kurze Pause, bevor er leiser fortfuhr. "Aragorn, ich würde gerne wissen, was es mit Nienna auf sich hat. Ich jedenfalls habe sie anders in Erinnerung, als dieses verschreckte Kind."

Aragorns Blick wanderte nach links, wo seine Tochter mit dem Kopf auf Boromirs Schoß ruhte. Boromir saß gegen einen Baum gelehnt und schlief, seine Hand in Niennas. Aragorn atmete schwer aus. "Boromir kümmert sich gut um sie, nicht wahr?" Er sah Legolas an und entdeckte die Neugier und die Sorge in den Augen seines Freundes. Aragorn schloss kurz die Augen und begann zu erzählen.