Das erschütternde Urteil
"Ich will nach Hause." schoss es Sirius automatisch in den Kopf. "Nein, das will ich wahrscheinlich doch nicht." dachte er jedoch gleich darauf und seine Augen blickten traurig zu Boden. Früher hatte er sich mit seinem Vater so gut verstanden, als er noch ein kleiner Junge gewesen war und der ganze Stolz seines "alten Herren". Wenn er jetzt heim musste, wurde er immer nur so angeschaut, als ob er Schande über die Familie bringen würde. Über diese traditionsreiche, angesehene, reinblütige Familie. Ach Gott! Und alles was ihm sein Vater gab waren nicht etwa anerkenende "Schulterklopfer" oder leicht spaßhafte "Rippenstöße", sondern regelmäßige Prügel und Wutanfälle, auf die Taschengeldentzug, Hausarrest und "Ins-Bett-gehen-ohne-Abendbrot" folgten.
Nein, da war Sirius dreimal lieber in Hogwarts bei James, Remus und Lily. Gegen alle Gewohnheit setzte sich der verheulte Junge an den Schreibtisch und schrieb einen Brief an seine Mutter. Er schaute auf die Uhr, es war schon halb 12. Remus lag bereits im Bett und wälzte sich manchmal unruhig, nächste Nacht würde wohl Vollmond sein. James hingegen war bei einer Verabredung mit Lily im Schlossgarten. Langsam, um Remus nicht zu wecken, griff Sirius nach dem Sigellack und erhitze ihn über der Flamme seiner Kerze, während er mit der anderen Hand die Adresse seiner Mutter auf den Umschlag schrieb und dann das Papier festhielt, um den Lack darauf tropfen zu lassen und mit seinem Siegelring sein Abzeichen hinein zu drücken, eine Frauenhand mit einer Edelrose und ein Löwe für Gryffindor, denn sein Vater bestand darauf, auf allen Briefen sein Wappen zu sehen. Dann schlich er an den gemeinsamen Käfig ihrer Eulen, indem sich James weiße Schleiereule Lilybeth, Sirius Sperlingskauz Piepmatz und Remus, dessen Eltern sich keine Eule hatten leisten können, zugeflogene Haubenlerche, mit Namen Flitzpiepe, befanden, und zog seine heraus. Der kleine Kauz war über diese nächtliche Reise nicht sehr erfreut und kniff Sirius in den Zeigefinger.
"Na warte du Federball!" Er band ihm den Brief ans Bein und schleuderte ihn unsanft aus dem Fenster. "Abflug!"
Der nächste Morgen brach an und mit ihm kam Sirius Traurigkeit zurück. Er stand auf, nahm seine enganliegende, schwarze Cordschlaghose, Unterwäsche, blauen Pulli, Umhang und zog ins Bad, wo James noch im Schlafanzug auf einem Schemel saß und mit der Zahnpasta Herzen auf den Spiegel malte, während er leise summte und selig lächelte.
"James? In einer halben Stunde beginnt der Unterricht." sagte Remus leise, der in ein langes Handtuch gewickelt aus der Dusche kam, "Willst du dich nicht anziehen?" Sirius sah die beiden stumm an und drängte sich dann an Remus vorbei in den kleinen Duschraum.
Als sie alle beim Frühstücken saßen, hatte er noch nicht mehr als "Guten Morgen" zu den beiden gesagt. James sah ihn besorgt an. "Hey, was ist los?" Sirius schaute weg, vor seinem besten Freund so dazustehen wollte er nicht. "Es ist nichts, ich hab nur Halsschmerzen und will nich so viel sagen." Damit strich er seine langen Haare aus der Stirn und Marmelade auf ein Brot. Obwohl er an diesem Morgen einen Aufsatz mit 3 Einsen zurückbekam und in Prof. McGonagalls Unterricht 10 Punkte für außerordentlich gute Mitarbeit bekam, wo er von ihr doch meist nur Abzug erhielt, blieb seine schlechte Laune bestehen. Jim zog ihn vor dem Mittagessen beiseite. "Für Halsschmerzen hast du in McG`s Unterricht aber n bisschen viel geredet. Nur leider nicht mit mir. Blacky, was ist los? Ist es noch wegen gestern? Das haut dich doch sonst nicht so breit."
Sirius sah auf seine Schuhspitzen. "Du hast ja auch einen Vater, der stolz auf das ist was du tust, selbst auf den ganzen Blödsinn. Aber meiner achtet ja nicht mal die guten Leistungen. Ich dachte immer, das gleicht sich irgendwie aus, aber es scheint wohl zu schlimm zu sein was ich mache." Er wandte sich um und schritt davon.
"Sirius, du bist voll ok. Ich glaub nicht dass sich dein Vater nicht über deine Noten freut, du bist immerhin einer der Besten in ganz Hogwarts. Verdammtnochmal, er muss das doch irgendwie würdigen!"
Der Angesprochene presste seine Tasche an sich, sah seinen wild-gebärdenden Freund betrübt an und sagte leise: "Was nützt es mir, einer der besten Schüler von Hogwarts zu sein wenn ich in Hogwarts rausgeschmissen werde...?" Er schaute in James Gesicht. "Sag, sag dass das nicht wahr ist. Ich mein, nur weil du verboten draußen rumgelaufen bist. Das könn' sie doch nicht machen!"
Nach dem Mittagessen, dass sehr geräuschlos verlaufen war, stand Sirius auf und sah seine Freunde stumm an. Sie verstanden schon. Als Dumbledore den Saal verlassen wollte, traten sie hinter ihn.
"Professor? Können wir vielleicht mit ihnen reden?"
"Sirius! Ja kommt in mein Büro, ich hab eh gerade ein paar Minuten Zeit."
Die Tür schloss sich und der Schulleiter nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Er sah in die versammelte Mannschaft, in der ein großer, schlanker, schwarzhaariger Junge, wegen seiner Betrübtheit besonders auffiel.
"Setzt euch bitte." Dumbledore holte tief Luft
"Ich hab die nötigen Schritte natürlich eingeleitet und deinen Eltern geschrieben, mein Junge. Du bist dir darüber im klaren, dass ich dich von der Schule verweisen müsste." Eine lange Pause trat ein, in der Sirius so schwer ums Herz wurde, dass er beinahe angefangen hätte zu schluchzen. James strich ihm über den Arm.
"Aber ich muss leider feststellen, dass ich das nicht kann!"
"Was?"
"Ich kann dich nicht rausschmeißen. Deine Leistungen sind so gut, dass keine andere Schule deinen Anforderungen entspricht und wegen Schwänzen kann ich dir nicht den Zauberstab zerbrechen. Trotzdem ..." Er ließ die vier gar nicht zu Wort kommen. "du hast zum wiederholten Male schwer gegen die Hausordnung verstoßen. Ich habe mir deshalb eine angemessene Strafe ausgedacht die dir auf alle Fälle eine Lehre sein wird."
"Professor Dumbledore, mir ist alles Recht, nur bitte schmeißen sie mich nicht raus!" Sirius wirkte sichtlich erleichtert, denn ihm rannen Tränen über die Wangen. Er war aufgestanden und machte den Anschein, als ob er dem Schulleiter um den Hals fallen wollte.
"Setz dich wieder hin!" Der große Mann mit der Hakennase und dem langen Bart richtete sich bedrohlich vor den vier Schülern auf. Er wirkte überhaupt nicht freundlich wie sonst, obwohl Sirius sehr gut wusste, dass er ihn sehr gut leiden konnte. Er schloss ein Buch in das er gerade etwas geschrieben hatte, überreichte ihm ein Blatt mit ein paar Zahlen und Wörtern und sagte:
"Sirius, du wirst vier Wochen lang zu den Slytherins gehen! Pack deine Sachen!"
