Thanx gehen an Matjes, SweetC18, cristall, Mael, Ayu-chan, Selina, Ginny, Ralna, Cygna, Tears und Katja.
Kapitel 2: "Das, was nie passieren darf"
Der Zeiger auf Harrys Nachttischuhr hatte gerade die dreißig Minuten nach
acht überschritten, als ihn ein lauter Ruf, eher ein wütender Schrei, in die
Küche beorderte. Der schwarzhaarige Junge konnte nicht anders, als die Augen zu
verdrehen und leise zu aufzustöhnen. Das war wieder typisch! Seine Tante rief,
er musste aufspringen und ihr helfen und wenn er es nicht tat, bekam er wieder
Hausarbeiten, die viermal erledigt werden mussten, ehe man mit dem Ergebnis
zufrieden war, oder er bekam sofort eine Strafe aufgebrummt.
Harry entschied, dass er weder auf das eine noch auf das andere Lust hatte und stand von seinem Bett auf. Die letzten Stunden hatte er an die fade Zimmerdecke und die Flecken und Vergilbungen gezählt, die sich in den Jahren angesammelt hatten –-
„HARRY!!", tobte es wieder vom unteren Stockwerk.
Rasch durchquerte selbiger das Zimmer, hechtete die Treppe nach unten hinab und kam schließlich schlitternd in der Küche zur Ruhe.
„Bin schon da!", sagte er leise und hoffte, dass seine Tante keinem Wutanfall verfallen war. „Tut mir Leid!"
Petunia stand mit einem Stapel Teller neben dem Küchentisch und würdigte ihn vorerst keines Blickes. In aller Ruhe stellte sie das Porzellan an die Seiten des Tisches, verteilte Besteck daneben und schaute erst, nachdem sie diese kurze Arbeit beendet hatte, wieder auf. Missbilligend glitt ihr Blick nun auf Harry. Sie musterte ihn gründlich, fand aber nichts an seinem Aussehen zu bemängeln – von den normalen Fehlern, wie etwa das verirrte Haar, die Art, wie er um sich blickte und seiner angeblich rebellierenden Haltung, einmal abgesehen.
Schließlich stürzte sie die Lippen und deutete mit einer schnellen, unwirschen Bewegung ihrer Hand auf den Herd. „Na los! Was stehst du da noch rum? Ich brauche Hilfe beim Frühstück und Rühreier und Speck machen sich nicht von allein!"
Der schwarzhaarige Junge nickte aus Reflex und trat an den Herd, auf dem
bereits eine Gusseiserne Pfanne stand. Er stellte das Gas an und entzündete es,
dann holte er Eier und Speck aus dem Kühlschrank und beobachtete nebenbei seine
Tante, die weiterhin den Tisch deckte und quietschend ein Lied summte. Harry lag
ein Kommentar dazu auf der Zunge, doch er konnte sich in letzter Sekunde zurück
halten.
Er wandte sich wieder seiner Aufgabe zu und holte ein paar
Speckstreifen aus der frischen Plastikverpackung und legte sie halbherzig in die
mittlerweile erhitzte Pfanne und schlug dann die Eier in die noch freie Hälfte
der Pfanne. Penibel achtete er darauf, dass keine Schalen mit in die gelbe Tunke
geriet, denn aus Erfahrung wusste er, dass sein Onkel und Dudley zwar zwei
fleischige, unsensible Klopse waren, aber etwas Knirschendes in ihrem Rührei
bemerkten sie dennoch.
Wenn man vom Teufel sprach... Gerade, als Harry diesen Gedankengang vollzogen hatte, kam sein Cousin samt Vater in die Küche. Er hörte, wie seine Tante ihren Sohn mit einem dicken, feuchten Kuss begrüßte, ebenso wie Onkel Vernon. Dabei flötete sie immer noch das Lied von vorhin und meinte dazu: „Na, gut geschlafen ihr zwei? Es ist doch ein wunderschöner Tag, habe ich recht?" Sie lachte über sich selbst und Harry verstand nicht warum. Dieser Frau war nicht lustig. Genauso wenig, das, was sie gesagt hatte und davon einmal abgesehen, war heute ein absolut beschissener Tag. – Wenn auch nur für ihn.
„Sicher, ein wunderschöner Tag.", stimmte Vernon mit seiner Frau überein und man konnte das Knarren der Stühle hören, als er und Dudley sich am Tisch niederließen. „Und man denke daran, was morgen für ein schöner Tag sein wird und erst übermorgen!" Er lachte, ebenso wie seine Frau, über sich selbst. Harry drehte es dabei den Magen um. Sicher freute sich Vernon auf übermorgen. Denn in zwei Tagen würde er endlich seine Ruhe haben, er würde ein entscheidendes Hindernis in seinem Leben loswerden – und das war er selbst. Harry.
„Hey, du da!" Damit war dann wohl er gemeint. Harry drehte sich zu seinem
Onkel um, einen fragenden Ausdruck auf dem Gesicht.
„Wie lange brauchst du
denn noch? – Irgendwann wollen andere Leute nämlich frühstücken!"
„Ich bin schon fertig.", wehrte Harry schwach ab und nahm die schwere Pfanne mit einer Hand und in die andere eine Gabel. Vorsichtig, ohne zu kleckern verteilte er Speck und Eier auf den Tellern Dudleys und Vernons und brachte die Pfanne dann zurück zum Herd. Die bohrenden Blicke, die ihm die Dursleys dabei zuwarfen, ignorierte er bewusst.
Das einzige, was für die nächsten Minuten den Raum erfüllte, waren
Essgeräusche. Schmatzende, gurgelnde, grunzende Laute, die Harry den Appetit
verdarben. Wortlos saß er am Tisch und studierte seinen Onkel und Dudley. Sie
schaufelten das Essen in sich hinein, als wären Wochen seit ihrer letzten
Mahlzeit vergangen. Petunia Dursley schien das auch nicht weiter zu stören.
Achtete sie meist noch auf annehmbare Tischsitten, summte sie heute nur ihr
seltsames Lied und löffelte in ihrem Müsli. Harry spürte geradezu, wie sich ein
ohnmächtiges Gefühl in ihm ausbreitete... Warum konnte er nicht einfach
aufstehen und dieses Haus verlassen? Die Dursleys hinter sich lassen? - Nun, was
für Chancen hatte er, wenn er diesen Ort verlassen würde? Wo sollte er hingehen?
Auf der Straße leben? Die Ersparnisse seiner unwahrscheinlichen Eltern
verbrauchen und sich ein Haus kaufen oder in ein Hotel ziehen? Was sollte er
denn schon groß tun? Er war einfach... hilflos. Machtlos, schwach und wohl auch
armselig...
„Also. Da morgen ein besonderer Tag ist, möchte ich ihn noch einmal mit euch durchsprechen. Irgendwelche Einwende?"
Harry zuckte beinahe erschrocken zusammen, als Vernon so plötzlich redete. Vorsichtig blickte er auf und musterte seinen Onkel unauffällig; bemerkte, dass sein Teller bereits leer war. Also war es nicht verwunderlich, dass er diese Minuten des ‚Beisammenseins' nutzte, um Harry ein paar letzte Mal zu bedeuten, dass er nur ein niederes Etwas war.
Da die letzte Frage eh nur rhetorischer Basis war, ließ sich Vernon nicht
aufhalten und fing an, den Ablauf des folgenden Tages zu erläutern. Harry
überlegte währenddessen, ob er diesen kleinen Vortrag erst zum neunten Mal oder
doch schon zum zehnten Mal hörte.
„Aufstehen müssen wir um 6.00 Uhr, damit
wir pünktlich eine Stunde später losfahren können. London wird zu sein, also
planen wir fünf bis sechs Stunden für die Fahrt nach Cambridge. Dort angekommen,
nehmen wir uns ein Zimmer und essen Mittag, anschließend wird der unangenehme
Teil der Reise erledigt."
Seine kleinen Schweinchenaugen ruhten dabei stechend auf Harry, doch der blieb stumm. Der unangenehme Teil der Reise bestand darin, dass er zum Saint Bruto's gebracht werden sollte. Jetzt, da er nicht zurück nach Hogwarts konnte, und die Dursleys ihn natürlich nicht auf eine örtliche Schule gehen lassen wollten, weil er ihnen nur unnötig Schwierigkeiten bereitet hätte, war er gezwungen, sich seinen Verwandten zu beugen. Was sollte er groß tun, um sich zu wehren? Seine Volljährigkeit lag noch in weiter Entfernung, was bedeutete, dass er in der Mugglewelt arg eingeschränkt wäre und sich größtenteils verstecken müsste, wenn er sich allein durchschlagen sollte, und was die Zauberwelt betraf, so lief es dort ähnlich ab. Wenn ihn irgendjemand vom Ministerium aufschnappte, würde sie ihn zurück zu den Dursleys bringen, immerhin hatten jene noch immer die Vormundschaft über ihn.
„Und anschließend – nach dieser unangenehmen Aufgabe – werden wir uns eine Woche ausspannen.", beendete Vernon schließlich und trank sein halbvolles Glas Orangensaft in einem Zug leer. Harry starrte nur starr auf den Tisch, auf seinen Teller, auf welchem ein unberührtes Toastbrot ruhte. Er hatte wirklich keinen Hunger mehr. Der Gedanke daran, die Dursleys nicht wieder sehen zu müssen, war beruhigend, aber der Preis den er dafür zahlen musste – dieses dämliche Saint Bruto's für kriminelle Jungen – war viel zu hoch. Wahrscheinlich würde dort jeder zweiter Junge die körperlichen Umfänge Dudleys haben, genauso wie auch die geistlichen. Keine gute Aussicht.
„Bursche!" Harry blickte, wieder aus seinen Gedanken gerissen, auf. „Hör zu,
du Nichtsnutz. Du wirst heute den Tag außerhalb des Hauses verbringen. Deine
Tante bekommt heute Besuch und du würdest dabei nur wieder irgendwelches Chaos
anrichten."
Der schwarzhaarige Junge öffnete die Lippen, blieb aber
schließlich doch ruhig. Er senkte den Kopf ergeben und nickte schwach. So hatte
er wenigstens einen Tag lang Ruhe...
„Gut, das wäre geklärt. Und da du ja scheinbar keinen Hunger hast, kannst du
auch sofort gehen."
Harry musste sich verhört haben. „Was?", entgegnete er
aus reinem Reflex.
„Du hast mich schon verstanden. Du kannst sofort gehen, wenn du hier nur herum sitzt."
Harry starrte seinen Onkel für einige Sekunden mit offenem Mund an, wobei ihn
Vernon keines Blickes würdigte. Doch der Junge erinnerte sich daran, dass so
etwas hier normal war und dass er nicht hierher gehörte.
Wortlos stand er
auf und griff nach seinem karg bestrichenen Toast, ignorierte dabei Dudleys
boshaft grinsendes Gesicht. Ohne sich umzuwenden, verließ er die Küche, zog im
Flur Schuhe und Jacke über und verließ das Haus, den Toast im Mund.
Es dämmerte bereits, als Harry auf den Weg zurück in den
Privet Drive war.
Er war ganz froh, dass es bereits am Dämmern war, denn daher waren nicht mehr
allzu viele Menschen unterwegs und desto weniger bekamen ihn zu Gesicht.
Schließlich passierte es auch nicht gerade oft, dass man einen zerschlagenen
Jungen zu Gesicht bekam. Dudleys seltsame Kumpel hatten ganze Arbeit
geleistet...
Abwesend strich er sich das verklebte Haar aus der
Stirn. Zu allem Unglück hatte es vor einigen Minuten angefangen schwach zu
nieseln und trotzdem war er schon jetzt halb durchnässt. Und ihm war kalt. Ja,
am liebsten hätte er sich jetzt an einen warmen Kamin in Hogwarts gewünscht. Und
noch schöner wäre es gewesen, wenn Draco dann bei ihm gewesen wäre...
Ich benehme mich wie ein Kleinkind, dachte er säuerlich, Ich kann ihm doch nicht ständig nachtrauern... das bringt mich auch nicht weiter...
Doch ehe seinen Trotzgedanken weiter nachhängen konnte, erreichte er die
Einfahrt zum Privet Drive. In den Fenstern zu Wohnzimmer und Küche brannte
Licht. Wie konnte er nur auf die Idee kommen, dass seine lieben Verwandten noch
nicht vollständig in ihrem Heim waren?
Harry strich sich sorgsam über die
Haare, um sie etwas zu glätten, fuhr dann noch einmal Lippen, Kinn und Nase ab
und prüfte, ob seine Verletzungen doch wieder angefangen hatten zu bluten. Doch
er hatte Glück. Sein Gesicht hatte sich etwas beruhigt. Selbst der pochende
Schmerz war zurückgegangen.
Trotzdem hoffte Harry, dass die Dursleys ihn
nicht bemerken würden, wenn er ins Haus kam. Ärger würde er so oder so erhalten.
So zerschlagen wie er war, würde er wieder die Aufmerksamkeit der anständigen
Nachbarn erregen, und was seine Sachen anging... An der Jacke klebte Blut,
ebenso auf seinem T-Shirt und die Jeans war von Schlamm und Staub besudelt.
Insgesamt musste er aussehen wie ein Landstreicher, der frisch aus einer
Prügelei kam. Die perfekte Situation in der Onkel Vernon sich über ihn aufregen
konnte.
So leise wie möglich steckte er den Hausschlüssel, den er aus der Hosentasche hervor holte, in das Türschloss und drehte ihn, bis es leise klickte. Mit einem leisen Knarren öffnete sich die Holztür und Harry schob sie vorsichtig auf. Im Flur war es dunkel und er hatte Mühe, etwas zu erkennen. Aber wenigstens würden ihn so die Dursleys nicht bemerken. Weit gefehlt, wie sich heraus stellen sollte.
„Es ist wirklich erfreulich, dass du dich endlich hierher bequemst!", wurde
er angeblafft, als er die Tür geschlossen hatte und zwei Schritte gegangen war.
Erschrocken zuckte Harry zusammen und blickte in die Richtung, aus der die
Stimme gekommen war.
Doch in diesem Augenblick wurde das Licht angemacht.
Grell stach es in seine Augen und brachte ihn dazu, sie zusammenzukneifen. Erst
nach einige Augenblicken blinzelte er leicht, doch nur, um wieder
zusammenzuzucken. Sein Onkel stand unmittelbar vor ihm. Die kleinen Augen
funkelten böse und waren bedrohlich zusammengekniffen und das Gesicht, ebenso
wie der fleischige Hals, war gerötet von der Rage, in die er geraten war.
Harry schluckte. Er spürte, wie ein unangenehmes Übelkeitsgefühl in ihm
aufkam, ebenso, dass sein Mund plötzlich sonderbar trocken war. Das sah gar
nicht gut für ihn aus...
„Warum kommst du erst jetzt? Wo hast du dich herum getrieben? Huh, Bursche!? Antworte mir!"
Harry sank ungewollt in sich zusammen und schwieg. Man konnte die Wut aus jedem Wort, das Vernon sprach, heraushören. Dazu kam, dass er wohl jetzt schon fast die Knotrolle über sich verloren hatte, da er feinen Speichel versprühte, wenn er den Mund aufmachte. Doch Harry hatte nicht die Zeit es eklig oder widerwärtig zu finden.
Er brauchte eine Antwort. Und zwar schnell. „Ich... ich...", fing er stammelnd an, wurde jedoch sogleich unterbrochen.
„Und überhaupt – Wie siehst du aus? Hast du dich im Dreck gesuhlt? Oder geprügelt?!"
„Er wurde verprügelt!", warf Dudley mit einem dreckigen Grinsen im
Gesicht ein. Er war soeben in der Tür zum Wohnzimmer erschienen, eine Tüte mit
Chips in der Hand, aus der er sich munter ein paar Kartoffelscheibchen
genehmigte. Wahrscheinlich hatte er seinen dummen Freunden erzählt, dass Harry
heute außerhalb des Hauses war und eine leichte Angriffsfläche bot... Harry wäre
ihm dafür und für den Kommentar am Liebsten an den Hals gesprungen. Vernon
drehte sich zu ihm und betrachtete ihn wahrscheinlich verwundert, doch
schließlich sah Harry, wie er den Kopf schüttelte.
„Geh zurück zu deiner
Mutter, Dudley.", befahl er. Dudley grunzte leise, tat jedoch, was man von ihm
verlangte.
Als der Mann sich Harry wieder zuwandte, prangte ein ebenso breites und
boshaftes Grinsen auf seinen fleischigen Lippen, wie eben bei Dudley. Die
Verwandtschaft zwischen ihnen war wirklich unübersehbar.
„So, so...", sagte
er, „Hast dich also verprügeln lassen? Kein Wunder. Von dir hätte ich nicht
erwartete, dass du dich wehren kannst."
„Natürlich kann ich mich wehren!", platze es aus Harry hervor. Seine Miene verdüsterte sich.
„Widersprich mir nicht, du vorlauter Bengel! Du bist ein verdammtes Weichei! Genauso wie dein Vater!"
„Was weißt du schon von meinem Vater...!"
„Mehr als du, Bursche! Wie kann man nur so ein Stümper sein und sich selbst und seine Frau in die Luft sprengen!"
Harry wusste nicht, woher das plötzliche Lachen aus seiner Kehle kam. Er
konnte es nicht aufhalten und hatte keinen Einfluss darauf. Es drang einfach aus
ihm hervor, kalt, spöttisch und befremdend.
„Ich denke –", sagte Harry
schließlich und für die wenigen Augenblicke, die er eine kunstvolle Pause
einlegte, war er das erste Mal, seit langer Zeit, seinem Onkel überlegen.
Vernons Miene hatten fast einen ungläubigen Ausdruck angenommen, zwar noch mit
Wut und Zorn gemischt, aber dennoch war sein Selbstbewusstsein für einige
Momente im Nichts aufgelöst.
„Ich denke... wir sprechen nicht von derselben Person."
Dann versteinerte Harrys Miene wieder und er starrte seinen Onkel lediglich wütend und auffordernd an. Doch seine Wut war nichts, wenn man sich Onkel Vernon ansah. Sein Hals war merkwürdig angeschwollen und hatte, ebenso wie das Gesicht, eine sehr gesunde, rosige Färbung angenommen.
„Du elendes Balg! Wie kannst du es wagen, mir zu widersprechen! Wir haben
dich all die Jahre ernährt und großgezogen! Wir haben... –"
„...— Ihr habt
mich wie den letzten Dreck behandelt!", unterbrach ihn Harry ungerührt und
merkte sehr schnell, dass er einen Fehler begangen hatte. Sein letzter Fehler...
Schneller als er blicken, gar reagieren konnte, hatte Vernon ausgeholt und ihm eine kraftvolle Ohrfeige versetzt. Harry, der damit nicht gerechnet hatte und zudem noch etwas schwach auf den Beinen war, fiel durch den Schlag zu Boden, stieß mit dem Kopf gegen die Haustür und es wurde schwarz um ihn herum.
Als Harry wieder zur Besinnung kam, konnten keine paar Sekunden
vergangen sein. Das Schnaufen Vernons war über ihm hörbar, ebenso wie die leisen
Geräusche die aus dem Wohnzimmer vom Fernseher stammten.
Sein Kopf rauschte. Er konnte das Blut vernehmen, welches in seinen Ohren
pulsierte und schließlich setzte pochender Schmerz auf seiner Wange und
schließlich auch Schläfe ein. Benommen stöhnte Harry und öffnete blinzelnd die
Augen... Wie von selbst hob er die Hand und strich sich über die linke Wange, da
er dort Feuchtigkeit spüren konnte. Und tatsächlich... Als Harry sich die Finger
vor die Augen hielt, sah er schimmerndes, rotes Blut.
Harry stockte der
Atem. Noch nie... wirklich noch nie hatte sein Onkel es fertig gebracht, ihn so
stark zu verletzten. Er blickte in Vernons Gesicht. In seine wutverzerrten Züge,
in die sich Schrecken und Angst gelegt hatten...
In diesem Augenblick
beschloss Harry, einen Schlussstrich zu ziehen. Er würde einen Punkt machen. Er
würde gehen. Ja.
Harry rappelte sich auf und stürmte ohne ein weiteres Wort am perplexen Vernon vorbei. Erst als er bereits die Treppe hinauf gehechtet und sein Zimmer erreicht hatte, rief er ihm ein „Komm sofort wieder herunter!", zu.
Harry riss die wenigen Schranktüren und Schubläden im Zimmer auf und zog seinen Koffer unter dem Bett hervor. Ohne darüber nachzudenken suchte er sich seine Sachen zusammen, brachte sie zum Koffer und holte neue. Zum Schluss riss er eine lose Diele neben dem Bett vom Boden und holte ein Bündel Briefe hervor, die er sich in die hinteren Hosentaschen stopfte. Dann stürzte er zurück zum Koffer, machte ihn geräuschvoll zu und ging aus dem Zimmer, das schwere Objekt hinter sich her ziehend.
Unten im Flur erwartete ihn bereits Vernon und baute sich bedrohlich vor ihm auf. „Verschwinde!", zischte Harry und seine Stimmig war wie ein eisiger Luftzug.
„Du wirst nicht gehen, du elende Missgeburt! Ich habe dich nicht umsonst all die Jahre durchgefüttert!"
„Ich lasse euch eine Entschädigung zukommen!", tat er den Kommentar ab und drängelte sich an ihm vorbei.
„Du hast überhaupt kein Geld!"
Dass Vernon ihm am Arm packte, ließ ihn ebenso kalt. Er bückte sich und zog aus einer Seitentasche des Koffers seinen Zauberstab hervor. Drohend erhob er ihn und richtete ihn auf seinen Verwandten.
„Lass mich sofort in Ruhe oder du wirst es bereuen!", zischte er mit zusammengepressten Zähnen und unterdrücktem Zorn. Wie erwartet, wich Vernon zurück, die Arme erhoben, um seine Wehrlosigkeit zu demonstrieren, und im Gesicht einen erschrockenen, ängstlichen Ausdruck. Mit kalter, fast ausdrucksloser Miene wandte sich Harry nun ab und stürmte durch die Haustür.
Und doch sollte es nicht so kommen, wie er es sich wünschte, wie
er es wollte.
Harry würde in die Winkelgasse fahren. Ja, und da würde er auf Hedwig warten und dann würde er weiter sehen. Ja, so einfach würde das werden! Er würde seine Ruhe vor seinen Verwandten haben, sie nie mehr wieder sehen müssen.
Und Harry hätte sie auch nie wieder gesehen, wenn Vernon nicht in diesen kurzen Momenten, in denen der schwarzhaarige Junge die Türschwelle überquerte, nach einem von Harrys Fußgelenken gefasst hätte. Doch er tat es und Harry, unvorbereitet wie er war, stürzte vornüber zu Boden. Nur minimal konnte er sich abfangen, damit ihm schlimme Verletzungen erspart blieben. Doch trotzdem konnte er sich einige Sekunden nicht rühren. Sekunden, in denen Vernon um ihn herum eilte und ihm den Zauberstab aus der Hand riss.
Die Szene war einfach nur erschreckend, als Harry den Kopf hob.
Draußen war es mittlerweile dunkel geworden, nur das seichte Licht der Straßenlaternen beschien die Straße. Das Licht, welches im Flur des Hauses brannte, schien durch die offene Haustür auf den Kieselweg zum Privet Drive. Harry lag noch immer auf dem Boden, den Kopf gehoben. Seine Augen waren vor Ungläubigkeit geweitet und sein Mund hatte sich geöffnet.
Dann, ganz plötzlich, zerriss ein gleichzeitig knackendes und knirschendes Geräusch die Stille der Umgebung.
Ihm war es, als zerrisse in diesem Augenblick ein Teil seiner selbst...
Nein..., war alles, was Harry denken konnte, als er in Onkel Vernons böswillig grinsendes Gesicht sah. Seine Augen funkelten voller Befriedigung und Genugtuung. Und in seinen Händen, wie die Splitter seiner letzten Sicherheit, lagen die zwei Teile seines Zauberstabes. Etwas orange-rotes leuchtete schemenhaft zwischen den Resten.
„Was hast du getan?", krächzte Harry mit brüchiger, sehr leiser Stimme.
„Ich habe diesen lächerlichen Stab zerbrochen! Jetzt wollen wir doch sehen, wie du uns noch einmal bedrohen wirst!"
Er schmiss die restlichen Teile des Zauberstabs zu Boden und ließ seine fleischigen Fußmassen auf ihn nieder krachen. Harry öffnete, den Mund und wollte irgendetwas schreien. Dass er damit aufhören solle, dass er es bitte nicht tun sollte, dass er ihn und seine Familie nie wieder bedrohen würde, dass er ihnen gehorchen würde... Aber es war zu spät. Harry wusste es und deshalb schrie er nicht, bewegte nur stumm die Lippen und blickte auf das orange Schimmern am Boden - seiner letzten Hoffnung. Seiner letzten zerstörten Hoffnung.
„Hier!", hörte Harry Vernons Stimme wie aus weiter Ferne. Dann erblickte er
seinen Zauberstab vor der Nase - das, was davon übrig geblieben war - und spürte
anschließend, wie er grob am Kragen gepackt und hochgerissen wurde.
Geistesabwesend griff der Junge nach seinem ehemals treuen Helfer und presste
die Bruchstücke fest an sich.
Vernon, der ihn hinter sich herzog, nahm er
kaum wahr. Auch Petunia und Dudley – dessen Augen ihm aus den Höhlen zu fallen
schienen – schaute er nicht an, spürte nur ihre Blicke, als er die Treppe in den
ersten Stock hinauf gezogen wurde.
„Wir werden dich morgen ins Saint Bruto's bringen und sei dir sicher, da wird man nicht so freundlich mit dir umgehen!"
Das nächste, was Harry mitbekam, war, dass er am Boden seines Zimmers lag, und das Schlagen der Zimmertür, das klackende Geräusch des Schlüssels im Schloss...
Dann war es ruhig. Und Harry allein.
Anmerkung:
Erst einmal:
Sorry, dass ich mir so viel Zeit gelassen habe. Aber ich hatte ein regelrechtes
Schreibtief (Die Story hab ich weiter gesponnen aber schreiben konnte ich nichts
^^). Und ich will nun wirklich nicht irgendwelchen Mist zusammenschreiben und
ihn veröffentlichen. (Obwohl der Teil auch nicht sonderlich gut ist...)
Und
das muss ich wohl ein Lob aussprechen. So viele Reviews... Ich habe mich wieder
sehr darüber gefreut. Macht fleißig weiter so!
@cristall – ‚Oder gerade
wahnsinnig genug' – Ich glaube, damit triffst du es. Zumindest meine ganzen
Ideen für die Fic sind irgendwie... wahnsinnig ^^
@Mael – Hey, die
Suizid-Versuch Idee gefällt mir irgendwie... ^^ Muss ich irgendwo einbauen...
*lala*
@Ginny – Ich glaube, du wärst ein idealer Beta-Reader. Machst du so
was vielleicht schon? - Jedenfalls, gut, dass dir das aufgefallen ist. (Das
Ergebnis deines Reviews siehst du ja schon. Und die Folgen, die kommen auch
noch... ^^)
Und noch ne Frage an euch. Wollt ihr lieber längere Teile
(3500 bis 4000 Wörter), so wie dieser, oder eher kürzere Teile (ca. 2000
Wörter)?
Ach ja... ab dem nächsten Teil wird es Szenen aus Dracos Sicht
geben. Das wollte ich nur schnell loswerden.
Nya, schreibt mir fleißig
Reviews. Sei es nur Lob oder Kritik, ich nehme (fast)
alles.
