Diesmal gibt eine Widmung... und zwar an Ginny.
Weil sie a) mir ihre Inspiration geliehen hat und b) mich aufgemuntert hat. Auch ein liebes Dankeschön an Selina und Mael *fest knuff* ^^





Vor dem Morgengrauen




Chapter 3 – Kurzer Augenblick der Rache



Harry wusste nicht, wie lange er bereits am Boden lag aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

Er lag zusammengekrümmt, die Knie an die Brust gezogen und die Beine mit den Armen umschlungen, und war damit beschäftigt, die Augenlider so fest zuzukneifen, dass die Tränen, die schon seit einiger Zeit in seinen Augenwinkeln brannten, sich nicht lösen konnten. Denn er wusste, wenn er den dunklen Raum um sich erblicken, die Kälte und Einsamkeit überdeutlich spüren könnte, würde er die salzige Flüssigkeit nicht mehr halten können.
Zittrig atmete er die kühle Luft ein und presste die Lippen fest auseinander. Das Gefühl der Hilf- und Machtlosigkeit hatte vollkommen von ihm Besitz ergriffen. Er hatte alles verloren, was ihm je Hoffnung und Sicherheit bewahrt hatte. Erst musste er Hogwarts verlassen und damit hieß es auch, Draco ein Lebewohl zu setzten, und nun, nachdem man viel zu stark an seinem Glauben gerüttelt hatte, wurde sein Zauberstab zerstört. Einfach so. Als wäre er ein kleines Stöckchen, mit dem ein Hund zuviel gespielt hatte. War das denn normal, dass so etwas Wichtiges wie ein Zauberstab einfach zu Nichte gemacht wurde und mit ihm das letzte Mittel, mit dem er sich vor den Dursleys bewahren konnte? - Wahrscheinlich.

In Harrys Ohren hallte noch jetzt dieses seltsame Geräusch aus Knirschen und Zerreißen des Stabs wieder. Vor allem diese eigentümliche Szenerie stand ihm noch deutlich vor Augen. Vernon, breitbeinig auf dem Kieselweg stehend, beschienen vom Licht aus dem Flur, den zerfetzten Zauberstab in den Händen und dann sein rotes, Zorn- und gleichzeitig voll Befriedigung erfülltes Gesicht... Ihm lief ein Schauer über den Rücken und er zog die Schultern weiter nach vorne.
Was sollte er jetzt eigentlich tun? Er hatte keine Chance sich Morgen gegen die Fahrt in das Saint Bruto's zu wehren. Also würde er bis nach Cambridge mitfahren und versuchen, von dort abzuhauen. Alles war besser, als noch einen Tag bei den Dursleys zu verbringen oder in diese dümmliche Schule zu müssen. Dafür würde er auch auf der Straße leben... ja.

Geringfügig ermuntert von diesem Gedanken, öffnete er die Augen und löste die Hände von den Beinen. Seine feuchten Sachen raschelten leise, als er sich aufsetzte und den zerbrochenen Zauberstab aufhob. Prüfend musterte er ihn und musste sich dabei über die Augen streichen, um die Tränen zurückzuhalten. Zum Glück hatte er den Stab überhaupt mit sich genommen. Vielleicht würde man ihn reparieren können. Mr. Ollivander würde das doch bestimmt schaffen...
Doch der Glaube daran war gering und Harry war klar, dass er sich damit abfinden musste, dass sein ehemals treuer Begleiter reif für den Müll war.

Schwerfällig erhob er sich und ignorierte das schwache Schwindelgefühl und das heftige Protestieren seines leeren Magens. Er hatte fast den ganzen Tag nichts gegessen. Am Morgen lediglich die eine Toastscheibe bei den Dursleys und am Tag hatte er ein bisschen Essen an Lebensmittelständen mitgehen lassen aber insgesamt hatte das nicht gereicht, um seinen Hunger zu tilgen. Harry verzog den Mund und strich sich über seinen Bauch, um das Knurren ein wenig zu besänftigen.

Er durchquerte den Raum und ging neben seinem Bett in die Knie. Aus dem Nachtschrank kramte er einige Taschentücher und ein Paar Socken hervor, die noch nicht so alt, stinkend und zerlöchert waren. In eine von ihnen steckte er den zerbrochenen Zauberstab hinein, der lediglich noch von der Orangerotschimmernden Phoenixfeder zusammengehalten wurde. Er hätte ihn liebend gern in ein vernünftiges Behältnis getan aber er hatte nichts, was dem entsprechen könnte. Seine gesamten Sachen, speziell seine Zauberhilfsmittel und Dinge aus Hogwarts und von Freunden, wenn man sie je so hätte nennen können, waren in dem Koffer gewesen. Und der stand unten im Flur oder lag bereits in der Mülltonne oder sonst wo.

Harry hörte sich seufzen, als er seine nasse Jacke und das feuchte T-Shirt darunter auszog. Beides ließ er achtlos zu Boden fallen und befeuchtete eines der Taschentücher, um sich das getrocknete Blut aus dem Gesicht zu wischen. Mittlerweile hatte sich ein ansehnlicher Rinnsaal auf seiner linken Wange gebildet und Harry hoffte nur, dass die Wunde nicht allzu groß war. Oder doch... Denn dann würden die Dursleys mit ihm in ein Krankenhaus fahren müssen, um die Wunde nähen zu lassen. Und so wie Harry aussah, frisch aus einer Prügelei, mit blauem Auge und auch noch schmutzigen Sachen, dazu mager und dürr, da würde man die Dursleys mindestens schief anschauen. Obwohl die Situation dafür nicht die beste war, musste Harry darüber grinsen. So könnte er den Dursleys noch einmal eins auswischen, so etwas wie die letzte Rache ausüben. Nun, aber wahrscheinlich müsste schon Schlimmeres passieren, damit die Dursleys so etwas tun würden. Wahrscheinlich sollte er sich erst ein Bein brechen, beim aus dem Fenster springen, oder --

„Okay.", murmelte Harry zu sich selber und schüttelte unbewusst den Kopf, „Lassen wir das. Das hilft mir letztendlich nicht."

Sich wieder zusammenreißend, entfernte er nach und nach das angetrocknete Blut von seiner Nase, Lippen und Kinn und bemerkte gar nicht, dass er teilweise so stark auf der Haut scheuerte, dass seine Hautabschürfungen wieder aufplatzten. Erst als er das frische Blut in den Taschentüchern entdeckte, ging er sanfter vor und versuchte, seine gereizte Haut nicht unnötig zu strapazieren.

Als er halbwegs fertig war, ließ er den Blick durch das Zimmer schweifen und blickte durch das vergitterte Fenster. Glücklicherweise waren es nur große Gitterstäbe, so dass Hedwig hindurch passte und den Privet Drive verlassen konnte, wann sie wollte. Harry konnte sich nicht mehr erinnern, wann Vernon diesen unsinnigen Schutz wieder eingebaut hatte. Es musste im letzten Sommer gewesen sein aber er war sich dessen nicht sicher.
Harry fiel auf, dass der Himmel recht sonderbar aussah. Zumindest das, was er davon sah, denn noch immer schwebten dunkle Wolken am Firmament und ließen nicht viel erkennen. Allerdings schien es ihm so, als flimmerte die Luft ein wenig. Fast so, als wäre es zu warm draußen oder, als hätte jemand ein Feuer vor dem Haus entzündet.

Harrys Augen weiteten sich bei dem Gedanken an ein Feuer entzündet. Schnell erhob er sich wieder, trat zum Fenster und öffnete es. Sofort schlug ihm der Geruch von Spiritus, verbranntem Paper und Holz entgegen und seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich... Als er den Kopf nach vorne schob, um durch die Gitterstäbe blicken zu können, sah er seinen Onkel, wie er unten im Garten stand, neben ihm der Gartengrill, aus dem Flammen empor züngelten.
Harrys Mund öffnete sich voller Entsetzen und seine Augen weiteten sich. Das konnte doch nicht wahr sein! Am Boden, nahe bei Vernon und dem angezündeten Grill, stand sein Koffer, geöffnet wohl bemerkt, und es fehlte bereits ein paar Dinge, wie er erkennen konnte.

„Was machst du da?! Hör sofort auf damit!", schrie er Vernon zu, bevor er auch nur darüber nachgedacht hatte.

Vernon blickte nicht auf, es schien fast so, als hätte er erwartet, dass Harry früher oder später sein Tun bemerken würde; es schien, als hätte er es beabsichtigt. Demonstrativ hob er eines von Harrys Schulbüchern auf, öffnete es und riss nacheinander die Seiten aus und ließ sie auf die Flammen im Grill fallen.

Harry spürte, wie sich seine Finger um die Gitterstäbe legten und er zupackte, so fest er konnte. Vielleicht war es Einbildung, aber er hatte dabei nur zu deutlich das Gesicht und den fleischigroten Hals seines Onkels vor sich. Ihm war klar, dass er so viel toben konnte, wie er wollte; aber etwas ausrichten gegen Vernon, ihn sogar davon abhalten, seine Bücher und sämtliche Gegenstände aus der Zauberwelt zu verbrennen, das konnte er nicht. Trotzdem wich ihm ein Knurren über die Lippen und er wünschte sich nichts sehnlicher, als nach unter stürmen zu können und sich dafür zu rächen, was ihm jemals angetan worden war und wurde.

Wütend wandte er sich schließlich mit einem leisen Schrei ab und ließ seinen Zorn am nächst besten Gegenstand aus, den er erblickte. Und das war ein Schrank. Mit voller Kraft trat er mehrmals dagegen und es war ihm egal, dass das hohe Möbelstück bedrohlich wackelte und nahe war, umzukippen. Doch bevor es dazu kam, wechselte er zu dem Regal, in dem Dudleys kaputte Spielsachen und unberührte, verstaubte Bücher standen, und stieß die Sachen verärgert zu Boden. Einige Dinge, wie ein altes Radio und kaputte Modellflugzeuge erhielten einen kräftigen Tritt, der sie laut gegen die Wände krachen ließ. Harry hoffte, dass man den Lärm bis unten hin hören würde. Sollten die Dursleys doch wissen, dass er sich von ihnen nichts mehr gefallen lassen würde.
Er tobte noch einige Minuten weiter durch das Zimmer und ließ seinen Groll an der Zimmereinrichtung aus und war gerade damit beschäftigt, ein paar Bücher zu zerfetzen, als die Zimmertür plötzlich aufgeschlossen und so heftig geöffnet wurde, dass die Angeln quietschend protestierten. Harry hielt augenblicklich inne und blickte auf.

Es war nicht schwer zu erraten gewesen, dass Vernon in der Tür stand. Sein Kopf ruckte hin und her und nahm die Ausmaße von Harrys Wutanfall auf, bis er schließlich den Verursacher selbst mit seinen kleinen, boshaft funkelnden Schweinsaugen fixierte. Sein Mund war zu einer schaurigen Grimasse verzogen und eine Ader auf seiner Stirn pulsierte gefährlich, als wäre sie dem Bersten nahe.

Harry stand bewegungslos dort, wo er vorher auch gestanden hatte, und ließ nach einigen Sekunden der Stille absichtlich das Buch in seinen Händen fallen. Das Zusammentreffen mit dem Boden erschien unnatürlich laut und es reichte wohl auch aus, um Vernon aus seiner kurzen Starre zu erwecken. Polternd nahm er drei Schritte in Harrys Richtung.
„Was fällt dir eigentlich ein, du elende Missgeburt? Was fällt dir ein, unser Eigentum zu beschädigen!? Wir haben –-"

„Was machst du denn, huh? Du verbrennst mein Eigentum! Da ist es doch nur gerecht, wenn ich euers auch zerstöre!"

Vernon grollte bedrohlich.
„Treib es nicht auf die Spitze! Du kannst es dir gar nicht leisten, mir andauernd zu widersprechen; also rate ich dir, dass du lieber sofort deine verdammte Klappe hältst!"

Harry lachte lediglich leise. Er würde nicht mehr klein bei geben. Die Dursleys sollten ihn guter Erinnerung behalten. „Ach, und was passiert, wenn ich nicht die Klappe halte. Schlägst du mich dann noch einmal bewusstlos? Willst du mir so Respekt einflößen oder was?"

Harry sah, wie sich Vernons rechte Hand zu einer Faust ballte und ihm war klar, dass diese fleischigen Handmassen gleich auf ihn nieder krachen würden. Vernon bewegte seinen massigen Körper auf Harry zu, der diesmal vorbereitet war und sich unter der vernichtenden Faust duckte. Das alles geschah innerhalb weniger Augenblicke und die Ruhe, die danach einkehrte, erschien viel länger anzudauern.
Harry spürte, wie sich ein Lächeln in dieser unangebrachten Situation auf seine aufgeplatzten Lippen schlich. Vernon stand schnaubend über ihm, seine Nasenflügel blähten sich bei jedem Atemzug, und der schwarzhaarige Junge, Der Zweifellos Lebte, sah, dass Vernons Miene sich sehr arg geändert hatte. So etwas wie Ungläubigkeit, Entsetzten und Furcht war deutlich zu erkennen.

„Na? Überrascht?", hörte Harry sich sagen, aber er konnte seine Stimme nicht wieder erkennen. Sie klang wie ein einziges Zischen. „Tja, nicht jeder ist so fett und lahm wie du oder Dudley!"

Vernon zuckte bei diesem Kommentar sichtbar zusammen und öffnete den Mund, doch ihm fehlten schlicht und ergreifend die Worte. Er starrte Harry sekundenlang an, ehe er den Arm zurückzog und ein Stück zurück wich. Seine plötzlich enorm geweiteten Augen glotzten so dumm und ungläubig wie eh und je, zumindest kam es Harry so vor.

„D-du... hast... W-was soll da-das?", stotterte Vernon schließlich.

Harry verstand erst nicht, doch dann entsann er sich, dass er nicht mit menschlicher Stimme gesprochen hatte.

Es verstrichen noch einige Momente, in denen sich keiner der beiden rührte, doch letztendlich lief Vernon vorsichtig und langsam rückwärts zur Tür, beobachtete den schwarzhaarigen Jungen dabei gründlich, als ob er ihm jede Sekunde an den Hals springen könnte. Und wenn er gewusste hätte, dass Harry auch nahe dran war, genau dies zu tun, dann wäre er aus dem Zimmer gestürmt, anstatt geschlichen.

Harrys befriedigtes Lächeln wollte nicht von den Lippen weichen, als Vernon die Tür hinter sich zumachte und wieder abschloss. Ein ungemeines Glücksgefühl sprudelte in ihm auf, da er wenigstens einmal Rache hatte üben können. Vernon hatte doch tatsächlich aufgegeben. Diese Worte hörten sich eigentümlich in seinem Kopf an und auch, als er sie leise vor sich hin flüsterte, klangen sie seltsam.
Harry lachte leise und freute sich innerlich über seinen kleinen Triumph. Er löste sich aus seiner abwehrenden Haltung, die er die ganze Zeit über bewahrt hatte, und trat an das geöffnete Zimmerfenster. Noch immer stieg Rauch vom Grill empor aber er achtete nicht weiter darauf, wühlte stattdessen in seiner linken Hosentasche und zog ein schmales, langes Band hervor. Liebevoll und fast ehrfürchtig ließ er die Finger über das samtene Material gleiten und schloss dabei die Augen.
Nur für ihn würde er sich nicht aufgeben. Nein, er würde durchhalten und das tun, was ihm eigentlich bestimmt war und dann würden sie sich wieder sehen...








„Bist du fertig?"

Draco blickte auf, als er urplötzlich die ungerührte Stimme hinter sich vernehmen konnte. Er konnte seinen Vater in der spiegelnden Fensterscheibe ausmachen.

Lucius stand mitten im Durchgang der Zimmertür und hatte sich gegen den hölzernen Rahmen gelehnt, die Arme locker vor der Brust gekreuzt. Sein Gesicht war unbewegt wie immer und das blonde, kurze Haar fiel ihm tief in die Stirn.

Draco senkte den Blick wieder und starrte auf seine Hände, die sich an der Fensterbank abstützten. Er fühlte, dass seine Finger langsam taub wurden vor Schmerz, da er sie so fest gegen das Holz presste, dass die Knöchel hell hervor traten. Resignierend lockerte er sie und starrte die Spieglung seines Vaters an. Lucius stand so still und ohne Regung da, als ob kein Leben ihm inne wohnte. Nicht einmal seine Brust schien sich beim Atmen zu Senken gar zu Heben. Und dennoch strahlte er eine solche Kälte aus, so lebendig, dass Draco dabei hätte schwindelig werden können...

„Ich bin fertig.", sagte Draco tonlos. „Wir können los."

Mit diesen Worten wandte er sich vom Fenster ab, sein eigenes bleiches Spiegelbild bewusst ignorierend, und trat auf die Tür seines Zimmers zu. Doch Lucius, der seine Position nicht geändert hatte, schob sich seinem Sohn in letzter Sekunde in den Weg und umfasste grob Dracos rechten Oberarm, um ihm keine Ausweichmöglichkeit zu lassen. „Warte noch. Wir haben zu reden, Draco."

Selbiger hasste es, wenn sein Vater seinen Namen übertrieben betonte. Düster blickte er auf und starrte Lucius in die hellblauen Augen, versuchte zu lesen, wo es nichts zu lesen gab. „Ich wüsste nicht worüber, Vater." Für einen Augenblick schienen Lucius' Mundwinkel amüsiert zu zucken, doch Draco beschloss, dass dies genauso gut eine Sinnestäuschung seinerseits gewesen sein könnte.

„Oh, du weiß sehr gut, was es bereden gib, mein Sohn. Du weißt es sicherlich besser als ich."










Author's Note:
Cliff-Hanger ahoi, sag ich nur...^^
Sorry, dass es so lange gedauert hat, aber ich konnte mich einfach nicht aufrappeln (dazu kam diverser anderer Stress und Zeitmangel. Das übliche eben) Also Sorry nochmals.
Was den Teil betrifft, purer Übergang. Nächster Teil wird sich wohl größtenteils mit Draco beschäftigen und dann kommt Harrie auch endlich vom Privet Drive los.