Kapitel 5: Horae vulnernant, ultima necat

Die letzte Ferienwoche nutzte Charis um ihre Hausaufgaben zu erledigen, Spaziergänge mit Margarethe zu machen und den Abend mit Snape im Klassenzimmer zu vergessen. Sie war gut darin, Emotionen und Geschehnisse einfach in eine der hintersten Schubladen ihres Gehirns zu schließen und zu vergessen.

Auch begann sie damit, einen , Schlachtplan ' für ihre Überwachungen auszufeilen. Sie bezweifelte, dass Snape Hogwarts früher als 22 Uhr verließ, das war die offizielle Bettruhe für Schüler, sodass er sich sicher sein konnte, dass keiner mehr auf war. Und selbst wenn konnte er den oder die ins Bett schicken, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Das hieß, dass sie eine Möglichkeit finden musste, sich so zu verstecken, dass Snape sie nicht fand. Nur wie konnte sie das anstellen? Sie besaß keinen Tarnumhang, um sich unsichtbar zu machen und eine Animagus - Ausbildung hatte sie auch noch nicht. Da kam ihr ein Gedanke.

Am Freitag fragte Lagston sie vorsorglich, ob sie es für ungefährlich hielt, mit ihren Treffen einfach wie gewohnt weiterzumachen.,, Nein," erwiderte sie, während sie die falsche Schildkrötensuppe löffelte, die als Vorspeise zum Abendessen serviert wurde.,, Wahrscheinlich hast du Recht," seufzte Lagston.,, Wir sollten besser zwei - drei Wochen warten, bevor wir unsere Aktivitäten wieder aufnehmen. Auch wenn ich es kaum erwartet kann, das nächste Kapitel durchzunehmen." Er grinste schief. Charis nickte, innerlich erfreut. So würde es für sie kein Problem werden, sich heute hinter Snape herzuschleichen.

Um Punkt 21:45 Uhr schlich Charis sich in eine dunkle Ecke von Hogwarts, überprüfte ob auch ja keiner in der Gegend war und wandte einen Verwandlungsfluch an, den sie extra noch einmal im Contra legem nachgeschlagen hatte. Kaum hatte der Fluch seinen Zweck erfüllt, stakste sie klirrend in Richtung Eingangshalle und nahm ihren Platz direkt neben einem Ritter an der Eingangstür ein.

Es war 22:45 Uhr, als das Mal auf Severus Snapes Arm plötzlich anfing zu brennen. Sorgfältig verstaute er die sechs Eiltränke in einer Tasche in seiner Robe und ging den Slytheringang hinauf zur Eingangshalle. Verdutzt erblickte er an der linken Seite des Tores zwei anstatt nur einem Ritter und einer von ihnen saß wie erschöpft auf dem Boden. Schon früher war ihm aufgefallen, dass die Ritter manchmal ihren Platz zu wechseln schienen, doch noch nie war es so auffällig gewesen. Achselzuckend verschwand er durch das Tor in der dunklen Nacht.

Die Versammlung der Todesser war um ein weiteres Mitglied gewachsen. McNair hatte seinen persönlichen Sekretär ( Snape fragte sich, wieso ein Henker einen Sekretär brauchte), einen Mann Mitte Zwanzig mit kränklicher Gesichtsfarbe, eine Brille und bereits schütterem Haar mitgebracht, der nervös vor dem dunklen Lord kniete, während Crabbe seine Zeichnung vornahm. Er schien weitaus empfindlicher zu sein als es dieser Sanctur gewesen war, denn als Crabbe ihm einen unschönen Schnitt verpasste, der eher eine Meereswelle im Sturm ähnelte als einer Schlange, schrie er verblüfft und vor Schmerzen auf. Der dunkle Lord grinste sein unheimliches Lächeln. Snape wusste, dieser Mann würde vermutlich nicht lange Todesser sein, bevor er geschnappt wurde. Er hatte kein Stehvermögen.

Nachdem der Neue zitternd und sich den Arm haltend zurück in den Kreis getreten war, wandte Voldemort sich Snape zu:,, Hast du die Eiltränke dabei, Severus?" fragte er und der Angesprochene nickte. Voldemort bedeutete ihm, sie Wurmschwanz zu übergeben. Danach machte der dunkle Lord eine lang erwartete Ankündigung:,, Unser erster Angriff ist für übernächsten Freitag geplant. Ich werde nächste Woche sechs von euch auserwählen, die von mir nähere Instruktionen erhalten werden und den Auftrag absolvieren sollen. Ihr könnte gehen." Wie immer verließen sie zunächst das Schloss und apparierten dann. Snape kam in der Nähe des Verbotenen Waldes wieder zum Vorschein. Eine auserwählte Gruppe. Würde er darunter sein? Oder war Voldemort weiterhin zu misstrauisch, um ihm zu vertrauen? Schließlich wusste er bis jetzt weder Ziel noch genaue Uhrzeit der Mission.

In Gedanken versunken betrat er wieder das Schloss, ein Blick auf seine Taschenuhr verriet ihm, dass es erst 23:34 Uhr war. Das Treffen hatte kürzer gedauert, als er angenommen hatte. Er warf einen Blick nach links, der zweite Ritter stand kerzengerade wie eine eins neben seinem Kumpanen. Ein leises Lächeln umspielte Snapes Lippen, als er sich auf den Weg zurück in den Kerker machte.

Erst um 24:00 Uhr entschloss sich Charis, die große Halle zu verlassen. Hätte Snape tatsächlich wichtige Informationen für Dumbledore, hätte er sie dem Direktor bestimmt schon mitgeteilt. Den Gegenspruch für ihre Verwandlung allerdings sprach sie erst, als sie im Gemeinschaftsraum eintrat. Keiner ihrer Klassenkameraden war noch wach. Sie schüttelte sich, als sie endlich wieder in ihrer richtigen Haut steckte. Die Rüstungen der Ritter aus dem Mittelalter waren aber auch ziemlich unhandlich.

Am nächsten Morgen war Severus Snape wie immer einer der Ersten, der sich an den Frühstückstisch begab. Als sein Blick zu den Rittern am Eingangstor glitt, hob er verblüfft eine Augenbraue. Es waren nur noch zwei, einer an jeder Seite. ,, Vielleicht ein abendliches Stelldichein," dachte er amüsiert, bevor er die Große Halle betrat.

Auch Charis zählte zu den Frühaufstehern. Mit Margarethe saß sie am Frühstückstisch und spielte mit ihrem Löffel in ihrem Müsli. Entweder Snape war kein Spion oder er hatte einfach nichts Besonderes zu berichten gehabt. Wenn sich nächste Woche nichts Anderes herausstellen würde, würde sie eine Eule an Virgil schreiben und ihn fragen, wie oft sie Snape überwachsen sollte, damit er an seine Unschuld glaubte.

Selbstverständlich wurde nie ein Brief mit solchem Inhalt verschickt.

,, Alle bis auf Malfoy, McNair, Sanctur, Snape, Grabbe und Goyle können gehen," sagte Voldemort. Snape atmete auf. Er war im Team. Der dunkle Lord sah sie kühl an.,, Ich gebe euch nun eure Instruktionen," erklärte er.,, Nächsten Freitag werdet ihr euch um 24 Uhr vor diesem Gebäude versammeln. Euer Auftrag ist es, ein Exempel zu statuieren, damit diese Trottel im Ministerium endlich begreifen, dass ich wieder auferstanden bin. Einigen von euch ist sicher Goodys Errit noch ein Begriff." Snape glaubte, sich an eine Aurorin mit diesem Namen zu erinnern, die einige von Ihnen mit ihrem Team gefangen und nach Askaban gebracht hatte.,, Sie müsste mittlerweile an die siebzig Jahre alt sein, doch sie ist eine hervorragend ausgebildete Aurorin," fuhr Voldemort fort, ,, Tötet sie, sodass es keinen Zweifel gibt, dass der Mord meine Handschrift trägt. Hinterlasst ein dunkles Mal und von mir aus auch eine Warnung. Aber seid um jeden Preis erfolgreich."

Snape wusste, dass ihr Versagen schmerzhafte Konsequenzen haben würde, dennoch machte er sich, als er um kurz nach Zwölf Hogwarts wieder betrat, direkt auf den Weg zu Dumbledores Büro. Charis folgte ihm und positionierte sich in dem Gang, der zu dem Büro des Direktors führte. Dort wartete sie, bis Snape dieses wieder verließ. Hätte er sich umgesehen, hätte der zweite, eigentlich nicht da sein sollende Ritter ihn sicherlich stutzig gemacht, obwohl er diesmal an einer anderen Stelle stand. Doch er sah sich nicht um. Er hatte ausnahmsweise einmal gute Laune; zum Einen konnte er Dumbledore endlich wieder von Nutzen sein, zum Anderen war der dunkle Lord scheinbar auf seine Taktik angesprungen.

Nachdem Snapes Schritte in dem Gang verhallt waren, suchte Charis so schnell wie möglich ihren Schlafsaal auf. Irritiert lag sie auf ihrem Bett, den Kopf auf ihre Hände gestützt. Es sah so aus, als gebe Snape tatsächlich Informationen weiter. Doch konnte sie sich sicher sein? Virgil konnte damit wahrscheinlich mehr anfangen, also schrieb sie ihm.

Lieber Virgil!

Heute Nacht habe ich beobachtet, wie Snape direkt nach dem Treffen zu Dumbledore gegangen ist. Leider habe ich keine Ahnung, worüber er mit ihm gesprochen hat. Glaubst du, er ist tatsächlich ein Spion? Wie soll ich nun weiter vorgehen?

Charis

Die Antwort kam am Montag, hastig gekritzelte Zeilen, die sie nur schwer entziffern konnte:

Liebe Charis!

Deine Botschaft ist angekommen. Gibt es außerhalb von Hogwarts einen sicheren Platz, wo wir uns Freitagnacht gegen 23 Uhr treffen können? Unser weitere Vorgehensweise würde ich dir lieber wieder unter vier Augen erklären und so schnell wie irgend möglich!

Virgil

Charis dachte nach. Gab es einen solchen Platz? Sie warf einen Blick zu Margarethe, die neben ihr saß. Sollte sie sie einfach fragen? Warum nicht? Nach der Stunde zog sie das Mädchen in eine abgeschiedene Ecke:,, Margarethe, ich brauche deine Hilfe," flüsterte sie. Deren Augen weiteten sich gespannt.,, Für was?" fragte sie.,, Nun, ich habe am Freitag so etwas wie eine Einladung zu einem Rendezvous." begann Charis. Margarethe begann wissend zu Grinsen.,, Mit einem Jungen aus Durmstrang. Nicht Virgil," fuhr die junge Frau fort, ,, Und na ja, ich wollte dich fragen, ob es auf dem Schulgelände einen Platz gibt, wo er apparieren und wir uns ungestört treffen könnten." ,, In der Tat weiß ich einen," antwortete Margarethe, ,, Einige Meter von der Peitschenden Weide entfernt, am Anfang des Verbotenen Waldes, kann man apparieren. Dieser Platz ist außerdem ausreichend weit weg von Hagrids Hütte und dem Schloss." ,, Danke. Am Samstag lade ich dich zu einem Butterbier ein. Versprochen," meinte Charis und zwinkerte ihrer Schulkameradin zu."

Etwas später schickte sie eine Eule nach Durmstrang, in der sie Virgil aufforderte, pünktlich um 23 Uhr am besagten Platz zu sein.

Mittlerweile hatte Charis ja bereits eine perfekte Möglichkeit gefunden, sich im Schloss fortzubewegen und aus dem Schloss herauszukommen stellte also auch kein Problem da. Genau um 23 Uhr stand sie an dem von Margarethe empfohlenen Platz und wartete auf Virgil, während sie sich fragte, wie Margarethe diesen Platz gefunden hatte. Bei dem Gedanken, dass sich ihre Freundin ( Charis konnte nun wohl behaupten, dass sie befreundet waren) hier auch schon einmal verabredet hatte, musste sie unwillkürlich grinsen. Virgil erschien kurz darauf einige Meter vor ihr.,, Charis!" sagte er und umarmte sie flüchtig. Sie hatte extra den Reiseumhang umgelegt, den er ihr geschenkt hatte. Sein kurzes, anerkennendes Lächeln verriet ihr, dass er s bemerkt hatte. Dann wurde seine Miene plötzlich hart.,, Charis, wir haben nicht viel Zeit. Sag mir, vertraust du mir?" Seine Frage verblüffte sie. ,, Natürlich vertraue ich dir, Virgil, mehr als jedem anderen." Er nickte zufrieden. ,, Wir müssen apparieren, wohin kann ich dir noch nicht verraten. Halte dich einfach an mir fest, wenn wir den Apparationsspruch sprechen." Verwundert sah Charis ihn an.,, Aber." ,, Charis! Wir haben nicht viel Zeit. Wenn du mir vertraust, dann tu, was ich dir sage." Langsam griff Charis nach seinem Arm.,, Gut," meinte er mit einem halben Lächeln. Der jungen Frau war alles andere als wohl bei der Sache. Was wollte er von ihr? Sie verlor nicht nur den Überblick, sondern auch noch die Kontrolle. Als sie zusammen apparierten, wünschte sie sich auf einmal, Margarethe hätte keinen Platz gewusst, wo sie und Virgil sich hätten treffen können.

Sie desapparierten in einem düsteren, wenig einladenden Wald. Charis wollte eigentlich fragen, wo sie waren, doch Virgils Gesichtsausdruck hielt sie davon ab. Sie folgte ihm durch den Wald bis sie ein altes Herrenhaus erreichten, dem die Dunkelheit einen bedrohlichen Anstrich verlieh. Vor der Eingangstür standen 4 weitere Männer, die Masken vor ihrem Gesicht hatten und schwarze, unauffällige Umhänge trugen. Einer von ihnen, dessen blonder Haarschopf hinter der Maske hervorlugte, fragte Virgil:,, Ist sie das?" Virgil nickte.,, Ja." Charis bildete sich ein zu sehen, wie der Mann hinter der Maske grinste.,, Miss Marcioso, es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen. Vor allem unter diesen Umständen." Der Mann neben ihm stieß einen kehligen Lacher aus und sagte:,, Schätze, Sie werden uns eine verdammt große Hilfe sein, heut Abend." Heillos verwirrt warf die junge Frau Virgil einen Blick zu, der ebenfalls grinste.,, Komm," forderte er sie auf und ging mit ihr zur Tür.

,, Oderint dum metuant!" sagte er und die Tür sprang auf.,, Virgil - wo sind wir und was zur Hölle geht hier vor?" fragte Charis, neugierig aber auch wütend.,, Wir sind in Voldemorts persönlicher Festung," erklärte Virgil während sie eine Treppe hinaufgingen, ,, Unserem Treffpunkt." Charis blieb abrupt stehen.,, Du hast mir nicht gesagt, dass ich heute bereits eingewiesen werde," meinte sie. Virgil lächelte. ,, Das wusste ich vorher auch noch nicht, bis deine Eule mich erreichte." Er ging weiter und sie folgte ihm, widerwillig zwar, doch schließlich hatte sie mit einer Nacht wie dieser rechnen müssen.,, Was hat meine Eule damit zu tun?" fragte sie dennoch irritiert.,, Später," antwortete ihr Freund und öffnete eine Tür. Sie betraten den Versammlungsraum der Todesser.

Auf seinem thronähnlichen Stuhl saß Lord Voldemort. Als Charis ihn erblickte, wich sie automatisch ein Stück zurück.,, Miss Marcioso - du bist deinen Eltern buchstäblich wie aus dem Gesicht geschnitten. Beide waren treue Diener meinerseits. Ich hoffe, du wirst Ihre Ehrentaten fortsetzen," begrüßte Voldemort sie mit einem Lächeln, dass ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Sie war unfähig zu antworten, doch anscheinend schien der dunkle Lord das auch nicht zu erwarten.,, Virgil. Ich hoffe sehr, dass sie deine Anschuldigungen beweisen kann," sagte er. Virgil verbeugte sich.,, Ich bin mir sicher, dass sie es kann." Charis sah ihren Freund an. Anschuldigungen? Welche Anschuldigungen konnte sie denn. In jenem Moment, wo sie eine entsetzte Gewissheit befiel, betraten die vier Männer von draußen den Raum, in der Mitte führten sie einen anderen Todesser, der seine Verwirrung zwar gut überspielte, sie man aber trotzdem in seinen Augen lesen konnte.,, Snape," sagte Voldemort leise, seine Stimme versehen mit einem gefährlichen Klang,

,, Schön, dass du uns mit deiner Anwesenheit beehrst." Der Zaubertränkelehrer schwieg, doch als sein Blick auf Charis fiel, die neben Virgil stand, formte sein Mund sich zu einem verblüfften Ausdruck.,, Er also," sagte Snape. Nun wusste er, von wem sie ihre Informationen erhalten hatte.,, Sanctur hat schwere Vorwürfe gegen dich erhoben," erklärte Voldemort in einer Art Plauderton, doch seine Augen verrieten weiterhin die Gefährlichkeit der Situation.,, Und welche?" fragte Snape ruhig, seine Augen weiterhin auf Charis gerichtet, die zum ersten Mal seinem Blick auswich.,, Er sagte, Miss Marcioso könnte bezeugen, dass du nach unserem Treffen am letzten Freitag direkt zu Dumbledore gelaufen bist. Sollte dies der Fall sein, dann ist natürlich unbestreitbar, dass du ihm von unserem für heute geplantem Vorhaben erzählt haben musst, was bedeutet, dass du ein Verräter bist. Schon wieder." ,, Ich habe keine Informationen weitergegeben," zischte Snape, seine Augen nun auf Voldemort gerichtet. Dieser drehte sich um.,, Miss Marcioso?"

Charis stand dar, sah erst Virgil an und dann Snape. So hatte sie sich ihr weiteres Vorgehen nicht vorgestellt. Ihre Gedanken schweiften zu dem Abend im Klassenzimmer, als sie Snape geküsst hatte. Die Gefühle - Verlangen, der Beginn von Liebe - schwangen wieder auf und sie zögerte. Sie wusste welche Antwort von ihr erwartet wurde, welche sie Virgil eigentlich schuldig war. Doch spielte es eine Rolle? Wieso sollte sie Snape verraten? Selbst wenn sie es nicht tat, würde wahrscheinlich bald ein dunkles Mal wie Virgils ihren linken Unterarm zieren. Alle sahen sie an, auch Snapes Augen bohrten sich wieder in die ihren.,, Was wirst du tun?" fragten sie stumm. Charis war sein Henkersknecht, sollte sie beschließen, ihn zu verraten, würde er zweifelsohne sterben.

Plötzlich beugte sich Virgil ganz nahe an sie heran.,, Charis, wenn er schon damals ein Verräter war und Informationen über Missionen weitergegeben hat," flüsterte er in ihr Ohr, seine Stimme klang freundschaftlich und dennoch auffordernd, ,, Dann hat er höchst wahrscheinlich auch deine Eltern verraten. Dann ist er schuldig an ihrem Tode." Mehr brauchte er nicht zu sagen, er wusste es und Charis wusste es auch. Snapes Blick standhaltend, sagte sie:,, Ja, ich habe gesehen, wie er in Dumbledores Büro verschwand." Voldemorts Mund kräuselte sich zu einem schrecklichen Lächeln.,, Crucio!" Erst als der Fluch Snape, vor Schmerzen schreiend, auf den Rücken warf, löste er den Augenkontakt mit ihr.

Als auch die anderen fünf anwesenden Todesser begannen, ihre Flüche auf Snape zu werfen, verließ Charis das Zimmer. Sie rannte den Korridor entlang, die Treppe herunter und hinaus. Nach einigen Metern fiel sie auf die Knie, in das warme Gras hinein. Obwohl sie versuchte, jegliche Regung zu unterdrücken, fanden einzelne Tränen den Weg über ihre Wangen und tropften auf ihre Handrücken.,, Sie Bastard!" rief sie, versuchte sich vorzugeben, dass sie wegen ihrer Eltern weinte, doch in ihrem Kopf wiederholte sich immer wieder die Szene, als ihre Lippen Snapes trafen.

Als Virgil etwa eine halbe Stunde später herauskam, um nach ihr zu suchen, saß sie, den Rücken an die Hauswand gelehnt, völlig regungslos im Gras.,, Charis?" Sie sah zu ihm auf. In ihren Augen spiegelten sich keinerlei Gefühle.,, Seid ihr fertig?" fragte sie. Virgil grinste.,, Allerdings. Dieser Verräter hat bekommen, was er verdient hat. Die Schmerzen werden ihn wahrscheinlich noch ins Jenseits begleiten. Der dunkle Lord selbst setzte ihm schließlich ein Ende. So ein starker Avada - Kedavra Fluch ist mir noch nicht unterkommen," erwiderte er.,, Gut," meinte Charis. Ihr Freund streckte ihr die Hand hin.,, Komm, Lord Voldemort wartet auf dich. Du hast dich als sehr geeignet erwiesen. Du wirst sofort eingeweiht werden." Charis ergriff seine warme Hand und folgte ihm wieder hinein zu dem Versammlungsraum. Snapes Leiche lag in einer Ecke und selbst im Tode konnte Charis den unendlichen Schmerz aus seinen weit geöffneten Augen ablesen. In ihrem Inneren krümmte sich etwas zusammen.,, Miss Marcioso, du hast uns heute Abend einen großen Dienst erwiesen," sagte Voldemort.,, Knie nieder und du wirst unser Zeichen empfangen." Folgsam kniete die junge Frau nieder. Sie bemerkte kaum, als Malfoy ihr mit dem Messer eine Schlange in den Arm ritzte, auch nicht als diese sich in das dunkle Mal verwandelte. Als die Prozedur vorbei war und sie wieder aufstand, fragte Voldemort:,, Und, wie fühlst du dich nun als wahrhaftiger Todesser?" ,, Gut." Charis wusste, dass dies eine Lüge war, denn was sie fühlte war auf keinen Fall Zufriedenheit. Es war ein dunkles, schwermütiges Gefühl. Charis hielt es schlussendlich für Angst oder auch Trauer.

Viel später erst sollte sie herausfinden, dass es das Gefühl war, dass jedes Wesen beschleicht, wenn es im tiefsten Unterbewusstsein weiß, dass es womöglich den größten Fehler seines Lebens gemacht hat.

The End

A/N: : Horae vulnernant, ultima necat heißt: Die Stunden verletzen, die letzte tötet.