Neue Erkenntnisse
Endlich, kurz vor 15 Uhr, faßte er sich ein Herz und ging zu Angela hinüber. Sie begrüßte ihn lächelnd per Handschlag. Im Gegensatz zum Unterricht war sie geschminkt, außerdem trug sie ein kurzes Kleid, das ihm sehr gut gefiel. "Habe ich mich mit dem Alter verschätzt?" rumorte es in Wesley`s Kopf. "Egal!"
"Na, Herr Fremdenführer? In welche Ecke der Stadt wollen Sie mich entführen?"
"Ich dachte, daß der Zoo ganz interessant sein würde. Einige Tiere habe ich selbst lange nicht mehr gesehen," unterbreitete er seinen Vorschlag.
"Prima. Hier ist für mich alles neu. Ich wette, die meisten Tiere werde ich nicht mal vom Namen her kennen. Für alle Fälle habe ich meine Fotokamera."
Bei diesen Worten zeigte sie auf einen Gegenstand, der Wesley in dieser Form unbekannt war. So gingen sie los. Das Wetter war für diesen Ausflug genau richtig: nicht zu warm und keine Wolke am Himmel. Am Eingang des Zoos bekamen sie einen Ohrstecker. Egal ob man sich an den Rundgang hielt oder kreuz und quer wanderte: das Gerät empfing ein Signal von dem Käfig, daraufhin begann es die passende Information wiederzugeben.
Angela schien noch nie so einen Zoo gesehen zu haben, wunderte sich Wesley. In Deutschland gab es das doch auch: Zapkys, Banthas, Schaboas und fliegende Saurier. Einzig die riesigen Herrscher der Lüfte hatte Wesley auch noch nie gesehen. Der Planet Range III war erst vor kurzem entdeckt worden. Es war eine junge Welt mit riesigen Ozeanen und Sauriern aller Art. Da die Atmosphären ähnlich waren, hatte man einige zur Erde geflogen, wo sie einzeln gehalten wurden. Die Quote für die Vermehrung hatten die Wissenschaftler noch nicht durchschaut. So hielten sie es für besser, kein Risiko einzugehen.
Nach der Hälfte des Umgangs waren die beiden dann doch etwas K.O.. So suchten sie sich ein Restaurant, dessen Speisekarte so exotisch wie der Zoo selbst war.
Es gab viele Delikatessen über die sich Angela wunderte: "Vulkanisches Eis hört sich geheimnisvoll an. Das nehme ich."
Wesley gab dem irdischen Eis den Vorzug: "Ich wußte gar nicht, daß Vulkanier Eis kennen. So wie ich die Rasse einschätze, ist es bestimmt ohne Geschmack."
Das machte Angela nur noch neugieriger. So bestellten beide am Replikator ihr Eis. Mit gewohnter Schnelligkeit kamen die Köstlichkeiten zustande. Mit ihrem Tablett in den Händen suchten sie nach einem freien Platz im Schatten. Wesley begann genüßlich sein Eis mit Früchten zu essen, dabei schaute er immer wieder zu Angela.
"Wie schmeckt es?" fragte Wes nach einer Weile.
"Gut, sehr gut," lobte Angela ihre Wahl. "Auch wenn die Farben nicht zum Geschmack passen. Probier mal." Dabei nahm sie ein bißchen blaues Eis und fütterte ihren Begleiter. Es schmeckte nach Erdbeere und süß war es auch. Das braune erinnerte an Pfirsich, rot an Waldmeister, grün schmeckte wie Schokolade. Es war schon verrückt oder hatte der Replikator eine Fehlfunktion?
Den zweiten Teil genossen die beiden, obwohl sie meist schweigend die Tiere bewunderten. Wesley suchte ab und zu ihre direkte Nähe. Irgendwann nahm er zögernd ihre Hand. Als Angela ihn verwundert ansah, drückte er nur noch fester zu, als hätte Wesley Angst, seine Begleitung zu verlieren.
Gegen 19 Uhr waren sie fertig. Das Abendessen wollten sie am Fluß zu sich nehmen. Ein Lokal war bei den Kadetten besonders beliebt. Sie entschieden sich für einen Tisch, der einen direkten Blick auf die Flußlandschaft bot. Die goldenen Blätter und das ruhige, blaue Wasser wurden von der untergehenden Sonne gut beleuchtet. Ein Kellner kam an den Tisch und begutachtete Wesley Crusher kritisch: "Sie sind Kadett der Sternenflotte?" fragte er sodann.
"Ja! Ist das so wichtig?" wollte Wesley wissen.
"Von euch haben wir seit dem Vorfall von vor fünf Wochen die Nase voll." erklärte der Kellner seinen Mißmut.
"Ich passe schon auf, daß sich mein Begleiter benimmt ." mischte sich Angela ein.
"OK!" gab der Kellner zögernd seine Zustimmung. Er gab ihnen die Speisekarte und ließ sie allein.
Die Essenauswahl war so vielfältig, daß es eine Zeit in Anspruch nahm, eine Entscheidung zu treffen.
"Ich nehme Gyros mit French Fries, Salat und ein Glas Wein 2324er Picard, mild." bestellte Angela. Wesley gab sich mit einem mexikanischen Eintopf und einem Glas Wasser zufrieden.
"Was ist hier passiert?" erkundigte sich Angela.
"Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht," versuchte der junge Mann zu erklären. "Ich bin hier genauso fremd wie Sie."
"Moment mal, Wesley. Hör endlich mit dem Sie auf. Ich bin Kadett der Sternenflotte genauso wie du," korrigierte ihn Angela. "Also von vorne."
"Okay, du und Angela." Der junge Mann machte eine Pause als müsse er seine Gedanken neu sortieren. "Ich bin hier genauso fremd wie du. Vor vier Tagen machten wir, das heißt, ein Expertenteam und ich, in San Francisco einige Versuche mit Warpfeldern. Die Warpblase blieb stabil, aber ich befand mich plötzlich hier. Ich habe dafür zwei Erklärungen: entweder bin ich in einer Warpblase gefangen und dies ist eine Traumwelt oder ich befinde mich in einer alternativen Zeitlinie."
Die deutsche Frau hörte ihm schweigend zu: "Leider verstehe ich von Technik nicht allzu viel, aber ich habe durch mein Hobby eine Vorstellung, was du meinen könntest." Sie sah den fragenden Blick des jungen Mannes und ergänzte schnell: "Science Fiction! Oder gibt es hier so etwas nicht ?"
"Klar. Das sind so versponnene Geschichten aus der Zukunft. Das ist in meinen Augen Blödsinn."
"Das sagst du, weil du mit der Enterprise viele aufregende Abenteuer erlebt hast. Mich interessiert des wirklich. Außerdem hat die Science Fiction immer die Forschung beeinflußt. Bereits Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts beschrieb Jules Verne eine Reise zum Mond, die 1969 Wirklichkeit wurde. 1964 sah ein Gene Roddenberry die Warptriebwerke und das Prinzip eines Transporters vorher. Das alles gibt es seit 80 Jahren."
Wesley wurde nachdenklich, denn aus diesem Blickwinkel hatte er das noch nie gesehen. Literatur war für ihn in erster Linie unterhaltend. Anscheinend konnte man auch auf diesem Weg viel über Menschen lernen. So mußte er feststellen, daß einige Werke von William Shakespeare, Lieblingsautor von Captain Picard, durchaus heute spielen konnten. Aber was konnte man aus alten SF-Romanen lernen?
Angela sah Wesley`s skeptischen Blick. Sie schien seine Gedanken zu erahnen und sprach weiter: "In diesen Geschichten geht es nicht nur um Technik und perfekte Gesellschaftsformen, sondern auch um Mißverständnisse, Liebe, Gewissenskonflikte und Diplomatie. Es gab sogar ein Buch mit dem Titel: Alles was ich fürs Leben brauche, habe ich von Star Trek gelernt.. Ich besitze dieses Buch zwar nicht, aber der Titel läßt erahnen, was für einen Einfluß Science Fiction auf die Menschen besaß. Ich besitze viele alte 2 – D – Fernsehaufnahmen von verschiedenen Serien zum Thema Zukunft. Die Serie "Star Trek – The Next Generation" kommt unser Realität sehr nahe. Ich habe mich über eure Abenteuer mit der Enterprise informiert. Es gibt viele Parallelen. Ich wäre nicht verwundert, wenn es in Zukunft weitere Übereinstimmungen geben würde."
Langsam kam Wesley ins Grübeln und beschloß ihr weiter zu zuhören.
"Könntest Du Dir vorstellen, nicht Offizier der Sternenflotte zu werden, sondern andere Wege zu gehen?"
Das war anscheinend doch zu viel. Wesley protestierte sofort: "Ich will Captain werden."
Angela versuchte es anders: "Wie wäre es, wenn wir uns mal bei mir in der Wohnung ein paar dieser Aufzeichnungen ansehen? 2 oder 3, von denen ich weiß, daß sie stimmen und die gleiche Anzahl, die eventuell wahr werden könnten."
Wesley zögerte einen Moment, dann willigte er ein. Er hatte schon von den alten Fernsehfilmen gehört, glaubt aber nicht, daß noch jemand so altes Informationsmaterial besaß. Anderseits, die Werke von Shakespeare waren noch älter.
So gegen 21 Uhr verließen die beiden das Restaurant und machten sich auf den Heimweg.
Angela mußte wie alle anderen pünktlich sein. Sie erzählte ihrem jungen Gesprächspartner, daß sie bereits Ärger mit Admiral Brent hatte, weil sie um 22 Uhr noch am Lesen war. Der oberste Offizier wurde Wesley langsam rätselhaft. In seiner Realität gab es sicher ein paar auffällige Typen in der Klasse, aber nicht gleich 16. Admiral Brent war verständnisvoll und sehr streng, aber auch gerecht. Die Geschichte von Angela zeigte ihm, daß die hiesige Version, sehr streng, aber unfair war. Jemanden, der neu und obendrein um vieles älter als alle Kadetten war wegen ein paar Minuten so fertig zu machen, entsprach nicht Wesley`s Vorstellung von einem guten Vorgesetzten.
Der junge Mann sagte nichts dazu. Er konnte Angela nicht beruhigen, weil er keine Ahnung hatte, wie Admiral Brent wirklich reagieren würde. Ihre Motive waren ihm ebenfalls nicht klar.
Bei völliger Dunkelheit betraten sie das Gebäude, in dem sich ihre Quartiere befanden.
Sie waren gerade durch die Eingangstür, als sich ihnen Admiral Brent in den Weg stellte: "Das habe ich mir doch gedacht, Kadett Angela. Sie schmeißen sich an unschuldige, minderjährige Kadetten ran. Das unterlassen Sie in Zukunft, sonst können Sie Ihr Projekt woanders beenden. Habe ich mich klar genug ausgedrückt ?"
Die beiden heimgekehrten Kadetten waren erst mal sprachlos. Wesley schaute Angela fragend an. Sie selbst sah die Vorgesetzte nur fassungslos an. Admiral Brent wiederholte den letzten Satz in einem besonders scharfen Ton. Endlich schluckte Angela und brachte mühsam ein paar Worte heraus: "Kadett Crusher hat mir ein wenig die Stadt gezeigt. Ich habe Ihre Warnung verstanden."
Admiral Brent schaute bissig und sagte: "In Ordnung, aber lassen Sie ihn in Ruhe. Sonst bekommen Sie eine Klage wegen Verführung Minderjähriger. Dafür werde ich sorgen!" dabei schaute sie auch Wesley an, der sie geschockt ansah. Er hatte alles mögliche erwartet, nur das nicht. "Ich muß unbedingt in meine Realität nach San Francisco zurück. Hier werde ich noch wahnsinnig," waren seine Gedanken. Wie im Dienst kam zum Abschluß der Befehl "Wegtreten".
Fast fluchtartig liefen beide zu ihren Zimmern. Es war 5 vor 10 und Wesley sah zu, daß er pünktlich ins Bett kam. Er wirkte so gehetzt, daß seinem Stubenkollegen Joshua die Frage nach dem Nachmittag im Hals stecken blieb. Wesley lag um 22 Uhr 01 keuchend im Bett und dachte an Angela: Hatte sie es geschafft? Bekam sie seinetwegen noch Ärger? Grübeln hat keine Sinn, ermahnte sich Wesley. Plötzlich ging die Tür auf. Admiral Brent schaute zufrieden rein, als sie ihre Kadetten ordnungsgemäß im Bett vorfand. Sie kam ins Zimmer und sprach Wesley Crusher an: "Egal, was Angela mit Ihnen macht. Ich werde Sie beschützen. Gute Nacht, Kadetten ." Sie dreht sich um und verließ den Raum.
"Computer, Licht aus!" befahl Wesley und schloß gleich darauf die Augen. Er bezweifelte, daß er schnell einschlafen würde.
"Was war denn los?" erkundigte sich Joshua vorsichtig.
"Ich habe meiner neuen Tanzpartnerin den Zoo gezeigt, anschließend waren wir am Fluß essen. Sonst war nichts. Ich weiß auch nicht, warum der Admiral sich so aufregt," sprudelte es aus Wesley heraus. Es erleichterte ihn, daß er Joshua alles erzählen konnte. Anderseits würde sein Freund ihm praktisch nicht helfen können. Er hatte recht mit seiner Vermutung, denn sein Freund wünschte ihm "Gute Nacht". Kurz darauf hörte Wesley ihn ruhig schlafen. Er selbst lag auf dem Rücken und starrte im Dunkeln an die Decke. Zum Schlafen kam der junge Mann nicht, weil er ständig an seine neue Freundin denken mußte.
Zwei Zimmer weiter erging es Angela nicht anders. Sie war pünktlich im Bett und grübelte ebenfalls über die Reaktion ihrer Vorgesetzten nach. So kam sie natürlich nicht zum Schlafen. Irgendwann ging die Tür auf. Admiral Brent schaute kurz hinein und machte wortlos die Tür von draußen zu. Das fand Angela mehr als merkwürdig. Erst nach langer Zeit überfiel sie dann doch die Müdigkeit.
Die Prüfung am nächsten Morgen meisterte sie mit Bravour . Die Menge des Wissens, das ihr bei dem Projekt vermittelt wurde, mußte enorm sein. Keine der Fragen stellte sie vor Probleme. Davon gab es im Unterricht allerdings genug. Als sie das Klassenzimmer betrat, wurde sie von Marc Powell, dem Wortführer der Klasse, empfangen: "Na, wie war denn Dein Date mit Wesley Crusher ?" fragte er spöttisch.
"Gut," gab Angela nur knapp zur Antwort. Sie wollte sich setzen, aber Marc hielt sie am Oberarm fest.
"Wenn Du was entdecken willst, dann verabrede Dich mit mir. Ich kann Dir wirklich alles zeigen," unterbreitete Marc ihr sein Angebot, dabei zog er die Frau sehr nah zu sich heran.
In diesem Moment ging die Tür auf und Walter Horn, der Lehrer für kreatives Schreiben, betrat den Raum. Die Anwesenheit dieses Mannes reichte aus, daß Marc Angela sofort losließ und sich kommentarlos auf seinen Platz setzte. Der Lehrer begrüßte Angela, die immer noch wie gelähmt im Raum stand. Erst jetzt rührte sie sich, aber ein guter militärischer Gruß wollte ihr nicht gelingen. Der alte Herr übersah es mit einem Lächeln und begleitete sie zu ihrem Platz..
Angela bemerkte, daß Wesley völlig geschockt von der Szene auf seinem Platz saß. Er schien nicht mal die kräftige Hand zu bemerken, die ihn von der anderen Seite immer noch festhielt. Walter Horn blickte Paul wütend an, der daraufhin Wesley losließ und sich vorschriftsmäßig hinsetzte. Der Unterricht verlief ohne Pannen. Mit Rücksicht auf ihre Verfassung, nahm der Lehrer weder Angela noch Wesley Crusher dran.
Erst in der Mittagspause konnten die beiden miteinander reden. Sie saßen mit Joshua und Jenny zusammen. "Ich verstehe das nicht," begann Wesley. "Dieser Marc kann sich anscheinend alles erlauben, und mich hält Admiral Brent für einen kleinen Jungen. Das ist weder fair noch logisch." Kadett Crusher ließ sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, aber Ungerechtigkeit machte ihn wütend.
"Das ist doch nichts neues," mischte sich Jenny ein. "Marc hat hier mehr Freiheiten als wir alle zusammen. Man könnte meinen, daß er mit Admiral Brent verwandt ist." Wesley war sprachlos. In seiner Realität war das alles etwas anders: Einen Marc gab es nicht, und dieser Paul war in der Parallelklasse. Unsicher tauschten Angela und er fragende Blicke. Angela nahm sich vor, Admiral Hansen von diesen Szenen in Kenntnis zu setzen, denn er war ihr eigentlicher Chef.
Aber erst am nächsten Mittwoch nach dem "persönlichen Training" (eine auf die Person abgestimmte Mischung aus Psychotherapie, Sport und Entspannung) fand die Frau Gelegenheit, mit ihrem Chef zu reden. Ihr persönlicher Trainer, Dr. Belljik, beendete seine Unterweisung vorzeitig, weil er die Wichtigkeit des Gesprächs erkannte. Angela wunderte sich nicht darüber, er war schließlich Volltelepath. Im Büro von Admiral Hansen gab es eine weitere Überraschung. Neben dem Chef waren noch mehrere Personen anwesend. Er empfing Angela trotzdem, denn sie hatte ihm per Kom schon den Anlaß ihres Gespräches mitgeteilt. Der Chef – Admiral Henderson war ein ca. 60 jähriger, kleiner , ruhiger Mann, saß im Sessel und erweckte den Eindruck, als würde es keine Probleme geben. Der Captain, der auf dem Sofa saß, vermittelte genau das Gegenteil: Anfang 40, blond, gut durchtrainiert und sehr erregt, was sich überdeutlich an seiner Gesichtsfarbe bemerkbar machte: er war puterrot.
"Das ist Captain Behrens von der USS Antonov," wurde er Angela vorgestellt. Er schien diese Frau aber nicht wahrzunehmen .
Als alle saßen, begann der Chef – Admiral mit dem Gespräch: "Kadett Angela, Sie haben Probleme mit Admiral Brent? Können Sie uns ausführlicher berichten, was vorgefallen ist?"
Angela bejahte und begann stockend zu erzählen. Zwischendurch stand Admiral Hansen auf, ging zum Replikator und orderte für alle Kaffee. Er hatte bei dieser Unterredung auf die sonst übliche Anwesenheit von rangniederen Adjutanten verzichtet. Eine Tasse reichte er Angela, die sie dankbar annahm. Die junge Frau nahm einen großen Schluck und hielt die Tasse mit beiden Händen fest. Jetzt gelang es ihr, flüssiger zu sprechen, so als ob die Tasse ihr Halt bot. Als sie geendet hatte, ergriff der Captain sofort das Wort. "Ich sagte es ja, Admiral Brent spinnt. Sie können mir nicht erzählen, daß das normal."
"Ist ja gut," besänftigte der Chef den aufgebrachten Mann. "Niemand hat behauptet, daß Sie lügen. Allerdings ist so ein Verhalten für einen Admiral mehr als ungewöhnlich." Er machte eine kurze Pause und wandte sich anschließend an Angela: "Würden Sie auch weiter hin auf dem Campus bleiben? Ich würde gerne mehr erfahren. Allerdings wäre diese Agententätigkeit für Sie nicht ganz ungefährlich."
"Wenn ich abhauen kann, wenn es mir zu viel wird, ja," schränkte Angela ein.
"Kein Problem. Eine Leiche können wir nicht gebrauchen," bestätigte Admiral Hansen sofort.
Damit löste sich die Gesprächsrunde auf. Nur Angela wurde gebeten, einen Moment zu bleiben.
"Was ist eigentlich passiert? Der Captain scheint von Admiral Brent auch nicht viel zu halten."
Admiral Hansen setzte sich und berichtete vom Anfang des Gespräches: "Theresa Behrens war Kadett an der hiesigen Akademie. Sie wurde in einem Lokal am Fluß von Marc Powell sexuell belästigt und dabei körperlich leicht verletzt. Ihr Vater, Captain Behrens, hatte erst mit Admiral Brent über diesen Vorfall gesprochen und dann Anzeige gegen diesen Kadetten erstattet. Von der Vorgesetzten seiner Tochter bekam er nicht die geringste Unterstützung. Im Gegenteil: Theresa wäre selbst Schuld gewesen, war ihr Kommentar. Für Marc Powell gab es keine Konsequenzen." Der Mann machte eine kurze Pause und stärkte sich mit einem Schluck Kaffee für die Fortsetzung: "Captain Sotek möchte zurück zum Vulkan. Admiral Henderson wollte gerne Captain Behrens als Nachfolger für diese Position. Er lehnte aufgrund dieser Geschichte ab. Das erklärte zwar einiges, aber über die Ursachen gibt das keinen Aufschluß."
Angela beruhigte es nur insoweit, als daß sie nicht der Grund für Admiral Brents Verhalten war. Admiral Hansen setzte sich gemütlich zurück, ehe er Angela Hilfe anbot: "Sollte es mit Marc Powell Probleme geben, kommen Sie sofort hierher. Denn ich bin in erster Linie für Sie verantwortlich." Das schienen genau der richtige Satz gewesen zu sein, dachte der Mann, denn Angela entspannte sich sofort.
Auf der Akademie war es den Rest der Woche ruhig. Wesley Crusher beschränkte den Kontakt zu seiner neuen Klassenkameradin auf ein Minimum.
Am Sonntag hielt er diese Schauspielerei nicht mehr aus. Bis zum Mittagessen gingen ihm alle möglichen Gedanken durch den Kopf: Würde sie ihn ernst nehmen? Bekam sie Ärger, wenn sie sich trafen? Unsicher trat er im Speisesaal schließlich die Flucht nach vorn an: "Hast du heute Zeit, mir die versprochenen Geschichten zu zeigen?"
"Klar, an Zeit mangelt es nicht. Ich frage mich allerdings; ob das wirklich klug ist:" antwortete
Angela. "Das würde ich gern mit dir woanders besprechen." erwiderte Wesley mit fester Stimme. Das "Ja" von ihr hatte ihm Mut gegeben.
Gleich nach dem Essen gingen sie los.
Der Wohnblock lag am anderen Ende, außerhalb des Campus. Wortlos legten sie diese Strecke zu Fuß zurück. Erst als sie in ihrer Wohnung im 10. Stock angekommen waren, zögerte Angela: "Verdammt, ich habe vergessen, Admiral Hansen Bescheid zu sagen. Schließlich habe ich nicht umsonst eine Geheimadresse." Wesley entging die Pause nicht, er sagte aber nichts. Das Innere der Wohnung überraschte ihn. Ähnliches hatte er bisher nur in Holoprogrammen gesehen. Eine kompakte Schrankwand, ein Regal mit Büchern und alten Speichereinheiten, eine Sitzecke und mehrere technische Geräte, deren Funktion ihm nicht bekannt waren.
Angela bot ihm Platz an und fragte nach seinem Getränkewunsch. "Kaffee mit Milch und Zucker", lautete die Antwort. "Ich bin kurz in der Küche", informierte ihn Angela.
Wesley wurde neugierig und ging hinterher.
Die Küche bot einen ähnlich ungewohnten Anblick wie das Wohnzimmer. Sie enthielt eine Schüssel mit einem Hahn, aus dem Wasser kam. In einer Maschine entstand eine dunkle Flüssigkeit. Es gab mehrere Schränke und in der einen Ecke befand sich auch ein Replikator Angela holte 2 Tassen aus dem Schrank, ebenso Gefäße, die Milch und Zucker enthielten. Nach einigen Minuten holte Angela die Glaskanne mit der dunklen Flüssigkeit und goß sie in die bereitstehenden Tassen. Wesley schaute sehr verwundert drein. "Dies ist Kaffee", erklärte Angela. "Diese Herstellungsmethode ist aber sehr zeitaufwendig," bemerkte Wesley, dabei nahm er vorsichtig einen kleinen Schluck zu sich. " Er schmeckt aber sehr gut."
"Mir schmeckt er besser als der von der Akademie. Ich habe zwar einen Replikator, aber der Kaffee schmeckt grauenhaft: Ein vernünftiges Programm scheint es dafür nicht zu geben." Angela machte eine Pause ehe sie ihrer Neugierde Ausdruck verlieh: "Was hat Admiral Brent eigentlich zu Dir gesagt?"
Wesley zögerte. Offensichtlich schien er zu überlegen, was er Angela erzählen sollte.
"Admiral Brent wünscht keinen Kontakt zwischen uns. Sie darf daraus keinen Befehl machen, solange die Ausbildung nicht darunter leidet. Private Angelegenheiten sollten ihr somit egal sein. Sie hat aber Angst, daß du sexhungrig über mich herfällst."
Angela machte den Mund auf, bekam aber keinen Ton heraus. "Ich glaube das aber nicht," fuhr Wesley fort. "Außerdem kann ich mich wehren ."
"Das ist mir klar," endlich fand Angela die Sprache wieder. "Ich verstehe nicht, warum Admiral Brent mit zweierlei Maß mißt: Marc Powell darf sich alles erlauben und um Dich hat sie Angst."
Wesley fiel darauf auch keine Antwort ein. So beschloß er das Thema zu wechseln: "Du wolltest mir doch Aufzeichnungen von diesem Star Trek zeigen."
Angela nickte und ging an das große Regal. Nach kurzem Suchen nahm sie zwei Hüllen heraus. Dann ging sie zu einem Monitor und schaltete ihn per Knopfdruck ein. In das Gerät, das darunter stand, legte sie eine kleine runde Scheibe in das offene Fach. Auf Knopfdruck schloß es sich und kurz darauf fing die Aufzeichnung an. Dieses zweidimensionale Verfahren war Wesley unbekannt, aber er versuchte sich von solchen technischen Detailfragen nicht ablenken zu lassen. Stattdessen starrte er wie gebannt auf den Bildschirm. Kaum hatte die Story begonnen, war sie anscheinend auch schon wieder vorbei.
"Jetzt kommt erst der Vorspann mit Serientitel und den Namen der Schauspieler. Dann geht es weiter," erklärte Angela, die seinen verwunderten Blick bemerkte. Die Folgen trugen die Namen " Mission Farpoint". Der junge Mann schaute sich das ganze an, ohne ein Wort von sich zu geben. Anschließend erwachte er aus diesem tranceähnlichen Zustand: "Das erinnert mich sehr an den ersten Auftrag an Bord der Enterprise. Es gibt eine Menge Übereinstimmungen. Wie alt , sagtest du, ist die Aufnahme?"
"Gedreht wurde sie 1987 in den USA," erklärte Angela. " Dies ist eine überarbeitete, digitalisierte Aufzeichnung. Ich habe aber auch noch richtige Videobänder aus dem Jahr 2000. Meine Vorfahren haben dieses Material sehr gut verwahrt. Denn die meisten Sachen aus dieser Zeit haben weder den Eugenischen noch den 3. Weltkrieg überstanden. Einige Bänder lassen sich allerdings nicht mehr restaurieren, sie haben Strahlungsschäden.
"Du sagtest, das ist eine Serie. Das heißt also, es gibt viele dieser Filme?" Das letzte Wort betonte er so, als wäre es für ihn unvorstellbar.
"Ja, es gibt eine Menge dieser Geschichten, und in einigen spielst du eine sehr wichtige Rolle, besser gesagt, dein Double."
Wesley war überwältigt. Er mußte das Gesehene erstmal verarbeiten, anderseits hätte er gerne noch mehr gesehen. Der junge Mann entschied sich fürs Nachdenken und stand auf.
"Ich werde jetzt gehen. Es ist besser, wenn Admiral Brent uns nicht zusammen sieht. Wir sollten so einen Nachmittag wiederholen. Nächsten Sonntag vielleicht?" Er machte eine kurze Pause: "Du hast recht, gekochter Kaffee schmeckt besser. Bis dann." Er hielt die Tür fest, als wisse er nicht wohin mit den Händen. In letzter Sekunde überlegte er es sich doch noch anders. Der Kadett nahm Angelas Gesicht in beide Hände und küßte sie sanft. Ohne eine Reaktion abzuwarten, verließ er die Wohnung. Angela blieb, in Gedanken versunken. Dankbar genoß sie die Ruhe.
Die Woche über konzentrierten sich die beide auf ihre Ausbildung.
Angela mußte außer der Reihe Prüfungen absolvieren, und Wesley verbrachte einige Unterrichtseinheiten bei dem Expertenteam. Sie selbst hatten keine Probleme entdeckt und verstanden die Fragen des Kadetten nicht. Wesley Crusher dachte über seine Situation nach und versuchte einen Lösungsansatz zu finden. Er hatte sich verliebt, und der Abschied von Angela würde ihm bestimmt sehr schwer fallen, aber das Theater um ihm herum war ihm zu viel. Die Experten machten sich aber nur Gedanken, wie sie das Verfahren bei Raumschiffen anwenden konnten. Sie registrierten zwar, daß der Kadett nicht ganz bei der Sache war, aber keiner machte sich die Mühe, nachzufragen.
Am nächsten Samstag traute sich der junge Mann endlich, wieder mit Angela zu reden. Admiral Brent hatte frei. Captain Sotek nahm es mit den Vorschriften sehr genau, schien sich aber nicht für das Privatleben der Kadetten zu interessieren. Selbst Marc Powell hatte vor ihm so viel Respekt, daß er keinen Ärger machte.
"Hast Du morgen schon etwas vor?" fragte Wesley, als er mit Angela das Mittagessen genoß.
"Nein," kam die von Wesley erhoffte Antwort. "Wir können uns gerne noch zwei von diesen Aufzeichnungen anschauen.. Wie wäre es mit Folgen, wo dein Double eine der Hauptfiguren ist?"
"Hört sich gut an. Vielleicht kann ich ja noch was lernen." Die Mimik deutete an, daß der junge Mann diesen Satz durchaus ernst meinte. "Hoffentlich kann ich mich heute Nachmittag besser auf das Warp – Projekt konzentrieren. Meine Ideenlosigkeit ist bis jetzt noch keinem aufgefallen. Die Experten haben noch nicht mal erkannt, daß irgendwas falsch gelaufen ist."
Am Sonntagnachmittag trafen sich die beiden Kadetten in Angelas Wohnung.
Wesley war aufgeregter als die Woche zuvor, da es in seinen Augen diesmal ein Rendezvous war.
Angela hatte schon den Tisch gedeckt, und in der ganzen Wohnung roch es nach frischgebackenem Kuchen und frischgekochtem Kaffee. Wesley fühlte sich von der Atmosphäre wie betäubt, denn replizierte Speisen waren nicht so geruchsintensiv. Er stand etwas unentschlossen in der Eingangstür, die eine Hand hinter dem Rücken und die Augen geschlossen.
"Du kannst ruhig weitergehen, meine Wohnung beißt nicht," forderte Angela ihn scherzhaft auf.
Langsam öffnete der junge Mann die Augen und gab Angela die Hand. "Danke für die Einladung." Bei diesen formell klingenden Worten nahm er seine versteckte Hand nach vorne und reichte Angela eine große, lachsfarbene Rose.
"Jetzt hast du mich total überrascht," sagte Angela nach einer kurzen Pause. "Ich wußte nicht, daß diese Form der Etikette noch allen bekannt ist." Der junge Mann zog nur die Schultern hoch und ging ins Wohnzimmer. Nachdem Wesley es sich im Sessel bequem gemacht hatte, wartete er gespannt auf die Dinge, die noch kommen würden. Angela ging in die Küche, um Kaffee zu holen und um die Rose zu versorgen. Nach ein paar Sekunden kam sie mit beidem ins Wohnzimmer zurück. Sie stellte eine lange Vase auf den Tisch und goß Kaffee in die Tassen. Sie gab Wesley ein Stück Käsekuchen: "Ich hoffe, das schmeckt dir. Es ist jedenfalls mein Lieblingskuchen."
Wesley nickte nur kauend und eine gemütliche, romantische Stille breitete sich aus.
Nach dem ersten Stück stand Angela auf und schaltete die Anlage an. Wesley lehnte sich scheinbar ruhig zurück, aber innerlich war er doch aufgeregt.
Die Folge trug den Titel "Das Experiment". Angela beobachtete eher ihren Besuch als daß sie auf den Film achtete. Der junge Mann schien von diesen nicht perfekten Aufzeichnungen noch mehr fasziniert zu sein, als sie angenommen hatte.
Nach Beendigung fand Wesley die Sprache wieder: "So etwas hatten wir tatsächlich auf der Enterprise. Schade, daß man keine technischen Details erfährt, die könnten mir wirklich weiter helfen."
"Vielleicht gibt es eine Lösung: Wenn du stark an den Reisenden denkst, wäre das vielleicht eine Quelle für neue Ideen." Angela scheint an der Lösung des Problems genauso interessiert zu sein wie ich, dachte Wesley. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, was ihn überhaupt nicht weiter brachte. "Laß uns die nächste Folge gucken," schlug er übergangslos vor.
Angela nahm eine andere Scheibe und suchte per Index den Anfang. Die Folge "The First Duty" schlug Wesley genauso in den Bann wie die erste Geschichte. Am Ende meinte der Kadett entsetzt: "So etwas würde ich nie tun."
"Was?" fragte Angela. Sie wollte ihren Gesprächspartner aus der Reserve locken.
"Na ja. An so einem gefährlichen und verbotenen Manöver teilnehmen und hinterher Captain Picard anlügen. Das würde ich niemals machen."
"Man soll nie nie sagen ," versuchte Angela ihn zu belehren. "Manchmal wird man von einer Situation so überrannt, daß man hinterher sich über seine getroffene Entscheidung nur noch wundert."
"Das ist unehrlich, als Kadett der Sternenflotte steht man zu seinen Taten" erboste sich Wesley.
"Das glaube ich dir schon, aber ab und zu kann man die Geschehnisse nicht nach seinen Wünschen beeinflussen!" Angela blieb hartnäckig.
Ebenso ihr neuer Freund: "Ich würde mich nie auf so etwas einlassen!". Es klang so endgültig, daß Angela die Diskussion nicht fortsetzte. Den Rest des Nachmittags sprachen sie über ihr bisheriges Leben.
Wesley berichtete von der Enterprise und der Akademie in San Francisco. Die Unterschiede zu Space – City waren enorm. Angela erzählte von ihrem Leben in Deutschland. Wesley mußte feststellen, daß Amerika und Europa zwei verschiedene Lebensweisen aufwiesen. Sie hätte genausogut auf dem Mars leben können.
Gegen 20 Uhr verabschiedete sich Wesley Crusher von seiner neuen Freundin. Auf dem Weg zum Campus lief er gedanklich immer im Kreis. Um mehr Zeit zum Nachdenken zu haben legte er die Strecke zu Fuß zurück, anstatt den Transporter oder die Schwebebahn zu benutzen. Joshua war schon auf dem Zimmer und begrüßte den heimkehrenden Freund., dieser schien ihn jedoch kaum wahrzunehmen. So beschloß Josh, keine weitere Unterhaltung anzufangen und legte sich mit einem Pad über "Statische Mechanik" lesend auf sein Bett.
Wesley grübelte die ganze Zeit über die Projektdaten. Er fand immer noch keinen Fehler. Langsam wurde er schläfrig und träumte von dem Reisenden. Dieser begleitete ihn darin in ferne Galaxien und in Wesleys "Ich".
Wird fortgesetzt
