Das Chaos nimmt seinen Lauf

So gegen 5 Uhr schreckte er hoch. Vom Quartier nebenan drangen Schreie hinüber. Wesley und Joshua waren gleichzeitig an der Tür. Gemeinsam betraten sie den Flur. Von der anderen Seite kamen Marlene und Samantha, zwei Mädchen aus seiner Klasse, die er aber nicht mochte. Die vier warfen sich fragende Blicke zu. Zu guter Letzt faßte sich Wesley ein Herz und öffnete die Tür betreffenden Quartiers. Die Kadetten traf fast der Schlag: Im Bett lag Marc Powell und von der eigentlichen Bettbesitzerin Jenny war kaum etwas zu sehen. Marc drehte sich um, als er die Lichtveränderung bemerkte. "Haut ab, ich hab noch eine Privatangelegenheit mit Jenny zu klären."

Durch die Kadetten war Marc allerdings so abgelenkt, so daß Jenny den Mund frei bekam und nur noch " Hilfe!" schrie. Joshua haute ab und verständigte von seinem Quartier aus den diensthabenden Offizier: Admiral Brent. Die anderen drei versuchten, Marc vom Bett zu entfernen. Das war gar nicht so einfach, denn er war stark und ein guter Sportler. Aber irgendwie gelang es ihnen dann noch. Samantha kümmerte sich um Jenny, während die anderen Marc festhielten. Endlich kam Admiral Brent.

Ohne die Situation zu kommentieren, schickte sie die vier Kadetten in ihre Zimmer. Wieder sahen sich alle fragend an, führten aber den Befehl aus. Admiral Brent verständigte über Kommunikator das Medizinische Zentrum. An Marc gewandt ließ sie nur leise verlauten: " Du hast Glück, daß ich Dienst habe. Jetzt geh in dein Quartier." Der junge Mann drehte sich wortlos um und ging. Er selbst fühlte sich wie ein Sieger. Jetzt war er seinem Ziel ein Stück näher. " Und die Neue krieg ´ ich auch noch," dachte er selbstbewußt.

In diesem Moment tauchte auch schon ein Arzt mit seinen beiden Helfern auf und versorgte Jennifer Parker. Diese Szene machte noch vor Unterrichtsbeginn die Runde. Am meisten wunderten sich Joshua, Wesley und Angela, daß Marc am Unterricht teilnahm. Er tat so, als sei nichts gewesen. Von Jenny hieß es nur, daß sie auf der Krankenstation liege. Wesley traf sich mittags mit Angela im Park. Er regte sich maßlos auf: "Ich verstehe das nicht: Mich behandelt sie wie ein Baby und Marc kann hier machen, was er will. Was soll denn das?"

Angela hatte ihm zugehört. Wesley war nicht nur wütend sondern auch noch traurig. Als er geendet hatte, liefen ihm Tränen über das Gesicht. Angela legte ihren rechten Arm um seine Schultern und zog den jungen Mann vorsichtig zu sich heran.. Er nahm das Angebot an, und

weinte sich gründlich aus. Eine Ewigkeit schien er in ihren Armen zu liegen, bis er die Kraft fand, sich auf die reale Welt zu konzentrieren.

"Ich will nur noch weg hier! Ich will nach Hause." Die vorbeigehenden Kadetten hörten ihn und schüttelten nur die Köpfe. Heimweh war bei den Kadetten im ersten Jahr noch normal, aber im zweiten?

Angela verstand den tieferen Sinn dieses Satzes und stimmte ihm zu. Am Nachmittag war Wesley mit den Experten vom Projekt verabredet.

Er versuchte sie zu überreden, den Vorgang, der scheinbar nichts bewirkt hat, zu wiederholen, aber sie weigerten sich. Das Team hatte eine kleine Abweichung gefunden und wollten keine weiteres Risiko eingehen. Wesley Crusher hoffte aber, daß der Fehler, der ihn hierher gebracht hatte, ihm auch seine Heimkehr ermöglichte. Er erklärte das aber keinem. So blieb dem Kadetten nichts weiter übrig als sich den Experten zu fügen.

Ein Unglück kommt selten allein

Am Donnerstagabend erlebte Angela eine Überraschung: Wesley besuchte sie um 21 Uhr 30 in ihrem Quartier. "Gott, sei dank. Sie ist allein," dachte der junge Mann.

"Na, Wesley, was treibt Dich um diese Zeit hier her?" empfing ihn Angela.

"Ich habe ein Problem und brauche dringend Deinen Rat." Wesley machte eine Pause und setzte sich derweil auf einen Stuhl. "Du kannst Dich an die Folge erinnern, die wir am Sonntag gesehen haben, die Akademiegeschichte, meine ich. Das hätte ich nicht für möglich gehalten, aber Nicholas Locarno hat sich das dort beschriebene Manöver als Überraschung für die Abschlußfeier ausgesucht. Aber Josh ist noch nicht so weit und mir wird ganz schlecht, wenn ich an die Folgen denke. Das Manöver ist gefährlich und verboten. Das Team ist mir aber auch wichtig, es ist noch der angenehmste Teil dieser Realität. Und solange ich nicht zurück kann, muß ich sehen, wie ich hier alles gut hinbekomme. Ehrlich, ich weiß nicht, was ich machen soll." Wesley vergrub das Gesicht in beiden Händen.

Angela hockte sich vor ihn hin, hob langsam sein Gesicht an und versuchte ihm in die Augen zu schauen. Wesley wich ihrem Blick aus. "Letzten Sonntag hast du gesagt, das würde dir nie passieren und jetzt weiß du es nicht, was Dir wichtig ist. Denke daran, daß Du bei diesem Manöver sterben könntest. Aber andererseits willst du nach Hause."

Das schien das Schlüsselwort zu sein, Wesley schaute ihr in die Augen: " Ja, zurück nach San Francisco. Dort gibt es so ein Chaos nicht."

"Da wäre ich mir nicht so sicher. Vielleicht fand die Phasenverschiebung statt, um Dir die Möglichkeit zum Lernen zu geben. Dieses ganze Verfahren beruht doch auf den Formeln von Lieutenant Kosinski und den Gedanken des Reisenden. Kennst du die?"

Wesley schüttelte den Kopf. "Sicher sind mir die Formeln bekannt, aber sie sind ohne einen gedanklichen Verstärker fast sinnlos. Was soll das bringen? Es ist nicht meine Art, Freunde zu verraten. Anderseits weiß ich nicht, was passiert, wenn ich nicht mitfliege."

"Probiere es aus," schlug Angela vor. "Nicholas Locarno wird vielleicht sauer auf Dich sein und Dich für einen Feigling halten. Anderseits wirst du auf jeden Fall überleben und Josh vielleicht auch. In der Folge wird nämlich nicht erwähnt, welche Maschine mit seiner kollidiert. Denn vielleicht bist Du es ja auch, der die Katastrophe auslöst!"

Wesley schaute sie direkt an und stand dann auf: "Ich weiß immer noch nicht genau, was ich machen werde, aber Deine Einwände waren sehr hilfreich." Zum Abschluß reichte er ihr die Hand: "Nochmals , Danke."

"Überlege Dir genau, was Du tust," entgegnete im Angela. Der junge Mann konnte nichts mehr sagen, weil plötzlich die Tür aufging und Admiral Brent eintrat.

"Das tut Mr. Crusher nie, wenn es um Sie geht," meinte die ältere Frau aggressiv. Der nächste Satz ließ erahnen , daß sie die Zusammenhänge nicht kannte. Mit einem Blick, als hätte sie die beiden Kadetten in flagranti erwischt, fauchte sie Wesley Crusher an: "Raus hier!"

Der Kadett ging mit gesenktem Kopf, ohne den Befehl zu bestätigen. Admiral Brent bedachte Angela nochmals mit einem bösen Blick: "Über Ihr Verhalten werde ich mit Admiral Hansen reden. Es reicht mir jetzt."

Angela bekam noch ein "Yes, Sir!" heraus, ehe Admiral Brent ging.

"Verdammt," dachte Angela, "Wir beide haben nichts Unrechtes getan. Was soll der Aufstand?"

Sie setzte sich an den Schreibtisch, und um sich zu beruhigen, zählte sie langsam von 1oo rückwärts. Sie war bei 50 , als es an der Tür klopfte. Angela stand auf und öffnete.

Vor ihr stand Nicholas Locarno. "Darf ich rein kommen, ich muß dringend mir Dir reden." Angela machte ihm Platz, sagte aber nichts.

"Was hast du Wesley geraten? Er hat mir erzählt, daß ihr über die geplante Übung gesprochen habt. Du hast ihm geraten, er solle nicht mitfliegen."

"Halt, das stimmt so nicht," unterbrach ihn Angela. "Er hat mir von Deinem Plan erzählt und daß ihm dabei übel wird, wenn er an die möglichen Folgen denkt. Ich habe ihm nur geraten, daß er sehr genau darüber nachdenken soll, was er tut."

"Wesley hat abgesagt. Ich hatte gehofft, du könntest ihn noch umstimmen." Nicholas Locarno war plötzlich ganz ruhig. Angela sah ihn prüfend an: "Was ist so schlimm daran, wenn er nicht mitfliegt?"

"Nichts, für Notfälle haben wir Ersatzleute. Aber ich finde es nicht richtig, wenn er das Geschwader im Stich läßt. Nur das Team ist wichtig. Der Einzelne zählt da nicht." Der Kadett wurde laut.

"Das mag sein. Teamgeist gegen Gewissensbisse. Das ist keine leichte Entscheidung. Ehrlich, ich möchte nicht in seiner Haut stecken." Angela blieb ruhig, während sich ihr Gegenüber immer mehr aufregte: "Rede mit ihm. Der Flug ist wichtig."

"Hast du mir nicht zugehört? Ich finde es gut, wenn Wesley hier bleibt, weil er das Ganze nicht okay findet," Angela lächelte. Ihr Gespräch mit Wesley hatte also ein Ergebnis erbracht.

Resigniert drehte sich Nicholas Locarno um : "Hoffentlich bereut er seine Entscheidung nicht."

Es war mittlerweile 22 Uhr 05. Angela machte sich rasch bettgehfertig und löschte das Licht. Ein weiterer Kontrollbesuch von Admiral Brent blieb allerdings aus. So lag sie mit offenen Augen da und starrte an die dunkle Decke. Angela fand keine Ruhe, weil sie immer an Wesley denken mußte. Konnte Nicholas Locarno noch mit ihm reden? Hatte er seine Absage zurückgezogen? Konnte wenigstens Wesley gut schlafen? Angela wäre liebend gerne zu ihm gegangen. Aber sie wollte keinen Zusammenstoß mit Admiral Brent riskieren. Die Antworten mußten bis morgen warten. In dieser Nacht fand sie auch aus einem anderen Grund keine Ruhe: das Prüfungsthema " klinische Psychiatrie" behagte ihr gar nicht. In diesem Bereich wollte sie sowieso nicht arbeiten.

Um 6 Uhr 30 riß sie das Wecksignal aus ihrem Dämmerschlaf. Langsam setzte sich Angela auf und versuchte die wirren Gedanken zu verscheuchen . Die Schallduschen machten zwar perfekt sauber, aber jetzt sehnte sie sich nach eiskaltem Wasser. Es mußte auch so gehen. Angelas Gedanken liefen im Kreis: Wesley – die Prüfung – Wesley. Irgendwie war sie froh, daß sie dieses Zimmer allein bewohnte. Eine muffige Mitbewohnerin konnte sie jetzt nicht gebrauchen. Halbwegs wach verließ sie das Quartier und ging durch die Gänge zum Essensraum. Die anderen Kadetten waren schon auf dem Weg zum Unterricht. Die Prüfungen begannen hier grundsätzlich später. Plötzlich versperrte ihr Commodore Bartsch den Weg. Der 50 jährige, grauhaarige Mann war immer freundlich und gerecht: "Guten Morgen, Kadett, " grüßte er sie im munteren Tonfall. Angela blieb wie vom Donner gerührt stehen, denn sie hatte ihren Vorgesetzten nicht wahrgenommen, weil sie mit ihren Gedanken ganz woanders war. "Guten Morgen, Sir" brachte sie mühsam hervor.

"Angela, was haben Sie mit ihrem Freund gemacht?" fragte der Mann mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht.

"Mit wem?" Angela dachte, sie höre nicht richtig!

"Wesley Crusher hat sich dienstunfähig gemeldet. Und so wie er aussah, glaube ich, daß es sehr ernst ist. Ich habe schon im medizinischem Zentrum Bescheid gesagt und bin jetzt auf dem Weg zu ihm ," erklärte der Commodore.

"Darf ich Sie begleiten, Sir? Bis zur Prüfung habe ich noch Zeit genug und Hunger habe ich sowieso nicht." Angela machte sich jetzt mehr Sorgen als am Abend zuvor.

Der Vorgesetzte nickte nur, und so gingen beide in zu Wesleys Quartier. Joshua war natürlich schon weg.

Wesley lag alleine in der Dunkelheit. Er rührte sich nicht einmal, als die beiden Personen das Zimmer betraten.

"Computer, Licht, halbe Intensität," befahl Com. Bartsch. Die Beleuchtung schaltete sich ein. Angela lief zum linken Bett und sah, daß ihre Sorgen berechtigt waren: ihr junger Freund lag mit geschlossenen Augen da. Er war total durchgeschwitzt, obwohl er kein Schlafanzugoberteil trug. Darüber wunderte sich Angela, weil sie aus seinen eigenen Erzählungen wußte, daß Wesley immer einen kompletten Schlafanzug trug. Angela setzte sich auf sein Bett und küßte ihn sanft auf die Stirn. Der junge Mann öffnete halb die Augen, sagte aber keinen Ton. Com. Barsch trat schweigend zu dem Kadetten. In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Dr. Malcam kam herein.

Der Commodore verdrehte die Augen, grüßte den Arzt trotzdem korrekt. "Ausgerechnet der," dachte der Offizier. Für diese Kadetten waren vier Ärzte zuständig; Dr. Joseph- der Chef, Dr. Andress – eine Halb – Betazoidin, Dr. Chang und Dr. Malcam – bei den beiden sollte man – seiner Meinung nach - besser nicht krank werden. So benahm sich der Arzt auch. Er setzte sich auf das Bett, den Platz hatte Angela hastig geräumt, und scannte den Kadetten wortlos.

Nach ein paar Sekunden, rüttelte er Wesley unsanft an der Schulter, der daraufhin die Augen öffnete: " Na, Kadett, was für eine Klausur schreiben wir heute?"

Angela und Com, Bartsch sahen sich nur an und schüttelten die Köpfe. Sie fanden die Frage fehl am Platz. Kadett Crusher versuchte etwas zu sagen, daß aber keiner verstand. Er bekam es mit und räusperte sich und wiederholte den Satz: "Keine Klausur, nur Geschwadertraining, keine Klausur, nur Geschwadertraining."

Com. Bartsch ging zum Computer und aktivierte den Stundenplan. "Richtig, die nächste Klausur ist für nächste Woche Freitag vorgehen." Er schaltete den Computer sofort wieder aus.

Dr. Malcam sprach weder mit dem Patienten noch mit den anderen Anwesenden. Er holte nur einen Injektor raus, wählte eine Einstellung und verabreichte dem jungen Mann ein Medikament. " Ab 13 Uhr ist er wieder dienstfähig," war sein einziger Kommentar. Der Arzt packte gerade seine Sachen zusammen , da öffnete Wesley Crusher die Augen. Er suchte seinen Vorgesetzten und Angela, bevor er mühsam zu sprechen begann. Seine Freundin kniete neben seinem Bett und hielt zärtlich seine Hand, Com. Bartsch stand hinter ihr. Um Gottes Willen, laßt sie nicht fliegen." Der Vorgesetzte trat näher an das Bett und beugte sich herunter: "Was haben sie geplant ?"

Wesley starrte ihn an und wiederholte nur seine Forderung. Danach wirkte das Medikament und er schlief ein.

Der Commodore und Angela schauten sich ratlos an, während der Arzt gefühllos meinte: "Das würde ich an Ihrer Stelle nicht ernst nehmen. In diesem Zustand erzählt Ihnen ein Mensch alles, was Sie von ihm hören wollen."

Angela sah ihren Vorgesetzten in die Augen und schüttelte den Kopf. Dr. Malcam verließ ohne ein weiteres Wort das Quartier.

Com. Bartsch atmete hörbar aus, während Angela sich aufregte; "Der Typ spinnt wohl. Wenn Wesley so liegen bleibt, holt der sich noch eine Lungenentzündung." Sie holte tief Luft. "Außerdem, was heißt, ab 13 Uhr ist er wieder dienstfähig. Das ist doch Quatsch. Die Medikamente mögen ja gut sein, aber Schlaf und Erholung sind durch nichts zu ersetzen." Der ältere Mann ließ die junge Frau reden. Erst als Angela fertig war, faßte er seine Neugier in Worte: "Was haben die geplant? Angela , wissen Sie, was das Geschwader vor hat?"

Angela erzählte dem Commodore vom gestrigen Abend. Auf seiner Stirn erschienen tiefe Sorgenfalten.

"Kadett Crusher hat recht, das Team darf nicht starten." Wieder ging er zum Computer und besorgte sich die genauen Daten für den Trainingsflug. Angela räumte in der Zeit das nasse Betttuch weg und wickelte Wesley in eine wärmere Decke. Danach ging sie ins Badezimmer , um sich die Hände zu waschen. Ein eigenartiger Geruch schlug ihr entgegen.. Sie erkannte die Ursache schnell. In der Schalldusche lag das Schlafanzugoberteil. Vorsichtig hob Angela den Pullover hoch und rümpfte die Nase. Auf dem Teil befanden sich Speisereste. Sie legte den Pullover zurück und stellte die Schalldusche an. Im Notfall bekam man so alles sauber. Dem Computer befahl sie die Luftreinigung zu erhöhen. Innerhalb von einer Minute war alles in Ordnung. Angela ging zu Com. Bartsch und sah ihn fragend an. Er schien ihr Anliegen zu erahnen.

"Das Geschwader startet in einer Viertelstunde. Möchten Sie dabei sein, wenn ich mit den Kadetten rede?"

Die Frau nickte nur. So beeilten sich beide, zur Startbasis zu kommen. Dank des Transporters war das kein Problem. Die Kadetten wollten gerade ihre Maschinen besteigen, als sie Com Bartsch verbal stoppte. " Nova – Geschwader. Sie haben Startverbot. Sie kommen sofort zurück in den Kontrollraum," erklang seine Stimme durch die Com – Anlage. Die Mitarbeiter der Startbasis sahen den Offizier nur fragend an, keiner stellte aber seine Befehle auf Grund seines Ranges in Frage. Die Kadetten sahen sich überrascht gegenseitig an, gehorchten aber.

Das Team nahm vor Com. Bartsch Aufstellung und verzog keine Miene. Erst jetzt kam Angela aus dem Halbschatten. Als Roberto Vincetti sie erkannte, kam ihm das Wort "Scheiße" spontan über die Lippen. Alle ignorierten diesen Ausdruck, allerdings hatte Com. Bartsch gleich seinen ersten Gesprächspartner, denn Roberto gehörte nicht zum Stammteam des Nova – Geschwaders, sondern war einer von zwei Ersatzfliegern. " Kadetten! Ihr heutiger Trainingsflug ist gestrichen, da Sie nicht in der gemeldeten Aufstellung angetreten sind. Kadett Vincetti, warum sind Sie jetzt hier?"

Der Angesprochene schaute vorsichtig zur Seite, aber der Geschwaderführer sah nur stur geradeaus. Von ihm konnte er keine Hilfe erwarten. Da keiner diese Situation vorhersehen konnte, hatten sie keine Absprachen getroffen. Er war also auf sich allein gestellt.

"Kadett Locano hatte mich gestern Abend informiert, daß ich heute hier zum Trainingsflug erscheinen soll. Über die Gründe wurde ich nicht informiert, Sir!"

Der vorgesetzte Offizier kommentierte das Gehörte nicht, sondern wandte sich an den Geschwaderführer: "Kadett Locano, warum haben Sie Mr. Vincetti ins Team berufen, ohne Ihren Vorgesetzten zu informieren?"

Der Angesprochene wirkte ruhig und formell, nur seine Gesichtsfarbe verriet dem vorgesetzten Offizier, daß er auf dem richtigen Weg war.

" Die Umstellung wurde notwendig, da Kadett Crusher ausfiel, Sir."

"Sie wußten also schon gestern Abend, daß Wesley Crusher sich heute krank melden würde. Bemerkenswert!" Er machte eine kurze Pause. "Am besten erzählen Sie mir von Ihren Plänen!"

Nicholas Locano wollte gerade antworten, als Admiral Brent den Raum betrat. "Gibt es Probleme, Commodore Bartsch?"

"Nein, ich habe nur den Startbefehl aufgehoben, weil einer der gemeldeten Kadetten erkrankt ist." Weiter kam er nicht, Admiral Brent wollte keine ausführliche Erklärung hören. "Commodore, die Abschlußfeier ist in zwei Tagen, die Kadetten müssen üben." An die Kadetten gewandt lautete der Befehl: "Wegtreten. Sie starten, sobald Sie Ihre Maschinen gecheckt haben." Ohne weitere Erklärung verließ sie den Raum. Die jungen Leute beeilten sich dem Befehl zu befolgen und verließen fluchtartig den Kontrollraum.

Ratlos blieben der Offizier und Angela zurück. " Hoffentlich sind sie so gut wie sie glauben. Oder unser Erscheinen hat ihre Pläne abermals geändert." Com. Bartsch wußte nicht, was er von der Situation halten sollte.

"Das glaube ich nicht. Wir beide können ja wetten, wieviele gesund zurückkommen." Auf Angelas Sarkasmus gab der Mann keine Antwort. Er verließ den Kontrollraum.

Angela blickte auf die nächste Uhr. " Verdammt, jetzt mußt du dich aber beeilen, sonst kommst du zu spät zur Prüfung," mahnte sie sich selbst. Die Vorfälle dieses Morgens hatten sie so sehr abgelenkt, daß sie trotz des schwierigen Themas keine Prüfungsangst hatte. Sie ließ sich ins Gebäude 3 beamen und kam so 1 Minute vor Beginn der Prüfung vor dem Klassenzimmer an. Ein Prüfer schien schon auf sie zu warten. Seine Mimik verriet nicht, was er über die späte Anwesenheit dachte. Normalerweise erschienen die Kadetten 15 Minuten vor der Prüfung, bekommen die Aufgabe und haben Zeit zum Nachdenken. Angela hatte gerade mal Zeit sich die Fragen auf dem Pad durchzulesen. Schon mußte sie vor die Prüfungskommission treten und über ihr Thema mündlich referieren. Zwischendurch stellten drei männliche Prüfer ergänzende Fragen, die sie sicher beantwortete. Sehr schnell waren die 45 Minuten vorbei. Angela wurde nach draußen geschickt. Ihr Kopf schien leer zu sein und sie fühlte sich wie in Trance.

Nach kurzer Zeit kam der Mann, der sie vorhin empfangen hatte, nach draußen und bat sie, wieder herein zu kommen. Der Sprecher der Kommision sah sie prüfend an, ehe er das Ergebnis verkündete: "Kadett, wir wissen nicht, warum Sie fast zu spät gekommen wären. Trotz der Tatsache, daß Sie sich nicht vorbereiten konnten, haben Sie die Prüfung mit "gut" bestanden. Meinen Glückwunsch." Er stand auf und reichte ihr die Hand.

"Danke, Sir," war das einzige, was Angela vor lauter Überraschung heraus bekam. "Wenn Sie sich vorbereitet hätten, wäre die Prüfung vielleicht noch besser ausgefallen," bemerkte der Hauptsprecher.

"Das wage ich aber zu bezweifeln, Sir. Denn dann wäre ich nervös gewesen und das hätte sich nicht positiv auf die Note ausgewirkt." Diese Erklärung schien der Prüfungskommission zu reichen. Angela durfte gehen. Sie wußte immer noch nicht, wie sie die gute Note geschafft hatte. Für die Dauer der Prüfung schien ihr Gehirn fast automatisch funktioniert zu haben. Sie hatte das Gefühl, daß sie keine bewußte Erinnerung an diesen Zeitabschnitt hatte. Gemächlich machte sie sich auf den Weg zu ihrem Quartier. Jetzt hatte Angela Zeit, sich frisch zu machen und einen Kaffee zu genießen. Schlagartig machte sie sich wieder Sorgen um Wesley. In ihrem Zimmer angekommen, bemerkte sie eine Nachricht. Das Computerterminal blinkte, das hieß, daß jemand etwas wichtiges gespeichert hatte. So ging Angela zum Tisch und befahl dem Computer, die Mitteilung abzuspielen. Sie stammte von Com. Bartsch: Die dritte und vierte Stunde (Astrophysik) fiel für sie aus. Angela sollte sich um Wesley kümmern. Ab der fünften Stunde mußte sie am Unterricht teilnehmen: Rechtskunde bei Admiral Brent. " Ich kann mir echt etwas Besseres vorstellen," dachte sie frustriert.

Nachdem Angela die Dusche genossen hatte, schlüpfte sie in eine frische Uniform. Eilig verließ sie wieder ihr Quartier und besuchte ihren kranken Freund. Wesley schien Angela `s Anwesenheit nicht zu bemerken. Er lag mit geschlossenen Augen da und schlief. Auch das helle Licht störte ihn nicht. Angela küßte ihn vorsichtig auf die Stirn. Als ob die Berührung ihn aus dem Tiefschlaf geholt hatte, schreckte er hoch und hatte einen Moment Orientierungsprobleme. " Angela, was tust Du hier? Verdammt, wie spät ist es? Ich komme zu spät." Er wollte gleich aufspringen, aber sein Kreislauf und Angela hinderten ihn daran.

"Nun mal langsam," mahnte ihn die Freundin. "Du bist bis zum Mittagessen krank gemeldet. Mach Dir darüber keine Sorgen!" Wesley grübelte mit geschlossenen Augen nach. "Richtig, heute ist Geschwadertraining. Konnte der Commodore den Flug verhindern?"

"Nein! Admiral Brent funkte ihm dazwischen, Wir hoffen nun, daß sie es sich durch das Gespräch mit Com. Bartsch anders überlegt haben."

"Das glaube ich nicht. Denke mal an den Ruhm, den Nicholas zum Abschied erntet, wenn er dieses spektakuläre Manöver einwandfrei zeigt."

"Und wenn sie komplett falsch fliegen, gibt es 5 Tote," gab Angela eiskalt zu bedenken. "Hauptsache, Du bleibst am Leben. Ich weiß, das ist egoistisch, aber ich möchte Dich nicht verlieren."

Wesley setzte sich langsam auf und wechselte erstmal das Thema: "Komm, laß uns erstmal frühstücken! Leider haben die Replikatoren in den Quartieren nur eine geringe Auswahl. Kaffee und Brötchen. Das muß uns reichen."

Mit wackeligen Schritten ging er zum Terminal und orderte "2 Kaffee, Nr.2 und 2 Brötchen mit Erdbeermarmelade." In sekundenschnelle erschien das Bestellte auf einem Tablett. Wesley trug es zum Tisch. Angela nahm erstmal einen großen Schluck Kaffee und schloß beim Hinunterschlucken genüßlich die Augen. Die Brötchen wurden von beiden mit Heißhunger verzehrt. Die Qualität der hier replizierten Speisen war nicht gerade First Class, aber man wurde satt.

Wesley nahm den Gesprächsfaden wieder auf. "Auf mich wirst Du bald verzichten müssen. So sehr ich Deine Anwesenheit schätze, gefällt mir der Rest in meiner eigenen Realität besser. Vielleicht läßt sich die Phasenverschiebung bei der Wiederholung des Vorgangs rückgängig machen. Wenn die Spezialisten mir nicht blind glauben, sollen sie eine medizinische Untersuchung machen, dann erkennen sie den Grund für meinen Ratschlag."

"Moment mal, was mit Dir passiert ist, läßt sich beweisen?" Angela schaute ihn ungläubig an.

"Ja, aber das weiß ich auch erst seit gestern. Dr. Joseph checkte mich für die Flugerlaubnis durch, und dabei bemerkte er die Phasenverschiebung der Atome. Du weißt ja, mit ihm kann man reden. So kennt er die Ursachen, wird aber keine Meldung machen. Sollte ich seine Hilfe benötigen, wird er das Wissen preisgeben."

"Das hast Du gestern nicht erzählt," beschwerte sich Angela. Sofort machten sich Liebeskummer und Abschiedsscherz bemerkbar. Was war mit dem Original passiert? War der hiesige Wesley Crusher genauso wie ihr Gesprächspartner oder war er genauso kalt und sexhungrig wie die anderen Kadetten? Fragen über Fragen.

"Ich weiß ja auch nicht, was mich zuhause erwartet. Werde ich Dich sofort vergessen? Wird ein Bild aus dieser Realität nach der Wiederholung des Projekts noch existieren?" Wesleys Stimme wurde kaum hörbar: "Ich möchte Dich auch nicht verlieren."

Angela hatte den letzten Satz trotzdem gehört und umarmte den jungen Mann. Obwohl Wesley die Gefühle teilte, wurde er vor Verlegenheit rot.

Ein Klingeln riß die Kadetten aus ihren Gedanken. Angela eilte zum Unterricht. Wesley räumte auf und legte sich wieder ins Bett. Er schlief noch mal ein. Ein Wecksignal kam zur programmierten Zeit. Wesley mußte sich beeilen, um Angela vor dem Mittagessen zu erwischen.

Er hatte Glück und kam vor dem großen Ansturm im Speisesaal an. Wesley holte sich Essen und begann langsam mit dem Verzehr. Seine Klasse kam als erste. Angela setzte sich mit ihrem Essen neben ihn. Er lächelte ein paar Sekunden bis er Admiral Brent entdeckte. Seine Mimik wurde eine Grimasse. Angela schaute sich irritiert um und erkannte den Grund. Schlagartig war ihr der Appetit vergangen. Die ältere, unsympathische Frau setzte sich an die Stirnseite des Tisches und aß schweigend. Wesley und seine Freundin mußten sich zum Essen zwingen. Die anderen verhielten sich wie immer, die Anwesenheit des ranghöchsten Offiziers der Akademie störte sie nicht. Gerade hatte sich die Situation etwas beruhigt, da erschienen zwei Männer im Speisesaal. Der eine trug die Uniform eines Kommandooffiziers, der andere war aus der wissenschaftlichen Abteilung. Beide kamen mit ruhigen, raumgreifenden Schritten auf Admiral Brent zu. Die Kadetten, die die Gäste erblickten, schwiegen sofort. Beide Männer waren den meisten bekannt. Die rote Uniform gehörte dem Chef der Flugüberwachung, Captain Banks, die blaue trug Dr. Chang. Admiral Brent ließ sich durch die Stille im Saal nicht ablenken und aß weiter. Erst als Captain Banks sie mit "Admiral Brent?" ansprach, sah sie von ihrem Teller auf. Danach erstattete er Bericht. "Entschuldigen Sie die Störung, aber es geht um das Nova – Geschwader, Wir müssen Sie dringend in Ihrem Büro sprechen, Sir."

"Sprechen Sie ruhig. Ich habe vor den Kadetten keine Geheimnisse." Admiral Brent störte es nicht, daß sie die beiden zu Handlungen zwang, die ihnen offensichtlich unangenehm waren. Die Kadetten anderseits hatten aufgehört zu essen. Es war so leise, daß man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Widerwillig gab der Captain Auskunft. "Ihr Nova – Geschwader hatte einen Unfall. 2 Tote, 3 Schwerverletzte." Die meisten Kadetten hatten die Meldung verstanden und wurden schlagartig kreidebleich. Besonders Wesley traf es, dem vor Schreck das Besteck aus der Hand fiel. Wie in Trance stand er auf und verließ den Saal in Richtung der Waschräume. Angela legte ihr Besteck beiseite und folgte ihm. Die Waschräume waren für alle Kadetten zugänglich. Angela fand Wesley schwitzend und kreidebleich gegen die Wand gelehnt. Er hatte sie nicht bemerkt, weil er die Augen geschlossen hatte.

"Hey, Wes, beruhige Dich bitte. Dich trifft doch keine Schuld."

Jetzt öffnete der Angesprochene die Augen und sah seine Freundin verzweifelt an. "Du magst recht haben, aber ich fühle mich aber schuldig. Vielleicht wäre das nicht passiert, wenn ich mitgeflogen wäre." Wesley versuchte ruhig und gleichmäßig zu atmen. Angela wußte auch nicht, wie sie seine Gedanken ändern konnte. Einen Versuch unternahm sie trotzdem. "Wesley, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die passiert sind, ist für niemanden hilfreich. Das ändert gar nichts."

"Ich weiß. Aber das ändert auch nichts an meinen Gefühlen." Der junge Mann riß sich zusammen und sprach mit fast wütender Stimme weiter. "Warum kann man mit dieser Admiral Brent nicht reden? Ich bin sicher, daß zuhause so etwas nicht passieren würde."

Angela sah ihn verwundert an. "Erinnere Dich an den Film. Da bist Du sozusagen mitgeflogen. Das hat den Tod Deines Freundes auch nicht verhindert. Es brachte Dich nur in Schwierigkeiten. Und falls es Roberto getroffen haben sollte: Um den würde ich mir an Deiner Stelle keine Sorgen machen. Er ist schließlich freiwillig für Dich eingesprungen."

Inzwischen war Captain Sotek in den Waschraum gekommen. Er hatte den überstürzten Weggang des Kadetten von der anderen Tür aus zwar gesehen, war aber erst zu seiner Vorgesetzten gegangen und hatte sich über die Situation informiert. Der Vulkanier machte sich tatsächlich Sorgen um diesen Kadetten. Es war ihm bekannt, daß Wesley eigentlich nicht dienstfähig war. Captain Sotek hatte, entgegen aller Gebote der Logik, schon des öfteren das Verhalten des Admiral hinterfragt. Er war immer nur abgewiesen worden. Seit wann Ihn emotionales Verhalten aufrege. Wenn es Ihm hier nicht gefiele, könne er sich nach Vulkan versetzen lassen. Diese Aussage fand der Offizier zwar logisch, aber die Situation war alles andere als normal. In erster Linie galt dies für das Verhalten von Admiral Brent und die Zusammensetzung der Klasse 2.1. Es hatte im ersten Jahr schon Probleme mit einem Teil der Kadetten gegeben, aber jetzt übertrieben es auch die anderen. Dieses verbotene Flugmanöver war ein deutliches Zeichen. Er war fast ein wenig neugierig darauf, wie Admiral Brent diesen Unfall den Angehörigen - wie würden es die Menschen nennen? - taktvoll beibringen würde. Nachdem der Captain mehrere Sekunden schweigend vor den Kadetten gestanden hatte, ergriff Angela das Wort.

"Können wir Ihnen helfen, Captain, Sir?" Captain Sotek zog die linke Braune etwas nach oben und antwortete gewohnt kühl: "Das wollte ich Sie fragen."

"Kadett Crusher geht es immer noch nicht viel besser als heute morgen. Ich bezweifle, daß er dem Unterricht folgen kann, Sir." Der Vulkanier schaute den Betroffenen an und nickte.

"Schaffen Sie es allein in Ihr Quartier oder soll ich den Arzt hierher bestellen?" Wesley zwang sich zu einer Antwort: " Ich gehe in mein Quartier. Darf Angela mich begleiten?"

Der Offizier nickte und ließ die beiden Kadetten an sich vorbei. Wesley war froh, daß er nicht allein gehen mußte, denn seine Beine gehorchten seinem Kopf nur widerwillig. Zweimal mußte Angela fest zupacken, weil er sonst gefallen wäre. Irgendwie schafften sie den Weg, auch wenn es ewig zu dauern schien. Im Quartier angekommen, ließ sich Wesley aufs Bett fallen. Angela zog ihm die Stiefel aus und schaffte es auch noch, ihn zuzudecken. In diesem Augenblick ging die Tür auf und Dr. Josephs kam herein, dicht gefolgt von Captain Sotek.

Der Arzt griff sofort zum Tricorder.

Die ersten Werte fand er noch normal, angesichts dessen, was an diesem Tag alles geschehen war. Er wollte dem jungen Mann eine Injektion geben, aber eine warnende Stimme in seinem Kopf riet ihm davon ab. So änderte der Arzt die Einstellung am Tricorder und wartete gespannt auf die neuen Ergebnisse. Es war dasselbe wie bei der gestrigen Untersuchung: die ganze Zellstruktur war phasenverschoben. Es lag also kein Problem mit den Tricorder vor. Seine gestrige Vermutung zerstob. Jetzt wurde ihm klar, daß das Medikament, das Dr. Malcam verabreicht hatte, nicht wirken konnte. Seine Neugier war geweckt. Jetzt wollte er die Ursachen für dieses Phänomen finden.

Der Arzt verabreichte dem Patienten ein Stimulanz, in der Hoffnung, daß es halbwegs wirken würde. Der Arzt hatte Glück. Wesley schien sich zu erholen.

"Mr. Crusher, es scheint mit dem Projekt doch ein Problem zu geben. Die Phasenverschiebung, die ich gestern bemerkte, scheint dauerhaft zu sein. Haben die Spezialisten bei der Durchführung denn nichts bemerkt?"

Der Kadett schaute Angela an, sie nickte. Vielleicht war das die Chance nach San Francisco zurückzukehren.

Der Kadett holte tief Luft und erzählte von dem Experiment und von den ihm beobachteten Folgen, von denen die Experten aber noch nichts wußten. Sie hielten den Blitz für eine kurze Überlastung. Die beiden Männer hörten aufmerksam zu. "Er muß zurück," lautete die Diagnose des Arztes.

"Ich werde sehen, ob die Gruppe bereit ist, das Experiment zu wiederholen. Notfalls müssen Sie ihnen die Geschichte selbst noch mal erzählen," entschied Captain Sotek. "Für den Rest des Tages sind Sie beurlaubt, Mr. Crusher. Das gilt allerdings nicht für Angela."

Nach diesem Befehl verließ der Vulkanier das Zimmer. Der Arzt wünschte den beiden alles Gute und verschwand ebenfalls.

Angela ließ sich vom Computer die Zeit sagen. "13 Uhr 55! Verdammt, jetzt fängt für mich der Unterricht an und beeilen muß ich mich auch noch," waren ihre einzigen Gedanken. Sie gab Wesley schnell einen Kuß und ging. Der Kadett blieb einfach liegen und war kurz darauf eingeschlafen. Im Traum befand er sich wieder zuhause, aber es war dort noch schlimmer als hier, denn Wesley flog mit dem Nova – Geschwader. Er wachte in dem Moment auf, als alle Raumschiffe explodierten.

Den Rest des Tages befaßte sich der Kadett mit den Projektdaten. Die Ursachen des Blitzes waren immer noch nicht gefunden worden, daher machte sich auch keiner Gedanken darüber, was er bewirkt haben könnte.

Wesley fing an zu spekulieren.

Wenn zur exakt gleichen Zeit in San Francisco und hier dieses Projekt gestartet wurde, konnten Risse im Zeit- Raum- Kontinuum entstanden sein. Ließe sich dieser Effekt umkehren, wenn die Anlage nur von einer Seite eingeschaltet war? Würde er seinem anderen Ich begegnen? Würde der andere Wesley Crusher einfach verschwinden? Wesley mußte an den Reisenden und das denken, was dieser ihm über Zeit, Raum und die Kraft der Gedanken erzählt hatte. Es würde funktionieren, dessen war sich der junge Mann plötzlich völlig sicher.

Um 17 Uhr meldete sich der Leiter des Projektes. Er befahl dem Kadetten, früh um 8 Uhr des nächsten Tages ins Labor 3 zu kommen. Mehr Informationen gab er nicht.

Es war Wesley auch egal, ob die Gruppe den Fehler gefunden hatte oder nicht oder der Arzt das medizinische Problem überzeugend genug dargestellt hatte. Der junge Mann bereitete sich innerlich auf einen Abschied vor.

Wem würde er die meiste Aufmerksamkeit schenken? Angela, die in seiner Realität seines Wissens nach nicht existierte? Captain Sotek, weil dieser die Hintergründe kannte, doch nicht aus dieser Realität heraus konnte? Commodore Bartsch, weil er es ohne dessen Rückendeckung hier nicht ausgehalten hätte? Zum Abschluß fiel sein Blick auf das zweite Bett.

Von Joshua brauchte er sich nicht zu verabschieden. Auf dem Computerbildschirm war zwischenzeitlich die Meldung erschienen, daß bei einem Flugunglück die Kadetten Roberto Vincetti und Joshua Albert ums Leben gekommen waren. Genau die zwei Personen, die irgendwie mit ihm in Verbindung standen. Der unvorhersehbare Tod seines Freundes hatte vieles verändert. Der einzige Gedanke, der ihn richtig traurig werden ließ, war die Trennung von Angela.

Er hatte sich in dieser kurzen Zeit in die ältere Frau verliebt und wußte bereits jetzt, daß die Gespräche mit ihr ihm in Zukunft sehr fehlen würden. Außerdem genoß er jede gegenseitige Berührung, obwohl Admiral Brent ihn daran hinderte, dieses Gefühl uneingeschränkt zu genießen. Wie konnte er verhindern, daß die Erinnerung an sie verloren ging?

Schließlich hatte er eine Idee. Am Abend wollte er Angela um ein Souvenir bitten. Er überlegt gerade, wie er seine Bitte formulieren sollte, als sich die Tür öffnete. Angela kam herein und setzte sich zu Wesley aufs Bett.

"Du siehst müde aus," empfing der junge Mann seine Freundin, dabei fuhr er ihr zärtlich über das Gesicht.

"Na, es geht so," brachte die Frau mühsam hervor, als schien sie etwas zu ahnen. "Was gibt es Neues?"

"Wir werden das Experiment morgen früh wiederholen. Alle hoffen, daß es mich nach Hause bringt." Wesley machte eine kurze Pause. "Mir selbst ist nicht so ganz wohl dabei. Ich befürchte, daß wir uns nicht wiedersehen. Zur Erinnerung möchte ich etwas persönliches von Dir."

Angela schaute ihn traurig an. 'Verdammt, er verschwindet von hier, und ich sitze hier fest. Das ist nicht gerecht.'

"Woran dachtest Du denn?"

"An ein Foto, das ich in die Tasche stecken kann. Ich hätte gern auch etwas von dem Parfüm, das Du benutzt."

"Das Bild könnte aber verschwinden, wenn Du zuhause wieder auftauchst, wenn ich die Theorie über alternative Universen richtig verstanden habe."

"Deshalb brauche ich das Parfüm."

"Dann wirst Du morgen aber nicht vorschriftsmäßig zum Dienst erscheinen. Du riechst dann nämlich sehr weiblich." gab Angela zu bedenken.

"Egal. Wenn alles klappt, bin ich sowieso verschwunden," gab Wesley pampig zu Antwort. Kaum hatte er es ausgesprochen, tat es ihm auch schon wieder leid. "Entschuldige, ich bin durch die Geschehnisse hin und her gerissen."

"Na, ist schon nicht so schlimm. So etwas ähnliches habe ich schon vermutet." Nach diesen Worten zog Angela etwas aus ihrem Ärmel: ein brandneues Foto. Angela war darauf geschminkt und trug das kurze weiße Kleid, das Wesley an ihr so gefiel.

Der junge Mann strahlte sie an. 'Ich habe es genau richtig gemacht,' dachte die junge Frau bei sich.

" Für das Parfüm habe ich schon eine Idee. Benutzt Du so etwas wie ein Taschentuch aus Stoff?"

Wesley nickte nur.

"Am besten wäre das, das Du bei dem ersten Experiment dabei hattest."

"Ja, das habe ich noch," antwortete Wesley spontan. "Obwohl sich die Uniformen nicht unterscheiden, konnte ich mich nicht dazu entschließen, die aus San Francisco zu vernichten. Ich habe sie separat aufgehoben und werde sie morgen früh anziehen."

Er sprang aus dem Bett und ging zu dem kleinen Schrank mit den Schubladen, in denen er kurz herumwühlte. Schließlich fand Wesley das Gesuchte und hielt Angela ein kleines schwarzes Tuch entgegen. Sie nahm es und verließ das Zimmer, um ihr eigenes Quartier aufzusuchen. Dort ging sie ins Badezimmer. Obwohl schminken im Dienst nicht erlaubt war, hatte sie alles hier. Sie nahm einen Flakon und besprüht das Tuch. Der Duft blieb gut auf dem Stoff haften. Sie hatte schon befürchtet, daß die selbstreinigenden Stoffe eine solche Behandlung nicht zulassen würden. Eilig lief sie zu Wesley zurück und überreichte ihm das Taschentuch. Er nahm es mit einem dankbaren Lächeln entgegen. Angela bemerkte, wie die verschiedenen Gefühle in Wesley wirbelten.

"Jetzt heißt es wohl "Auf Wiedersehen" zu sagen." brachte Wesley mühsam hervor.

"Ich glaube, "Tschüss" paßt besser," korrigierte ihn Angela. "Ich glaube nicht, daß wir uns am anderen Ende der Zeit oder wo auch immer wiedersehen." Angela hatte Mühe mit dem Sprechen und hätte am liebsten fluchtartig den Raum verlassen. Wesley kam ihr sehr nahe und nahm die Frau fest in die Arme. Als sein Gesicht das Ihre berührte, bemerkt sie Feuchtigkeit. Wesley ließ nicht zu, daß sie seine Tränen sah und drückte sie nur noch fester an sich. In dieser Position blieben sie dem Gefühl nach eine Ewigkeit. Als sich die Umarmung lockerte, gab Angela Wesley noch einen Kuß und verließ schnell das Quartier.

Kaum war die Frau verschwunden, fiel der junge Mann aufs Bett und weinte, bis er einschlief.

Commodore Bartsch machte um 22 Uhr Qartierkontrolle und fand den Kadetten in dieser unvorschriftsmäßigen Lage vor. Der Offizier weckte ihn aber nicht. Er hatte Mitleid und wünschte dem jungen Mann auf diese Art ein gute Heimreise. Routiniert setzte er den Rundgang fort. Er fand Angela noch wach im Bett liegend vor. Langsam ging er zu ihr und sprach sie ruhig an. "Vertrauen Sie uns, es wird alles gut werden."

Die Worte klangen abgedroschen, waren aber ehrlich gemeint. Bei Angela bewirkten sie das Gegenteil: sie drehte sich um und weinte. Irgendwann in der Nacht kehrte die gewohnte Stille ein.

In einer anderen Realität regte sich ein Wesley Crusher maßlos über all die Vorschriften auf und geriet so mit einer ruhigen, nachsichtigen Admiral Brent aneinander.

Es war bereits nach 22 Uhr und es sah nicht so aus, als würde er in absehbarer Zeit ins Bett gehen. Ihre Geduld schien am Ende zu sein.

"Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber ich warne Sie: es gibt für alles ein Zuviel.

Damit verließ die Vorgesetzte das Quartier. Sie regte sich schnell wieder ab und war bereits am Überlegen, ob der Vorfall disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen sollte. Außerdem nahm sie sich vor, mit Dr. Crusher über das ungewöhnliche Verhalten ihres Sohnes zu reden. In den letzten zwei Wochen war er vorlaut gewesen und hatte es mit den Befehlen nicht sonderlich genau genommen. Er hatte manchmal sogar die einfachsten Vorschriften mißachtet; So betrat er zum Beispiel das Labor 3 ohne Befehl oder Erlaubnis des zuständigen Offiziers. Kadett Crusher schaltete die Computer ein, der die Befehle auch annahm, weil der junge Mann zum Team gehörte, gleichzeitig aber einen stillen Alarm auslöste. Commander Green war hereingekommen und hatte ihn zur Rede gestellt. " Kadett, was haben Sie sich dabei gedacht? Meinen Sie, Sie finden den Fehler, den ein ganzes Team nicht findet?"

"Ihre Fehler sind mir scheißegal. Ich will zurück." hatte die Antwort gelautet.

Der Commander war überrascht gewesen. Irgend etwas war beim Test schiefgelaufen. Aber was? Anfangs hatten alle das Leuchten für einen optischen Effekt ohne Wirkung gehalten. Aber etwas war anscheinend doch passiert. Der Kadett war medizinisch untersucht worden, doch die Ergebnisse waren normal. Commander Green war sich mittlerweile sicher, daß der Arzt etwas übersehen hatte. So bestellte er einen Mediziner ins Labor, der den jungen Mann ein zweites Mal untersuchen sollte. Der vulkanische Arzt fand erst beim zweiten Scannen heraus, daß eine Phasenverschiebung auf der zellularen Ebene vorlag.

"Er kommt vermutlich aus einem parallelen Universum," hatte der Arzt die Daten zusammengefaßt. Diese Worte hatten den Kadetten wieder munter gemacht. "Sage ich doch. Ich will nach Hause. Ich habe die Nase voll von euch braven Eliteoffizieren."

Commander Green fand schnell die Fassung wieder. "Sie gehen in Ihr Quartier und warten dort. Ich werde Admiral Brent über den Vorfall unterrichten. Wegtreten!" Der Kadett war mißmutig davongegangen, während der Commander das Team einberief und sie über die Feststellung des Arztes diskutierten. Gegen Mitternacht entschieden sie, es noch einmal zu probieren, egal, ob die Einstellungen 100prozentig waren oder nicht. Sie gaben Admiral Brent Bescheid, daß der Kadett am nächsten Morgen im Labor 3 sein sollte.

"Wenn wir dadurch unser Original wiederbekommen, ist mir alles recht. Ich frage mich, was das für ein Universum ist, wo solche Typen auf die Akademie dürfen."

Admiral Brent informierte den Kadetten und genoß danach einen ruhigen Bereitschaftsdienst.

Wird fortgesetzt