Disclaimer:  siehe vorherige Kapitel!

"Ich bin so leicht entflammbar,

 meine Haut ist aus Papier.

 Und der Rest von mir ist Zunder,

 deine Flamme schlägt nach mir.

 Deine Raubtieraugen glühen,

 deine Hand verbrennt selbst Stein,

 aufgelöst in tausend Funken

 werd ich Rauch und Asche sein."

                    (Subway to Sally)

Kapitel 8

So leicht, wie wir uns das alles vorgestellt hatten, war es dann wohl doch nicht. Die Abendmahlzeit zog sich schier endlos in die Länge und Sonya stichelte schlimmer denn je, denn sie schien ganz genau zu merken, dass irgendetwas vorgefallen war, dass wir ihr vorzuenthalten versuchten. Licia und ich warfen uns genervte Seitenblicke zu und versuchten die Unterhaltung in harmlosere Bahnen zu lenken. Kein leichtes Unterfangen, da Licia unnatürlich aufgekratzt wirkte, was Sonyas Neugier natürlich nur verstärkte. Als Krönung des Ganzen eröffnete Tante Milikka mir dann auch noch, dass ich Sonya und Kait-Eleni ab dem morgigen Tage in Kräuterkunde und Zaubertrankbrauerei zu unterrichten hätte. Sie selber hätte nicht die erforderliche Zeit zur Verfügung und außerdem, betonte Sie, wäre es eine wunderbare Gelegenheit zu testen, ob ich das Zeug hätte, die Meisterprüfung in Angriff zu nehmen.

Mir schauderte. Kait stellte sich geschickt an und war eine aufmerksame Schülerin, aber die Säuerliche Sonya würde meine Geduld auf eine harte Probe stellen, denn sie war faul und ungelenk und sie würde sich keine Möglichkeit entgehen lassen, mich zu sabotieren. Außerdem wollte ich nicht, dass sie nun in meiner Kräuterküche und dem Gewächshaus herumschnüffeln konnte, aus denen ich sie bis jetzt so erfolgreich ferngehalten hatte.

Doch meine Tante war unerbittlich. Vormittags hatte ich Sonya zu unterrichten und nachmittags Kait-Eleni. Licia warf mir einen mitfühlenden Blick zu. Wir wussten Beide was das zu bedeuten hatte. Denn sollte sich diese Geschichte mit den beiden luchsäugigen Orks noch länger hinziehen, bräuchten wir dringend ein neues Geheimquartier, wo wir uns beraten und trainieren konnten und das Gewächshaus samt Kräuterküche war nun dafür unbrauchbar!

Schlecht gelaunt versuchte ich Sonyas boshafte Blicke zu ignorieren und widmete mich wieder meiner Mahlzeit.

Als meine Tante uns endlich entließ, war es fast dunkel. Licia und ich trafen uns im Gewächshaus, beide mit dicken Bündeln unter den Armen. Wir trainierten bis uns Arme und Beine wehtaten, aber Licia stellte sich erfreulich geschickt an und ich konnte ihr in der kurzen Zeit beibringen ihr Stilett zielsicher zu führen. Außerdem zeigte ich ihr noch den ein oder anderen Trick, falls jemand es schaffen sollte, sie zu entwaffnen. Nach knapp zwei Stunden konnte sie sich einigermaßen verteidigen, wir beschlossen aber von nun an regelmäßig zu trainieren, denn ich bezweifelte dass ein Ork von Licia ablassen würde, nur weil sie ihm jetzt in die Eier treten konnte.

Danach wählten wir eine angemessene Gewandung. Ich bestand darauf, alles abzulegen, was glitzerte oder in irgendeiner Weise Licht reflektierte, also nahmen wir sämtlichen Schmuck ab. Ich zog eine dünne, aber geschmeidige Lederhose an, die mir genügend Beinfreiheit ließ und ein enganliegendes schwarzes Oberteil aus festem Stoff, dazu noch kniehohe Lederstiefel. Darüber gürtete ich mich mit meinen Dolchen, einer dünnen Peitsche, die ich noch in der Truhe gefunden hatte und diversen Heiltränken. Auf einen Umhang und eine Gesichtsmaskierung verzichtete ich, da meine Haut bereits dunkel genug war. Ich nahm aber noch einen Kampfstab aus glattem dunklem Holz mit, in den Verzierungen aus Runen hineingeschnitzt waren, denn ich hatte so eine Ahnung, dass er mir noch nützlich sein würde.

Dann widmete ich Licia meine Aufmerksamkeit.

Sie zog eine dunkle enge Wollhose an, dazu ein Hemd mit einer dicken ledernen Weste darüber. Ich schlang ihr das Haar zu einem Knoten im Nacken, aber da es so hell war, würde es trotzdem im Dunkel leuchten. Also wickelte ich sie zuguterletzt noch in einen schwarzen Umhang mit Kapuze, die sie sich tief ins Gesicht zog, da auch ihre Haut heller war als meine.

Dann gingen wir schließlich los.

Auf dem Weg zum Weiher redeten wir kein einziges Wort miteinander, aber das war auch nicht nötig. Jede von uns hing ihren eigenen Gedanken nach. Ich persönlich wunderte mich darüber, dass die Orks, oder was immer sie auch waren, uns nicht angegriffen hatten, was doch eigentlich für ihr Verhalten ganz normal gewesen wäre. Aber in ihren Augen hatte keine Aggression gelegen, nur Neugier. Nein, da musste ich mich einfach geirrt haben, bestimmt hätten sie angegriffen, wenn wir nicht so schnell geflüchtet wären. Und jetzt mussten wir die Kleider wiederholen, damit sie nicht unsere Spur aufnehmen und sie zurück zu unserem Haus verfolgten, wo meine Tante und ihre restlichen Kinder ungeschützt und ungewarnt sorglos weilten! Malicia unterbrach meinen inneren Monolog.

„Ist dir eigentlich aufgefallen, wie dich der eine angestarrt hat?"

„Welchen meinst du?"

„Der größere von beiden, der mit dem Zopf. Der hat dich ja richtig angeschmachtet!" Licia kicherte.

„Hat er nicht, du bildest dir ja schöne Sachen ein!"

„Hat er doch! Der war so hin und weg von dir, dass er fast ins Wasser geplumpst ist! Ich hab's genau gesehen!"

Ich schnaubte empört.

„Oh, gibs doch zu, das es so war! Also wirklich, erst beschwerst du dich über den Mangel an Männern in diesem Wald und wenn dann mal welche da sind, ignorierst du sieh doch!"

 Ich wiederstand tapfer der Versuchung, Licia mit dem Stab eins überzutucken.

„Du willst doch nicht Allen Ernstes Orks als Männer betrachten?"

„Ach Sharra, vergiss nicht, wir sind Hexen. Das bedeutet, dass es uns nicht sonderlich interessiert, welcher Rasse unsere Partner angehören, solange sie uns nur zu Willen sind! Ich kenne etliche Schwestern, die schon mal was mit Orks oder Ähnlichen hatten!"

Ich musste gestehen, dass sie damit nicht so Unrecht hatte.

„Also was schlägst du vor? Dass ich ihn ko schlage und dann an seinem Zopf zurück mit ins Haus schleife, ihn in den Keller sperre und mir gefügig mache?"

„Wenn du drauf bestehst, bitte, laß dich von mir nicht davon abhalten. Aber eigentlich dachte ich, du wärst mehr der schüchterne Typ!"

Ich beschleunigte meinen Schritt, während Licia weiterhin in sich hineinkicherte.

Nach einigen weiteren Minuten gelangten wir dann in die Nähe der Stelle, an der wir unsere Kleider abgelegt hatten. Ich sah mich um, konnte aber nichts entdecken, was auf die Anwesenheit Anderer hinwies. Unsere Kleider lagen so, wie wir sie hatten liegenlassen, anscheinend hatten sie sie noch nicht gefunden. Ich atmete auf. Leise und behutsam schlichen wir hinüber und packten unsere Sachen zusammen. Es war noch alles da, keiner hatte sie durchsucht, erleichtert lächelten wir uns an.

Ich richtete mich auf und bekam den Schreck meines Lebens!

Vor mir, keinen ganzen Meter entfernt stand ein Koloss. Wie er sich so nah an mich ranschleichen konnte, ohne dass ich es bemerkte ist mir noch heute ein Rätsel!

Er überragte mich um gut einen Kopf, so dass ich mich in Augenhöhe mit einem äußerst mächtigem Brustkorb befand. Zu diesem gehörten zwei lange, außerordentlich muskulöse Arme. Ich ließ meinen Blick langsam höher wandern und blickte in ein Gesicht, das sowohl orkische als auch menschliche Züge aufwies. Ein breiter Mund mit schmalen Lippen, eine flache Nase und wieder diese gelben Luchsaugen, die mich so bewundernd betrachtet hatten. Eine hohe Stirn und auf dem Kopf langes, verfilztes schwarzes Haar und der besagte Zopf, über den wir vor wenigen Minuten noch Witze gemacht hatten. Seine Haut war dunkel wie meine eigene. Er trug eine schwarze Rüstung, die Arme und Beine frei ließ, dazu ein mächtiges Schwert und einen Bogen. Und mit einem Mal wurde mir klar, was für ein unglaubliches Glück wir gehabt hatten, dass wir ihnen so leicht entkommen waren.

Aber Licia hatte recht gehabt, es waren durchaus Männer!

Während ich ihn betrachtete, war er ein Stückchen näher an mich herangekommen, so dass uns nur noch eine Handbreit Luftraum trennte.

Ich blickte wieder in diese Augen, diese unglaublich schönen Luchsaugen und mir wurde flau im Magen, heiß in meiner Tunika und in meinen Ohren dröhnte es. Er war so nah, dass ich hören konnte, wie er beim Atmen ein schnurrendes Geräusch fabrizierte und wie seine Rüstung knirschte, wenn sich sein Brustkorb hob und senkte. Ich öffnete meinen Mund um zu sprechen, doch ich brachte keinen Ton heraus, so eng war meine Kehle.

Hinter meinem Rücken hörte ich Malicia leise aufschreien.

Und dann setzte mein Instinkt ein.

Über meine Lippen kam ein Kampfschrei, der meiner Lehrerin alle Ehre gebracht hätte und ich ging mit dem Stab auf ihn los. Die Routine jahrelanger Übung ergriff Besitz von mir und ich vollführte die gewagtesten Schlagkombinationen, die ich je gelernt hatte und das waren nicht wenige. Mein Gegner parierte sie jedoch ebenso geschickt mit einer Eleganz und Beweglichkeit, die ich einem Mann mit solchem Körperumfang nicht zugetraut hätte.

Ich schaffte es, ihn ein gutes Stück weit zurückzudrängen. Aber dann setzte er zu einem Gegenschlag an, der meinen geliebten Kampfstab mit einem lauten ´Knack´ in zwei saubere Hälften zerbrach. Ich warf die beiden Hälften von mir und griff nach meinen Dolchen, willens die Sache zu Ende zu führen, egal wie sie ausging.

Hinter mir rang Licia mit dem anderen der beiden Ork-Wesen und hatte zu meinem Erstaunen wesentlich mehr Erfolg als ich. Als er versuchte sie zu packen, blendete sie ihn mit einem einfachen Zauber und trat ihm dann exactement genau zwischen die Beine. Der gequälte Aufschrei seines Gefährten ließ meinen Gegner einen Moment lang verharren und ich nutzte diese Chance, ihm meinen Dolch in den ungeschützten Oberarm zu stoßen.

Leider blieb mein Dolch dabei stecken und bei dem Versuch ihn herauszuziehen, zog der Ork mich an meinem eigenem Arm zu sich heran, ganz offensichtlich total unberührt von der Verletzung die ich ihm beigebracht hatte. Wir starrten uns an. Ich blickte in seine Augen und zu meinem Erstaunen konnte ich nicht die geringste Spur von Wut oder Kampfeslust in ihnen entdecken. Mit einem heiseren Schnurren beugte er sich zu mir hinunter und vergrub seine Nase in meinem Haar. Ich spürte heißen Atem auf meiner Kopfhaut und vernahm ein schnupperndes Geräusch, dann ließ er mich abrupt los, zog seinen Gefährten mit sich und verschwand im Wald.

Ich stand wie angewurzelt an derselben Stelle, bis Licia mir einen sanften Schubs gab und mich nach Hause führte.