Disclaimer: sie vorherige Kapitel!

„Verwandte sind wie Fisch,

 nach drei Tagen fangen sie an zu stinken!"

                        (chinesisches Sprichwort)

Kapitel 17

Es war der Tag des Festes und wir hatten beide schon die Nasen gestrichen voll.

Den ganzen Morgen über waren Gäste über Gäste eingetrudelt und Tante Milikka hatte Licia und mir die ehrenvolle Aufgabe zugedacht, sie zu bedienen, während sie selber höflich plaudernd vom Einem zum anderen ging.

Ich hielt ein Tablett mit kleinen Häppchen wie einen Schutzschild vor meinen Körper, während Licia immer wieder die Kelche mit schwerem süßem Rotwein füllte, die man ihr pausenlos entgegenstreckte. Hexen wissen halt zu feiern, dachte ich im Stillen bei mir, obwohl das eigentliche Fest erst bei Einbruch der Dunkelheit beginnen würde. Wir beide trugen schwere, förmliche Roben mit weiten, langen Fledermausärmeln und einer Schärpe um die Taille. Ich spürte die zahlreichen neugierigen Blicke auf mir ruhen. Sie kannten zwar den Namen meiner Mutter, aber bis jetzt hatte mich noch keiner dieser Gäste vorher zu Gesicht bekommen.

„Hast du sie gesehen?"

„Ja, das muss sie sein, schau doch nur, diese grobe Gestalt!"

„Und diese dunkle Haut, ob das eine Krankheit ist?"

„Nein nein, sicher nicht, davon wüsste ich! Hast du denn nicht gehört, was man sich über sie und ihre Mutter erzählt?"

Ich hörte ein boshaftes leises Kichern in meinem Rücken.

„Nein habe ich nicht, was erzählen sie denn?"

Die Sprecherin, die, wie ich inzwischen erkannt hatte, zu den alten Freundinnen meiner Tante gehörte, senkte die Stimme zu einem Flüstern. Unauffällig rückte ich ein Stückchen näher und gab Licia einen Wink, sich neben mich zu stellen.

„Nun, man sagt sich, dass Cassandra die Göttin gefrevelt hat, indem sie bei einem Mondfest einem Ungeheuer beilag. Deswegen bestrafte Shora sie mit dieser ungestalten Tochter und versagte ihr von da an weitere Kinder!" ihre Stimme klang triumphierend.

„Nein! Wirklich?"

„Wenn ich es dir doch sage! Ich habe es aus überaus zuverlässiger Quelle!"

„Wer hat es dir gesagt? Wer?"

Das interessierte mich jetzt allerdings auch ungemein. Ich schluckte. Licia drückte meinen Arm.

„Die Hohepriesterin Ellena hat es mir erzählt. Natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit! Aber du weißt ja, Geheimnisse sind bei mir sicher aufgehoben!"

Ellena! Das hätte ich mir ja denken können! Zitternd vor Wut, drehte ich mich um und funkelte die beiden älteren Hexen mit mühsam unterdrückter Wut an. Die beiden erbleichten, als ihnen klar wurde, dass ich alles mitgehört hatte.

„Ein Stückchen Rauchfleisch gefällig?" ich rammte der Sprecherin das schwere Silbertablett in meiner Hand fast in den Magen.

Da ich einen guten Kopf größer als die beiden schmächtigen Hexen war, entscheiden diese sich für einen hastigen Rückzug und verschwanden unter den anderen Gästen. Malicia nahm mich beim Arm und zog mich in eine dunkle Ecke, wo ich mich ein wenig abreagieren konnte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.

„Meine Mutter eine Gottesfrevlerin? Meine Mutter?"

Ich schnaubte vor unterdrückter Wut.

„Und mein Vater ein Ungeheuer?" ich fluchte leise, aber ausgiebig.

Licia stellte den Weinkrug ab und nahm mich in den Arm.

„Du wirst doch nicht ein Wort von dem glauben, was diese alten Schachteln herumtratschen, die wollen sich doch bloß wichtig machen!"

„Bin ich denn auch ein Ungeheuer?" ich blinzelte ein paar Tränen zurück.

Bevor Licia mir antworten konnte, stieß Lillith zu uns.

„Was ist denn hier los?" fragte sie erschüttert.

„Diese alte Kuh Iphania hat gemeine Lügen über Asharras Mutter erzählt! Sie behauptet Sharra wäre missgestaltet und ihre Mutter eine Gottesfrevlerin!"

Lili legte einen Arm um meine andere Schulter und drückte mich.

„Was für eine Unverschämtheit! Dabei bist du doch so hübsch, ich bin schon ganz neidisch auf deine schönen Augen und deine gute Figur! Komm jetzt, verstecken wird dir jetzt nichts nützen, du musst ihnen die Stirn bieten!" sie nahm einen Zipfel ihres Ärmels und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

„Lili hat Recht, das kannst du dir nicht bieten lassen, über so was musst du einfach drüber stehen! Hier, nimm einen Schluck Wein und dann gehen wir wieder zurück hinein!" sie drückte mir die Karaffe in die Hand.

Ich nahm einen kräftigen Zug und richtete mich stolz auf. Sie hatten Recht, verstecken würde mir nichts nützen!

Den Rest des Vormittages setzte ich eine eisige Miene auf, während ich mit meinem Tablett durch die Menge schritt.

Im Inneren aber beschäftigte mich schon seit gestern die Frage nach meinem Vater. Da die meisten unserer Kinder bei den Mondfesten gezeugt wurden, passte der Begriff ´Vater´nicht wirklich. Immerhin hatten sie an Schwangerschaft, Geburt und Erziehung der Kinder keinen Anteil, die Meisten erfuhren noch nicht einmal, dass sie überhaupt Vater wurden, so kurz und flüchtig waren unsere Begegnungen. Deswegen hatte sich der Begriff des ´Erzeugers´eingebürgert, der vor allem die Funktion hatte, darauf hinzuweisen, dass ein ´Erzeuger´halt nur ein ´Erzeuger´war und ansonsten keine Rechte an einem Kind besaß.

Aber ein Ungeheuer? Mich beschlich ein ungutes Gefühl. War das vielleicht der Grund, warum sich dieser Uruk-hai so zu mir hingezogen fühlte, mich begehrenswert fand? Weil er selbst ein Ungeheuer war? Machte mich das selbst auch zu einem?

Ich schüttelte diese Gedanken ab. Ich musste wohl meine Mutter fragen, wenn ich wieder im Untergrund war.

Der Nachmittag kam und unsere Gäste zogen sich in ihre Zimmer zurück, um ein wenig auszuruhen und sich für den Abend vorzubereiten.

Licia und ich hatten innerhalb von zwei schweißtreibenden Stunden den Kessel mit dem Lakh´cha, dem Zaubertrank, auf die Festwiese geschafft. Dann waren wir noch einmal mit einem riesigen Korb voll mit Bechern, Tellern, Fackeln und Kerzen zurückgekehrt und hatten den Festplatz vorbereitet und dekoriert. Immer im Schlepptau hatten wir dabei Rochelle, die von ihrer Schwester dazu angewiesen worden war sich ´nützlich´zu machen. Das hieß, dass sie mit einer entrückten Miene in ihrem stark geschminkten Gesicht hinter uns herschlurfte und uns die ganze Zeit nur im Weg stand. Schließlich schickte Licia sie Feuerholz sammeln und wir hatten ein wenig Ruhe vor ihr.

Großtante Serafina, die ich sehr gern mochte, hatte zwei Ziegen für das Fest gespendet, die wir in einem Bannkreis nahe der Feuerstelle festpflockten. Das Los würde bei Sonnenuntergang entscheiden, wer sie schlachtete. Mich an meinen Blutopfer-Unfall erinnernd, der mich überhaupt erst hierhin verbannt hatte, hoffte ich inständig, dass ich nicht die Glückliche sein würde!

Die Festwiese, fünf Minuten Fußweg von unserem Haus entfernt, war ein sanfter Hügel mit einer großen Feuerstelle, auf der der Kessel stehen würde und um welche herum wir tanzen würden. Das Gras wuchs hier grün und saftig und der ganze Hügel war malerisch von Wald eingerahmt.

Müde und zerschlagen waren wir nach diesen Anstrengungen nach Hause zurückgekehrt und hatten den Baderaum im Keller geentert. Der Baderaum war eine kleine, natürliche Höhle im Felsgestein unter dem eigentlichen Haus und besaß einen Tümpel, eine Art heiße Quelle, die hervorragend zum Baden geschaffen war. Das Wasser war trübe und roch leicht nach Schwefel, aber nach dem Baden war die Haut einmalig zart und geschmeidig und man war alle etwaigen Muskelschmerzen und Verspannungen los. Sunavoa (Nova), Rochelle und Lillith (Lili) hatten sich zu uns gesellt und nun lümmelten wir uns im Wasser und tranken den restlichen Wein, der vom Empfang übrig geblieben war. Nova hatte eine reichliche Auswahl an Kosmetika und Pflegeprodukten mitgebracht, die wir nun munter ausprobierten. Ich wählte eine nach Rosen duftende Lotion und schamponierte damit mein Haar. Zarter Duft erfüllte die kleine Höhle. Indessen hatte Malicia, auf der Suche nach Verbündeten im Kampf gegen Tante Milikka, von meinem Dilemma erzählt.

„Nun, wir haben schon welche gesehen!" sagte Lili, als das Stichwort Uruk-hai fiel.

Ich sah sie erstaunt an.

„Auf unserer Reise hierher haben wir einige ihrer Trupps von Ferne gesehen. Es scheint gar nicht mal so wenige von ihnen zu geben."

Nova lachte.

„Jetzt erzähl es schon richtig, Lili. Fakt ist, wir haben uns an einem Abend vom Lager weggeschlichen, um sie uns mal genauer anzuschauen!"

„Und was habt ihr gesehen?" fragte Licia eifrig.

„Nun auf jeden Fall sind es ganze Kerle, nicht wahr Nova? Riesige, muskelbepackte Hünen mit langen Haaren und schlechten Manieren, aber sie haben was!"

„Was haben sie?" wollte ich wissen. Rosenshampon lief mir in die Augen.

Nova lachte.

„Gib mir mal die Sandelholzcreme!"

„Lillliii!!"

„Schon gut, schon gut! Ich sagte doch, ganze Kerle. Sehr maskulin!"

„Genau, bade sie und zieh ihnen was Anständiges an und ich kann verstehen, das Sharra an ihnen was findet!" sagte Nova.

Licia griff nach einem Wasserkrug und spülte mir die Haare aus.

„Auf unsere Hilfe kannst du jedenfalls zählen, nicht wahr, Nova?" bekräftigte Lili.

„Genau, mach dir keine Sorgen! Wir halten dir Tante Milikka und ihre alten Schachteln vom Leib, damit du in Ruhe nach deinem Lieblingsuruk suchen kannst! Lass uns nur machen!" kicherte Nova.

„Aber morgen früh musst du uns dann alles erzählen!"

„Ja genau, wir wollen jedes schmutzige Detail hören!" noch mehr Gekicher und Geplantsche.

Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen!

„Du weißt ja, mein ´Lieblingsuruk´ ist nicht alleine, Nova! Er hat noch einen Kumpel dabei. Wenn ich ihn bade und frisiere, nimmst du ihn dann?"

Nova blickt mich einige Sekunden verstört an und dann fingen alle an, gleichzeitig zu lachen.