Disclaimer:  das Übliche!

„Ja, ich bin ein Streuner und bleib es auch

 Bis zum letzten Atemhauch!

 Und wenn ich einmal ende,

 Dann bin ich längst Legende!"

                                         (Die Streuner)

Kapitel 25

Als wir sicher waren, dass das Haus im tiefen Schlaf lag, kletterten wir aus meinem Fenster und machten uns auf den Weg.

Gebückt schlichen wir uns durch den Garten bis in den Wald hinein und liefen dann leichtfüßig bis zum Lager der Uruks. Malicias anfänglicher Euphorismus hatte sich inzwischen ein wenig gedämpft. Kurz vor dem Lager hielt sie an und flüsterte mir ins Ohr.

„Sharra, vielleicht war es doch keine so gute Idee, die beiden mitzunehmen…" sagte sie nervös.

„Was bedrückt dich denn auf einmal, heute Nachmittag schien es dir doch noch ein guter Einfall zu sein. Du hast gesagt, sie können uns bei der Suche helfen und uns außerdem noch Rückendeckung geben. Falls wir sie brauchen sollten."

„Ja ich weiß, aber können wir ihnen auch wirklich trauen? Wir kennen sie nicht gerade gut, musst du zugeben."

„Das stimmt, aber ich weiß genau, dass Mauhur nicht zulassen würde, das mir etwas geschieht. Auch wenn es ein Angriff aus seinen eigenen Reihen sein sollte!"

„Nun, wenn du es sagst…" ganz überzeugt war Licia noch nicht, aber das konnte ich ihr auch nicht verübeln.

Ich drehte den Kopf zur Seite und lauschte.

„Außerdem ist es jetzt eh schon zu spät für solche Diskussionen. Da hinten kommen sie. Sie müssen uns gehört haben!"

Das vor uns aufragende Gebüsch teilte sich geräuschlos und Mauhur und Norgak traten heraus. Mauhur blieb ein paar Schritte vor mir stehen und neigte den Kopf in Andeutung einer Begrüßung mit einem leichten Knurren zur Seite. Norgak blieb, wo er war, aber mir fiel auf, dass er Licia verstohlen aus den Augenwinkeln musterte. Da mir sein Gesichtsausdruck dabei nicht gefiel, beschloss ich, ihn in Zukunft im Auge zu behalten. Licia begegnete diese Musterung mit einem Unheil verkündenden Funkeln in den Augen.

„Ich nehme an, du hast einen triftigen Grund, uns zu besuchen, oder warum hast du deine Cousine mitgebracht?" brach Mauhur das Schweigen.

„Nun sagen wir, wir planen eine kleine Expedition und haben uns gefragt, ob ihr rein zufälligerweise Lust hättet, uns zu begleiten!" sagte ich in leichtem Ton.

Mauhur hob die Augenbrauen.

„Was für eine Expedition könnte das sein?"

„Den Eingang zu den Höhlen."

Ich sah, wie Norgak hinter Mauhurs Rücken misstrauisch die Stirn runzelte.

„Was für eine Schnapsidee ist das denn schon wieder? Damit haben wir doch nichts zu schaffen!" schnappte er.

Licia schnaubte verächtlich.

„Niemand zwingt dich, Erbsenhirn. Wenn du Schiß hast, dann bleib hier. Aber entscheidet euch gefälligst schnell, wir haben nicht ewig Zeit!"

Empört holte Norgak Luft, um zu einer bissigen Antwort anzusetzen, aber Mauhur schnitt seinen Redefluss mit einer ungeduldigen Handbewegung ab.

„Na schön, etwas Besseres haben wir ja doch nicht zu tun.Geh voran!"

Licia warf Norgak einen triumphierenden Blick zu und machte sich dann daran, unseren kleinen Zug tiefer in den Wald hinein zu führen.

Licia ging voran. Kurz dahinter kam ich und obwohl der Weg breit genug für zwei nebeneinander gewesen wäre, bestand Mauhur darauf, dicht hinter mir zu gehen, was ein höchst seltsames Gefühl war. Jedes Mal wenn Licia stehen blieb um sich zu orientieren, spürte ich, wie sich sein Brustkorb dicht an meinem Rücken hob und senkte und wie sein Atem über mein Haar hinwegstrich. Es verlieh mir ein völlig neues Gefühl von Sicherheit.

Norgak bildete das Schlusslicht.

Nach einer guten Stunde strammen Wanderns erreichten wir schließlich den Eingang.

Von der eigentlichen Gruft war nur noch eine Ruine übrig geblieben, die im Laufe der Jahre von Ranken und Gestrüpp überwuchert worden war. Mehrere Grabsteine umsäumten die kleine Lichtung. Missmutig betrachtete ich das Chaos vor uns.

„Und wo soll der Eingang sein?" fragte ich.

„Nur nicht ungeduldig werden, siehst du die große Felsenplatte da auf dem Boden?"

Ich ging zu der türgroßen, in den Boden eingelassenen Platte hinüber und kniete mich auf den Boden. Resolut riss ich die dornigen Nachtschattengewächse zur Seite, welche die Platte frech überwucherten. Mauhur kniete sich neben mich und betrachtete sie neugierig. Schließlich wurde eine Inschrift sichtbar. Mit der Hand wischte ich den letzten Dreck zur Seite.

„Nur wer weiß, wer ich wirklich bin

 Nur wer sieht, was wirklich ist

 Nur wer der Magie würdig ist

 Nur dem offenbare ich mein Geheimnis

 Tritt vor, meine Tochter

 Und gebe dich zu erkennen!"

Ich stöhnte auf.

„Oh nein, alles, nur nicht so ein Rätsel!"

„Beruhige dich, Sharra. Es ist nicht immer so schwer, wie es erscheint!" meinte Licia beschwichtigend.

„Nur wer weiß, wer ich wirklich bin, nur wer sieht, was wirklich ist..sag nicht, dass du die Lösung darauf weißt!"

Licia setzte sich auf einen umgekippten Grabstein und strich ihre Röcke glatt.

„Aber Sharra, es ist doch kein Rätsel! Schau genau hin!"

Ich starrte sie an.

„Ich verstehe nicht, was du damit meinst!"

„Das Rätsel dient lediglich dazu, Menschen und andere Rassen zu verwirren. Für Hexen jedoch, ist es leicht verständlich." versuchte sie zu erklären.

Ich setzte mich ebenfalls.

„Tut mir leid, Schwester, aber ich kann dir nicht ganz folgen!"

Licia seufzte.

„Es ist eigentlich ganz einfach, pass auf! ´wer ich wirklich bin´ bezieht sich auf die Göttin, wie könnte es auch anders sein. ´was wirklich ist´ meint die verborgenen Höhlen, die ja geheim sind und ´wer der Magie würdig ist´ meint schlicht und einfach die Hexen."

„Und wie passt das alles zusammen?"

„Schau genau hin, ´Tritt vor, meine Tochter und gebe dich zu erkennen!´ das ist kein Rätsel, sondern eine Aufforderung!"

Auf einmal ging mir ein Licht auf. Instinktiv lehnte ich mich über die Platte und betrachtete sie genauer. Unterhalb der Inschrift war ein kleines Symbol in Form eines Kelches. Ich legte meine Hand darauf und drückte zu.

Rotes Licht zeichnete die Umrisse meiner Hand nach und ließ sie im Dunkeln gespenstisch leuchten. Ich spürte die uralte Magie dieses Ortes beinahe schmerzlich in mir vibrieren. Undeutlich nahm ich wahr, dass sich Mauhur näher an mich heranschob, den Körper zum Sprung angespannt, um mich notfalls schnell aus der Gefahrenzone zu schaffen. Einige Momente später floss die magische Energie von meinem Körper zurück in den Stein und ich atmete erleichtert auf.

Dann fühlte ich, wie sich die Platte unter mir langsam in Bewegung setzte. Gebieterisch legte Mauhur seine Hand auf meine Schulter und ich ließ es zu, dass er mich ein Stück von der Bodenplatte wegführte. Dann gab es ein lautes knarrendes Geräusch, als ob der Eingang schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden wäre. Staub wirbelte auf und mit einem Ächzen schob sich die Platte zur Seite und enthüllte einen düsteren Treppenschacht, der in unbekannte Tiefen führte.

Wir hatten es geschafft.