Disclaimer: das Übliche halt…
Kapitel 29
Malicia und Norgak standen in der Nähe des Einganges und betrachteten sich misstrauisch.
Asharra und Mauhur waren jetzt schon etliche Stunden weg und allmählich wurde die Zeit knapp.
In einer Stunde würde die Sonne aufgehen und der Eingang würde sich schließen und erst bei Sonnenuntergang wieder öffnen lassen. Malicia betrachtete die Treppe, deren staubbedeckte Stufen sich schon nach wenigen Metern in der alles verschlingenden Dunkelheit verloren. Man konnte noch die Fußabdrücke der Zwei erkennen, von denen die Eine ihr so ans Herz gewachsen war. Sie machte sich nichts vor. Ganz egal, ob Cassandra ihrer Tochter ihr Einverständnis zu ihrer Verbindung geben würde, oder nicht, Asharra würde sich nicht davon abhalten lassen, mit ihm fortzugehen.
Und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ging.
Und dann war sie wieder alleine.
Alleine in ihrem stickigen Kämmerchen, in einem muffigen alten Haus, das in einem verzauberten Wald stand, in den sich kaum je eine Menschenseele verirrte.
Alleine mit einer Mutter, die sie kaum beachtete, mit zwei kleineren Schwestern, von denen die eine unausstehlich und die andere noch zu jung war, um sie richtig zu verstehen.
Alleine mit ihrer Sehnsucht nach einem richtigen Leben.
Sie seufzte und lehnte sich gegen eine alte Steinsäule. Sie wusste, dass das Leben nicht fair war. Nur leider machte es einem dieses Wissen auch nicht leichter.
Ein paar Meter neben ihr hing Norgak seinen eigenen, nicht weniger komplizierten Gedanken nach.
Dort drüben stand es, das Objekt seiner Begierde, der Traum seiner schlaflosen Nächte, die einmalige Chance sich von dem Trauma des Mondfestdesasters zu erholen. Keine drei Meter von ihm entfernt und sie waren endlich allein, kein störender, weil alles beherrschender Anführer, der ihm befahl, und auch nicht die strahlende Göttin, die er sich zur Gefährtin erwählt hatte. Als ob er das ohne seine, Norgaks, Hilfe jemals geschafft hätte! Bei dieser Erinnerung warf er sich stolz in die Brust, er war ja schließlich ein Experte!
Vorsichtig pirschte er sich an Malicia heran, die in Gedanken versunken zu sein schien und räusperte sich.
„Was plagt dich denn, mein schönes Kind?" fragte er in einem, wie er hoffte, vertrauensheischenden Ton.
Das ´schöne Kind´ schreckte aus seinen Überlegungen hoch und musterte ihn wachsam.
„Was willst du?" fragte sie schließlich.
„Wer sagt denn, dass ich irgendwas will? Ich dachte lediglich, ich unterhalte dich etwas, bis die beiden zurückkommen!" er deutete mit einer Hand auf den Treppenschacht.
„Das ist ja interessant. Und wie gedenkst du mich zu unterhalten?" fragte Malicia schelmisch.
Nachdenken, Norgak, nachdenken! Wie kannst du sie möglichst unauffällig von deinen männlichen Qualitäten überzeugen?
Eine peinliche Stille trat ein.
„Na?"
Als Norgak schließlich anfing, belangloses Zeug zu reden, beschloss Malicia, sich einen kleinen Spaß zu erlauben…
Sie verließ ihren Platz an der Steinsäule und ging die wenigen Schritte zu dem Uruk hinüber.
Dieser betrachtete sie erstaunt.
Mit dem unschuldigsten, süßlichsten Lächeln, das sie zustande brachte legte sie Norgak eine Hand auf den beschienten Unterarm und klimperte mit den Wimpern.
Sunavoa und Lillith hätten sich bei diesem Anblick vor Lachen gebogen.
„Weißt du, es tut mir ja so leid!" flötete sie.
„Was denn ?" fragte er, verwirrt über den abrupten Themawechsel.
„Oh, diese ganze Sache mit Iphania…" der arme Kerl zuckte bei Erwähnung dieses Namens zusammen.
„Ich weiß gar nicht, wie so etwas passieren konnte, so ein stattlicher Kerl, wie du, die Frauen haben sich ja regelrecht um dich gerissen!" die Hand wanderte einen schwärzlichen nackten Oberarm hinauf und beschrieb dabei kleine Kreise mit spitzen Fingernägeln.
Norgak bekam eine Gänsehaut.
„Um mich geriss..ach ja natürlich, ja ich weiß was du meinst!" bemerkte er selbstgefällig.
„Du warst ja derart mit ihr beschäftigt, dass du für uns Anderen ja gar keine Zeit mehr hattest!" schmollte Malicia. Die Hand wanderte von der Schulter auf den Brustkorb, in die Halsöffnung der Tunika.
„Aber daraus mache ich dir natürlich keinen Vorwurf, schließlich kann ich junges Ding es ja auch nicht mit einer reifen, erfahrenen und in den Liebeskünsten so überaus bewanderten Frau aufnehmen! Ich hätte keine Chance!" hauchte sie.
Darauf konnte Norgak nichts mehr erwidern, denn sein Hals war schlicht weg zu trocken. Irgendetwas an der ganzen Sache war faul, kitzelte es in den hintersten Winkeln seines Kopfes, aber dieser glich momentan eher einer klebrig süßen Wattewolke und hatte eh nicht viel zu melden.
„Und jetzt wirst du fortgehen! Aber du sollst wissen, dass ich immer an dich denken werde! Du hast mich für alle anderen Männer verdorben!" seufzte Licia melodramatisch und warf sich mit einer dramatischen Geste an seine Brust, nur um sich den Bruchteil einer Sekunde später wieder von ihm abzuwenden, bevor er nach ihr greifen konnte.
Jetzt kam sie erst richtig in Fahrt.
„Nein, nein, versuche mich nicht! Ich weiß, du würdest für mich bis ans Ende der Welt gehen, ich weiß, du würdest alles für mich tun! Aber ich darf nicht, nein ich werde nicht egoistisch sein und versuchen, dich abzuhalten!" rief sie mit lauter Stimme.
„Äh, abhalten wovon?" fragte ein ziemlich beeindruckter und ebenso verwirrter Norgak.
„Von deiner Pflicht! Denn ist es nicht die Pflicht eines so großen und mächtigen Kriegers, wie du es bist, hinaus in die Welt zu ziehen und große Taten zu tun?" sie warf ihm einen halb flehenden, halb bewundernden Blick zu.
„Heldentaten, die so mutig und beeindruckend sind, dass sie einen Krieger einreihen in die Hallen der großen Helden, um in Stein gemeißelt zu werden, auf das man sich ihrer Namen und ruhmreicher Taten auf ewig erinnert!"
„Äh ja, genau. Heldentaten. Genau. Das geziemt sich wohl für einen Krieger.." brachte er schließlich heraus.
Zu diesem Zeitpunkt bebten Malicias Schultern bereits so vor unterdrücktem Lachen, das sie sich abwenden musste, um nicht laut herauszuplatzen. Sie drehte sich um, um wieder ein wenig ihre Fassung wiederzuerlangen.
Und blickte direkt in unsere ungläubigen Gesichter.
„Oh, hallo Sharra, Mauhur. Wie lange seid ihr schon zurück?" die Sache schien ihr doch ein wenig peinlich zu sein.
Mauhur klappte seinen Mund wieder zu.
„Lange genug." sagte er nur, aber um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch.
Wir sammelten einen immer noch von Heldentaten träumenden Norgak ein und machten uns auf den Rückweg.
Im Wald nahm ich Licia ein Stück beiseite.
„Was war das da gerade eben?" fragte ich amüsiert.
„Also wirklich, Sharra, wo bleibt deine Bildung? Das war die dritte Szene aus dem zweiten Akt der sehr beliebten Liebestragödie „Schwert und Rose", falls du es nicht wissen solltest!" sagte sie leise lächelnd und beschleunigte ihren Schritt.
Ich holte mühelos zu ihr auf.
„Ja, aber warum hast du es gemacht?" beharrte ich.
Malicia sah mich bloß an.
„Aber Asharra, weil ich es kann!"
