Disclaimer: das Übliche!
Kapitel 30
Auf dem Rückweg fasste ich einen Entschluss.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, das Haus meiner Tante bei Nacht und Nebel zu verlassen, um mögliche Komplikationen zu vermeiden. Nach dem tröstenden Gespräch mit meiner Mutter aber, hatte sich meine Gesinnung geändert.
Ich würde mich nicht wie ein Dieb in der Dunkelheit davonschleichen.
Asharra, Tochter von Cassandra würde stolz erhobenen Hauptes und reinen Gewissens dieses Haus verlassen.
Oder gar nicht!
Zufrieden mit mir und der Welt, drückte ich meine Schultern gerade und hob stolz den Kopf. Mauhur, der immer noch wie der Schatten eines riesigen Raubtieres hinter mir herschlich, entging diese kurze Geste nicht. Er beugte sich über meine Schulter.
„Du wirkst so entschlossen." grummelte er.
„Morgen Abend" sagte ich nur, aber Mauhur verstand schon, was ich meinte. Unsere Gedankengänge ähnelten sich.
„Gut. Ich kann es kaum erwarten, aus diesem Dreckswald rauszukommen!"
Wir gingen eine Weile schweigend weiter.
„Ich werde dich abholen." sagte er schließlich.
Besser gesagt, er sagte es nicht, er stellte fest. Den Ton kannte ich inzwischen nur allzu gut.
„Ich bin mir nicht sicher, ob das ratsam ist.." wagte ich trotzdem anzuzweifeln.
Mauhur schnaubte abfällig.
„Ach was, und ob es ratsam ist! Ich werde dich nicht einen Moment länger als notwendig mit dieser alten Teufelin alleine lassen!"
Ich wusste nicht, ob ich über diese offene Zurschaustellung von Beschützerdrang gerührt oder belustigt sein sollte.
Oder vielleicht ein bisschen genervt?
Ich entschied mich für Letzteres.
„Bitte nimm zur Kenntnis, daß ich eine erwachsene Frau bin. Ich bin sehr wohl in der Lage, auf mich selbst aufzupassen!" sagte ich angriffslustig.
„Allerdings, das habe ich beim Fest ja nur zu deutlich gesehen!" versetzte er gereizt.
Schames- sowie Wutröte schossen mir ins Gesicht und nicht zum ersten Mal war ich dankbar für meine dunkle Hautfarbe. Aber das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen! Musste dieser Mann immer das letzte Wort behalten?
„Oh, ich denke nicht, daß ich hier irgendjemanden was beweisen muss!" sagte ich mit einem aufreizenden Lächeln und deutete mit einem Finger auf die lange und gut sichtbare Narbe auf seinem Oberarm.
Touché!
Verwirrt blickte Mauhur auf die bezeichnete Stelle seines Armes, dann begriff er.
Und dann legte er den Kopf in den Nacken und fing an, schallend zu lachen.
Das Lachen eines Uruk-hais ähnelte allerdings mehr einem mächtigen Brüllen, das mit abgehackten Zisch- und Grunzlauten durchsetzt war. Verwundert schüttelte ich den Kopf. Manchmal war er halt ein Rätsel für mich.
Abrupt wurde er wieder ernst.
„Und ich hole dich trotzdem ab!"
Ich seufzte ergeben, dann eben auf die harte Tour!
**
Kurz bevor wir das Haus erreichten, hatte ich ihn schließlich weich gekocht.
Mein Geheimnis?
Ganz einfach, Liebesentzug.
Die restliche Wegstunde hatte ich meine düsterste Miene aufgesetzt und mich schlichtweg geweigert, meinen zukünftigen Gefährten überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Und da Mauhur bis dato noch überhaupt keine wie auch immer gearteten Beziehungserfahrungen gemacht zu haben schien, funktionierte diese Methode auch bestens.
Und schließlich hatte auch dieser hartgesottenste und dickfelligste aller Krieger neben mir begriffen, dass ich irgendwie sauer auf ihn war. Und hatte dann eine geschlagene halbe Stunde verbracht, um herauszufinden, warum. Nur um dann erst resigniert zu schnauben und dann doch fürchterlich nervös zu werden, weil sich mein Zustand nicht änderte.
Kurzum, Mauhur, mutiger Anführer der Uruk-hai, sah sich durch meine psychologische Kriegsführung dazu gezwungen, äußerst unehrenhaft (erst recht für einen Uruk-hai!) um Verzeihung zu bitten und als das nicht half, um schlichte Gnade zu betteln.
Am Ende unseres Weges beschloss ich schließlich, ihm in aller Güte zu verzeihen und erlaubte dem zerknirschten, aber unendlich erleichterten armen Kerl zwei Minuten in meinem Haar zu schnuffeln, um meine weitere Strategie zu planen.
Was Mauhur in seiner Sturheit nicht verstand, war, daß Milikka ein äußerst ernstzunehmender Gegner war, selbst für einen gepanzerten und bis an die Zähne bewaffneten Uruk-hai. Ich glaubte nicht, daß sie mich angreifen würde, selbst nicht in der Hitze unseres drohenden Wortgefechts, aber Mauhur würde sie keine solchen Skrupel entgegenbringen.
Und ich wusste nicht, ob meine Magie diesmal ausreichen würde, um ihn zu retten.
Es galt also, ihn vom Schauplatz des Geschehens fernzuhalten. Vielleicht konnte mir Malicia dabei helfen.
Aber vielleicht half auch einfach eine Dosis seiner eigenen Medizin am besten!
Resolut drehte ich mich um, packte ihn beim Kragen und zog sein Gesicht zu mir herunter.
„Du wirst morgen abend hier am Waldrand auf mich warten, nicht am Haus und erst recht nicht im Haus! Hast du mich verstanden?"
Mauhur gab unerwarteterweise ein zustimmendes Geräusch von sich und die goldenen Luchsaugen blickten mich auf einmal treuherzig und vertrauensselig an. Wer hätte das gedacht?
Es funktionierte!
In einem plötzlichen Anfall von Rührseligkeit umarmte ich ihn heftig und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Dann machte ich mich abrupt von ihm los und stürmte ohne ein weiteres Wort aus dem Wald hinaus, eine verwirrte Licia im Schlepptau.
**
„Ist alles in Ordnung mit dir?" fragte Malicia mich besorgt, als wir schließlich in der Kräuterküche saßen.
Ich war gerade dabei, säuberlich alle Utensilien zusammenzupacken, die ich aus dem Untergrund zum Arbeiten mitgebracht hatte.
„Sicher, was sollte nicht in Ordnung sein?" erwiderte ich zerstreut.
Ich schichtete meine selbstgebrauten Heiltränke vorsichtig zwischen zwei Lagen Kaninchenfell in eine Box.
„Nun, das sah gerade eben nach einem schönen Ehekrach aus!" kicherte sie amüsiert.
„Das war kein Ehekrach!" widersprach ich energisch.
„Aber er muß lernen, daß er bei mir nicht den großen Anführer raushängen lassen kann!" ich öffnete eine Schublade und suchte meine Zangen, Löffel und Scheren zusammen.
Ich schloss die Schublade wieder und blickte meine Cousine forschend an.
„Aber das, was du da mit Norgak getan hast, war auch nicht gerade nett." ich beobachtete ihr Gesicht, das plötzlich von einem zarten Rotschleier überzogen wurde.
Oho, war da etwa was im Busch?
Licia schwieg beharrlich.
„Schwester" begann ich zuckersüß „gibt es vielleicht irgendetwas, das du mir erzählen möchtest?"
Die Röte in ihrem Gesicht vertiefte sich.
„Es ist nicht so, wie du denkst!" stammelte sie schließlich.
„Was ist nicht so, wie ich denke?" hakte ich nach. Das würde interessant werden.
„Es ist nicht so, daß ich in ihn verliebt wäre.." sagte sie und musterte interessiert den Inhalt ihrer Tasse.
„Nein, natürlich nicht!" sagte ich mit einem leicht ironischen Unterton.
„Wirklich nicht!" sagte sie erbost.
„Es ist nur so, wie soll ich das erklären.."
Mit einem Mal ging mir ein Licht auf.
„Du bist scharf auf ihn?" fragte ich ungläubig und musste das Lachen unterdrücken.
Licias Wangen glühten.
„Aber ich dachte, du wärst zufrieden mit diesem komischen Waldläufer, du hast ihn doch erst letztens beim Fest wieder gesehen!"
„Das ist es ja!" rief sie verzweifelt.
„Coress ist wirklich lieb und nett und ich bin ihm auch aufrichtig zugetan, aber er ist nun mal ein Mann von Ehre!"
„Und das bedeutet was?" wollte ich wissen.
„Das bedeutet, dass er jedigliche Form von körperlicher Liebe vor der Ehe ablehnt! Und du weißt genau so gut wie ich, daß ich ihn nicht heiraten kann!"erklärte sie.
Ich setzte mich ihr gegenüber.
„Willst du mir damit sagen, daß du seit über einem Jahr eine rein platonische Beziehung mit diesem Kerl führst?" fragte ich ungläubig.
„Glaub ja nicht, dass ich nicht versucht hätte, ihn zu verführen, aber es hat nicht geklappt. Und es hat mit auch nicht wirklich viel ausgemacht." fügte sie kleinlaut hinzu
„Bis jetzt." stellte ich fest.
„Bis jetzt." bestätigte sie.
Es herrschte einen Moment lang trübsinniges Schweigen, dann scheuchte ich Malicia auf.
„Ja, worauf wartest du denn dann noch? Er ist nicht mehr lange hier, nur noch zwei Nächte! Gehe schon und such dir mit ihm ein stilles Fleckchen, ich komme hier auch sehr gut allein zu Recht!" rief ich.
„Meinst du wirklich?" Licia zweifelte noch.
„Bist du immer noch hier?" fragte ich leicht genervt, aber auch belustigt.
„Wenn du es jetzt nicht tust, wirst du dir das ewig vorwerfen. Jetzt geh schon!" ich gab ihr einen ermunternden Schubs zur Tür hinaus und meine Cousine verschwand erleichternd lachend in der Nacht.
Kopf schüttelnd schloss ich die Tür hinter ihr und öffnete den letzten Schrank.
Er war leer, bis auf das oberste Regal.
Dort stand die Petrischale mit der Lakh´cha Probe und lächelte mich an.
