Das Leben danach wurde zur Hölle. Meine Eltern fingen an mich zu hassen, und mein eigener Bruder hatte Angst vor mir, obwohl er der Einzige aus meiner Familie war, der noch für mich sorgte. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Fluch, wie manche Leute es nennen, so schlimme Nachteile habe könnte. Ich lernte schnell, dass ich jetzt für mich selber sorgen musste.

2. Stumme Schreie

Als ich nach Hause kam, war die erste Person, die ich sah, mein Bruder. Er starrte mich mit angsterfüllten Augen an und sah dann unsere Mutter an. Diese nickte einfach nur und verliess dann den Raum. Mein Bruder kam langsam näher, und als er paar Zentimeter vor mir stand, fragte er: "Wer bist du?" die Wörter kamen langsam aber voller Hoffnung. "Ich bins, Remus..." sagte ich leise. Er guckte mich gedankenverloren an und sagte: "Nein! Hätte ich doch nur besser aufgepasst!" Und dann umarmten wir uns so lange bis mein Vater den Raum betrat und uns auseinander riss. Ich knallte mit voller Wucht gegen die Wand und musste mich zusammenreissen um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Romulus sah das und stellte sich schützend vor mich. "Romulus, geh aus dem Weg! Das ist nicht mehr dein Bruder!" brüllte Vater Romulus an. Romulus guckte erst mich an, dann wieder Vater und sagte dann, "Wenn das deine Meinung ist, Vater, dann gehe ich. Mit Remus!" Vater nahm Romulus und stieß ihn aus dem Zimmer. Dann kam er wieder zu mir, nahm mich beim Arm und zerrte mich hinunter in den Keller. Er schubste mich die Treppen runter und schrie: "Hier bleibst du, und ich warne dich, versuch' nicht, hier rauszukommen." Mir tat alles weh als er die Tür schloss und fest verriegelte. Dann schaute ich mich ausgiebig um und sah, dass meine ganzen Sachen hier herunten waren. Das Glas war aus dem kleinen Fenster entfernt worden es war jetzt nur noch durch ein Gitter verschlossen. Der kalte Wind bließ ungehindert in den Raum. In die Kellertür hatten sie eine Katzenklappe eingebaut, durch die das Essen für mich durchgeschoben wurde. Ich hatte mir ein Kalender gemacht um das Zeitgefühl nicht zu verlieren. Die Nächte waren kalt, aber ich konnte mich unter die halbwegs warme Decke legen. Trotzdem wusste ich, dass ich das nicht lange aushalten würde. Immer wieder kam Vater runter um zu sehen ob ich noch am Leben war, und dann musste ich eine meistens grundlose Tracht Prügel über mich ergehen lassen müssen. Die Alpträume kamen in kürzeren Abständen, sodass die Nacht zur der schlimmsten Tageszeit für mich wurde. Der erste Vollmond war der schlimmste, den ich je erlebt habe. Vater kam am frühen Abend und brachte mich in den Wald, in eine abgelegene Hütte aus puren Stahl. Ich kann mich nicht mehr an die Nacht erinnern, aber die Verwandlung war schmerzhaft. Bevor Vater am nächsten morgen kam, kam Romulus mit vergeweinten Augen und einem hoffnungslosen Blick. Er sah mir erschrocken an, wie ich da blutend und weinend auf dem Boden lag. "Rem?" mein Spitzname, den mein Bruder mir gegeben hatte, blieb noch immer erhalten, auch wenn er mich Monate lang genauso im Stich gelassen hat wie meine Eltern, aber ihm vertraute ich noch am meisten. Ich wollte etwas sagen, aber ich war zu schwach um noch irgendetwas von mir zu geben. Er setzte sich neben mich auf den Boden und nahm mich schützend in seine Arme, und sagte, "Remus, hör mir gut zu, ok? Ich gehe. Ich ich werde nicht vor Juli wieder kommen." Mein Herz sank bei dem Gedanken, wieder alleine gelassen zu werden. Er kam doch sonst immer in den Winterferien, warum diesmal nicht? "Egal was passiert, ich werde immer bei dir sein, versprochen." sagte Romulus noch und verliess mich wieder. An diesem Morgen habe ich vergessen, was es heisst seiner Familie zu vertrauen, nachdem mein Vater sich nicht drum geschert hatte wie schwer verletzt ich war. Ich musste min meinen Schmerz alleine klar kommen. Egal wie laut ich auch vor Schmerzen schrie, keiner kam um mir zu helfen. Romulus kam nie wieder, und ich kann mich noch gut dran erinnern wie Mutter eines Nachmittags heulend am Küchentisch saß. Ich wollte zu ihr gehn und fragen was los war, aber Vater zerrte mich weiter nach unten in den Keller. Seitdem habe ich sie nie wieder gesehen. Nach ein paar Monaten hatte ich sogar ein eigenes Bad unten im Keller und kam nur noch zu Vollmond für ein paar Minuten nach draussen an die frische Luft. Die Jahre vergingen langsam und schmerzvoll, und bis jetzt gab es auch keine Hoffnung auf eine Verbesserung. Aber an meinen 10. Lebensjahr hatte ich zum erstenmal wieder Hoffnung. Aber das erzähle ich euch ein anderes mal...