DISCLAIMER: Nein, DIGIMON und alle seine Charaktere gehören nicht mir, sondern den Leuten von TOEI und BANDAI. Da ich hiermit aber sowieso kein Geld verdiene, denke ich, dass ich sie mir mal ganz kurz für diese kleine, unschuldige Geschichte ausleihen darf. ^_^
WARNING: Diese Geschichte enthält Shounen-Ai – Jeder, der davon nichts lesen will, sollte spätestens jetzt angewidert wegklicken und sich in eine dunkle Ecke verziehen.
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Regentropfen. Erst klopften nur ein paar gegen das Fensterglas, dann nahm das Prasseln gegen die Scheibe zu. Noch im Halbschlaf drehte sich der Junge um, drückte seinen Kopf mit den haselnussfarbenen Haaren wieder in das Kissen und schob die dünne, aber immer noch viel zu warme Decke von seinem Körper.
„Schlaf weiter, Gillmon", murmelte er in das Kissen, „Es ist doch noch dunkel". Dann nahm sein Gesicht wieder einen entspannten, ja – zufriedenen, Ausdruck an: Takato Matsuda träumte. Er lächelte, schien glücklich zu sein mit der nächtlichen Welt um ihn herum. Während draußen der kühle Regen eines spätsommerlichen Gewitters an der Fensterscheibe hinunterlief, war es in seinem Traum so warm und angenehm. Die Zeit stand still. Er war eins mit seinem besten Freund, würde ihn nie wieder verlieren müssen...
Der Sturm war vorübergezogen. Wie um der jäh anbrechenden Dämmerung Platz zu machen, verließen die dunklen Wolken den Himmel über West Shinjuku, wurden auseinander geweht um ihren Regen an anderer Stelle zu vergießen.
Mit einem Mal war er wieder wach und mit ungewöhnlich geschärften Sinnen nahm er jetzt seine Umgebung wahr: Das gewohnte, pochende Geräusch der Tropfen war fast ganz verstummt. Dafür stolperten jetzt draußen zwischen den Pfützen die ersten müden Passanten ihren Weg zur Arbeit. Die vereinzelten Lichtstrahlen der dünn gesäten Laternen auf der anderen Straßenseite reichten gerade aus, um seine Augen von der Wirklichkeit zu überzeugen. Noch vor einer Minute hätte er geschworen Gillmon neben seinem Bett liegen zu sehen, doch jetzt kam ihm dies nur wie das Überbleibsel eines verblassenden Traumes vor.
Gillmon war nicht da, würde niemals wiederkommen – das wurde Takato nun wieder schmerzlich bewusst. Die Leere und die Einsamkeit in seinem Zimmer schnürten ihm fast den Hals zu und ließen ihn nicht wieder einschlafen. Wie eine ungeheure Last lag nun die Stille über ihm, weckte die Sehnsucht nach den fröhlichen Zeiten, die der Tamer und sein dinosaurierartiges Digimon miteinander verbracht hatten. Für eine Weile lag er einfach so da und spürte, wie eine Träne nach der anderen seine Wange hinunterlief. Er war allein – schrecklich allein!
„Ich will nicht länger allein sein!", mit diesen Worten erhob sich der Junge, streifte den verschwitzten Pyjama ab und suchte auf dem Boden des unaufgeräumten Zimmers nach seinen am Vortage verstreuten Kleidungsstücken. Heute würde er handeln! Viel zu lange hatte er gewartet, hatte sich eingeredet, alles wäre in Ordnung. Gillmon war sein Freund, sein bester Freund, so glaubte es Takato, und er würde ihn wiederfinden.
Beim Einschalten des Lichtes kniff er die Augen zusammen und gähnte laut in die Stille des Raums. Das schien ihm angemessen, denn insgeheim erwartete er noch die Müdigkeit, mit der ihn sein um zwei Stunden Schlaf betrogener Körper strafen würde. Doch in diesem Moment dachte er an alles andere als an Schlaf.
Schnell zog er ein zerknittertes Paket mit den Brötchen von gestern aus seinem Schulranzen, stopfte eines davon in den Mund und das andere wieder in die Tasche. Der Teig zwischen seinen Zähnen schmeckte alt und fad, kein Vergleich zu den frischen Brötchen, die seine Eltern heute früh wieder backen würden. Doch so lange durfte er nicht mehr warten. Es hatte auch Nachteile der Sohn einer Bäckerfamilie zu sein – Er musste sich beeilen, wenn er nicht seinen Eltern noch über den Weg laufen wollte! Wie zum Abschied sah er noch einmal zurück in sein Zimmer. Der Anblick von diesem unaufgeräumten Stück Alltag erinnerte ihn an den faden Geschmack in seinem Mund. Er musste hier raus!
Mit der Hand auf dem Lichtschalter hielt er inne. Es war ein Bild in seinem Kopf, das ihn bewegungslos machte, eine Erinnerung an seine Zeit als Tamer. Wie viele Erinnerungen an damals waren doch schon verblasst! Sicherlich, er erinnerte sich noch an die vielen Kämpfe, aber die Aufregung jener Tage fühlte sich nunmehr wie ein Traum an: schön aber unwirklich. Doch warum sah er nun dieses eine Bild so deutlich vor sich? Seine Mutter, wie sie mit sorgenvollem Gesicht vor ihm stand, mit Augen, welche die Tränen kaum zurückhalten konnten. Nie wieder wollte er seinen Eltern Sorgen bereiten, er konnte jetzt nicht einfach gehen.
„Eine Nachricht!", der Junge mit den braunen Haaren warf einen prüfenden Blick auf seinen Schreibtisch. Dann flogen einige Schulhefter zur Seite und ließen einen kleinen, abgenutzten Notizblock zu Tage treten. Bemüht das Papier nicht zu bekrümeln, drückte er die gebundenen Blätter gegen die Wand und begann eine lange Abschiedsbotschaft auf die Rückseite zu schreiben.
„Baka!", strafte sich er sich mit ernster Stimme, „Du kannst ihnen doch nicht schreiben, warum du gehst! Sie würden es niemals verstehen."
„Ich verstehe es ja selbst nicht", widersprach ein anderer Takato in ihm. Er seufzte. Nein, die Nachricht musste kurz und harmlos wirken, schließlich wollte er seinen Eltern nicht noch mehr Angst machen. Schnell blätterte er um und kritzelte auf die nächste Seite:
‚Kaasan, Tousan, es tut mit leid, ich werde euch für eine Weile nicht im Laden helfen können. Macht euch keine Sorgen, ich bin bei Gillmon! Takato'
Obwohl er immer noch nicht ganz zufrieden war mit dieser Botschaft, steckte er Block und Stift in den Ranzen und schlich die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Unten in der kleinen Bäckerei seiner Eltern erwartete ihn eine drückende Dunkelheit. Die erhitzte, von Mehlstaub durchsetzte Luft, die ganz und gar nicht so war wie die angenehme Wärme in seinem Traum, lastete schwer auf ihm, schien ihn festzuhalten.
„Jetzt ist es also soweit." Zögernd griff er in seine Tasche, riss den Zettel mit der Nachricht aus dem Block und legte ihn deutlich sichtbar auf die staubige Theke. Die Kälte der schwindenden Nacht empfing ihn mit belebender Frische als er die Haustür öffnete.
„Ich komme, Gillmon!", flüsterte der Junge, der nun hinaus in die morgendliche Stadt lief, der aufgehenden Sonne entgegen.
