Kapitel 2 Ein Schatten von vielen

Alles war auf einmal so unwirklich. Die Menschen eilten an ihr vorbei ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie war nur ein Schatten von vielen. Und doch war es, als gehörte sie nicht mehr zu dieser Gesellschaft. Als wäre etwas passiert, das sie von der Menschheit abgrenzte. Sie betrachtete ihre Hände, als könnte sie Anzeichen dafür finden, dass diese Finger vor wenigen Stunden noch ein merkwürdiges Kribbeln gefühlt hatten. Und jetzt saß sie hier, in diesem Cafè, inmitten von Menschen, in der Hoffnung, wieder auf vernünftige Gedanken zu kommen- fühlte sich aber einsamer und ausgegrenzter als jemals zuvor.

„Trinity", es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Sie schrak hoch. Der große, schwarze Mann, der sie angesprochen hatte, zog den Stuhl ihr gegenüber zu sich heran. „Darf ich?" Überrascht und durcheinander konnte sie nur nicken. Er setzte sich und versuchte sich in etwas, das wohl ein Lächeln werden sollte, aber eher zu einem schiefen Grinsen geriet und eine Zahnlücke entblößte.

Durch diesen ‚Überfall' in ihren Gedanken gestört und völlig aus der Bahn geworfen, wusste sie erst einmal nicht, wohin mit ihrem Blick, griff deshalb nach ihrer Handtasche und suchte erst einmal nach ihrem Geldbeutel, um den Cappuccino zu bezahlen. Doch gerade als sie ihn gefunden hatte, stockte sie.

„Wie haben sie mich genannt?", sie lies die Tasche zu Boden gleiten und richtete argwöhnisch den Blick auf ihren Gegenüber. Der Mann grinste sein gefährliches Grinsen und beugte sich über den Tisch. Instinktiv wich sie vor ihm zurück. „Trinity", wiederholte er langsam. „So nennst du dich doch?"

Viele Menschen kannten „Trinity". Sie sahen ihren Namen auf ihren Bildschirmen, sie kannten ihre Hacks. Aber keiner von ihnen kannte ihr Gesicht. Keiner hätte sie je auf der Straße angesprochen. Außer... Morpheus. Der hätte nicht- er hatte. War ihr Gegenüber eben dieser?

Und wie dieser Mann so vor ihr saß- die Ruhe selbst- konnte das nur stimmen. Er wirkte so unnahbar- zudem jetzt sein Grinsen verschwunden war. Sah sie das Gesicht das zu dem Namen, der einem der größten Hacker die sie kannte, gehörte? Wie er dort auf dem Stuhl saß, in schwarzem Mantel, mit Krawatte und Sonnenbrille- so stellte sie sich einen Agenten vor.

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Lange saßen sie dort und schwiegen. Sie brauchte Zeit. Zeit zu begreifen. Ihre Ehrfurcht amüsierte ihn und in gewisser Weise war sie ja auch schmeichelhaft. Aufmerksam betrachtete er die junge Frau, die ihm gegenüber saß.

Die pechschwarzen Haare fielen ihr immer wieder ins Gesicht und das blau ihrer Augen wirkte auf ihn fast unnatürlich hell. Er dachte an all die Diskussionen, die sie ihretwegen auf dem Schiff geführt hatten. An all das für und wieder. Sie war allen durchaus sympathisch. Aber ein Risiko blieb immer. Ein Risiko blieb es jedes Mal. Daran würde auch Sympathie nichts ändern. Leider.

Sie sah sich immer wieder nervös um. Sie hatte viele Fragen. Sie hatte bestimmt viele Fragen an ihn. Jeder hatte viele Fragen an ihn gehabt. Und manche konnte er selbst nicht beantworten. Er seufzte.

„Wie haben sie das mit der Mauer gemacht?", überrascht sah er sie an. Die Frage kam plötzlich. So lange hatte sie geschwiegen und nur ihre Hände angestarrt. „Sie waren das doch?", wiederholte sie forsch. Auffordernd sah sie ihn an.

„Ja", er verschränkte die Arme vor der Brust. Es schien ihr, als habe ihre Frage ihn überrascht. „Das waren wir." Sie hob die eine Augenbraue. Wir? Wer, bitteschön, war denn jetzt schon wieder wir? Gab es noch mehr von seiner Sorte? Waren er und sie gar nicht so allein mit ihren Ideen und Auffassungen, wie sie immer geglaubt hatte? Sie wusste nicht, ob dieser Gedanke sie freuen oder ängstigen sollte. Sie begann, sich unwohl zu fühlen. Diese Unterhaltung, sofern man sie als eine bezeichnen konnte, lief nicht gerade gut.

Auch er wurde plötzlich unruhig. Sein Handy klingelte. Er lies es aufschnappen. „Ja?" Die Hektik, die ihn jetzt ergriff, schien so gar nicht in das Bild des ruhigen Agenten zu passen, das er bis dahin abgegeben hatte. Sie bekam von dem Gespräch nicht viel mit; abgesehen von seiner Gesichtsmimik. Und es war immer noch eine Vermutung, eine Ahnung ihrerseits, dass dieser Mann, der da vor ihr saß, wirklich Morpheus war. Er hatte es mit keinem Wort behauptet. Und doch...

Er stand auf. „Komm"

Es war eindeutig ein Befehl und alles in ihr sträubte sich dagegen, ihm zu folgen. Sie wusste nicht, wer er war. Sie wusste nicht was er wollte oder vorhatte. Die Arme vor dem Körper verschränkt blieb sie sitzen. „Warum?", sie wusste, dass sie klang wie ein bockiger Teen, aber das war ihr egal. Genaugenommen war sie ja sogar noch einer...

Er setzte die Sonnebrille wieder auf. Sein Lächeln war abermals verschwunden. Sie schauderte. Sie wurde sich des Gefühls von eben bewusst. Dieses Unwohlsein. Sie begann zu ahnen, dass sie sich anscheinend in einer ziemlich misslichen Situation befand. Sie wusste nicht warum, aber der Schauer, der ihr über den Rücken lief tat sein übriges. Sie begann zu begreifen, dass es wichtigeres gab, als hier, mit diesem Mann, zu streiten.

„Siehst du die?"; eine ruckartige Kopfbewegung in Richtung der anderen Straßenseite seinerseits. Erst sah sie nicht ungewöhnliches. „Weißt du noch, was ich dir gesagt habe, Trinity?", er lies das Handy zurück in die Manteltasche gleiten und richtete seinen Blick wieder auf sie.

„Geschrieben", flüsterte sie. „Sie haben es geschrieben..." Drei Männer standen dort. Fast vollkommen identisch in Größe und Erscheinung. Verstört stellte sie fest, dass jeder der drei in ihre Richtung sah. Sie hatte nicht den Schimmer einer Ahnung, was diese von ihr wollten. Sie verstand nicht, warum sie auf einmal Mittelpunkt für so viele Menschen war. Sie begriff nicht, was hier mit ihr geschah. Warum ausgerechnet sie? Was hatte sie getan, dass man sie dermaßen verwirrte?

„Weißt du noch, was ich dir gesagt habe?", wiederholte er langsam. Sie schien verwirrt. Das war kein Wunder. Aber er hatte erwartet, dass sie schneller verstehen würde. Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie etwas lästiges abschütteln. Wieder sah sie über die Straße. „Sie haben gesagt, dass... dass nicht nur sie mich beobachten...", es kostete sie Mühe, aber sie hatte ihre Stimme unter Kontrolle.

„Genau..", jetzt sah auch er zur anderen Straßenseite. „Und die", seine Stimme verriet ihn und sie konnte seinen Hass deutlich spüren, „Die sind die Schwierigkeit."

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Sie war in ihrem Leben noch nicht so schnell gelaufen. Sie jagten um mehrere Häuserblocks, eine Feuerleiter hinauf, über diverse Hinterhöfe und an diversen Menschen vorbei, durch lange, labyrinthartige Häuserflure- bis sie nicht mehr weiter konnte. Er schien relativ unbeeindruckt von dem Tempo, das sie bis hier hin vorgelegt hatten, wartete aber geduldig auf sie. Langsam lies sie sich an einer Flurwand zu Boden gleiten. „Ohne mich wären sie doch bestimmt viel schneller", keuchte sie und hielt sich die Seiten. „Warum laufen sie nicht einfach allein weiter? Was zu Teufel wollen sie mit mir?"

„Sie verfolgen uns nicht mehr", sagte er bloß und nahm die Brille ab. Die alte Ruhe hatte ihn wieder. „Was!?", entsetzt sah sie zu ihm auf. „Haben sie mich zum Spaß durch die Gegend gehetzt?" entgeistert schüttelte sie den Kopf. Es amüsierte ihn, dass sie dermaßen aufgebracht war. „Ich sagte nicht mehr", wiederholte er, drehte sich um, öffnete die ihm nächste Tür und betrat den Raum dahinter. Sie murmelte nur etwas unverständliches und wandte sich ab. Sein fast schon überhebliches Grinsen war für sie im Moment nicht auszuhalten. Sie kam sich naiv und dumm über ihren übertriebenen Wutausbruch vor.

„Komm doch rein!", überrascht sah sie auf. Er hielt die eben geöffnete Tür für sie auf und sah sie erwartungsvoll an. Einen kurzen Moment nur zögerte sie, dann stand sie schwerfällig auf, und folgte ihm, durchaus neugierig, in die Wohnung. „Wo sind wir hier?"

Sie betrachtete die schweren dunklen Vorhänge vor den hohen, alten Fenstern; ihr Blick steifte den großen, alten und erloschenen Kamin; die zwei, mit rotem, dunklem Leder bezogenen, Sessel; das düstere Gemälde zu ihrer Rechten. Überhaupt war der ganze Raum ziemlich duster. Aber sie fühlte sich keineswegs unwohl in dieser Atmosphäre. Das Zimmer hatte etwas beruhigendes, sie hatte fast das Gefühl, sie sei zu Hause. Fast.

Er stand hinter einem der mit rotem Leder bezogenen Ungetüme und deutete ihr, sich zu setzen. Gespannt lies sie sich auf den, wie sie schnell feststellte, harten und unbequemen Sessel ihm gegenüber nieder.

Er war unterdessen wieder ans Fenster getreten.

Wieder schwiegen sie sich lange an. Sie musste erst einmal wieder zu Atmen kommen und ihren Herzschlag beruhigen; seine Mimik und Gestik verriet in keiner Weise, was er dachte. Aber diesmal war er es, der das Schweigen brach.

„Du fragst dich sicher, was das alles hier...", er machte eine ausladende Handbewegung, „...zu bedeuten hat." Er wandte sich vom Fenster ab, und begann, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, auf und ab zu schreiten. Nach einiger Zeit unterbrach er seinen Gang und setzte sich in den Sessel ihr gegenüber. „Natürlich tust du das." Er lehnte sich zurück. „Vielleicht beruhigt es dich zu wissen, dass sich vor dir schon andere genau die gleiche Frage gestellt und genau die selbe Antwort gesucht haben."

Und plötzlich fiel ihr wieder ein, warum sie überhaupt hier war. Sie erinnerte sich an all die Stunden am Computer. An die Frage, die in den letzten Jahren ihr Leben geradezu beherrscht hatte. An den Mann, den sie schon so lange suchte, um endlich eine Antwort zu bekommen...

„Ja", er lächelte. Als könnte er Gedanken lesen, bestätigte er ihre Vermutung. „Ich bin Morpheus, wie du wohl schon eine Weile vermutest", sie wusste nicht, was sie sagen sollte. „Und es tut mir leid, dass unser erstes Treffen gleich auf diese Art unterbrochen wurde", sein Gesicht zeigte Bedauern, in die Augen konnte sie ihm immer noch nicht sehen; er hatte die Brille nicht wieder abgenommen. „Wer... wer waren die?", sie konnte keine Ordnung in ihre Gedanken bringen; sie fing einfach eine der vielen Fragen, die ihr durch den Kopf schwirrten ein. „Die?", er seufzte. „Das ist eine komplizierte Geschichte. Ich glaube nicht, dass du dafür schon bereit bist".

Ihre Gedanken schweiften ab. ‚Eine komplizierte Geschichte'? Diese Sache schien für ihren Verstand unbegreifliche Ausmaße anzunehmen. Sie spürte, dass es hier um mehr als bloß eine Antwort ging.

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Es ist wieder nicht viel passiert :o( aber ich wollte wenigstens diesen Teil schon einmal posten, an allem, was danach kommt, bastle ich noch.

xy: Ich dachte mir, es käme vielleicht etwas plump, wenn ich nur Neo's Situatuation nachspielen würde. Und wenn es nicht ganz einleuchtend war: es passiert wohl häufiger, dass man meine Gedankengänge nicht unbedingt nachvollziehen kann, sorry :o)

sockenfresser42: hoffe, die fortsetzung ist auch okè :o) und danke für die review!

LisaMalfoy: 'ey Kollege!  :0P Wenigstens eine(r) hat mein Posting wahrgenommen +g+! CU@StadtZion!

Jana: Danke für das Lob- schreiben tu ich schon ne ganze weile- ffs sind aber was ganz spezielles, und ich bin auch noch nicht so belesen, was das angeht. Demnach bezeichne ich mich in dieser Sparte als Anfänger :o) PS: Neo wird noch früh genug auftauchen!

Moonchild: thx for tha review, I'm really proud of having English (American) readers. Perhaps I should translate "da story". Maby, one day. :o) keep readying anyway.

Tikey: Ich schreib weiter, da kannste gift drauf nehmen. :o) review weiter, dann hab ich genügend Bestätigung. Ich brauch das... :o]

Cathleena: es gibt schon zwei ffs! Schau mal nach! Trotzdem: es kann nie genug geben! (Edit: hä? Da war doch noch eine? Wo ist sie hin?)