7. VERSTAND vs. GEFÜHL

„Sollen wir wirklich fahren, Harry? Noch könnten wir absagen." Ron sah den Freund besorgt an. Seit Freitag war er noch komischer als vorher.
„Natürlich, fahrt nur. Und passt auf euch auf." Harry biss sich auf die Lippe. Es erinnerte alles so an seinen Abschied und jedes Mal versetzte ihm der Gedanke daran einen kleinen Stich in der Brust. Wie hatte ihnen das passieren können? Wie hatte ihnen die „Liebe abhanden kommen können", wie dieser Dichter sagte?
„Harry? Wir fahren jetzt. Fröhliche Weihnachten!" rief Hermine. Sie und Ron würden die Ferien bei Hermines Familie verbringen, die ihr erlaubt hatte einen ihrer Freunde einzuladen und da Harry abgelehnt hatte nahm sie nun Ron mit. Harry hoffte, dass die beiden endlich zueinander finden würden, schließlich war der rothaarige Gryffindor schon seit längerer Zeit in das braunhaarige Mädchen verliebt.
„Bis nach den Ferien!" rief er ihnen nach.

Er blieb noch lange nach der Abfahrt des Zugs auf dem Bahnhof, bis es langsam dunkel wurde und er fror. Harry kehrte nach Hogwarts zurück und ging gleich in die große Halle. Er setzte sich möglichst weit von den anderen weg, er hatte keine besondere Lust zu reden. Er spürte, dass die anderen ihn verstohlen musterten, sich fragten, was mit ihm in letzter Zeit los war, wo denn ihr strahlender Held geblieben war, den sie sonst kannten. Doch Harry Potter blieb ihnen die Antwort schuldig.
Nachdem der Junge der lebt eine Weile lustlos in seinem Essen herumgestochert hatte, verließ er die Halle und zog sich in sein Zimmer zurück. Sein Blick fiel auf ein Foto vom Abschlußball. Will lachte ihm glücklich entgegen, er hielt „Harriet" im Arm. Dieses Foto war das einzige, was ihn an seine vier Wochen als Mädchen erinnerte. Auch das einzige, das er von Will hatte. Wider Willen kamen ihm die Tränen, wie hatte es nur so kommen können? Harry beruhigte sich bald wieder, aber schlafen konnte er nicht, er wollte auch nicht in den Gemeinschaftsraum, obwohl es dort sicher wärmer war als hier...er konnte doch einfach ein Bad nehmen, das wärmte nicht nur, es half auch sich zu entspannen.

Kurze Zeit später ließ sich Harry in das duftende, dampfende Wasser sinken, das er in die Eckbadewanne einlaufen hatte lassen. Er tauchte erstmal unter um sich die letzten Spuren der Tränen wegzuwaschen. Als er auftauchte hörte er, dass sich noch jemand im Bad der Vertrauensschüler befand.Fieberhaft tastete er nach seiner Brille.
„Wer ist da?" fragte er.
„Keine Panik, ich bins nur, Potter."
/Oh nein, nicht jetzt!/
Endlich griff er nach der Brille und setzte sie auf. Harry fuhr zurück. Vor ihm stand Draco Malfoy und er war nicht so weit weg, wie er vermutet hatte. Was ihn noch mehr beunruhigte, war, dass Draco nur ein weißes Badetuch um seine Hüften geschlungen hatte.
„Was ist, hat es dir die Sprache verschlagen? Eigentlich wollte ich jetzt baden...aber wie ich sehe bist du mir zuvorgekommen...außer du hast was dagegen...."
„Gegen was?"
Draco beugte sich vor und flüsterte leise in sein Ohr: „..dass wir zusammen baden..."

„Ich äh...ich weiß nicht, Draco..."
„Nicht so schüchtern, ich weiß doch, was mit Will gelaufen ist, glaubst du ich bin blind?"
„Aber wie..?"
„Ich hab es in deinen Augen gesehen, am Abschlußball."
„Du warst doch gar nicht da, oder doch?" Harry sah ihn misstrauisch an.
„Hab mich reingeschlichen..." meinte der blonde Slytherin gleichgültig. „Aber lassen wir das. Mir wird langsam kalt, kann ich nun rein?"
Der junge Gryffindor nickte unsicher und rutschte ein Stück zur Seite. .
„Geht doch." sagte Draco leise und ließ sich neben Harry ins Wasser gleiten. Dieser setzte die Brille wieder ab und schloß die Augen. Dann ging alls sehr schnell: Er spürte erst eine Hand in seinem Nacken, die ihn näher zu Draco zog, dann federleichte Küsse am Hals. Harry roch an Dracos Haaren. Er roch so gut. /Nach Kokosnuss./
Er leistete keinerlei Widerstand, als er Dracos Mund auf seinem spürte, seine Zunge schmeckte. Und er schmeckte gut. /Nach Vanilleeis mit heißen Himbeeren./ Er fühlte Dracos milchweiße Haut. Und er fühlte sich so gut an. /Wie Samt./

/ABER ES IST FALSCH!!!/ rief eine Stimme in Harrys Kopf.
/Aber es fühlt sich doch so richtig an..../
/Das letzte Mal, als du auf dein Gefühl gehört hast, wurdest du verletzt./
/Aber dieses Mal ist es etwas anderes../
/Er spielt mit dir. Er will dich nur rumkriegen und dich dann bloßstellen!/
/Nein, bestimmt nicht. Er lügt nicht./
/Er ist ein Slytherin, dein Feind!/

Der Verstand siegte, er hatte wie immer die besseren Argumente. Und er hatte recht, er war erst verletzt worden, dass wollte er nicht nocheinmal mitmachen. Entschloßen schob Harry Draco von sich. Dieser blickte ihn erstaunt an.
„Ich hab doch gesagt, dass ich nichts mit dir anfangen werde." erklärte er kühl. Ohne ein weiteres Wort stieg er aus der Badewanne und schlang ein Handtuch um seine Hüften.
„Aber..." fing Draco an und brach ab. Harry hörte ihn nicht mehr, er war in seinen Turm zurückgekehrt.
Frustriert ließ Draco das Wasser aus der Badewanne laufen und stellte stattdessen den Duschkopf an. Er musste sich erst mal abkühlen, bevor er den Slytherin Gemeinschaftsraum wieder betrat.