8. WEIHNACHTEN

Als Draco aufwachte, schneite es. Von seinem Bett aus schaute er eine Weile den weißen Eiskristallen zu, wie sie auf die Erde fielen. Sein erster richtiger Gedanke galt Harry. Langsam wurde seine Schwärmerei für den Gryffindor schon zur Krankeit, er konnte an nichts anderes denken als an den Schwarzhaarigen. Gestern war er schon so nah dran gewesen...aber Harry hatte einen Rückzieher gemacht. Warum wohl? Lag es etwa an ihm? Draco setzte sich auf. Es konnte doch nicht sein, dass sein Feind, gerade er, derjenige war, den er von Herzen begehrte, mit allem was dazu gehört: Schmetterlinge im Bauch und Rotwerden.

Harry schien ihm langsam aber sicher den Verstand zu rauben. Schon bei dem Gedanken an das, was Gestern hätte passieren können, geriet Dracos Blut in Wallung. Er quälte sich aus dem Bett. Zum Glück waren Crabbe und Goyle nach Hause gefahren, diese beiden Trottel gingen ihm mehr als auf die Nerven. Mit einem letzten Blick aus dem Fenster schlurfte der Slytherin zum Bad der Vertrauensschüler.

Während er sich den Schlaf aus den Augen rieb stieß er die Tür auf und sah in den Spiegel. Er sah schlecht aus, er war nicht viel zum Schlafen gekommen heute nacht, zu viele Gedanken hatten Draco nicht ruhen lassen, die sich alle nur um Harry drehten. Er hörte das leise Quietschen der Tür. „Morgen." murmelte Draco und wandte sich wieder dem Waschbecken zu. Er vermutete, dass es ein Vertrauenschüler der Hufflepuffs war, doch als sein leiser Morgengruß erwidert wurde, stockte ihm der Atem und er verschluckte sich fast an seiner Zahnpasta, was zu einem Hustenanfall führte. Eine kräftige Hand schlug ihm zweimal auf den Rücken. Langsam beruhigte sich der Slytherin wieder. Er drehte sich um und sah in die grünen Augen Harrys.
„Danke." sagte Draco leise.
„Schon gut." erwiderte Harry und wandte sich ab.
„Warte, Potter!" Draco hielt den Schwarzhaarigen am Arm fest.
„Was ist denn noch?" Der Gryffindor blickte ihn gelangweilt an.
„Wegen gestern..."
„Keine Angst, ich werde niemandem etwas erzählen, ich werds auch so schnell wie möglich wieder vergessen." Harry sah ihn an.
/Diese Augen../ dachte Draco verträumt.
„Aber ich werds nicht vergessen..." flüsterte der Blonde und - er wusste gar nicht, wie es dazu gekommen war- lag einen Moment später über Harry, dessen Hände fest zu Boden drückend. Beide atmeten schwer.
„Was soll der Mist, Malfoy?" fuhr Harry ihn an.
Draco antwortete nicht, es hätte wohl auch keinen Sinn gehabt, so aufgeregt, wie er war. Ohne weiter zu überlegen presste er seinen Mund voller Verlangen auf den des Gryffindors, der sich, weil er sich kaum bewegen konnte, kaum wehrte. Draco drängte seine Zunge zwischen die Lippen Harrys, der sich immer noch sichtbar sträubte.
„Was ist hier los!?"
Draco fuhr hoch. Durch die Tür kam ein Vertrauensschüler aus der Siebten herein, der die Stiuation misstrauisch beäugte.
„Nichts." erklärte Draco und versuchte so unschuldig auszusehen, wie nur möglich.
„5 Punkte Abzug für Slytherin." erklärte der Ältere „wegen Bedrohung eines Mitschülers..."
„Aber..." schaltete sich der Blonde wieder ein.
„Kein aber! Und jetzt lass Potter endlich los, Er kriegt ja fast keine Luft mehr."

Nur sehr widerwillig gab Draco Harry wieder frei. Der Ravenclaw half Potter aufzustehen.
„Alles klar, Potter?"
„Ja, danke." Harry schickte Draco einen zornigen Blick. „Mir gehts gut."
„Ich denke ich kann euch jetzt allein lassen..." Der Vertrauensschüler warf dem Slytherin einen letzten warnenden Blick zu und verschwand aus dem Badezimmer.
„Sag mal, was sollte das eben? Kannst du mir das mal erklären?" fuhr Harry Draco an.
„Ich kanns wenigstens versuchen...also Harry..."
„Seit wann nennst du mich den beim Vornamen, Malfoy?" fragte der Gryffindor ihn verächtlich.
„Das will ich gerade erklären, wenn du mich nicht andauernd unterbrechen würdest!"
Harry sah den Slytherin erstaunt an.
„Geht doch." erklärte Draco und grinste ihn verschmitzt an. Draco glaubte ein Zucken in Harrys Mundwinkeln zu sehen. „Also, ich will jetzt nicht so nen kitschigen Kram erzählen....aber als ich gemerkt habe, dass du was mit Will am Laufen hast, hast du doch, oder?"
„Nicht mehr." antwortete Harry leise.
/Umso besser./ dachte Draco, stattdessen sagte er: „Tut mir leid..."
Draco beobachtete Harry von der Seite, wie er gedankenverloren in den Spiegel sah.
/Liebeskummer/ stellte der Slytherin mit Kennermiene fest. /da braucht er doch jemanden, der ihn tröstet.../

Weihnachten war das schlimmste Fest im Jahr, vor allem wenn er zu Hause war. Die Freunde von seinem Vater, Lucius Malfoy, kamen meist zu Besuch und sie schmiedeten meist finstere Pläne, da war nichts mit besinnlichem Fest. Die Geschenke waren meist das Beste, was es an diesem Feiertag zu sehen bekam. Draco war deshalb auch seit dem zweiten Schuljahr immer in Hogwarts geblieben, hier spürte man wenigstens ein Hauch von diesem Zauber...
Der Tag begann wie immer mit der täglichen Begegnung im Badezimmer. Doch bevor er auch schon zu irgendeinem Satz ansetzen konnte, rollte der Schwarzhaarige genervt mit den Augen. Wusste Potter eigentlich, was er ihm damit antat? Draco wagte doch keinen zweiten Versuch, sich Harry auf mehr als einen Meter zu nähern.

Nach der morgendlichen Wäsche begab sich Draco in den Gemeinschaftsraum der Slytherins. Gelangweilt nahm er das erste Päckchen von seinem Geschenkhaufen. Es war von Pansy. Ein kitschiger Herzchenbilderrahmen mit einem Foto von ihr drin. /Na, toll./ Wie kam sie nur darauf, er könnte sich auch nur im Geringsten für sie interessieren? Das Einzige war Draco sich wirklich wünschte war Potter. Der verdammte Goldjunge der Gryffindors mit den grünen Augen, der den Slytherin in den Wahnsinn trieb. Seufzend nahm er das nächste Geschenk von seinem Haufen, das anscheinend nur aus einer simplen Karte bestand. Was konnte das sein? Vielleicht ein Gutschein für ein Abo der Hexenwoche? Neugierig öffnete Draco das Siegel des Pergamentumschlags und zog einen mehrmals gefalteten Briefbogen heraus. Darauf stand nur eine kurze Nachricht:

Ich habs mir überlegt. Du entscheidest wo und wann.
Harry Potter.

/Na also, warum nicht gleich?/ Dracos Herz schlug schneller. /Gott, es gibt dich wirklich!/ Schnell griff er nach einer Feder und kritzelte die Anwort auf die Rückseite des Briefs:

Heute Abend. Bad der Vertrauensschüler.
Draco Malfoy.