Titel: Herzschlag aus Eis
Teil: Kapitel 2, zweiter Teil
Serie: Weiß Kreuz
Disclaimer: Tse, hätten die mir die Jungs gleich geschenkt, hätte ich sie nicht so quälen müssen. Wenn ich was Hübsches nicht haben kann, soll es niemand haben, jawohl *schmollend in die Ecke stell und Nagi verstümmel*
Pairing: Tja, große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus... Lest selbst.
Warnings: Dieser Part enthält VIOLENCE und RAPE!! Also, passt auf eure Herzchen auf. Ich bin nicht dafür verantwortlich, wenn sie nen Knacks kriegen.
Rating: MA!!

Vorwort: Uffz, so endlich ist das Kapitel fertig... Hat ja lang genug gedauert... Die Szenen lagen hier schon ewig rum, aber ich konnt mich nicht aufraffen, sie zusammenzufügen. Naya, der Musik von "Les Miserables" sei Dank, ich habs endlich doch noch geschafft. Ich danke euch für eure Geduld. Die Tomaten gingen wirklich prima aus den Klamotten raus *drop*
Ach ja, bitte, ich weiß es ist viel verlangt, aber lest euch erst bis zum Ende durch, bevor ihr weitere werft und verfeuert nicht gleich alles nach der ersten Szene, ich schwöre, ihr werdet die Tomaten später noch brauchen ^-^ ...
Lest und versteht, ich kriech schon mal in meinen Schutzgraben...
Tear your wings, little bitch

*

Er lag mit dem Gesicht auf dem Boden. Schmerz zog sich durch seine Schulter wie flüssiges Feuer. Die Scherben des zerbrochenen Spiegels bohrten sich erbarmungslos in seine Haut. Mühsam rappelte er sich auf, bemühte sich dabei möglichst lässig zu wirken. "Na, bist du jetzt fertig?"
Crawford sah unbeeindruckt auf ihn herunter. Er *wusste*, dass Schuldig Schmerzen hatte -da konnte er die grinsende Katze spielen, wie er wollte-
Und er würde ihm noch mehr zufügen. Er machte einen Schritt auf Schuldig zu, der am Boden kniete und zu ihm hinauf starrte, Trotz und Hass in den grünen Augen.
"Nein, noch lange nicht." Er verpasste ihm einen schnellen, harten Schlag mitten in das grinsende Gesicht.
Die Luft knisterte vor Spannung, Crawfords Aura schien den Raum in ein dunkles Licht zu tauchen. Die über den Boden verteilten Glassplitter knirschten, als Crawford Schuldigs Körper immer wieder dagegen trat. Ansonsten lag eine unheimliche Stille über der Realität und das eigentlich dumpfe Knistern und Knirschen erschien wie ein elektrisierender Aufschrei protestierender Vögel. So scharf, dass es in Schuldigs empfindlichen Ohren weh tat.
Schuldig atmete schwer. Crawford hatte eine Flut von Schlägen auf ihn herabfallen lassen, jeder einzelne präzise auf die verwundbarsten Stellen abgezielt. Jetzt kniete er zusammengesunken vor dem Amerikaner, hielt mit letzter Kraft sein Grinsen aufrecht und schon das kostete ihn mehr als er eigentlich übrig hatte. Er spuckte etwas Blut und zwang seine angeschwollenen Lider dazu, sich soweit zu öffnen, dass er Crawford wenigstens ins Gesicht sehen konnte. Niemand brach seinen Stolz. Niemand! Auch nicht, wenn er die Macht hatte, ihn tot zu schlagen. Crawford konnte sich aufspielen wie er wollte. Es machte ihm Angst, aber er kannte Schlimmeres. Immerhin war ihm seine Wut geblieben und er würde nicht abkratzen, bevor er nicht das bekommen hatte, was er wollte. Nagi.
Von seinem Widerstand sichtlich unbeeindruckt stieß Crawford mit der Fußspitze gegen Schuldigs Brustkorb und obwohl der Tritt kaum mehr zu sein schien, als ein spielerisches Schubsen, war er in Wahrheit purer eiskalt berechneter Krafteinsatz. Genau so viel, dass Schuldig nach hinten kippte, aber nicht mehr. Bloß nichts verschwenden. Crawford, der im Gegensatz zu Schuldig nicht mal schwitzte, sah grausam kalt lächelnd auf sein zuckendes Opfer herab. Er setzte den Fuß auf Schuldigs verletzte Schulter und erhöhte langsam, qualvoll langsam, den Druck, sah zu, wie Schuldig sich vor Schmerzen krümmte und die Lippen blutig biss, um einen erniedrigenden Schrei zu unterdrücken. Interessant, dass sich ausgerechnet jemand so Billiges wie Schuldig Gedanken um seine Würde machte.
Aber im Endeffekt keine besonderes Überraschung, Crawford wusste schließlich um Schuldigs Stolz - denn es war die größte Schwäche des Telepathen. Ein Punkt also, an dem er mit Kalkül ansetzte, um Schuldig zu brechen. Er war stärker als er, das lag auf der Hand. Aber rohe Gewalt würde ihm nicht den gewünschten Erfolg bringen. Nein, er musst subtiler vorgehen...grausamer. Sein Spezialgebiet also. Crawford lächelte kalt.
Er spürte, dass Schuldigs Schulter gleich brechen würde und nahm etwas Gewicht von dem Fuß. Schuldig konnte sich ein erleichtertes Einatmen nicht verkneifen, wie Crawford mit Genugtuung registrierte. Betont langsam hob er seinen Fuß an und setzte ihn auf dem Boden neben Schuldigs Gesicht wieder ab. "Weißt du," begann er und ging in die Knie, "ich frage mich, warum du es dir so schwer machst. Kannst du nicht einmal auf das hören, was man dir sagt?"
Schuldig hob seinen zentnerschweren Kopf und dreht ihn, so dass er Crawford ansehen konnte. "Könnte daran liegen, dass ich mir nicht gern von einem Wichser Befehle erteilen lasse", zischte er und spuckte etwas Blut aus.
"Hm...ja...Ja, das kann ich verstehen", tat er überlegend und rieb sich das Kinn. Im nächsten Moment zerrte die andere Hand an Schuldigs Haaren und riss seinen Kopf daran nach oben. Das Feuer, das in Schuldigs Augen brannte, erwiderte er bedrohlich kalt. "Aber was wäre, wenn dieser Wichser, wie du es so schön ausdrückst, kein Interesse daran hat, was du gern machst oder nicht?"
"Ich würde sagen, dass er mich mal kann." Zorn funkelte in Schuldigs Augen und Crawford löste seinen Griff und ließ Schuldigs Gesicht auf den Boden knallen.
Schuldig fluchte lautlos. Dieses verdammte Arschloch! Crawford lächelte bloß kalt und zog seinen Kopf wieder hoch, um ihm dieses Lächeln zu zeigen. Er zerrte ihn auf die Knie und zwang ihn dazu, ihn anzusehen, indem er fester an seinen Haaren zog. Bevor sein geschundener Sehnerv Crawfords nächste Bewegung auch nur halb verarbeitet hatte, spürte er schon, wie ihm eine Waffe gegen die Schläfe gepresst wurde. Er zuckte unmerklich zusammen, die kleine runde Öffnung brennend kalt gegen seine Haut.
"Amüsant." Überging Crawford Schuldigs unausgesprochene Frage, was das alles sollte. "Für jemanden, der nicht einmal den Kopf aufrecht halten kann, bist du noch recht maulfrei. Dabei weißt du doch, was mit Vögelchen passiert, wenn sie zu laut zwitschern?" Schuldig verengte die Augen zu Schlitzen, unterdrückte ein Zittern. Dieser Gesichtsausdruck gefiel ihm gar nicht. Crawford registrierte die Anspannung triumphierend. Genau wie erwartet. "Sie werden gefressen.", vollendete er seinen Satz. Er ließ Schuldig einen Moment, um die Bedeutung seiner Worte zu begreifen und entsicherte dann seine Waffe. Das wohlvertraute Klicken echote in Schuldigs Ohren. Es beschleunigte seine taumelnden Gedanken auf schwindelerregende Weise. Crawford meinte das nicht ernst...oder? Es war nicht das erste Mal, dass er diese Waffe an seiner Schläfe spürte, aber...Crawford hatte sie noch nie entsichert...wollte er ihn wirklich mit dem Tod bestrafen? Nur, weil er sich Nagi genähert hatte? Immerhin hatte das Kind ja nicht rumgezickt oder so...nicht, dass es ihn abgehalten hätte, aber es war nun mal nicht geschehen. Warum machte Crawford so ein Drama draus... okay, er hatte seinen Befehl missachter, aber hey, das war nun mal vorauszusehen, oder? Die olle Spaßbremse hatte ihn nie abhalten können, wenn er etwas wirklich haben wollte...Aber das hier sah ganz und gar nicht mehr nach Spaß aus...Wut schäumte in Schuldig auf, gärte und arbeitete, betäubte die Angst, die er eigentlich haben sollte, völlig. Er war ein Killer, verdammt, glaubte Crawford etwa, so eine Szene würde ihn einschüchtern? Abkratzen war nicht das Schlimmste, was jemandem wie ihm passieren konnte. Sein Blick verbiss sich in den von Crawford, stur und zornig wie eh und je. "Nimm deine scheiß Knarre da weg. Ich hab keinen Bock auf deine Psychotricks. Du knallst mich eh nicht ab und wenn, auch gut. Aber mach jetzt oder geh mir nicht länger auf die Nerven." Schuldigs Stimme war weder so kalt noch so laut gewesen wie er es gern gehabt hätte, aber wenigstens hatte er nicht gestottert oder Blut gespuckt. Crawfords verächtliches Lachen schmälerte seinen Triumph. Er hasste es, dass dieses arrogante Arschloch ihn nicht für voll nahm, er hatte es immer schon getan. "Was ist so lustig, he? Wohl nicht damit gerechnet, dass ich mir nicht vor Angst in die Hosen scheiße, was?" zischte er mitten in das überhebliche Gesicht. Crawford hielt inne, das Schmunzeln jedoch verschwand nicht. "Nun, das trifft es nicht ganz, nein. Ich finde es bloß unterhaltsam wie dein dämliches Grinsen endlich verschwunden ist. Jetzt scheinst du deine Kämpfernatur freizulassen, interessant, interessant."
Der grenzenlose Zorn verlieh Schuldig neue Kräfte, zumindest kam es ihm so vor, da er die Erschöpfung nicht mehr ganz so vordergründig spürte, und mit einem wütenden Knurren wischte er Crawford die Pistole aus der Hand. "Interessant? Ich bin nicht dein verficktes Spielzeug, klar? Deine billigen Tricks funktionieren bei mir nicht." Als Schuldig sich mühsam auf die Beine gekämpft hatte, um Crawford von gleicher Höhe in die Augen sehen zu können, vielleicht mit ihm zu kämpfen, lächelte Crawford nur unbeeindruckt und verpasste ihm einen Tritt in die Kniekehlen. Sekundenbruchteile fand er sich auf dem harten Boden wieder. Wenigstens keine Glasscherben im Rücken, dachte er bitter und sah zu Crawford auf. Dieser beugte sich genüsslich langsam zu ihm herunter und fesselte ihn mit seinen Blicken. "Billig? Also wirklich...wo ich mir doch solche Mühe gebe..." tadelte er und kniete sich neben Schuldig, strich ihm widerwärtig sanft eine Strähne aus dem Gesicht. "Und so wie ich das sehe, funktioniert es bestens."
Als Schuldig erneut nach seiner Hand schlagen wollte, packte er selenruhig seine Handgelenke und hielt sie in einem eisernen Griff. "Ich könnte dich problemlos fesseln, weißt du? Aber keine Sorge, ich gebe dir die Chance, dich zu verteidigen..." Er setzte sich auf Schuldigs Unterleib, die Knie rechts und links abgestützt. " Auch wenn es dir nichts helfen wird." Fügte er hinzu und hatte bereits beide Handgelenke mit einer Hand über seinen Kopf gepresst.
Schuldigs Augen weiteten sich in Panik. Nein, Crawford würde nicht...!! Niemals konnte es sein, dass er sich seine kostbaren Finger mit so etwas beschmutzen würde. Niemals!! Crawford hatte Prinzipien. Er tat so was nicht, nicht mit einer Frau und schon gar nicht mit ihm.
~"Dann werde ich meine Prioritäten neu sortieren, Schuldig..."~
Er warf unruhig den Kopf zur Seite, als die Angst ihn traf wie ein Schlag in die Magengrube. "Was geht eigentlich in deinem kranken Hirn vor, dass du es wagst...?" Crawford überging die Frage mit einem eindeutigen Blick und riss Schuldig Hemd kurzerhand entzwei. Wertloses Stück Stoff. "Versteh mich nicht falsch..." Er zog es unter dem verletzten Oberkörper hervor und warf es hinter sich. Seine Hand zeichnete mit leichtem Druck die aufgerissen Wunden nach, folgte einem Schnitt hinauf bis zu Schuldigs Hals. "Es ist nicht so, dass es mir Spaß machen würde mich mit einem Stück Dreck wie dir abgeben zu müssen. Aber ich muss etwas tun, damit du lernst. Das verstehst du doch, nicht wahr?"
Schuldig röchelte verbissen, als Crawford ihm die Luft abdrückte.
"D-Du...hast doch einen...an der Klatsche..."
"Und das von jemanden, der sich an einem fünfzehnjährigen Kind aufgeilt, unberechtigter Einwand, meinst du nicht?"
"Fass mich nicht an, Arschloch!!" Schuldig versuchte, sich zu befreien, aber er konnte nicht einmal seine Hände bewegen. Jeder Muskel brannte wie Feuer, auch wenn er ihn nicht benutzte. Er kannte dieses Gefühl nur zu gut, schließlich war es nicht das erste Mal, dass er verprügelt wurde, auch nicht das erste Mal, dass Crawford sein Peiniger war. An diese Art von Schmerz war er gewohnt, damit wurde er fertig. Nicht aber mit dem Gedanken, dass Crawford seine Drohung wahr machen könnte. Hass verknotete sich in seinem Magen und ließ ihm übel werden. Nein, das würde nicht passieren. Nicht schon wieder. "Glaubst du, deine blöden Drohungen imponieren mir?" Er wollte sicher klingen, aber seine Stimme zitterte. Crawford lächelte nur boshaft. "Ja, allerdings."

***
**
*

Er schluchzte nicht. Keine Träne verließ seine Augen, kein Aufschrei des Schmerzes, der sich durch seinen Körper zog. Kein letztes Zeichen, dass er noch lebte.
Er lag einfach nur still da, zusammengekrümmt wie ein hilfloses Kind, zu schwach, sich in eine würdigere Position zu winden, und ließ das Wasser auf sich niederprasseln. Horchte auf das sanfte, gleichmäßige Rauschen, das Erlösung versprach und seinen Kopf erfüllte.
Crawford war wirklich ein freundlicher Mensch, dachte er, hatte sich, nachdem er bewusstlos geworden war, doch wirklich noch die Mühe gemacht, ihn in die Dusche zu schleppen und das Wasser anzustellen. Ja, wirklich nett von ihm, zumal es aus purer Nächstenliebe geschehen war und nicht etwa, um zu verhindern, dass Schuldig den ganzen Bodenbelag versaute.
Nein, natürlich nicht! Schuldig irres Kichern erstickte noch bevor es ihm über die Lippen kam, wurde ein klägliches Röcheln. Jetzt war er sogar schon für Sarkasmus zu weggetreten...Wirklich tragisch...Schade nur, dass er sich nicht selbst bemitleiden konnte...
Durch einen milchigen Schleier, den er der Nebel um ihn herum wob, starrte er mit müden Augen auf den Boden, verfolgte die dünne Spur Blut, die sich in sich auflösenden Kreisen Richtung Abfluss schlängelte. Er konnte den Kopf nicht weit genug anheben, um zu sehen, wie es tatsächlich verschwand, aber der Gedanke, sein gesamtes Leben würde einfach aus ihm herausfließen, hatte etwas unheimlich Tröstliches an sich.
Gott, er war so müde...
Wie lange war es her, dass er keine Kraft mehr für ein Grinsen gehabt hatte? Sechs Jahre bestimmt...Wirklich interessant was für lustige Zufälle sich manchmal doch ergaben... Damals, als er erfahren hatte, dass er nicht für immer in einem dieser Trainingscamps bleiben musste, hatte er begonnen, sich zu wehren - und nun? Jetzt hatte ihn seine eigene Dummheit zu derselben Hölle gebracht, über die er sich einst erhoben hatte...
Ja, wirklich, wirklich interessant...
Das bittere Lachen tat ihm in der Brust weh, aber er konnte nicht aufhören, lachte lauter, bis es wie ein Krampf war, der seinen malträtierten Körper beben ließ.
Noch vor einer Stunde hätte es der beste Morgen seines Lebens werden können, er hatte Nagi schon so weit gehabt, ihn beinahe berührt - und dann war Crawford wie eine Furie hereingestürmt und hatte ihn an den Haaren aus dem Zimmer geschleift. Er hatte geschrieen und sich zu wehren versucht, aber Crawford war stärker als er, körperlich und geistig, und hatte ihn mühelos die Treppe hinunter gestoßen, runter in den Keller, in eine der vielen Zellen, die sie hier für Farfarello hielten. Was danach passiert war, war Geschichte. Ein dumpfes Chaos aus Bildern, die zusammen geschmolzen waren zu einem einzigen, alles bedeckenden Schatten, lediglich scharf gezeichnet durch eine dünne rote Linie. Stechend, pochend, dumpf und brennend, Schmerz in jeder Form an jeder Stelle seines Körpers.
Hatte irgendwo einen Vorteil, wenn man *es* gewohnt war, so verloren sich die Details doch irgendwann in den Schatten, die alles umspülten.
Irgendwann hörte man auf zu zählen, irgendwann hatten sie alle dasselbe Gesicht, irgendwann konnte man sich ganz einfach von sich selbst lösen, sich ganz einfach verlieren.
Nur das Zurückkommen, das wurde mit jedem Mal schwerer.
Schuldigs Kopf sank zurück auf den Boden, er drehte er ihn, sodass er direkt in den Wasserstrahl sehen konnte. Ein geisterhaftes Licht schien die Tropfen zu umgeben, aber wahrscheinlich war das bloß seine Einbildung. Er nahm es trotzdem in sich auf, wünschte sich, er wäre nie aufgewacht und auf ewig in der Dunkelheit seines Geistes geblieben.
Warum kam er immer wieder zurück? Warum...
Nein! Unterbrach er den Teufelskreis, in den ihn seine Gedanken führen wollten, so durfte er sich nicht gehen lassen. Wer sich versteckte, wurde gefunden, wer sich duckte, wurde getreten. Er aber war nicht schwach. Er lebte immer noch.
Und darauf kam es doch an. Er hatte wieder einmal überlebt. Und wenn es sein Körper schaffte, warum sollte es sein Stolz nicht auch?
Ein schmales Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
Jede Demütigung machte ihn stärker, beschwor er sich. Nach jedem Schlag, der ihn zu Boden streckte, stand er wieder auf. Ja, er würde warten, bis sein Körper sich erholt hatte und seine Beine ihn trugen, dann würde er sich wie Phoenix aus der Asche erheben und sich das holen, was er wollte.
Wenn Crawford glaubte, ihn so von seinem Ziel abhalten zu können, hatte er sich getäuscht. Verdammt noch mal, selbst das Orakel wusste nicht alles über ihn. Denn so gut er auch in die Zukunft sehen konnte, die Vergangenheit konnte er vor ihm verbergen. Die war sein eigenes ganz persönliches Geheimnis, aus dem er Stärke bezog. Der Beweis, dass er es allen zeigen konnte.
Was bedeutete schon Erniedrigung, wenn es nichts zu erniedrigen gab? Gewalt, wenn das Opfer sich nicht vergewaltigen ließ? Was bedeutete Macht, wenn der Untergebene nur ein gespiegelter Schatten war?
Schuldig lachte leise und rollte sich auf den Rücken.
Er kannte den Trick, mit dem man sich rettete, den Trick der Illusion.
Er hatte sie alle getäuscht. Schon einmal. Und damals war er nur ein Kind gewesen, jetzt war er Schuldig, ein mächtiger Telepath, ein Killer, ein Schauspieler.
Geschwächt, für den Moment, aber noch lange nicht gebrochen.
Gegen die schwere Müdigkeit ankämpfend erhob er sich, biss die Zähne zusammen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er mit beiden Füßen auf dem Boden stand, aber er hatte Zeit. Mit zittrigen Fingern stützte er sich an der Wand ab, strich sich mit einer fahrigen Bewegung die nassen Strähnen aus der Stirn und reckte das Kinn. Ein kaltes Feuer brannte in seinen Augen, als er seinen Kontakt löste und sich aufrecht hinstellte.
Er würde seine Wunden mit Stolz tragen, verdammt noch mal!

*

Eine Etage tiefer, durch Räume, die auf keinem Bauplan verzeichnet waren, dröhnte ein markerschüttender Laut, kurze, abrupte Ausbrüche, das Lachen eines Irren. In der letzten Kammer, ganz am Ende des langen, dunklen Tunnels, lag Farfarello auf dem Boden und starrte an die Decke. Wahnsinnige Entzückung lag auf seine Zügen. Er hatte es gesehen. Er hatte die beiden gesehen. Niemand hatte bemerkt, wie er sich durch die geheimen Türen den Schreien genähert, durch den Spalt in der Mauer alles beobachtet hatte. Was für ein Anblick, was für ein Fest. So viele Scherben, so viel Blut, so viel Lust. Crawford hatte Schuldig auf die Knie gezwungen und verging sich an ihm, schrie, tobte, schlug ihn, immer wieder und immer wieder bis das wunderschöne Geschöpf unter ihm zusammengesackt und liegengeblieben war. Beinahe hätte Farfarello sich von dem Anblick des zerbrochen Körpers nicht mehr losreißen können. Von der weißen Haut, von Kratzern, Wunden, Handabdrücken übersät, von der dunkelroten Flüssigkeit, die von den gespreizten Beinen auf den Boden tropfte, von den langen Haaren, die ausgefächert um sein regloses Gesicht ausgebreitet worden waren. So schön, so wunderschön, dass er am liebsten zu ihm gegangen wäre, um zu sehen, ob dieser blasphemische Dämon wirklich real war und wenn ja, um noch auch einmal zu besitzen. Einzig und allein die Präsenz Crawfords hatte ihn davon abgehalten aus seinem Versteck zu kommen, der Amerikaner hatte es nicht gern, wenn man ihm ungefragt zusah und die Strafen, die es nach sich zog, wenn man dabei erwischt wurde, waren grausamer als man es sich vorstellen konnte. Er erinnerte sich noch genau, was er ihm angetan hatte, nachdem er das zwischen ihm und dem Jungen herausgefunden hatte, die Stigmawunden waren die einzigen Narben, die er unter Schmerzen zugefügt bekommen hatte. Die Symbolik zu stark, als dass er die vergebende Kraft Gottes hätte ausschalten können. Alles Crawfords Werk... Der Mann kannte die Schwachstelle seiner Gegner genauso wie die seiner Verbündeter, konnte voraussehen, was den größtmöglichen Schaden anrichten würde und zögerte nicht eine Sekunde sein Wissen auch einzusetzen.
Also war Farfarello bloß Zeuge geblieben, hatte sich an der unglaublichen Lust gelabt, die ihm die Szene vor ihm bereitet hatte.
Zu schade, dass Crawford, als er nach oben ging, den Sünder mit sich nahm, er hätte ihn zu gern noch länger betrachtet, ihn vielleicht doch berührt, ihn endgültig gebrochen, denn eins, das sah er deutlich, hatte Crawford ihm mit seiner Folter noch nicht nehmen können, seinen Stolz. Sicher, er war bewusstlos und geschändet, aber Farfarello spürte die Aura des Hochmuts immer noch deutlich den perfekten Körper umspülen. Der Hochmut eines wahren Dämons, hatte er sich gedacht und war in seine Zelle verschwunden, um nachzudenken. Zwei, drei verzückende Stunden, bis ihn Crawford ihn wieder gestört hatte und ihm einen simplen Auftrag erteilte, den er jedoch mit Freuden angenommen hatte. Er war gerade erst fertig geworden, hatte endlich Zeit, seiner aufgestauten Lust Ausdruck zu verleihen und sich selber entweihte. Visionen von Schuld in seinem Kopf. Endlich kam er mit einem erstickten Aufstöhnen und rollte sich auf die Seite, bestaunte amüsiert die milchig weiße Flüssigkeit an seinen Blutverschmierten Händen. Er grinste breit, als er daran dachte, wessen Blut es war und sein Blick fiel auf den rotgetränkten Lappen, mit dem er, wie Crawford knapp befohlen, das dunkle Holz jener Zelle gereinigt hatte, in der *es* passiert war. Ob Crawford wohl wusste, was für eine Wonne er ihm damit bereitet hatte? Wohl kaum, aber das änderte nichts daran, dass es so gewesen war. Nie zuvor hatte er solche Intensität verspürt, es war einfach teuflisch gut gewesen...
Und während er so da lag, seine Gedanken immer noch betäubt und verklärt, fraß sich die Erinnerung an Schuldigs Demütigung in seine Seele, verweilte dort, loderte als dunkles Feuer, als schwarzer Spiegel einer Sehnsucht, die er nicht benennen konnte.
Er lachte plötzlich auf. Was würde wohl das kleine Engelchen sagen, wenn er es ihm alles erzählte? Er brannte vor Neugierde das zu erfahren.

*

"Warum hast du das getan?"
Seufzend drehte Crawford seinen Stuhl herum, die Hände waren in seinem Schoß zusammengefaltet. Er hob eine, um seine Brille zurechtzurücken, dann positionierte er sie beide vor sich auf dem Schreibtisch.
Nagis Unterlippe zitterte, als Crawford ihn ansah. Er fühlte, wie der Hunger nach Antworten an seinen Nerven zehrte, Farfarellos präzisen Worte noch frisch in seinem Bewusstsein. Er glaubte es, aber er verstand es nicht.
"Macht es dir Spaß, ihn zu quälen?", setzte er nach. "Ich dachte, du wärst anders."
Crawford presste die Fingerspitzen fester gegeneinander. Wie sehr wünschte er sich, er hätte sich nur ein einziges Mal geirrt, wusste aber gleichzeitig, dass Wünsche niemandem halfen. Nagi war hier, Zeit für ihr Gespräch. Man musste sich der Realität stellen, wenn sie einen nicht von hinten anfallen sollte.
"Nein, es hat mir keinen Spaß gemacht."
"A-aber..." Er wollte verstehen. Er musste verstehen. Crawfords Miene blieb unverändert ruhig.
"Nagi, komm her", sagte er dann sanft.
Nackte Füße tapsten gehorsam über den kalten Granitboden. Stoff raschelte leise, als Crawford Nagi auf seinen Schoß hob. Man hörte ein lautloses Seufzen von Crawford. Sie waren früher oft so dagesessen, der kleine Körper Schutz suchend in den starken Armen des größeren Mannes. Damals, als Nagi noch ein Kind gewesen war. Damals, als er ihn gefunden hatte...damals, als...
Jetzt war es anders, doch für einen kurzen durchscheinenden Moment besserer Zeiten sah Crawford in den großen blauen Augen wieder ein Leuchten. Er blinzelte, und das Leuchten verschwand. Nagis Augen waren leer, ohne Erinnerung, spiegelten lediglich sein brennendes Unverständnis wider. Crawford rieb sich müde das Gesicht, als müsse er eine alte Staubschicht entfernen, dann lächelte er sachlich und sah ernst in diese leblosen Augen, die die Farbe des Himmels, die sie in sich trugen, nicht erkennen konnten.
"Ich musste es tun."
"Aber warum? Ich verstehe das nicht."
"Musst du auch nicht. Es ist seine Schuld. Ich habe ihm verboten, sich dir zu nähern."
"Ich bin also der Grund", stellte Nagi fest und klang seltsam nüchtern. Er hatte es eh schon geahnt. Es war logisch. Trotzdem...
"Ja."
"Warum?"
"Es war eine nötige Konsequenz. Keine große Sache."
"Keine große Sache? Du hast ihn bewusstlosgeschlagen." Nagi wirkte verstört, als Crawford bloß eine abfällige Handbewegung machen, als würde das alles ihn nicht mehr stören als eine summende Fliege an einem schwülen Sommertag.
"Ja." Antworte Crawford schlicht.
"Und vergewaltigt!!"
"Wenn du es so nennen willst, ja, das auch."
"Wie kannst du dabei so ruhig bleiben?"
"Es war nötig, Nagi. Er hätte dich verletzt."
"Du musst nicht auf mich aufpassen. Ich kann mich sehr gut selbst verteidigen."
Crawfords Lächeln wurde mit einem Mal sanfter. Er hob die Hand und strich Nagi eine Strähne aus dem Gesicht. "Ja, du *könntest* dich verteidigen, aber du hast nicht. Du kannst die Folgen nicht absehen. Ich schon.", erklärte er, immer noch die Ruhe selbst.
Nagi zögerte einen Moment, sein Gehirn arbeitete. Er vertraute Crawford und er konnte ihm nicht böse sein, auch wenn er es nicht guthieß, was er Schuldig angetan hatte. Es war nicht seine Aufgabe, den fürsorglichen kleinen Bruder zu mimen. Besonders nicht für Schuldig. Vielmehr interessierte ihn, warum es Crawford wichtig war. Was hatte er für einen Grund, ihn so sehr zu verteidigen? Es war ja nicht so, dass er seinen Körper noch nie einem anderen Mann überlassen hatte, also, was war diesmal anders? Er konnte es jedenfalls nicht sein.
"Was hast du gesehen?"
Ein Schatten huschte über Crawfords Gesicht, aber in der Dunkelheit des Raumes blieb es verborgen, seine Miene blieb makellos ruhig.
"Ich kann es dir nicht sagen."
"Warum nicht?"
"Dazu habe ich kein Recht."
"Aber du weißt es doch auch."
"Ja. Aber das Recht des Wissens ist nicht gleich aufgeteilt. Aus gutem Grund."
"Glaubst du, ich bin zu schwach, die Wahrheit zu verkraften?"
Nagi musste sich irgendwo festkrallen, um nicht vor Überraschung vom Stuhl zu fallen, als er Crawford lachen sah.
Was für ein Anblick... was für ein ... Geräusch. Tief, sinnlich, vertraut.
Nagi lief ein heißkalter Schauer über den Rücken. Jetzt, wo der Ernst ein paar Herzschläge lang aus dem attraktiven Gesicht wich, wirkte Crawford wie ein völlig anderer Mensch. Sanft und liebevoll. Jemand, der sich um das, was ihm wichtig war, immer gut kümmern würde, sein eigenes Leben opfern würde.
Ihm wurde warm ums Herz, als er begriff, dass er der Einzige war, dem Crawford je diese Seite zeigen würde. Der Einzige... etwas Besonderes. Nagi konnte nicht widerstehen und kuschelte sich an Crawfords Brust. So warm...wohltuend...so verdammt vertraut, obwohl er keine klaren Bilder fand, die zu diesem Gefühl gepasst hätten.
Ein starker Arm legte sich um ihn, hielt ihn, zog ihn ein bisschen näher, eine Hand auf seiner Hüfte, Finger, die ihn streichelten, sanft. Als Nagi den Kopf hob, traf sein überraschter Blick auf Crawfords braune Augen, die ihn ruhig ansahen. Sein Herz machte einen kleinen Sprung. Diese Wärme, dieses kleine Lächeln...So vertraut...
Ein magischer Zauber hüllte ihn ein. Fühlte man sich so, wenn einen die Mutter abends zudeckte? Geborgen und geliebt? Nagi wusste es nicht, kannte weder seine Mutter noch dieses Gefühl. Aber es tat so gut. Sanft und einlullend wie ein Schlaflied. So schön, dass es beinahe seine Brust zu sprengen drohte. Gott, er wollte das hier für ewig halten, darin versinken, sich davon treiben lassen.

Crawford griff an Nagi vorbei, schloss seine unterste Schreibtischschublade auf und holte ein kleines Glas mit Tabletten hervor, schraubte es auf und die rosigen Perlen gaben dabei ein rasselndes Geräusch von sich.
Als er eine herausholte und sie zu Nagis Lippen führte, waren seine Bewegungen sanft, beinahe zu leicht, um real zu sein.
"Sei ein braver Junge und nimm deine Medizin." Hauchte er zärtlich und Nagi vergaß völlig, dass diese Medizin einen Sinn hatte, ihm dabei half, seine Kräfte zu kontrollieren. Es trat völlig in den Hintergrund, als er fasziniert von diesen warmen, braunen Augen den Mund wie in Trance öffnete. In diesem Augenblick hätte er auch Gift geschluckt, so lange Crawford es ihm nur auf diese Weise anbot. Die sonst so tödlichen Hände so ... verführerisch sanft... besonders... niemals vergessen...
Seine Lippen schlossen sich um die kleine Kugel...sie schmeckte nach Kirsch...
Er schluckte sie... Süß, so süß, dass es seine Sinne benebelte...
Er blinzelte, aber der Zauber, der von Crawford ausging blieb, wurde nur noch mächtiger. Wenn er nur... dieses Lächeln auf Crawfords Lippen mit seinen eigenen berühren könnte... nur, um sich zu vergewissern, dass es real war. Dass das alles hier real war. Die Welt schien langsam an den Ecken dunkler zu werden. Die Wolken teilten sich und gaben den Mond frei. Ein silberner Hauch streifte Crawfords Gesicht, ließ die sonst so strengen Züge sanft und einladend wirken.
"Brad..." wisperte Nagi leise, seine Wangen waren leicht gerötet... "...ich..."
Doch er kam nicht dazu weiter zu sprechen. Mit dem nächsten Wimpernschlag blieben seine Augen geschlossen.
Crawford seufzte schwer. Er hob den bewusstlosen Jungen auf seinen Arm, betrachtete ihn nachdenklich. Der zerbrechliche Körper wirkte so leicht, so leblos. Obwohl er diesen Anblick so verdammt gewohnt war, dass er hätte schreien wollen, blieb er stumm, sein Gesicht regungslos, ohne Zeichen von Gefühl. Seine Entscheidung legte sich wie eine schwere Maske auf seine Haut.
Vertraut, so vertraut.
"Tut mir Leid, Nagi, ich wünschte, das hier wäre alles nicht nötig", flüsterte er, seine Stimme kaum mehr als ein tonloser Hauch, während er sich langsam zu ihm herunter beugte, Nagis Kopf leicht anhob.
"Glaub mir. Ich weiß es nur besser."
Dann gönnte er den rosigblassen Lippen - und sich selbst - doch noch das, wonach sie vor einem Augenblick noch verlangt hatten. Einen sanften Kuss. Nur ganz leicht, wollte sich selbst nicht zu deutlich machen, dass er es wirklich tat.
Aber es half alles nichts, im Gegensatz zu Nagi würde er sich an alles erinnern. An den süßen Schmerz, das Warum und den leichten Geschmack nach Kirsche, als er sich nach einer kleinen, kostbaren Ewigkeit wieder löste.

Es ist besser für dich, murmelte er noch einmal in Gedanken, dann schaltete er alles ab und trug Nagi in sein Zimmer.

Ja, es war besser so. Für ihn, für Nagi, für alle.
So schwer es ihm manchmal auch fiel, es gab immer jemanden, der die Bürde des Wissens tragen musste. Große Macht hatte eben ihren Preis.

Draußen erwachte die Lerche. Ein neuer Tag begann. Ein weiterer, den er kontrollieren würde.

*

Besonders lang ist es ja leider nicht geworden, aber ich würde anders auch wahnsinnig werden...Die Story entwickelt sich wirklich zum Psychostoff oder bild ich mir das ein? Jedenfalls geht's mir ganz schön nah, das alles aufzuschreiben, wo es doch teilweise ziemlich klare Dinge zeigt, Gedanken, die ich lieber nicht hätte. Aber hey, da kann man leider nichts dran ändern. Nach wie vor kann ich mich auf keinen Glauben festlegen und betrachte eher mehrere Wahrheiten, ohne jedoch die für mich persönlich gültige finden zu können. Hm, whatever, ich laber mich schon wieder fest. Ich hoffe, ihr konntet was mit dem Geschreibsel anfangen und ich hab euch nicht enttäuscht.
Sorry, dass ich mich so pinsig anhör, aber ich bin grad erst ausm Bett gestrunzelt...blöder erster Mai...*eisbeutelbrauch*

Hab euch lieb

Diva