Arthur Weasley schreckte hoch. "McGonagall's Sohn?" Es war schon schlimm genug, dass jemand gestorben war, aber jemanden anzugreifen, den man persönlich kannte, war schlimmer als alles andere. In den Jahren bevor Voldemort gestürzt wurde, war es an der Tagesordnung Angst um seine Familie und um seine Freund zu haben. Man konnte damals nie wissen, wann Voldemort und seine Anhänger zuschlugen, und wen es diesmal erwischte. Wenn man das dunkle Mal sah, wenn man den Todenschädel mit der Schlange über seinem Haus erblickte, wusste man, dass es bereits zu spät war. Die Weasleys waren nie in dieser Situation gewesen, aber sie hatten damals genug Freunde beerdigen müssen, dass es beiden für den Rest ihres Lebens reichte. Nie wieder, so hatten sie damals geschworen, wollten sie das Gefühl erneut erleben. Aber jetzt fühlten sie es wieder. Und das Gefühl der Ohnmacht, der Fassungslosigkeit und der Ungläubigkeit griff um erneut sich. Ron sah zu Harry, im Hintergrund konnte er auch die Zwillinge und Ginny sehen. Alle drei schauten verblüfft. Keiner von ihnen hatte gewusst, dass Professor McGonagall einen Sohn hatte. Eigentlich wusste man nichts über sie oder über ihre Familie. Noch bevor einer etwas fragen konnte, warf Mr. Weasley seinen Umhang über seinen Körper und gesellte sich zu Percy. "Ich muss sofort ins Ministerium zurück." Seine Frau nickte nur, sie war zu überrascht, um etwas sagen zu können. Und keinen Augenblick später apparierten Mr. Weasley und sein Sohn.

Mrs. Weasley setzte sich auf den Platz, den ihr Mann zuvor eingenommen hatte. Ihr Blick hatte etwas von Verschwommenheit und Nachdenklichkeit, man sah ihr deutlich an, dass sie an etwas dachte. "Mom, alles okay?" fragte Ginny mit besorgtem Gesichtsausdruck. "Nein, Liebes. Nichts ist okay." Ron stubste Harry an um ihm so mitzuteilen, dass er Fragen stellen sollte. Fragen stellen, die er sich bei dem Anblick seiner verzweifelten Mutter nicht traute. Harry musste schlucken, aber schliesslich gewann seine Neugier. "Mrs. Weasley?" "Ja, Harry?" Molly Weasley hob den gesenkten Kopf und schaute ihm offen ins Gesicht. Wie üblich konnte er in ihrem Gesicht lesen, was in ihr vorging. Deutlich waren Spuren von Sorgen, Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Erschütterung zu lesen. Harry setzte an um zu sprechen, aber er fand nicht die richtigen Worte. Er zermatterte sich den Kopf darüber, wie er das Gespräch auf den Vorfall lenken konnte, aber jedesmal schienen sich die Buchstaben, Wörter und Sätze zu verfüchtigen. Er konnte keinen vernünftigen Satz heraus bringen, der dieser Frage und dieser Situation gerecht werden konnte. Mrs. Weasley sah ihn immer noch an, allerdings hatte sich ihr Gesichtsausdruck verändert. Sie lächelte. Es war zwar nur ein schmales Lächeln, aber immerhin erreichte es ihre Augen, die ihn jetzt warm anschauten. Sie erriet seine Gedanken. "Du wusstest nicht, dass Professor McGonagall einen Sohn hat, nicht wahr?" Sie sah von Harry über Ron bis hin zu den Zwillingen. "Und wenn ich euch ansehe, geht es euch ähnlich." "Nicht das ihr das nicht wissen dürft, es ist schliesslich kein Geheimnis." "Also erzählst du es uns, Mum?" fragte Fred und setzte sich gleichzeitig etwas auf, um der Sache genau zuhören zu können. Man sah ihm seine Aufgeregtheit an. Man erfuhr schliesslich auch nicht jeden Tag etwas über das Pivatleben eines Lehrers. "Wenn ihr es hören wollt, dann werde ich es euch erzählen."

***

Arthur Weasley und Percy befanden sich mit anderen Zauberern im Büro von Cornelius Fudge, dem Leiter des Zaubereiministeriums. Auch Albus Dumbledore befand sich dort. Er sass in einem dunkelblauen, mit Sternen und Monden übersäten Umhand in einem Sessel vor dem Schreibtisch von Fudge und sah diesen mit klaren Augen an. Immer wenn er diesen Blick hatte, wusste jeder, dass Albus Dumbledore Antworten erwartete. Fudge schüttelte resignierend den Kopf. "Ich weiss nicht genau, was passiert ist. Wir wissen nur, dass er in seinem Haus überfallen und mit Flüchen gefoltert worden ist. Wir wissen nicht, wer es getan hat, noch wissen wir den Grund." "Welche Flüche?" erklang die Stimme Dumbledore's, die klar und deutlich zu hören war. Wenn man den Schulleiter von Hogwarts gut kannte, hörte man eine gewisse Anspannung heraus. "Der Cruciatus-Fluch ist definitiv nachgewiesen worden. Und es sieht auch sehr danach aus, als wäre der Imperius-Fluch angewandt worden. Vielleicht hat man ihn gefoltert, um etwas aus ihm heraus zu bekommen." Percy wandte sich an seinen Chef. "Aber was sollte man von ihm wollen?" "Ich weiss es nicht, Percy. Letztendlich wird nur es er allein wissen." Albus Dumbledore stand aus dem Sessel auf und gebab sich zur Tür. "Ich werde ins St. Mugo's Hospital gehen, vielleicht bekomme ich dort die Antworten, die ich mir hier erhofft hatte." Er öffnete die schwere Holztür und verschwand mit wehendem Umhand hinaus. Arthur Weasley folgte ihm.

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Molly Weasley sass in dem Sessel und beäugte die vor ihr sitzenden Kinder. Fred und George waren beide 17 und wenn die Schule wieder anfangen würde, dann waren sie in ihrem letzten Schuljahr. Harry war grösser geworden. Er überragte Ron mittlerweile um einige Zentimeter. Mrs. Weasley musste sich erst noch daran gewöhnen, dass aus dem kleinen, dunkelhaarigen Harry Potter ein Teenager geworden war, der über 1.80 Meter gross war. Die Muggelsachen, die er anhatte waren ihm wie üblich zu weit, allerdings endeten die Ärmel seines Pullovers kurz unter den Ellbogen. Dudley schien also nur in die Breite anstatt in die Höhe zu wachsen. Ron glich rein äusserlich seinen Brüdern, flammend rote Haare, aber er war neben Arthur und Percy der grösste in der Familie. Mollys Blick wanderte hinüber zu ihrer einzigen Tochter, Ginny. Sie war mittlerweile 14 Jahre alt, und man sah ihr an, dass sie in einem schwierigem Alter war. Sämtliche Sachen von ihr hatte Mrs. Weasley in einem Anfall von Teenager-Rebellion Schwarz färben müssen. Das Resultat davon war, dass sie nur noch schwarze Anziehsachen besaß. Ihr ebenfalls rotes Haar stach da natürlich deutlich ab. Sie hatte es wachsen lassen, und mittlerweile reichten ihr die glatten Strähnen ihres Haares bis zu den Ellbogen. Ginny verwandte auch viel Zeit damit sich um ihre Haare zu kümmern, sie schienen der einzige Stolz zu sein. Molly Weasley fragte sich, wann Ginny den Kampf mit ihr wegen der Haarfarbe führen würde. In den letzten 2 Monaten gab es gelegentlich Streiereien zwischen den beiden, weil Ginny sich die Haare färben lassen wollte. Sie mochte nicht mehr der Rotschopf sein, den alle in ihr sahen. Aber Mrs. Weasley hatte sich bisher über alle Vorwürfe hinweg gesetzt. Molly Weasley's Blick schweifte wieder zurück zu den Zwillingen, die ihre Mutter gespannt ansahen. "Komm schon, Mum. Erzähl's uns endlich." "Ich fürchte, viel gibt es nicht zu erzählen. Wie wäre es, wenn ihr mir Fragen stellen würdet, damit ich weiss, was ihr hören wollt." Fred war ganz aus dem Häuschen. "Wieso weiss niemand, dass Professor Mconagall ein Kind hat? Und wieso kennen wir ihren Mann nicht? Und vor allem, wieso kennen wir ihren Sohn nicht?" "Lass mich überlegen. Am besten wäre es, wenn ich am Anfang beginne. Professor McGonagall war verheiratet. Ihr Mann war ein Mitarbeiter im Zaubereiministerium, in der Abteilung für Phantastische Tierwesen, wenn ich mich richtig erinnere. Sie lernten sich kennen, während beide in Hogwarts waren. Danach haben sie sich einige Jahre aus den Augen verloren und sich 5 Jahre später wieder getroffen und eigentlich schnell geheiratet. Ich habe damals nichts davon mit bekommen, euer Vater war gerade erst ins Ministerium eingetreten und arbeitete sich langsam von Position zu Position hoch. Ich kannte beide auch nur vom Hören. Allerdings haben uns spätere Ereignisse zusammen geführt. Zu der Zeit als Voldemort an die Macht kam, musste man zusammen halten. Bei einem der damaligen Angriffe starb auch ihr Mann. Seitdem hat sie sich mehr und mehr zurück gezogen und widmet sich ihrer Lehreraufgabe in Hogwarts." "Und was ist mit ihrem Sohn?" hakte George nach, der genauso neugierig war wie der Rest der Anwesenden. "Matthew kam 1958 zur Welt. Er ging wie fast jeder nach Hogwarts." Molly Weasley wandte sich an Harry. "Im übrigen spielte er mit deinem Vater im selben Team Quidditch. Wenn du dir die Plakette des Teams von 1971 ansiehst, wirst du einen Spieler namens McGonagall darunter entdecken." Harry schaute Mrs. Weasley verblüfft an. Das hatte er nicht bemerkt. Er hatte sich in seinem ersten Schuljahr die Plakette angesehen, aber diesen Namen musste er wohl überlesen haben. "Er machte 2 Jahre vor deinen Eltern den Abschluss und bewarb sich beim Zaubereiministerium und bekam einen Job in der Abteilung für Umkehrzauber. Er war einer derjenigen, die sich um die Gedächtnislöschungen kümmerte. Ich habe ihn ein paar Mal getroffen. Er war zuvorkommend und freundlich, eigentlich ganz der Vater." Molly Weasley hielt inne. "Was wollt ihr noch wissen?" "Warum ist er angegriffen worden?" erklang Harry's Stimme. "Ich weiss es nicht. Und ich glaube auch nicht, dass man zum derzeitigen Augenblick irgendetwas darüber sagen kann. Man kann nur mutmassen. Aber genau das bringt nichts. Wir können nur abwarten bis Percy und Arthur wieder hier sind. Vielleicht wissen die beiden etwas genaueres." Sie sah auf die Uhr. "Es ist schon spät Kinder. Vielleicht solltet ihr ins Bett gehen, wer weiss, wann die beiden hier wieder auftauchen. Und heute könnt ihr eh nichts tun. Ausserdem müssen wir morgen in die Winkelgasse, das nächste Schuljahr steht vor der Tür." Jeder ausser Ginny protestierte gegen diesen Einspruch, aber letztendlich sahen auch die Zwillinge ein, dass sie nichts dagegen unternehmen konnten, wenn ihre Mutter einen Entschluss gefasst hatte. Sie stiegen die Treppe hoch und begaben sich in ihre Zimmer.

Ron schloss hinter Harry leise die Tür. Harry steuerte gleich eins der Betten an und legte sich darauf. Er hätte gerne mehr erfahren, vor allem den Grund für die ganzen Überfälle, die sich in letzter zeit angehäuft hatten. Aber er rechnete nicht damit, dass Ron etwas wusste. Er wusste ja nicht einmal ob Mr. Weasley ihm die Wahrheit erzählen würde, wenn er sie gewusst hätte. Ron sah Harry die ganze Zeit an. Er wollte ihn eigentlich schon den ganzen tag über etwas fragen. Erst jetzt hatte er die Gelegenheit dazu. "Hast du in den Ferien etwas von Sirius gehört, Harry?" "Nein. Nicht mal eine kleine Notiz darüber wo er ist oder wie es ihm geht. Ich nehme mal an, dass er bei Professor Lupin ist. Aber was die beiden machen, weiss ich auch nicht." Harry seufzte resigierend. Es war entmutigend einen Paten zu haben, der eigentlich kaum Zeit für ihn hatte. Was an sich kein Wunder ist. Sirius Black war immer noch auf der Flucht und musste darauf aufpassen, nicht geschnappt zu werden. Jeder unachtsame Fehler hätte zu schweren Konsequenzen führen können. Es gab zwar einige Leute, die von der Unschuld Sirius' wussten und es ihm auch glaubten, aber trotzdem gab es immer noch keine Beweise darüber, dass alle ihm glauben schenken würden. Peter Pettigrew war nicht wieder aufgetaucht, und somit schwanden auch die Chancen Sirius für unschulig zu erklären. Harry gähnte leise vor sich hin. Der Tag war anstrengend gewesen und er war müde. Er zog sich aus und legte sich schlafen, ohne auch nur darauf zu achten, ob es Ron gefallen würde. denn der sass auf seinem Bett und hatte sich auf einen angenehmen Quatschabend mit seinem besten Freund gefreut. Aber das musste er wohl auf morgen verschieben. Ausserdem würde er morgen Hermione wiedersehen. Allein bei dem Gedanken an sie bekam er weiche Knie. Auch wenn er es sich im letzten Schuljahr nicht eingestanden hatte, die ganzen Ferien über hatte er an sie denken müssen. Und es war eine Tortur sie nicht sehen zu können. Sie hatte ihm ein paar Briefe geschickt, aber es waren nie wirkliche Gespräche darauf geworden, so dass Ron sich mit einem Brief und ein paar Karten aus Europa zufrieden geben musste. Ron hatte nie jemanden etwas über seine Gefühle gesagt, und er hatte eigentlich vor gehabt, es Harry zu sagen, weil er es nicht mehr aushielt, und so wie es aussah, musste Ron noch einen weiteren Tag warten.