- Geister aus der Vergangeheit verfolgen sie.

- Sie können ihr Schaden.

- Aber da ist jemand ...

- ... der die Schatten vertreiben könnte.

*

"Versprich mir, dass du dich immer anstrengen wirst, egal was passiert!" Eine Hand, kalt und weiß, greift nach dem Arm. "Versprich es!"

"Ich verspreche es! Egal was passiert ...."

"Dann ... ist meine Pflicht getan. Ich kann gehen ...." Die Augen schließen sich.

Eine andere Hand greift nach der weißen. "Nein, geh nicht! Bleib hier!" Heiße Tränen laufen die Wangen hinunter. "Du kannst mich doch nicht alleine lassen!" Ein verzweifelter Schrei, ein letztes Aufbegehren des Herzens und dann ... etwas Starkes, das wegzieht. Weg. Weg von dem Anblick.

Ein letztes Mal das schmale Gesicht sehen und dann .... ist es fort .....

Allein ....

*

~ Wenn man schweigt, heißt das nicht, dass man nicht leidet.

*

"Nein!" Gwen fuhr aus dem Schlaf. Ihr Mund war ausgetrocknet und sie atmete schwer. Hektisch sah sie in die Betten ihrer Zimmergenossinnen, beruhigte sich aber, als sie feststellte, dass alle noch schliefen.

Sie stand auf, trank ein Glas Wasser und zog dann ihren nassen Schlafanzug aus und stopfte ihn unter die Bettdecke. Sie würde ihn später wegräumen ...

Sie nahm ihre Waschsachen und lief leise ins Bad. Dort stellte sie das Radio an und drehte den Wasserhahn von der Dusche auf. Unter den warmen Wasserstrahl entspannte sie sich und sie schloss ihre Augen.

Dieser Traum .... Sie hatte ihn schon jahrelang und wahrscheinlich würde er auch nicht so schnell wieder aufhören. Man könnte meinen, dass er mit der Zeit seinen Schrecken verlieren würde, aber jede Nacht in ein tiefes Loch der Einsamkeit zu fallen, würde wohl immer erschreckend bleiben. Der Auslöser dafür ... Solange her und doch noch immer Realität.

Plötzlich wurde Gwen aus ihren Gedanken gerissen. Zum einen von Lisa, die fröhlich pfeifend in das Bad kam und zum anderen vom Radio, aus dem die fröhliche, und sehr laute, Melodie von "Lonely Hearts will beat again", dem neuen Hit der ‚Schwestern des Schicksals', klang.

Die Geräuschkulisse wirkte auf einmal schrecklich grell in Gwens Ohren und sie drückte ihre Hände auf die Ohren.

"Hör auf zu weinen, dass ist doch albern!"

"Benimm dich nicht immer wie ein kleines Kind!"

"Denk nicht dran, dann hören die Schmerzen auf!"

"Heilung? Sei nicht dumm!"

"Streng dich an, das ist doch nicht schwer!"

"Hör auf zu träumen! Das machen nur Menschen, die vor der Realität flüchten!"

"Hör endlich auf zu weinen!"

Menschen sprachen in ihren Kopf durcheinander, ein Kind weinte, die Farben wirkten hell und alles drehte sich.

Hart schlug Gwen ihren Kopf gegen die Wand und schrie leise auf.

Die Tür von der Kabine wurde aufgerissen und Lisa sah sie erschrocken an. "Du meine Güte, was ist los? Geht's dir nicht gut?" Lisa zog sie heraus und wickelte sie in ein Handtuch. "Was ist mit dir?"

Gwen schüttelte den Kopf. "Gar nichts!"

Beim Frühstück war Gwen sehr still und Lisa warf ihr hin und wieder einen fragenden Blick zu, ging aber nicht weiter auf das ein, was am Morgen passiert war. Gwen war ihr dafür unendlich dankbar. Sie wollte – und konnte – darüber nicht reden.

Kaum eine halbe Stunde später wurde sie von ihren düsteren Gedanken abgelenkt, denn der Unterricht begann bei Arabella Figg, der Professorin für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Es war die erste Stunde in diesem Schuljahr bei ihr und Gwen war gespannt. Einen sympathischen Eindruck hatte sie ja damals im Buchladen gemacht, aber wie waren ihre Unterrichtsmethoden?

Figg kam mit einem gehwegplattengroßen Buch unter dem Arm in den Klassenraum und warf mit einem strahlenden Lächeln das Buch auf den Tisch, so dass die Platte erbebte und Staub aufgewirbelt wurde.

"Morgen!", rief sie fröhlich und schlug das Buch auf. "Dieses Jahr werden wir uns mit den gefährlichsten Flüchen der dunklen Seite beschäftigen und ich muss euch gleich vorneweg warnen: Vor den meisten kann man sich nur mit einem guten Hechtsprung retten. Für sie gibt es keine Abwehrzauber und doch solltet ihr wissen, was euch der dunkle Zauberer antun will, der seinen Stab hebt und eine Formel ausspricht. Ich lehre euch dieses Jahr die nützlichsten Zaubersprüche mit denen ihr euch verteidigen, Angreifer verwirren, ablenken und auch betäuben könnt. Ihr habt in den letzten 6 Jahren schon welche gelernt, aber mit den meisten kann man gerade einen wildgewordenen Flubberwurm aus dem Weg räumen und keinen ausgewachsenen schwarzen Zauberer. Für manche Sprüche ist es wichtig, die Zauber die ihr abblocken wollt, selbst zu lernen. Das ist gefährlich, denn ihr könntet sie später benutzen und Schaden anrichten, aber da ihr erwachsen und intelligent genug seid, traue ich euch zu, sie nicht zu mißbrauchen. Am Ende des Schuljahres möchte ich euch mit den Gefühl entlassen, dass ich euch gründlich auf mögliche Gefahren vorbereitet habe. Gefahren, die in dieser Zeit nicht selten sind."

Figg sah in die Runde und bemerkte zufrieden die aufmerksamen und wildentschlossenen Gesichter. Ihr Blick fiel auf Gwen in der ersten Reihe. Sie hörte ihr zu, dass sah man, aber ihre Augen blickten müde zum Lehrerpult.

"Gut, fangen wir an. Der erste Zauber, mit dem wir uns beschäftigen, ist der des ‚Lebenden Toten'. Im Grunde wirkt er wie der Kuss eines Dementors. Er saugt dem Opfer seine Seele aus, aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zu den Dementoren. Die saugen die Seele aus und verschlingen sie. Ein Zauberer, der das macht, hat die totale Kontrolle über den anderen Menschen. Fast so wie der Imperius- Fluch, nur dass die Seele viel empfindlicher ist als der Geist. Der, der die Seele besitzt, kann mit ihr herumspielen, sie quälen und brechen – und sie letztendlich dem Opfer zurückgeben. Diese Menschen kehren ins Leben zurück, aber für welchen Preis?" Figg schwieg einen Moment und die Schüler tauschten unbehagliche Blicke.

"Ihr fragt euch, wie man den Zauber abblocken kann? Keine Chance, meine Lieben. Er ist sehr schnell und wird von keinem anderem Zauber aufgehalten. Die einzige Möglichkeit wäre, den Zauberer auszuschalten, der ihn ausgesprochen hat. Aber das ist noch nie jemandem gelungen ..."

Der restliche Tag verging schnell. Ehe sich Gwen versah, waren schon die Doppelstunden Verteidigung und Kräuterkunde nach dem Mittagessen vorbei.

Mit Dreck unter den Fingernägeln machte sie sich auf den Weg zur Bibliothek, um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Sie machte sie immer, so weit es ging, noch am selben Tag und hatte dann auch wirklich frei, wenn sie mal keine aufbekam.

Ein Strähne hatte sich aus ihren Dutt gelöst und sie klemmte sie hinter das Ohr, bevor sie ihren Umhang glatt strich und die Tür zur Bibliothek aufstieß.

Madame Pince saß hinter ihrem Tresen und sortierte Bücher. Sonst war der Raum fast leer. Gwen machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Tisch, als jemand ihren Namen rief.

Es war Hermine, die zusammen mit Ron und Harry an einem Tisch saß.

Lächelnd setzte sich Gwen zu ihnen. "Fleißig am Lernen?", fragte sie und deutete auf den Haufen Bücher.

"Sie quält uns!", begann Ron zu jammern.

"Sie ist so hart! Das Schuljahr hat gerade erst angefangen und sie stellt schon Pläne für die Abschlußprüfungen auf!", fiel Harry mit ein.

Hermine warf ihnen einen schrägen Seitenblick zu. "Ihr habt das nötig, Jungs!" Sie wandte sich an Gwen. "Wenn ich ihnen die letzten Jahre nicht geholfen hätte, würden sie immer noch in der Vierten hocken!"

"Hey!!"

Hermine zuckte mit den Schultern. "Stimmt doch!"

Ron schüttelte den Kopf. "Wie würden in der Fünften sein, aber auf gar keinen Fall in der Vierten!"

Hermine seufzte. "Gott, bist du bescheuert!"

Ron drückte ihr einen Kuss auf die Wange. "Das magst du doch so ..." Er flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie kicherte und beide sprangen auf.

"Wir – äh – gehen dann mal!", sagte Hermine und lief kichernd mit Ron davon.

"Na, toll. Jetzt komme ich wieder nicht in meinen Schlafsaal", murmelte Harry und sah ihnen hinterher. Dann lächelte er Gwen an. "Was hast du auf?"

"Kräuterkunde. Und was liest du?"

"Ach ... äh ... das ... äh ... das ist ... äh ... für einen Freund ... äh ..." Er reichte ihr das Buch und wurde rot.

"Magisches Strafrecht in Großbritannien und Irland? Für was für einen Freund ist das denn?"

"Äh ... einen Guten?" Er grinste schief.

Gwen runzelte kurz die Stirn, dann gab sie ihm das Buch zurück. "Wann ist denn die Verhandlung?"

"An Halloween."

"Und wo?"

"Hier. In Hogwarts."

Gwen sah in erstaunt an. "Wirklich? Hier? Geht das denn?"

"Anscheinend geht es nur hier. Wir haben eine Idee, wie wir ihn rausboxen können, aber das ist noch ziemlich wackelig ... Wir können nur hoffen."

"Na, dann, wünsche ich deinem guten Freund viel Glück!"

"Ich werde es ihm ausrichten."

Eine peinliche Pause entstand, in der es beide vermieden, dem anderen in die Augen zu sehen. Hin und wieder sah Harry aus dem Augenwinkel zu Gwen hinüber, aber die hatte in der Not ihr Buch aufgeschlagen und machte ihre Hausaufgaben. Er beobachtete, wie sich immer mehr braune Locken aus ihrem Dutt lösten und ihre großen, blauen Augen konzentriert auf das Blatt sahen.

Nach einer Weile, in der Harry sich nicht auf sein Buch hatte konzentrieren können, räumte Gwen ihr Sachen zusammen und stand auf. "Ich muss los. Wir sehen uns!", sagte sie und lächelte.

Harry beobachtete nachdenklich, wie ihre schmale Gestalt zwischen den Tischen hindurchlief. Hatte dieses Haus eine magische Anziehung auf ihn?

Als Gwen aus seinem Blickfeld verschwunden war, sah er stirnrunzelnd auf sein Buch. "Vier Äh's in einem Satz von 5 Wörtern. Neuer Rekord ..."

Kurze Zeit später befand sich Gwen in dem Flur, wo der Gemeinschaftsraum der Ravenclaws lag. Vorsichtig schlich sie im toten Winkel zum Eingang.

Gleich hatte sie es geschafft!

Ja!

"Guten Tag, Lady Gwendolyn!"

Mist.

"Schönen Tag, Chatterbox!"

Die alte Rüstung klapperte empört. "Ich würde es doch vorziehen, wenn Sie mich Sir Francis nennen würden. Ein ehrwürdiger Name, den mir die nicht weniger ehrwürdige Lady Rowena gab. Ruhe sie in Frieden."

Gwen fand die Gespräche mit der alten Ritterrüstung immer wieder absurd. Sobald ein Ravenclaw in der Nähe war, fing die rostige Blechdose an zu reden und hörte auch so schnell nicht wieder auf. Chatterbox war ein passender Spitzname, den er schon jahrhundertelang hatte, aber noch immer wehrte er sich dagegen. Alle Ravenclaws versuchten sich an ihm vorbeizuschleichen, denn niemand wollte auf einen kleinen Plausch anhalten, aber Sir Francis hatte gute Ohren – auch wenn er keine besaß.

"Sie sehen nicht erfreut aus, Lady Gwendolyn. War es ein gar anstrengender Tag?"

"Nein, war es nicht. Ich bin nur müde, weil ich schlecht geschlafen habe."

"Nur in dieser einen mondbeschienen Nacht?"

Gwen wechselte unbehaglich den Fuß. "Ja, nur in dieser."

"Dann ist es freilich ein Wunder, dass ich Sie schon des öfteren schreien hörte."

Gwen runzelte die Stirn. "Wie können Sie mich schreien hören, Sir Francis? Ich liege doch in einem der Türme!"

"Die Nächte sind einsam in diesem Korridor. Um die gar furchtbare Langeweile zu vertreiben, höre ich auf die Stimmen in der Nacht. Eine davon gehört ihnen, werte Lady."

Gwen schwieg. Ihr gefiel nicht, dass Sir Francis so viel mitzubekommen schien.

"Lady Gwendolyn, ich gebe ihnen einen Rat. Vertrauen sie sich einer Person ihrer wohl richtigen Wahl an. Ein Gespräch kann Wunden vielleicht nicht heilen lassen, aber doch erträglicher machen. Jeder Mensch braucht einen Vertrauten, der Leid und Freud teilen kann."

"Und wo soll ich so eine Person finden?"

"Man findet sie nicht, man begegnet ihnen und vielleicht, Lady, kennen sie ihren Retter schon."

"Ich glaube nicht", murmelte Gwen.

"Glauben ist eine starke Sache, aber Sie sollten nicht zu viel glauben, sondern wissen. Und verstehen." Die Ritterrüstung nickte bestätigend mit den ungeölten Helm.

"Nennen sie mir das Passwort, Lady, und ich lasse sie ein. Ich glaube gar, dass Sie Zeit zum denken brauchen. Vielleicht damit sie eines Tages wissen und verstehen können."

Gwen nickte ebenfalls, murmelte "Athene" und verschwand im Gemeinschaftsraum.

Dieser lag in einem der Türme und dort war die dominante Farbe – verständlich - blau. Die Wände waren himmelblau gestrichen und dunkelblaue Sofa und Sessel standen im Raum verteilt. Dazwischen standen große Holztische, die fast alle besetzt waren, von Schülern die fleissig lernten. Das Ravenclaw- Wappen hing über dem Kamin und Bilder von ehemaligen Schülern, die Ehre für ihr Haus erreicht hatten, hingen an einer Wand verteilt.

Gwen entdeckte Lisa und Mandy an einem Tisch, hatte aber nicht das Bedürfnis mit ihnen zu sprechen.

Sie ging zur Tür, die zu den Schlafräumen führte und verkroch sich, nach einem kurzen Abstecher im Bad, in ihren Bett.

Sie dachte noch eine Weile über die Worte von Sir Francis nach, wusste aber nicht, wer dieser "Retter" sein sollte. Sie glaubte nicht, dass er hier in Hogwarts war. Eher zu Hause in Rom.

Den Kopf voller Gedanken, aber doch zu müde, um einen zu fassen, drehte sie sich auf die Seite und schloß die Augen. Bevor sie einschlief, tauchte ein Gesicht vor ihrem inneren Auge auf. Grüne Augen begleiteten sie in den Schlaf. In dieser Nacht hatte sie keinen Alptraum.

*

Gut, das Kapitel ist im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht lang, aber ich denke, dass alles wichtige gesagt wurde. Verzeiht mir, dass ich Gwen so vernachlässigt habe. Ich mag sie, aber hatte keine Lust auf das ganze Bla Bla drumherum.

Ciao Dream

PS. Mir ist gerade aufgefallen, dass die Vergangenheit fehlt. Darum wirkt es so sehr kurz!

PS. Danke an Auri und Maxine, die immer reviewen! *schnüff* Langsam glaube ich, dass keiner meine Story mag. (Außer die beiden und meiner Beta vielleicht ... Traurige Bilanz ...)