Disclaimer: Herr der Ringe blabla...Tolkien blabla...

Ich will hier keinen meiner Profs persönlich beleidigen, aber jeder, der schon einmal in einer todlangweiligen Vorlesung eingeschlafen ist, wird wissen, wovon ich rede.



II Pause



Antonias Zorn verflog nur langsam, obwohl sie es gerade noch schaffte, sich in die Anwesenheitsliste einzutragen und einen ziemlich undankbaren Platz in der ersten Reihe zu ergattern. Auch der feste Vorsatz, sich auf den Vortrag des Professors zu konzentrieren und eifrig mit zu schreiben, konnte daran nichts ändern. Schon nach wenigen Minuten merkte sie, wie ihre Konzentration beträchtlich nachließ. Fremdwörter und Fachausdrücke, die ihr normalerweise keine Probleme bereiteten, drangen heute nur äußerst langsam in ihr Gehirn vor. Und ihre Notizen - schon jetzt kamen ihr die Abkürzungen, die sie gewöhnlich benutzte, so verständlich wie chinesische Schriftzeichen vor. Auf diese Weise hätte sie zu Hause keine Ahnung mehr, welcher Stoff eigentlich durchgenommen worden war. Und außerdem - wen interessierte die alkoholinduzierte Platzpräferrenz oder Aversion bei Ratten denn überhaupt? Ein schneller Blick durch die Reihen ihrer Mitstudenten bestätigte ihre Vermutung, dass dies auf beinahe niemand zutraf. Die meisten stierten gelangweilt vor sich hin und schienen sich genau wie Antonia zu fragen, warum sie sich den ganzen Mist eigentlich antun mussten. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, ihre Konzentration urück zu gewinnen, resignierte auch sie und bemühte sich nicht einmal mehr, den verzwickten Gedankengängen des Dozenten zu folgen. Am liebsten wäre sie eingeschlafen doch das konnte sie in der ersten Reihe schlecht bringen. Statt dessen setzte sie ein mäßig interessiertes Gesicht auf und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Sie hatte weiß Gott genügend Dinge, über die sie nachgrübeln konnte. Zum einen war da der merkwürdige Anruf von Dr. Fechner heute Morgen: Ein unklares Blutbild, weitergeleitet an einen Spezialisten in der Uniklinik? Ihre Wut vorhin hatte eigentlich keinem anderen Zweck gedient, als ihre Sorgen zu verdrängen. Denn die machte sie sich und das nicht erst seit diesem beunruhigenden Befund. Sie wusste ganz einfach, dass mit ihr etwas nicht stimmte und - viel schlimmer- dass sie es sich nicht erklären konnte. Es war, als schleppe sie ständig einen Rucksack voller Ziegelsteine mit sich herum und als würde irgend etwas ihr alle Kraft und Energie aussaugen.

Während sie noch ihren düsteren Gedanken nachhing merkte sie, dass ihre Finger unbewusst mit dem silbernen Amulett spielten, das an einem schwarzen Lederband um ihren Hals hing. Sie trug es immer bei sich, denn es war mehr, als nur ein bloßes Schmuckstück. Der grüne Stein in seiner Mitte barg ein Geheimnis, das außer Antonia niemandem bekannt war. Jedenfalls nicht in ihrer Welt. Es handelte sich um einen der Steine der Macht, einen Gegenstand aus sagenhafter Vorzeit und sie war seine Hüterin. Das wusste sie erst seit ein paar Monaten, als sie durch ihn nach Mittelerde, eine parallele Welt, gelangt war. Nur eine Person, die über außergewöhnlich starke magische Kräfte verfügte konnte sich die Macht des Steines zu Nutze machen. Ansonsten gehorchte er nur seinem wahren Hüter - ihr. Versonnen betrachtete Antonia, wie die Lichtstrahlen sich in seiner grünen Tiefe brachen. Für sie symbolisierte er so viel mehr als nur ein mächtiges Artefakt. Zum einen hatte ihre beste Freundin Susanne wenn auch nicht direkt durch ihn ihr Leben verloren, ein schreckliches Erlebnis, von dem sie Nachts manchmal noch immer träumte. Anfangs, gleich nach ihrer Rückkehr nach Hause, hatte sie geglaubt, niemals von den grauenhaften Bildern, die ihr Unterbewusstsein ihr schickte, los kommen zu können. Doch von Woche zu Woche war sie seltener schweißgebadet und mit wild pochendem Herzen aufgeschreckt und inzwischen - mehr als vier Monate nach den schlimmen Ereignissen - verfolgten die Alpträume sie kaum noch.

Zum anderen verband sie das Amulett mit jemandem, den sie mindestens so sehr wie ihre tote Freundin vermisste. Jemandem, der statt dessen durch ihre Träume geisterte, jemandem, den sie liebte, jemandem, der kein Mensch war. Sie wusste nie, was sie mit diesem letzten Gedanken anfangen sollte, sooft sie auch darrüber nachgrübelte. Tatsache war, dass sie im Grunde keine große Ahnung von Elben hatte und davon, in wie weitsie sich von Menschen unterschieden. Das lag einersteits sicher daran, dass Legolas der einzige seiner Art war, den sie je zu Gesicht bekommen hatte. Sie konnte nicht gut Schlüsse von einem Individuum auf ein ganzes Volk ziehen. Andererseits gab es auch niemanden, den sie hätte fragen, ja nicht einmal ein Buch, in dem sie hätte nachlesen können. Wieder sah sie sich im Hörsaal um. Jeder Anwesende würde sie für verrückt erklären, wenn sie ihm auch nur einen Bruchteil ihrer Erlebnisse von vor vier Monaten erzählen würde. Oft drängte sich ihr der Gedanke auf, dass sie sich nich niemals so einsam gefühlt hatte. Zwei Personen, die ihr sehr viel bedeuteten, waren für sie unerreichbar. Die eine tot, der andere in einer gänzlich anderen Welt, deren Gefüge und Regeln sie in den wenigen Tagen, in denen sie sich dort aufgehalten hatte, nicht einmal annähernd begriffen hatte. Zwar konnte sie mit Hilfe des Steins jederzeit nach Mittelerde zurückkehren, doch auch hierzu häuften sich in ihrem Kopf die Fragen. Wie war es ihr beispielsweise möglich, an welchen Ort der Parallelwelt sie gelangte? Oder gab es für jeden Punkt in ihrer Welt einen aequivalenten auf der anderen Seite? In Mittelerde hatte zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts Krieg geherrscht. Woher sollte sie wissen, wann oder ob der dunkle Herrscher bezwungen worden war und sie ungefährdet hinüberwechseln konnte? Auch diese Grübeleien erwiesen sich als Sackgasse, denn natürlich gab es für sie keine Möglichkeit, mehr über den in ihrem Besitz befindenlichen Stein der Macht zu erfahren.

Fest stand jedoch trotz aller Bedenken eines: Sie würde nach Mittelerde zurückkehren! Es verging kein Tag, an dem sie nicht den Wunsch verspürte, ihre Welt einfach hinter sich zu lassen. Denjenigen wieder zu sehen, den sie liebte. War es nicht merkwürdig, sich nach jemandem zu sehnen, über den sie kaum etwas wusste? Sich innerlich mit jemandem verbunden zu fühlen, der so gänzlich anders war? Wieder sah sie Legolas vor sich, wie sie ihn aus ihrer letzten Nacht unter den Sternen in Erinnerung hatte. Die Haut im Mondschein noch blasser als sonst, die sich an der ihren so warm angefühlt hatte, die geschwungenen und herrlich weichen Lippen, die sie geküsst hatten, die seidigen langen Haare, die, sonst hellblond, beinahe silbern geschimmert hatten und deren Duft sie beinahe noch riechen konnte. Die grün- braunen Augen...

Ein ziemlich unsanfter Rippenstoß riss sie jäh aus ihren Träumen. Ihr Sitznachbar, einer von der Sorte, die sie absolut nicht ausstehen konnte, blickte ungeduldig auf sie herab.

"Wenn du endlich aufgewacht bist - hättest du die Freundlichkeit, mich raus zu lassen? Es ist Pause!" Schon allein sein arroganter Tonfall ließ einen Teil der vergessenen Wut wieder in ihr aufbrodeln. Was bildete sich dieser hochnäsige Schnösel überhaupt ein? Da ihr im Moment jedoch keine gehässige Bemerkung einfiel, die sie ihm an den Kopf hätte werfen können, beschloss sie ihn einfach zu ignorieren. Ohne ihn auch nur eines bösen Blickes zu würdigen, stand sie von ihrem alles andere als bequemen Holzklappsitz auf und begab sich nach draußen. Unterwegs schob sie das silberne Amulett wieder in den Ausschnitt ihres T-Shirts zurück. Aus irgend einem Grund, den sie selbst nicht wirklich benennen konnte, trug sie es nicht gerne offen mit sich herum. Vor dem Hörsaalgebäude traf sie auf Felix, der in der Sonne stand und gerade damit beschäftigt war, sich mit erstaunlichem Geschick eine Zigarette zu drehen. Seit dem ersten Semester war er einer ihrer besten Kumpel, auch wenn seine Desorganisation bei allem was nicht mit dem Studium zu tun hatte und sein notorisches Zuspätkommen einem manchmal gehörig auf die Nerven gehen konnten.

"Ich hatte ganz vergessen, dass der Rettelbach immer noch auf seines Viertelstunde Pause besteht." meinte Antonia statt einer Begrüßung und lehnte sich neben Felix an die gelb verputzte Hauswand.

"Na hör mal!" Sein Kunstwerk in Form einer schmalen, glatten Zigarette war fertig, weswegen er es nach der üblichen umständlichen Suche nach seinem Feuerzeug anzünden konnte. "Ratten hier, Ratten da, Abhängigkeits auslösende Substanzen, konditionierte Stimuli... ich würde da drin sterben, wenn ich mich nicht zwischendurch davon erholen könnte!" Er hielt ihr den blauen Tabakbeutel einlandend entgegen, doch sie lehnte ab. Auch die Lust aufs Rauchen hatte sie in der letzten Zeit verloren. Apropos sterben...

"Könntest du dir vorstellen, unsterblich zu sein, Felix?" fragte sie vesonnen während sie träge in den blauen Himmel hinaufblinzelte.

"Naja, laut den meisten gängigen Religionen bin ich das ja theoretisch auch, aber wenn du meine Meinung hören willst..." Ihr Freund liebte philosophische Diskussionen, die rein spekulativ waren und zu nichts führten.

"Nein, nein, so hab ich das nicht gemeint!" unterbrach Antonia ihn, bevor er ihr seine gesamte Weltanschauung in Kurzfassung darlegen konnte. "Nichts über den Tod und die angeblich ewige Seele sondern wirkliche Unsterblichkeit. Zu wissen, dass du niemlas sterben musst, außer jemand tötet dich gewaltsam."

"Hm also ich weiß nicht." Felix' Gesicht hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen. Mit der linken Hand fuhr er sich durch die schulterlangen hellbraunen Haare, die er wie immer zu einem ziemlich unordentlichen Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte. "Das kommt ganz darauf an..."

"Auf was?" Antonia hatte sich an dem Gedankengang festgebissen und sah keinen Grund locker zu lassen. Vor allem, weil das Thema für sie eineRelevanz besaß, die ihr Kumpel nicht erahnen konnte. "Stell es dir einfach bloß mal vor. Die Jahrhunderte an die vorbeiziehen zu sehen, ohne nennenswert zu altern, ohne ernsthafte Krankheiten fürchten zu müssen. Zu wissen, dass du dir für alles, was du erreichen möchtest, soviel Zeit nehmen kannst wie du willst! Wie findest du das?"

"Wie gesagt, es kommt ganz darauf an." Er nahm einen tiefen zug von seiner Zigarette und ließ den Rauch langsam durch die Nasenlöcher entweichen. "Nicht, wenn ich der einzige wäre, dem es so geht. Nicht, wenn ich mit ansehen müsste, wie alle meine Freunde alt werden und sterben. Bevor das passiert, würde ich mich lieber selbst töten."

"Hey, ihr zwei Depri-Philosophen, nennt man das jetzt etwa fleißig in die Vorlesung gehen und brav studieren? Oder finden eure Veranstaltungen jetzt schon unter freiem Himmel statt?" Die Stimme gehörte Lena, die soeben auf dem Weg von der Bushaltestelle ins Unigebäude war. "Wenn ihr schon mal dabei seid, könnt ihr euch doch mit dem Typen da drüben anfreunden. Der sieht auch ziemlich merkwürdig aus." Grinsend deutete sie auf eine Gestalt auf der gegenüber liegenden Seite des Campus. "So wie der rüberglotzt, findet er euch bestimmt irre interessant." Antonia blickte in die angegebene Richtung und konnte sich eines leisen Unbehagens nicht erwehren, als sie entdeckte, dass ihre Mitbewohnerin recht hatte. Der junge Mann war hochgewachsen, sehr schlank und sah aus sogar über die Entfernung erkennbar sehr dunklen Augen zu ihnen herrüber. Trotz des frühlingshaften Maiwetters trug er einen knöchellangen schwarzen Ledermantel, von dem sich seine glatten Haare, die ihm bis über die Schultern fielen, kaum abhoben. Im Gegensatz dazu wirkte sein Gesicht beinahe unnatürlich blass und das rote Tuch, das er sich wie ein Stirnband um sein Kopf gebunden hatte, richtig grell. Sobald er entdeckte, dass seine neugierigen Blicke bemerkt worden waren, wandte er sich betont gelangweilt ab und schlenderte in Richtung Bibliothek davon. Irgend etwas an der Art wie er sich bewegte und an seiner ganzen Erscheinung störte Antonia. Sie konnte nicht beschreiben, was es wae, aber etwas an ihm kam ihr vertraut vor. Wenn sie nur wüsste, wo sie ähnliches schon einmal gesehen hatte...

"Komischer Kerl." Felix schüttelte sich verwirrt eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. "Und dieses Stirnband kommt ja besonders stylish!"

Antonia, in ihren Gedankengängen unterbrochen, konnte ihm lediglich nickend beipflichten.

"Eigentlich wollte ich bloß fragen, ob du mich später mit dem Auto mit nach Hause nehmen kannst, Tony." Warf Lena ein, die sich wie immer ziemlich unbeeindruckt zeigte. "Unsere zweite Stunde fällt aus und um die Zeit sind die Busse immer so schrecklich voll. Schulschluss und so."

"Ist ok, Lena, keine Frage. Wir treffen und um kurz nach eins am Parkplatz, wenn mein Gehirn sich nach dieser Vorlesung nicht in ein weiches, schrumpeliges Ding verwandelt hat. Bis dann!" rief Antonia, denn sie musste sich beeilen um wieder in den Hörsaal zu kommen, bevor sie sich an mehreren missmutigen Stundenten vorbei zu ihrem Platz durchquetschen musste. Vielleicht ging der zweite Teil der Vorlesung ja schneller vorbei als der erste und vielleicht würde sie wenigstens diesmal nicht so unsanft in ihren Tagträumen gestört werden...



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Hallo Leute, hier also endlich das zweite Kapitel!

Hat ein bißchen gedauert, dafür ist es ein bißchen länger geworden.

Ich möchte wieder mal auf meine Geschichte "Schakal" hinweisen, für die noch niemand ein Review geschrieben hat *schluchz*

Ach ja und Felix ist einem Freund von mir nachempfunden. Alles echt außer dem Namen. Der Ober-Verpeilte und Freud- und Jung-Anhänger....

Außerdem....grüße ich den unromantischen alten Sack und möchte ihm ein "Heute ist es einen Monat" zuwerfen. Begonnen das Schreiben von Andeutungen hat.....

Und ich entschuldige mich für alle Tippfehler und die lange Wartezeit. Ich werde versuchen, mich zu bessern.*ggg*