Disclaimer: Wer behauptet, LotR erfunden zu haben und nicht J.R.R. Tolkien heisst, der lügt. Wer allerdings behauptet, dass ich einige Charaktere für ziemlich abwegige Geschichten missbrauche, der hat recht!

IX Sommer

Der Sommer hielt langsam Einzug in Bruchtal doch an ihrer Lage hatte sich nichts verändert. Dem Rat war es bisher nicht gelungen, einen Plan gegen die Machenschaften der Unguim zu fassen. Dazu hatte auch Antonias und Felix' Entdeckung nichts beigetragen. Nach wie vor hatte niemand eine Ahnung davon, was geschehen würde, sollte der Stein der Macht wirklich aus seinen Scherben wieder entstehen. Es gab viele Diskussionen und Meinungen dazu, die sich nur in einem Punkt glichen: Das Vorhaben musste irgend wie verhindert werden. Da Antonia die Hüterin des letzten freien Scherben war, galt ihr selbst verständlich besondere Aufmerksamkeit. Ihr durfte unter keinen Umständen etwas zustoßen, denn die einzige Chance bestand darin, den Unguim den fehlenden Teil vorzuenthalten. Gimli machte eines Morgens den Vorschlag, das Amulett zu zerstören, wie sie es schon mit dem einen großen Ring getan hatten. Gandalf schüttelte daraufhin aber nur sorgenvoll den Kopf. Der Zauberer glaubte nicht, dass es überhaupt eine Möglichkeit gab, einen Scherben der Macht zu vernichten. Auch hing an ihm so unendlich viel mehr. Im Grunde genommen sicherte er die Existenz ihrer Welt. Der Zwerg schien sich über die Parallelwelt, auf die er nur einen kurzen Blick geworfen hatte, nicht sonderlich den Kopf zu zerbrechen. Wie Antonia ihn kannte hatte er soweit überhaupt nicht gedacht.

Eines der ersten Dinge, die Antonia noch an jenem ersten Tag in Bruchtal beschlossen hatte, war kämpfen zu lernen. Die letzten paar halbgerzigen Trainingsmonate unter Felix' Anleitung schön und gut, aber sie wusste, dass sie jetzt ganz anders an die Sache heran gehen musste. Zwar hieß es, dass Bruchtal der sicherste Ort sei, an dem sie sich zur Zeit aufhalten könne, sie wollte aber lieber kein Risiko eingehen. Bestimmt würden Legolas, Aragorn, Gimli und einige andere sie bis zum letzten Atemzug beschützen, doch sie konnte und wollte sich nicht mehr nur auf die Hilfe anderer verlassen. Sie hatte es endgültig satt immer nur als passiver Teilnehmer in der Weltgeschichte herum geschubst zu werden. Zum Glück bedurfte es nicht besonders großer Überzeugungskraft, den übrigen deutlich zu machen, dass sie so am besten ihr eigenes und das Leben ihres ungeborenen Kindes verteidigen konnte.

Als wesentlich komplizierter erwies es sich, die für sie geeignete Waffe zu finden. Schon als sie das erste Mal ein Schwert in der Hand hatte, spürte sie, dass dies nicht die richtige Wahl sein konnte. Bei Aragorn hatte es immer so leicht ausgesehen, doch die Klinge war für sie schon zu schwer um sie nur mit einer Hand zu halten, geschweige denn sie gegen einen Angreifer zu führen. Mit Gimlis Axt versuchte sie es erst gar nicht. Die hätte sie wahrscheinlich nicht einmal vom Boden hoch bekommen. Angesichts dieser Tatsache konnte der Zwerg sich ein paar abfällige Kommentare über schwache Menschen natürlich nicht verkneifen, die sie selbst verständlich nicht allzu ernst nahm.

Dann ergab sich jedoch eine erstaunlich einfache Lösung des Problems Es war der Abend ihres dritten Tages in Elronds Haus und Antonia stand müde auf einem der zierlichen Balkone von denen aus man das ganze Tal überblicken konnte. Erschöpft lehnte sie sich an eine gewundene Säule und betrachtete mit einer Mischung aus Ärger und Enttäuschung ihre rot zerschundenen Handflächen. Die dumpfen Schmerzen in ihren Armen versuchte sie so gut wie möglich zu ignorieren. Schon diese wenigen Stunden mit Aragorn hatten ihr gezeigt, dass sie die Idee vom Schwertkampf wohl aufgeben musste. Eigentlich schade, denn wer konnte schon behaupten, von einem richtigen König im Fechten unterwiesen zu werden? Sie seufzte, schloss für einen Moment die Augen und atmete tief die süße Luft Bruchtals ein. Ein Hauch von Blüten und fließenden Gewässern lag in ihr. Überhaupt wirkte alles hier so friedlich, dass die Bedrohung durch die Unguim zunehmend irreal erschien.

"Du siehst ganz so aus, als hättest du dich heute gehörig übernommen!" ertönte da plötzlich Felix' Stimme neben ihr. Sie hob mühsam ihre Augenlider und erblickte ihren Freund, der sie mit einem Anflug von Sorge musterte. Wenn sie auch nur annähernd so aussah, wie sie sich fühlte, dann musste sie einen wahrhaft jämmerlichen Anblick bieten. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich in den letzten beiden Tagen fast überhaupt nicht um Felix gekümmert hatte. Ihr Kopf war einfach zu vollgestopft mit anderen Problemen gewesen.

"Wie geht es dir?" fragte sie deshalb etwas kleinlaut.

Ein Schulterzucken begleitete seine Antwort. "Man gewöhnt sich an alles. Eigentlich bin ich gekommen, um mich bei dir zu entschuldigen."

"Um dich zu entschuldigen?"ausgelaugt wie sie war, konnte sie ihm im ersten Moment nicht folgen.

"Dafür, dass ich mich die ganze Zeit so ungehalten benommen habe - vor allem dir gegenüber. Inzwischen weiss ich, was vor drei Tagen wirklich auf dem Spiel stand. Ihr habt mir das Leben gerettet und zum Dank dafür habe ich euch nur Schwierigkeiten gemacht."

Antonia glaubte, nicht recht gehört zu haben. "Keine Anschuldigungen mehr? Keine Vorwürfe in was für eine verrückte Geschichte ich dich da mit hinein gezogen habe? Woher dieser plötzliche Sinneswandel?"

"Ich habe gesehen, dass du die ganze Sache verdammt ernst nimmst. Du würdest dich nicht so reinhängen, wenn es nicht um etwas wirklich wichtiges gehen würde. Glaub nicht, dass es mir leicht fällt, diese Wirklichkeit gewordene Fantasy Geschichte als etwas reales zu akzeptieren," Er machte eine Geste, die das gesamte Tal mit einschloss."aber du kennst mich ja. Nichts kann so verrückt sein, dass ich es nicht in Erwägung ziehen würde."

Bei diesen Worten musste Antonia unwillkürlich schmunzeln. Trotz aller Ereignisse: Vor ihr stand der Felix, mit dem sie seit drei Jahren Vorlesungen und Referate überstanden hatte. Es tat gut, ihn wieder zu haben.

"Außerdem bin ich zu dem Schluss gekommen, dass du das hier nötiger brauchst, als ich." Seine rechte Hand wanderte in die ausgebeulte Tasche seiner Jeans und brachte Kommissar Bachmanns Pistole zum Vorschein. "Damit lässt sich wesentlich leichter umgehen als mit einem Schwert. Außerdem hast du hier damit den Überraschungseffekt auf deiner Seite, das solltest du niemals unterschätzen. Eigentlich dachte ich, dass ich dir dafür inzwischen genug beigebracht hätte."

Vorsichtig nahm Antonia die ihr angebotene Waffe entgegen. Das Metall fühlte sich überraschend kühl unter ihren Fingern an. "Da gibt es nur ein Problem." Warf sie nachdenklich ein. "Die Munition dürfte nicht mehr lange reichen. Ich kenne mich damit nicht aus, aber ich schätze mal, dass es höchstens noch zehn Schuss sind. Das genügt nicht einmal, um zu lernen, wie man damit umgeht."

"Zerbrich dir darüber mal nicht den Kopf." Beruhigte sie ihr Freund. In seinen gelb-braunen Augen blitzte es dabei schelmisch auf. "Du erinnerst dich doch bestimmt noch an den riesigen schwarz haarigen Kerl aus der Ratsversammlung? Er ist Schmied. Ich hab ihm eine der Patronen gezeigt und gefragt, ob er es schaffen würde, solche Kugeln in größeren Mengen zu gießen." Er kicherte fröhlich. "Du hättest sein Gesicht sehen sollen! Zweifellos ist er davon überzeugt, dass ich nicht ganz richtig im Kopf bin. Aber er hat immerhin zugestimmt, es zu versuchen."

Antonia konnte einfach nicht anders, als ihm erleichtert um den Hals zu fallen. Sie hatte das Gefühl, als ob ihr eine schwere Last von den Schultern genommen worden wäre. "Oh Felix, was würde ich nur ohne dich anfangen?"

"So wie ich dich kenne, wahrscheinlich lauter unsinniges Zeug." Entgegnete er lachend und befreite sich aus ihrer Umarmung. "Hey, hey, so toll bin ich nun auch wieder nicht und außerdem willst du doch wohl niemanden eifersüchtig machen, oder?" Ein seltsamer Unterton lag bei den letzten Worten in seiner Stimme.

"Womit wir wieder beim alten Thema wären."seufzte Antonia trat einen Schritt zurück und lehnte sich an die steinerne Brüstung. "Ich hätte gedacht, du hättest dich inzwischen mit allen Tatsachen angefreundet."

"Naja, bei dieser einen fällt es mir besonders schwer. Ich steige da einfach nicht durch." Ein irritiertes Kopfschütteln brachte seine hellbraunen Haare durcheinander. "Ich wusste ja schon immer, dass du auf abgefahrene Typen stehst. Aber gleich so..."

"Was soll das heissen?" Antonia fühlte sich viel zu erschöpft um sich mit Felix eine anstrengende Wortschlacht zu liefern.

"Dass ich in diesem Fall nicht auf eine Erklärung verzichten werde." Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust. "Hast du unsere Abmachung von vor zwei Jahren vergessen?"

Sie runzelte die Stirn. "Dass wir uns gegenseitig vor problematischen Partnern warnen würden?" Sie erinnerte sich noch, wie Felix damals wie ein Häufchen Elend in der Mensa gesessen hatte. Sogar das Essen hatte er aus Liebeskummer vernachlässigt. Und alles nur, weil eine Tussi, die nach Antonias Meinung eh nie die richtige für ihn gewesen war, mit ihm Schluss gemacht hatte.

"Genau das. Irgendwie fühle ich mich dazu berufen, mich noch immer daran zu halten. Auch wenn es inzwischen viel zu spät dafür ist." Sein vorwurfsvoller Blick wanderte dabei an Antonia herab und blieb an ihrem Bauch hängen. "Was hast du dir nur dabei gedacht? Du schuldest mir noch immer eine Erklärung."

Sie wandte sich ab und blickte nachdenklich auf Bruchtal hinunter, wahrscheinlich aus keinem anderen Grund als dem, ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. "Es gibt keine." Das entsprach zwar der Wahrheit, aber würde es Felix als Antwort akzeptieren? Schließlich hatte sie erst vorgestern Legolas die gleiche Frage gestellt.

Sie fühlte, wie er behutsam die Hand auf ihre Schulter legte. "Dann ist es in Ordnung."

"Was?" überrascht fuhr sie herum und sah sich seinem breiten Grinsen gegenüber. Er schien ihre Verwirrung regelrecht zu genießen. Sie hatte alles erwartet, nur das nicht.

"Ich sagte, dann ist ja alles in Ordnung. Jeder lange und breite Erklärungsversuch wäre äußerst bedenklich gewesen. Er hätte bedeutet, dass du dich vor dir selbst rechtfertigen musst." Sein Gesicht hatte wieder jenen Ausdruck angenommen, den es bei philosophischen Erörterungen zu zeigen pflegte. "Liebe dagegen braucht keine Gründe."

Sichtbar zufrieden mit sich spazierte er davon und ließ eine äußerst verdutzte Antonia zurück.

Natürlich gestaltete sich dann doch nicht alles so einfach, wie sie es sich im ersten Moment ausgemalt hatte, denn ihre drei ehemaligen Weggefährten waren nicht sonderlich begeistert von Antonias neuer Waffe.

"Wenn du nur einen Schuss abgibst, weiss sofort jeder, wo du bist." Lautete Aragorns Einwand, den Antonia nur zum Teil nach vollziehen konnte. Ihrer Meinung nach hatte jeder, der sie angriff sie schon lange vorher entdeckt.

Gimli musterte die Pistole mit nicht zu übersehender Abscheu. "Das knallt und stinkt!" knurrte er angewidert und rümpfte die Nase. "Kommt mir irgend wie orkisch vor."

Antonia seufzte resigniert und fragte sich, was sie eigentlich anderes erwartet hatte. So problemlos war es dann wohl doch nicht wenn zwei gänzlich verschiedene Welten auf einander prallten. Schließlich einigten sie sich wenigstens darauf, dass Antonia die Waffe für den Notfall behalten würde. Sie hatte vehement darauf bestanden, auch wenn den anderen nicht ganz wohl bei der Sache war.

Wieder erwies sich Felix als Retter in der Not. Als sie ihm ihr Leid klagte, schlug er vor, ihr Kung Fu Trainig wieder aufzunehmen. Bevor sie ihre Zweifel an dessen Nutzen anbringen konnte, fügte er schnell hinzu, dass es ein leichtes sei, den asiatischen Nahkampf mit Waffen wie zum Beispiel Stäben und Messern zu kombinieren. Dunkel erinnerte sich Antonia an einen schwülen Nachmittag nach einer besonders ätzenden Vorlesung, als er den vergessenen Besen des Hausmeisters dafür zweck entfremdet hatte. Begeistert stimmte sie zu auch wenn sie den Verdacht hatte, dass das ganz schön anstrengend werden konnte.

Innerlich verfluchte sie in diesen Tagen oft ihre Unsportlichkeit. Vor allem wenn ihre Muskeln sich heftig über die ungewohnte Beanspruchung beschwerten und sie manchmal das Gefühl hatte, nur noch aus blauen Flecken zu bestehen, war sie einige Male nahe daran aufzugeben. Wenn sie die Hüterin des letzten freien Scherben war, warum hatte er sich dann nicht einen besseren Träger ausgesucht? Einen, der ihn auch wirklich beschützen konnte?

"Wer weiss, ob das seiner Absicht entspricht?" gab Gandalf zu bedenken, als sie es einmal wagte, ihm diese Frage zu stellen. Das weisse Gewand des Zauberers leuchtete hell im Licht des soeben über Bruchtal aufgegangenen Mondes. "Der eine Ring war immer bestrebt zu seinem Herrn zurück zu kehren. Vielleicht sehnt sich der Scherbe seit jenem ersten Tag nach seinen Geschwistern. Schließlich ist das ganze mehr als die Summe seiner Teile."

"Das klingt, als hätte er einen eigenen Willen." Sagte Antonia, der bei diesem Gedanken ein kalter Schauer über den Rücken lief. "Oder als wäre er sogar lebendig."

Die alte Zauberer hob die buschigen Augenbrauen und zog einmal mehr an seiner langen Pfeife. "Wer kann das wissen? Es liegt im Bereich des möglichen."

So unheimlich Antonia diese Vorstellung auch war, ganz von der Hand weisen ließ sie sich nicht.

Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich mit den Gegenbenheiten so gut wie möglich zu arrangieren. Natürlich war es ihr nicht einmal in den Sinn gekommen, abzulehnen, als Legolas ihr anbot, sie mit Aragorns Unterstützung im Bogenschießen zu unterweisen. Kurz gesagt: Auch das erwies sich als ziemlich deprimierend.

"Ich bin einfach nicht für so etwas geschaffen!" rief sie resigniert aus, als sie eines Tages die Pfeile aufsammelten und ihre wieder einmal alle weit abseits des Ziels im Boden steckten. Legolas' Geschosse hatten natürlich wie gewöhnlich exakt die Mitte der Scheibe getroffen. "Eigentlich sollte ich an meinem Schreibtisch sitzen und Referate oder Hausarbeiten schreiben. Dabei stelle ich mich wenigstens nicht ganz so bescheuert an."

Der Elb warf ihr einen beinahe mitleidigen Blick zu. Mit einer der eleganten Bewegungen, die so typisch für ihn waren, zog er den letzen Pfeil aus der Erde und ließ ihn zurück in den Köcher gleiten. Antonia konnte nicht umhin zu bemerken, wie das Nachmittagslicht in seinen hellblonden Haaren schimmerte.

"Du solltest nicht so schnell den Mut verlieren." Sagte er während er ihre rechte Hand ergriff und einen sanften Kuss auf ihre von der Bogensehne zerschundenen Fingerspitzen hauchte. "Niemand lernt etwas von heute auf morgen. Du musst schon die nötige Geduld aufbringen."

"Alles klar!" entgegnete sie und konnte sich plötzlich ein Grinsen nicht verkneifen. "Noch 2000 Jahre Übung, dann treffe vielleicht sogar ich diese dumme Zielscheibe." Ihr fröhlicher Gesichtsausdruck verschwand wie weggeblasen. "Nur so viel Zeit habe ich leider nicht."

Der Elb nickte. Auch seine Augen blickten mit einem Mal ernst auf sie herab. "Das stimmt, so viel Zeit hast du nicht."

Es war einer jener Momente, die Antonia jedes Mal nachdenklich stimmten und die sie versuchte, möglichst rasch aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen. Trotz ihres hartnäckigen Igorierens liessen sich manche Tatsachen jedoch nicht leugnen: Sie war ein Mensch, sterblich, von Geburt an mit dem Wissen belastet, nur eine bestimmte Zeitspanne zur Verfügung zu haben. Vertraut mit der Bürde der Wahl eines Weges und des unwiderbringlichen Verzichts auf die Alternative. Menschen waren durch die Kürze ihres Lebens gezwungen, möglichst rasch Entscheidungen zu treffen. Vor allem solche, die sich nur schwer wieder rückgängig machen ließen. Antonia begriff in diesen Tagen und Wochen, wie unglaublich gering eine Zeitspanne von 50 Jahren für Legolas sein musste. Und dass er wahrscheinlich immer noch unverändert aussehen würde, wenn sie schon längst tot war. Außerdem gelangte sie zu der erschreckenden Erkenntnis, dass sie kaum lange genug leben würde, um ihr Kind aufwachsen zu sehen. Diese Tatsache versetzte ihr einen schlimmeren Schock als alles andere.

Einmal tauchte in ihr blitzartig der Gedanke auf, ob ihr Herz sie nicht trotz allem wieder betrogen hatte. Vielleicht war es der selbe Fehler nur mit unabsehbar gewaltigeren Folgen gewesen. Sie musste zugeben, niemals so weit gedacht zu haben. Es war eine Sache, sich einen Elben als Liebhaber zu wünschen, aber eine ganz andere, ihn zum Gefährten zu haben. Dabei gab es in der gegenwärtigen Situation eigentlich nichts, worrüber sie sich hätte beklagen können. Ließ sie die Bedrohung durch die Unguim einmal außer Acht, war alles so, wie sie es sich in den letzten Monaten oft erträumt hatte. Ihr halb geflüsterter Wunsch, den sie bei ihrer Ankunft in Bruchtal geäußert hatte, war in Erfüllung gegangen. Sie musste keine Nacht mehr ohne Legolas schlafen. Es gab kein Wort, welches das Glücksgefühl auch nur annähernd beschrieben hätte, das sie verspürte, wenn sie morgens neben ihm aufwachte oder abends erschöpft in seinen Armen einschlief.

Wie hätte sie ihn auch nicht lieben können? Ihn, der in einem Augenblick so ernst und im nächsten so fröhlich wie ein Kind sein konnte. Dessen subtile Fremdartigkeit sie jeden Tag aufs neue faszinierte, dessen sternleuchtende Augen sie immer wieder unvorbereitet in ihren Bann schlugen. Dessen offene Liebe sie jedes Mal in Erstaunen versetzte. Manchmal konnte sie sich nicht gegen den Verdacht wehren, in einem schmerzlich schönen Traum zu leben, der irgend wann zu Ende gehen musste.

Fest stand auf jeden Fall, dass sie ohne Binala ihr selbst auferlegtes Trainingsprogramm niemals auch nur annähernd durchgehalten hätte. Hatte sie sich zu Hause immer so gerade noch durch den Tag geschleppt, bewirkte der elbische Trank , dass sie ungeahnte Kraftreserven in sich entdeckte. Mit jedem Tag schien sie sich besser zu fühlen. Selbst die Heilerin war überrascht über die starke Wirkung ihres Gebräus.

"Sei lieber noch vorsichtig und verausgabe dich nicht zu stark."riet sie Antonia eines Abends, als diese ihre tägliche Dosis trank. Der Geschmack liess etwas zu wünschen übrig, aber Antonia war fest von der Regel überzeugt, dass Arznei scheußlich schmecken musste um zu wirken. "Es kann gut sein, dass du im Augenblick nur die anfängliche Verbesserung spürst. Nach einiger Zeit könnte eine Gewöhnung auftreten und ich bin mir nicht sicher, wie stark ich die Konzentration erhöhen kann, ohne dir zu schaden."

Antonia nickte daraufhin nur. Natürlich musste die ganze Sache einen versteckten Haken haben. Überflüssig zu erwähnen, dass sie nicht einmal daran dachte, den Rat der Elbin zu befolgen. Aus einem Grund, den sie selbst nicht genau benennen konnte, wusste sie, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, bevor sie ihre jetzt erworbenen spärlichen Kenntnisse dringend benötigen würde. Niemand, nicht einmal Elrond oder Gandalf, konnte mit Bestimmtheit sagen, wie lange der herrschende Waffenstillstand noch andauern würde. Ebenso wenig hatte jemand der Anwesenden eine Ahnung, in wolcher Form die Unguim angreifen würden. Es gab viele Vermutungen und keine davon war dazu geeignet, Antonia zu beruhigen. Besonders nicht die Tatsache, dass ihre Feinde mit Sicherheit wussten, dass sich der letzte freie Scherbe in Bruchtal befand. Sie hatte das Gefühl in einer- wenn auch gut beschützten- Falle zu sitzen. Ihre verzweifelten Bemühungen, sich wenigstens notdürftig verteidigen zu können, lenkten sie wenigsten davon ab, allzu sehr darrüber nach zu grübeln. Wenigstens musste sie nicht untätig herumsitzen und die Ereignisse unvorbereitet auf sich zurollen lassen.

Einmal beobachtete sie zufällig, wie Aragorn gegen Felix kämpfte. Obwohl ihr noch immer die nötige Kenntnis fehlte um das was sie sah richtig beurteilen zu können, war sie beeindruckt. Zwar konnte er es nicht wirklich mit dem König von Gondor aufnehmen, aber Antonia war sich fast sicher, dass dies nur an dessen grösserer Erfahrung lag. Wer wusste, wie es aussehen würde, hätten die beiden sich ein paar Jahre später getroffen...

Überhaupt bemerkte sie an Felix eine zunehmende Veränderung. Nicht nur, dass er sein anfängliches Misstrauen gegen "ein ganzes Heer von merkwürdigen Gestalten" abgelegt hatte, nein, er schien sich mit jedem Tag in Bruchtal wohler zu fühlen. So manchen Abend sah sie ihn mit Gandalf, Radagast und einmal sogar mit Elrond selbst in lange Unterhaltungen vertieft. Sie kannte die Vorliebe ihres Freundes für tiefgründige philosophische Erörterungen und wollte sich lieber nicht ausmalen, welche Ausmaße diese mit solchen Gesprächspartnern annehmen mochten. Auch traf sie ihn manchmal wie er allein über die Brücken von Bruchtal wanderte oder in die Betrachtung von einem der unzähligen Wasserfälle vertieft schien.

"Hast du gewusst, dass es eine Theorie der Parallelität gibt?" meinte er an einem heissen Nachmittag zu ihr, als sie erschöpft von Antonias Training im Schatten eines Baumes saßen. Wie immer hatte sie sich alles andere als geschickt angestellt. Insgeheim ärgerte sie sich noch darrüber weswegen sie den Ausführungen ihres Freundes nicht sonderlich viel Beachtung schenkte. "Sie besagt, dass unsere Welten zwar nebeneinander existieren, aber nicht völlig unabhängig voneinander sind."

Antonia schenkte ihm einen Blick, der deutlich signalisierte, dass sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach und dass sie im Augenblickauch nicht besonders interessiert an einer theoretischen Diskussion war. Wie immer zeigt Felix jedoch kein Erbarmen. Hatte er erst einmal einen abstrusen Gedanken aufgegriffen, ließ er so schnell nicht locker.

"Wie genau das gemeint ist, kann nicht einmal Gandalf erklären. Niemand weiss, ob es Ereignisse, Gegenstände oder Lebewesen betrifft. Nur die Parallelität bleibt als Kuriosum bestehen."

"Du meinst, was hier passiert, kann auch zur selben Zeit in einer anderen Welt geschehen?" unterbrach in Antonia, die immer noch an Verständnisschwierigkeiten litt. "Das erinnert mich an diese merkwürdige Idee von unendlich vielen Paralleluniversen, die sich jedesmal weiter abschnüren, wenn wir eine Entscheidung treffen und zwar in der Anzahl der alternativen Möglichkeiten."

Felix schüttelte heftig den Kopf und fuhr sich mit der Hand über die schweissnasse Stirn. "Nein, ich glaube nicht, dass das damit gemeint ist. Diese Theorie kenne ich und habe ihr noch nie besonders viel abgewinnen können. Außerdem bin ich mir über den Zeitfaktor nicht im klaren, aber jetzt wo du es ansprichst..." Sein Gesicht nahm einen halb verwirrt, halb nachdenklichen Ausdruck an. "Ich glaube, ich werde Gandalf heute Abend danach fragen."

"Du scheinst viel Zeit mit ihm zu verbingen." Hakte Antonia neugierig nach. "Hast du mir nicht noch vor ein paar Wochen erzählt, dass du hier unter lauter Verrückten gelandet bist?"

Felix beantwortete ihre Frage lediglich mit einem schwachen Schulterzucken. "Noch nie zuvor bin ich jemandem begegnet, der so viel Wissen über so viele merkwürdige Dinge in seinem Kopf mit sich herumträgt. Einige davon sind sogar mir zu abgefahren. Obwohl ich so langsam bemerke, dass die meisten von meinen Überzeugungen ziemlich wackelig werden. Argumentationsmäßig verliere ich sozusagen immer mehr Boden unter den Füßen."

"Was, dir gehen die Argumente aus?" Das grenzte für Antonia ans Unmögliche. Naja, vielleicht brauchte es dafür ja auch nur mehr Geduld, als jemals aufgebracht hatte.

"Ich gebe es ungern zu, aber es ist nicht zu leugnen. Am schlimmsten war es mit Elrond. Unterstehe dich, mir noch einmal vorzuwerfen, ich sei zu abgehoben. Du machst dir ja keine Vorstellungen..."er brach ab und blickte versonnen ins Lichtspiel der Blätter hinauf. "Manchmal frage ich mich, wohin das noch alles führen wird."

Antonia blieb ihm die Antwort schuldig, doch hatte dieses Gespräch ihre Verwirrung zusätzlich gesteigert. Irgendetwas geschah mit ihrem Freund, das sie nicht in Worte fassen konnte. Eine unterschwellige Veränderung, die sich an der Oberfläche noch nicht bemerkbar machte. Und Antonia war nicht die einzige, die es bemerkte. Mehrmals beobachtete sie, wie Gandalf ihren Freund mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte, als Felix sich mit Radagast unterhielt und ihm Elronds aufmerksamer Blick folgte. Die hohe Stirn des Elbenfürsten legte sich dabei in strenge Falten, als grüble er über etwas nach, dessen Bedeutung selbst ihm verborgen blieb.

So vergingen die Wochen und mit jedem neuen Tag, der ereignislos verstrich, wuchs in Antonia die Unruhe. Sie spürte, dass die Ahnung von kommenden Ereignissen schwer in der Luft hing. Was passieren würde, wollte sie sich vorher lieber nicht ausmalen, doch die Spannung wurde immer unerträglicher. Etwas würde geschehen und sie hoffte, egal ob gut oder schlecht, dass es bald sein würde...

____________________________________________________________________________ __

Yeah, sie ist zurück. Ihr Auftrag: Dumme Fanfictions schreiben Ihr Ziel: So viele Reviews wie möglich erhalten. (Welch subtile Aufforderung!)

Puh, gerade noch auf den letzten Drücker vor der Orchesterfreizeit fertig geworden...muss noch Wein kaufen gehen....