Disclaimer: Wer das jetzt noch nicht kennt, der hat bisher gepennt.
Ob ich nach diesem Kapitel Mordanschläge befürchten muss?
XI Erwachen
Stimmen weckten Antonia am nächsten Morgen. Stimmen, die sie in ihrem Halbschlaf zuerst nicht zuordnen konnte.
"Ihr könnt hier nicht einfach durch, Herr."das klang nach einem verunsicherten Elben, der vergeblich versuchte, sich gegen jemand älteren und mächtigeren durch zu setzen.
"Ich bin nicht angereist um mich einfach wegschicken zu lassen. Aus dem Weg, sage ich!" die Worte kamen von einer herrischen und befehlsgewohnten Stimme.
"Aber Herr, es ist noch früh. Wartet wenigstens bis..."
"Ich warte nicht!"
Antonia, immer noch nicht ganz bei sich, merkte, wie Legolas, auf dessen Schulter ihr Kopf ruhte, sich unruhig regte.
"Aber Herr, so hört doch, ich muss darauf bestehen..." Sie erkannte nun, dass es sich um einen von Elronds Dienern handelte.
"Kein Wort mehr! Wage es nicht mich aufzuhalten!" bei diesem ärgerlichen Ausruf fuhr Legolas blitzartig in die Höhe. Im selben Moment flog die Tür mit einem Schlag auf und jemand stürmte mit festem Schritt herein. Auch Antonia war nun hellwach. Sie besaß gerade noch die Geistesgegenwart sich die dünne Bettdecke bis zum Hals hoch zu ziehen um ihre nackten Brüste zu bedecken. Erschrocken starrte sie den Elben an, der jetzt am Fußende des Bettes stand und sie anfunkelte. Er war hochgewachsen, ganz in kostbare grüne Gewänder gekleidet und eine ähnlich stattliche Erscheinung wie Elrond. Goldene Ringe schmückten seine Finger und auf seinem hellblonden Haar saß ein glänzender kunstvoll geschwungener Stirnreif. Das ebenmäßige Gesicht darunter zeigte einen mehr als zornigen Ausdruck. Neben ihr erwachte Legolas aus seiner Erstarrung.
"Vater?! Wie..."
"Verzeiht, aber er wollte nicht auf mich..." der eingeschüchterte Elb in der Tür verstummte sofort, als der morgendliche Unruhestifter ihm mit einer herrischen Geste zu schweigen befahl.
"Verschwinde und melde Elrond meine Ankunft!" wies er ihn streng an. Dann wandte er sich wieder den beiden im Bett sitzenden zu. "Natürlich bist du überrascht über mein Kommen, Legolas. Ich habe es nicht ankündingen lassen. Nur hatte ich erwartet, dich ein wenig erfreuter darüber zu sehen - und etwas mehr bekleidet." In seinen grünen Augen blitze es.
Antonia nahm ihr Gegenüber näher in Augenschein. Das also war Tranduil, der König von Düsterwald? Mit ihm schien nicht gut Kirschen essen zu sein. Ihr erste Begegnung mit ihm und sie saß nackt mit seinem Sohn im Bett- das konnte ja noch heiter werden!
Legolas neben ihr errötete. Auch ihm schien die Situation äußerst unangenehm zu sein. "Vater, ich verstehe nicht..."
"Schweig!" fuhr Tranduil ihn an. "Seit über einem Jahr habe ich nichts mehr von dir gehört. Seit ich dich damals zu Elronds Rat schickte, keine einzige Botschaft, ob du überhaupt noch am Leben bist. Dann komme ich hier an und höre die abenteuerlichsten Gerüchte über dich - und muss nun zu meinem Erschrecken festellen, dass sie der Wahrheit entsprechen!" Sein zorniger Blick richtete sich auf Antonia. "Was tust du im Bett meines Sohnes?"
Antonia blieb vor Entrüstung beinahe die Luft weg. Was bildete sich dieser hochnäsige Kerl eigentlich ein? Egal ob König oder nicht, auf diese Weise durfte niemand mit ihr sprechen.
"Die Frage solltet Ihr umgekehrt stellen. Dies ist mein Zimmer und somit auch mein Bett!" Herausfordernd hielt sie seiner verächtlichen Musterung stand. Aus seiner Mimik war abzulesen, dass er nicht allzu viel von Sterblichen hielt. Antonia merkte befriedigt, dass er innerlich vor Wut kochte.
"Du wagst es, mir Widerworte zu geben, du kleine..."
"Nein Vater, sie sagt die Wahrheit." Fiel Legolas ihm ins Wort. Auch er wirkte jetzt aufgebracht. "Ich werde nicht zulassen, dass du Antonia beschimpfst. Du hast kein Recht, sie so zu behandeln. Sie trägt mein Kind!"
Nach dieser Äußerung wurde es einige Sekunden lang totenstill im Raum. Tranduil schien um seine Fassung zu ringen, um nicht endgültig zu explodieren. Als er schließlich wieder fähig war zu reden, bebte seine Stimme. "Als mir zu Ohren gekommen ist, dass du dich mit Zwergen angefreundet hast, dachte ich, tiefer könntest du nicht mehr sinken. Wie es scheint, habe ich mich getäuscht. Darüber sprechen wir noch." Mit einem letzten verächtlichen Blick auf Antonia drehte er sich um und stürmte hinaus. Die Tür krachte so heftig ins Schloss, dass die Blumenvase auf dem kleinen Tischchen daneben zu Boden fiel und klirrend zerbrach.
"Was war das denn?" brachte Antonia schließlich noch ganz perplex hervor während Legolas aufsprang und rasch nach seiner Kleidung griff.
"Tranduil, der König von Düsterwald und mein Vater." lautete die unwillige Antwort. Sie hatte ihn noch niemlas so wütend gesehen.
"Das habe ich auch gemerkt." entgegnete sie ironisch und sah sich ebenfalls nach etwas zum anziehen um. "Ich hätte nur nicht gedacht, dass er derart durchgeknallt ist."
"Er ist nicht durchgeknallt, was immer das auch heißen mag!" gab Legolas zornig zurück. Mit diesem Gesichtsausdruck sah er seinem Vater unglaublich ähnlich. "Er hat sich genau so verhalten, wie ich es erwartet hatte. Auf Menschen sieht er herab und Zwerge kann er auf den Tod nicht ausstehen. Er konnte überhaupt nicht anders darauf reagieren."
"Verteidigst du ihn jetzt etwa auch noch?" Allmählich begann Antonia ebenfalls ärgerlich zu werden. "Dieser Kerl hat mich angesehen, als wäre ich das letzte Stück Dreck!"
"Darf ich dich daran erinnern, wer hier vorhin wen verteidigt hat?" Seine Augen blitzen bei diesen Worten. "Und auch DU hast nicht das Recht respektlos über IHN zu sprechen."
"Ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich über irgend jemanden zu sprechen habe. Zu wem hältst du eigentlich?" Antonia schrie jetzt fast, so aufgebracht war sie.
Legolas hatte sich inzwischen fertig angezogen und drehte sich kurz vor der Tür noch einmal um. In seinem Blick lag eine Kälte, die sie innerlich erschauern ließ. "Er ist der König von Düsterwald und ich bin sein Sohn und Erbe. Ich kann ihn nicht ignorieren." Damit verschwand er nach draußen.
Zurück blieb eine halb bekleidete Antonia, die nicht wusste, ob sie fluchen oder in Tränen ausbrechen sollte. Schließlich entschied sie sich dafür, ein weiteres Glas gegen die Wand zu schleudern. Als die Scherben klirrend zu Boden fielen, verrauchte auch ein Teil ihrer Wut. Sie beschloss, sich fertig anzuziehen und sich irgendwo etwas zum Frühstück zu organisieren. Ein bisschen aus Trotz heraus schlüpfte sie in ihre Jeans. Sie hatte es ja wohl nicht nötig ihre Herkunft zu verbergen.
Während sie die Splitter der beiden zu Bruch gegangenen Gefäße notdürftig zusammen schob, hatte sie sich soweit beruhigt, dass sie nachdenklich wurde. Legolas und sie hatten sich noch nie gestritten. Aber im Nachhinein betrachtet hatte es so kommen müssen. Bei der unverfrorenen Art mit der sie heute beide aus dem Schlaf gerissen worden waren.
Immer noch vor sich hin grummelnd verließ sie ihr Zimmer um sich auf die Such nach etwas essbarem und entspannterer Gesellschaft zu begeben. Glücklicherweise lief ihr gleich nach ein paar Metern Felix über den Weg.
"Hey Felix, du bist schon wach?" begrüßte sie ihn überrascht, weil er dafür bekannt war, morgens nur äußerst zögerlich aus den Federn zu kommen.
"Dir auch einen guten Morgen." erwiderte er fröhlich, runzelte jedoch die Stirn, als er ihren Gesichtsaudruck bemerkte. "Sag mal, was ist dir denn heute schon über die Leber gelaufen?"
"Ein durchgedrehter Elbenkönig mit Anhang; üble Geschichte." entgegenete sie düster. "Aber eigentlich würde ich gerne frühstücken. Allerdings ohne dabei - aus genannten Gründen- in die Nähe der großen Halle zu kommen. Kannst du da nicht irgendetwas organisieren?"
"Da hast du genau den Richtigen getroffen. Wo die Küche ist, habe ich hier als erstes heraus gefunden. Ich mach das schon. Wir treffen uns dann unten auf dem Westbalkon, ok?"
Antonia nickte.
"Und dann erzählst du mir das Ganze. Klingt ja wirklich böse und das auf nüchternen Magen!"
Erleichtert machte sich Antonia auf den Weg durch das morgendliche Bruchtal. Es tat gut zu wissen, dass wenigstens Felix einigermaßen zufrieden aussah. Merkwürdig, er hatte sie nie mehr danach gefragt, wann sie wieder in ihre Welt zurück kehren würden. Er hatte es wohl über seinen Diskussionen mit Radagast und Gandalf vergessen. Dafür tauchte bei ihr plötzlich aus den Tiefen ihrer Seele ein wehmütiges Gefühl auf. Mit einem Mal wünschte sie, wieder zu Hause zu sein. Sie sehnte sich danach, ihre Freunde aus der Uni wieder zu sehen, mit ihnen im selben Hörsaal zu sitzen und anschließend in die Mensa zu gehen. Wie gern würde sie mit Lena verschlafen am Küchentisch sitzen und sich über den unmöglichen Hausmeister lustig machen. Und ihr Auto- natürlich war es kaputt- aber sie liebte das Auto fahren an sich einfach so sehr. Vielleicht, dachte sie sich nüchtern, kam dieses Heimweh auch nur daher, dass sie gerade furchtbare Lust auf eine Schinken-Käse Pizza hatte. An diesem Punkt musste sie über sich selbst lächeln. Pizza am frühen Morgen? Daran konnte wirklich nur ihre Schwangerschaft schuld sein.
Auf dem Westbalkon, der eigentlich viel zu groß und verschachtelt war um diesem Namen gerecht zu werden, traf sie Gilmi und Aragorn. Die beiden saßen auf einer der halb runden Steinbänke und der Zwerg hatte bereits seine flache Pfeife in der Hand.
"Oh, welch hoher Besuch am frühen Morgen!" meinte der Zwerg gutgelaunt. Aragorn nickte ihr nur zu. Er war wie ein Waldläufer gekleidet und sah deshalb wieder so aus, wie Antonia ihn eigentlich kannte. Von Königen hatte sie heute sowieso schon die Nase voll.
"Wieder mal genau ins Schwarze getroffen, Gimli, wie schaffts du das nur?" sagte Antonia und ließ sich ebenfalls auf der Bank nieder. "Nur dass dieser Besuch alles andere als erfreut über meine Anwesenheit war. -Und dich kann er übrigens auch nicht leiden."
Den verständnislosen Blicken, die darauf folgten, konnte sie entnehmen, dass die beiden noch nicht von Tranduils Ankunft gehört hatten.
"Würdest du die Freundlichkeit besitzen und nicht in Rätseln sprechen, Mädchen?" forderte Gimli sie auf nachdem er einen kräftigen Zug aus seiner Pfeife genommen hatte. "Mein viel gerühmter Dickschädel tut sich bisweilen nämlich etwas schwer damit."
"Legolas' Vater ist hier." gab sie schließlich die gewünschte Auskunft.
Ein erschrockenes "Oh!" war Gimlis ganze Reaktion darauf.
Aragorn jedoch beugte sich interessiert vor. "Tranduil ist in Bruchtal? Aus welchem Grund?"
Antonia zuckte mit den Schultern. "Das konnte ich ihn nicht fragen. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich aufzuregen und uns anzuschreien." Dann erzählte sie ihren zwei ehemaligen Weggefährten, was sich heute Morgen zugetragen hatte. Sie konnte es einfach nicht schweigend mit sich herum tragen. Schon nach der Hälfte der Geschichte grinste Gimli über das ganze Gesicht.
"Entschuldige, für dich mag es ja ziemlich ernst sein." sagte er schließlich. "Aber ich denke nur daran, dass ihr ein Bild für die Götter abgegeben haben müsst. Vater stürmt wütend ins Zimmer, also wirklich." er gluckste vergnüngt in sich hinein. "Aber mach dir nichts draus, Mädchen. Du bist beileibe nicht die erste, die unter Tranduil zu leiden hat. Meinen Vater, Glòin beispielsweise hielt er mehrere Wochen lang in seinem Verließ gefangen. Und das nur weil er und seine Begleiter ihm nicht verraten wollten, aus welchem Grund sie durch Düsterwald reisten. Du siehst, man zieht beinahe zwangsläufig seinen Unmut auf sich. Vor allem wenn man ein Zerg ist."
"Oder ein Kind von seinem Sohn erwartet." Ergänzte Antonia niedergeschlagen.
"Hm, ja, damit könnte er seine Schwierigkeiten haben." gab Gimli zu und zwirbelte an seinem roten Bart.
"Der König von Düsterwald war schon immer ein hartnäckiger und schwieriger Verhandlungspartner." warf Aragorn ein. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich als Vater sehr viel anders verhält."
"Oh ja, ich möchte jetzt nicht in Legolas' Haut stecken, wenn ihr mich fragt." versetzte Gimli und lehnte sich gemütlich zurück. "Ziemlich übles Temperament für einen Elben möchte man meinen."
"Ich glaube allerdings nicht, dass er so weit gehen wird, seinem Sohn das Recht auf die Thronfolge zu verweigern." überlegte Aragorn und streckte seine langen Beine aus. "Das wäre nicht nur äußerst übertrieben sondern auch ausgesprochen dumm."
"Moment mal!" mischte Antonia sich ein. "Das klingt in meinen Ohren jetzt wirklich ernst. Was meinst du mit Thronfolge? Was könnte denn geschehen? Und sind Elben nicht eigentlich unsterblich?"
"Nun du kennst die Ausnahmen, nicht wahr?!" entgegenete Aragorn ruhig. "Für den Fall dass Tranduil etwas zustösst braucht er natürlich einen Nachfolger. Aber auch wenn dies nicht eintritt, ist dieser Rang doch etwas besonderes. Das elbische Recht ist hier sehr kompliziert und auch ich kenne nicht alle Feinheiten."
"Alles klar, aber was kann denn wirklich passieren?" Antonia hatte bei dieser ganzen Geschichte ein wirklich mulmiges Gefühl im Bauch.
Aragorn, der spürte, dass sie sich ernsthafte Sorgen machte, bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick. "Es gibt selbstverständlich mehrere Möglichkeiten. Die entscheidende Frage bleibt jedoch, ob Tranduil bereit ist, einen Halbelben als seinen rechtmäßigen Enkel an zu erkennen. Wenn ja, muss er selbst dir gewisse Rechte zugestehen, was ihm alles andere als leicht fallen dürfte. Wenn nein..." er hob andeutungsweise die Schultern. "...wird es einige Probleme geben, denke ich."
Antonia, die angesichts der Gelassenheit, mit der er davon sprach schon wieder Ärger in sich aufsteigen fühlte, biss sich auf die Lippen, als sie die Konsequenz daraus erkannte. "Das heisst also, schlimmstenfalls muss Legolas sich zwischen mir und dem Reich seines Vaters entscheiden?"
Aragorn nickte. "Ja, das wäre durchaus denkbar."
Antonia krampfte sich bei seinen Worten der Magen zusammen. Ihr Hunger war auf einmal wie weggeblasen. Egal, was Legolas ihr gestern versprochen hatte, sie wusste: Bei diesem Vergleich konnte sie nicht gewinnen.
"Aber zerbrich dir darüber mal nicht den Kopf." kam es tröstend von Gimli, der ihr dabei beruhigend auf die Schulter klopfte. "Ich bin sicher, dass es nicht soweit kommen wird."
In diesem Moment bog Felix frohgemut um die Ecke, vor sich hin pfeifend und ihr Früstück in den Händen haltend. Als er sah, in welcher Stimmung die drei sich befanden, verschwand sein fröhliches Gesicht jedoch sofort. "Sieht aus als käme ich zu spät um die Geschichte noch zu hören." stellte er sachlich fest. "Scheint sich ja wirklich um eine äußerst üble Sache zu handeln." Gimli, der Felix noch immer nicht richtig leiden konnte, warf ihm einen bösen Blick zu, verbiss sich aber jedes Kommentar.
Antonia schwieg. Von dem Essen brachte sie nur wenige Bissen hinunter, auch wenn es dem Ruf Bruchtals alle Ehre machte und ausgezeichnet schmeckte. Ihr Freunde bemühten sich redlich sie aufzuheitern, doch gelang es ihnen kaum. Gegen Mittag hielt Antonia das ganze nicht mehr aus. Sie verabschiedete sich knapp und ging davon. Sie wollte nur noch alleine sein. Als sie dann jedoch einsam am Fluss entlang lief, konnten die Zweifel und Bedenken mit aller Macht zuschlagen. Das Unbehagen, das Silla am Vorabend in ihr ausgelöst hatte, kehrte zurück. Sie war ein Feund von klaren Entscheidungen. Ungewissheit und Untätigkeit gingen ihr mehr als alles andere auf die Nerven. Das schlimme an der Sachlage war, dass sie nichts zu ihrer Lösung beitragen konnte, sondern abwarten musste, wie andere sich entschieden. Sie fühlte sich innerlich zerrissen und spürte in sich den Verdacht aufkommen, dass es für sie nicht gut ausgehen würde.
In dieser düsteren Gemütsverfassung traf sie Binala. Die Heilerin hatte von den frühmorgendlichen Ereignissen gehört und nach ihr gesucht.
"Ich wollte wissen wie es dir geht." sagte sie und legte Antonia besorgt den Arm um die Schulter. Diese war ganz gerührt von so viel Anteilnahme. Egal wie es auch ausging-immerhin hatte sie Freunde, die zu ihr hielten.
"Soweit ist alles in Ordnung." versicherte sie wobei sie sogar ein tapferes Lächeln zu stande brachte. "Nur mein Bedarf an Elbenkönigen und sonstigen Verwicklungen ist für heute reichlich gedeckt."
"Da könntest du aber Pech haben. Immerhin findet heute das traditionelle Mittsommerfest statt und es wäre mehr als unhöflich, wenn du dort nicht erscheinst."
Antonia schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. "Du hast recht, das hatte ich vollkommen vergessen.Aber wie soll ich das schaffen, Tranduil wird doch bestimmt auch dort sein."
"Das wirst du schon durchstehen." versuchte die Elbin sie aufzumuntern. "Zeig dich einfach unbeeindruckt von seinem Verhalten, das wird ihm den Wind aus den Segeln nehmen. Und vor allem solltest du heute Abend so gut wie möglich aussehen. Das gibt dir das nötige Selbstbewusstsein." So wie sie das sagte klang es richtig vernünftig.
Antonia holte tief Luft. Niemandem würde es etwas nützen, wenn sie weiter vor sich hin grübelte und Trübsal blies. "Was würde ich nur ohne dich machen, Binala! Einverstanden, ich begebe mich ganz in deine Hände. Ohne Hilfe kriege ich das heute nicht hin."
"Nun, dann würde ich zuerst einmal ein Bad vorschlagen." Ihre blauen Augen blitzen, als sie Antonia zuwinkerte. "Ich weiss ein kleines Badehaus, in dem uns bestimmt niemand stören wird."
Das klang in Antonias Ohren mehr als verlockend. Schon oft hatte sie fest gestellt, dass sich Sorgen und Unruhe mit einem Bad vertreiben ließen. Angesichts des Badehauses, in das Binala sie führte, war sie zuversichtlich, dass diese Erfahrung sich auch heute als wirksam erweisen könnte. Alles in ihm schien aus dem allgegenwärtigen elfenbeinfarbenen Stein zu bestehen. Allerdings hatte sich hier ein leichter rosaner Farbton in ihn verirrt. Das Licht fiel durch schmale versteckte Öffnungen und brach sich sanft an einem dünnen Wasserfall, der unaufhörlich durch eine marmorne Rinne plätscherte. Das Wasser ergoss sich in ein halbrundes, etwa fünf Meter breites Becken in dem vereinzelte Rosenblüten schwammen. Irgendwo schien es einen unsichtbaren Abfluss zu geben, denn es blieb immer gleich hoch gefüllt, wieviel Wasser auch nachströmte. An den Wänden befanden sich Sitzbänke und Borde, auf denen Fläschchen mit verschieden farbigem Inhalt standen. Antonia entdeckte auch einen Stapel Tücher. Sie war begeistert. Wer hätte gedacht, was Bruchtal bisher noch vor ihr verborgen gehalten hatte. Sie atmete tief den schwachen Rosenduft und spürte beinahe sofort, wie ein Teil ihrer Anspannung von ihr abfiel.
"Ich wusste, dass es dir gefallen würde." sagte Binala, als sie Antonias erstes wirkliches Lächeln an diesem Tag bemerkte. "In deinem Zustand scheint es genau das richtige zu sein."
Antonia blieb ihr eine Antwort schuldig, denn sie hatte soeben eine Hand ins Wasser gesteckt und eine weitere erfreuliche Tatsache entdeckt. "Es ist warm." entfuhr es ihr erstaunt. Gewöhnlich musste Badewasser hier erst umständlich erhitzt werden oder man begnügte sich mit der ziemlich kalten Temperatur der natürlichen Wasserfälle. Das Wasser im Becken hingegen wies genau die richtige Temperatur für einen heißen Sommertag auf. Zu warm um zu frieren und zu kühl um träge zu machen.
"Es wird draußen durch eine sonnenbeschienene Steinrinne geleitet." erklärte die Elbin, schon im Begriff, ihr langes rotes Haar zu lösen.
Antonia jedoch war schneller. Innerhalb von Sekunden hatte sie sich ihrer Kleidung entledigt und watete vorsichtig in das Becken hinein. Der Boden war leicht abfallend, so dass ihr das Wasser im hinteren Teil bis zur Hüfte reichte. Ohne zu zögern trat sie unter den Wasserfall und genoss das Gefühl des Wassers das ihr über den Kopf, die Schultern und den Rücken floss. Duschen waren eindeutig etwas, das in Mittelerde dringend fehlte - hatte sie jedenfalls bis jetzt geglaubt.
Unbemerkt war Binala neben sie getreten. Die Elbin stupste sie jetzt behutsam an und hielt ihr ein Fläschchen mit honiggelbem Inhalt entgegen. Antonia öffnete die Augen und musste schlucken. Legolas war bisher der einzige seines Volkes gewesen, den sie nackt gesehen hatte. Am Vorabend hatte sie aus einer Laune heraus die Heilerin mit einer Marmorstatue verglichen. Dieser Gedanke war angesichts der blassen glatten Haut mehr als gerechtfertigt. An den Stellen, die dem Sonnenlicht sonst nicht ausgesetzt waren, wirkte sie beinahe durchscheinend hell. Vom Körperbau her zierlich wie alle Elben, ließen sich die eindeutigen weiblichen Attribute dennoch nicht übersehen. Die halb vom langen feuerroten Kopfhaar verdeckten Brüste waren klein und rund wie die eines jungen Mädchens mit zart rosafarbenen Brustwarzen. Weil die Elbin größer war als sie, konnte sie den Ansatz der langen schlanken Beine und den leichten kupfernen Flaum zwischen ihren Schenkeln erkennen. Antonia schluckte. In ihrer Welt würden viele junge Frauen alles dafür geben um so auszusehen. Sie kam sich plötzlich plump und unscheinbar vor neben der strahlenden Schönheit der Elbin.
Binala, der Antonias Blicke keineswegs entgangen waren, schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Ihre tief blauen Augen funkelten, doch sie verzichtete darauf, ein Kommentar abzugeben. Erneut versuchte sie, Antonias Aufmerksamkeit auf das Fläschchen in ihren Händen zu lenken. "Für die Haare." erklärte sie dabei und bedeutete ihr, einen Schritt nach vorne, weg von dem fließenden Wasser zu treten. "Lass nur, ich mach das schon." wehrte sie ab, als Antonia die Hand nach dem Gefäß ausstreckte. Sie fasste Antonia bei der Schulter, drehte sie um und träufelte etwas von der honigfarbenen Flüssigkeit auf deren Kopf. Sofort stieg Antonia ein süßer Blütenduft in die Nase. Dem Geruch nach schienen sich sämtliche Blumen Bruchtals in dem kleinen Gefäß zu vereinen. Sie spürte, wie der letzte Rest von Anspannung von ihr abfiel, als Binala damit begann, das Mittel n ihre Haare ein zu massieren. Die Finger der Elbin erwiesen sich dabei sowohl als kräftig als auch behutsam. Antonia schloss die Augen und überließ sich ganz diesem schönen Gefühl. Gleichzeitig verschwand ihr Angst. Zurück blieb nur ein leichter Hauch von Ungewissheit. Erst als das Shampoo wieder ausgewaschen war und sie damit begann, sich dem Rest ihres Körpers zu widmen, wagte sie es, die entscheidende Frage zu stellen.
"Warum sollte Legolas sich für jemanden wie mich entscheiden, wenn er jemanden wie dich haben könnte?" Sie sah ihre Freudin dabei nicht an, sondern spielte unsicher mit dem silbernen Amulett, das sie selbst jetzt nicht abgelegt hatte.
"Wie kommst du plötzlich auf diesen Gedanken?" Ein Anflug von Bestürzung sprach aus Binalas Worten.
Antonia seufzte tief und zerrieb etwas Schaum zwischen ihren Händen. Sie fühlte sich regelrecht benommen von den Düften und dem angenehmen Gefühl des Wassers auf ihrer Haut. "Naja, zum Beispiel würden sich die Probleme auf ein Minimum reduzieren. Die ganze Sterblichkeitsgeschichte und so. Außerdem..."sie holte tief Luft"...bist du einfach wunderschön."
"Einen Augenblick mal. Willst du damit andeuten, dass du dich für hässlich hältst?"
Antonia traute sich immer noch nicht, der Heilerin in die Augen zu sehen. "Nun, im Vergleich ..."
"Antonia." Die Hand der Elbin glitt sanft über ihr nasses Haar und zwang sie, den Blick zu heben. "Das ist das dümmste, das ich je von dir gehört habe. Menschen und Elben...es ist, als würdest du Raben und Adler vergleichen. Ich habe dir erzählt, dass das Sterbliche stets unser Herzt berührt, aber es ist mehr als das. Grüble nicht darüber nach denn du bist schön." Binala schenkte ihr ein strahlendes Lächeln das bis zu den tief blauen Augen reichte. Kurz berührten ihre Finger Antonias Wange. "Daran besteht gar kein Zweifel."
Vielleicht lag es an der Hitze, dem monotonen Plätschern des Wasserfalls oder an den intensiven Düften, doch Antonia kam die Situation mit jedem Moment unwirklicher vor. Eine Art dumpfe Schläfrigkeit ergriff von ihr Besitz. Sie versuchte erst gar nicht, dagegen anzukämpfen. In diesem Zustand schienen jedliche Sorgen und Ängste weit weg zu sein. Sie waren nicht verschwunden aber hatten ihren Schrecken verloren.
Sie lehnte nicht ab als Binala anbot, ihr den Rücken einzuseifen. Mit geschlossenen Augen stand Antonia da, bereit alles mit sich geschehen zu lassen. Sie genoss das Gefühl von Binalas Händen auf ihrem Rücken. Einen Moment lang ertappte sie sich bei dem Wunsch, es möge so bald nicht vorrüber sein. Und das war es auch nicht. Sie hatte es nicht richtig mitbekommen, doch plötzlich glitten die Hände der Elbin auch über ihren Bauch, ihre Arme, drückten sie gefühlvoll an sich.
"Ich kann sehr gut verstehen, warum er sich für dich entschieden hat." Binalas Stimme, direkt neben ihrem Ohr, klang tief vor unterdrückter Leidenschaft. Sie begann Antonias Schultern und Nacken zu küssen.
Antonia erfasste ein leichtes Schwindelgefühl. Allein die leichte Berührung von Binalas Lippen genügte, um wohlige Schauer durch ihren Körper zu jagen. Ihre Haut prickelte unter den schlanken Fingern, als würden sie leuchtende Spuren hinterlassen. Ohne sich um zu drehen hob Antonia den Arm und fasste in das dichte rote Haar der Elbin. Es fühlte sich glatt und trotz der Nässe seidig an. Binalas Hände strichen jetzt vorne über ihre Brust, berührten jedoch noch nicht ihren Busen. Jeder Zentimeter drängte sich schmerzvoll verlangend in ihr Bewusstsein. Langsam fuhren Binalas Fingerspitzen den Schwung des Schlüsselbeins nach und streiften den silbernen Anhänger.
Mit einem Schlag wurde Antonia aus ihrer Benommenheit gerissen. Fluchtartig befreite sie sich aus den Armen ihrer Freundin und fuhr herum. Ihre Rechte schloss sich schützend um das kostbare Amulett. Niemand durfte es ohne ihre Erlaubnis berühren, niemand! Sie war die Hüterin. Es gehörte ihr, ihr ganz allein...
Namenloses Entsetzen erfüllte sie plötzlich, als sie in Binalas Augen blickte, die so klar und tief wie das Meer waren. Bevor die Heilerin sie aufhalten konnte, griff sie sich ein großes Handtuch, packte ihre Kleider und floh Hals über Kopf aus dem Badehaus. Es grenzte an ein Wunder, dass sie in ihrem Zustand den Weg zu ihrem Zimmer fand. Keuchend sank sie auf das große Bett in dem sie so oft mit Legolas geschlafen hatte. Dieser Gedanke vergrößerte ihren inneren Aufruhr Doch ihr Bewusstsein kehrte immer wieder zu dem Scherben um ihren Hals zurück.
Einen kurzen Augenblick lang, hatte sie ein schrecklicher Verdacht durch zuckt. Sie hatte nicht gewusst, wie sehr das Amulett ein Teil ihres Wesens geworden war. Wie verwundbar sie dadurch wurde...
Eine Erkenntnis jedoch erschreckte sie am stärksten: Hätte Binala nicht zufällig das Schmuckstück berührt, befände sie sich immer noch in der Umarmung ihrer Freundin.
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So, jetzt lehne ich mich zurück und warte auf den empörten Aufschrei....
Ob ich nach diesem Kapitel Mordanschläge befürchten muss?
XI Erwachen
Stimmen weckten Antonia am nächsten Morgen. Stimmen, die sie in ihrem Halbschlaf zuerst nicht zuordnen konnte.
"Ihr könnt hier nicht einfach durch, Herr."das klang nach einem verunsicherten Elben, der vergeblich versuchte, sich gegen jemand älteren und mächtigeren durch zu setzen.
"Ich bin nicht angereist um mich einfach wegschicken zu lassen. Aus dem Weg, sage ich!" die Worte kamen von einer herrischen und befehlsgewohnten Stimme.
"Aber Herr, es ist noch früh. Wartet wenigstens bis..."
"Ich warte nicht!"
Antonia, immer noch nicht ganz bei sich, merkte, wie Legolas, auf dessen Schulter ihr Kopf ruhte, sich unruhig regte.
"Aber Herr, so hört doch, ich muss darauf bestehen..." Sie erkannte nun, dass es sich um einen von Elronds Dienern handelte.
"Kein Wort mehr! Wage es nicht mich aufzuhalten!" bei diesem ärgerlichen Ausruf fuhr Legolas blitzartig in die Höhe. Im selben Moment flog die Tür mit einem Schlag auf und jemand stürmte mit festem Schritt herein. Auch Antonia war nun hellwach. Sie besaß gerade noch die Geistesgegenwart sich die dünne Bettdecke bis zum Hals hoch zu ziehen um ihre nackten Brüste zu bedecken. Erschrocken starrte sie den Elben an, der jetzt am Fußende des Bettes stand und sie anfunkelte. Er war hochgewachsen, ganz in kostbare grüne Gewänder gekleidet und eine ähnlich stattliche Erscheinung wie Elrond. Goldene Ringe schmückten seine Finger und auf seinem hellblonden Haar saß ein glänzender kunstvoll geschwungener Stirnreif. Das ebenmäßige Gesicht darunter zeigte einen mehr als zornigen Ausdruck. Neben ihr erwachte Legolas aus seiner Erstarrung.
"Vater?! Wie..."
"Verzeiht, aber er wollte nicht auf mich..." der eingeschüchterte Elb in der Tür verstummte sofort, als der morgendliche Unruhestifter ihm mit einer herrischen Geste zu schweigen befahl.
"Verschwinde und melde Elrond meine Ankunft!" wies er ihn streng an. Dann wandte er sich wieder den beiden im Bett sitzenden zu. "Natürlich bist du überrascht über mein Kommen, Legolas. Ich habe es nicht ankündingen lassen. Nur hatte ich erwartet, dich ein wenig erfreuter darüber zu sehen - und etwas mehr bekleidet." In seinen grünen Augen blitze es.
Antonia nahm ihr Gegenüber näher in Augenschein. Das also war Tranduil, der König von Düsterwald? Mit ihm schien nicht gut Kirschen essen zu sein. Ihr erste Begegnung mit ihm und sie saß nackt mit seinem Sohn im Bett- das konnte ja noch heiter werden!
Legolas neben ihr errötete. Auch ihm schien die Situation äußerst unangenehm zu sein. "Vater, ich verstehe nicht..."
"Schweig!" fuhr Tranduil ihn an. "Seit über einem Jahr habe ich nichts mehr von dir gehört. Seit ich dich damals zu Elronds Rat schickte, keine einzige Botschaft, ob du überhaupt noch am Leben bist. Dann komme ich hier an und höre die abenteuerlichsten Gerüchte über dich - und muss nun zu meinem Erschrecken festellen, dass sie der Wahrheit entsprechen!" Sein zorniger Blick richtete sich auf Antonia. "Was tust du im Bett meines Sohnes?"
Antonia blieb vor Entrüstung beinahe die Luft weg. Was bildete sich dieser hochnäsige Kerl eigentlich ein? Egal ob König oder nicht, auf diese Weise durfte niemand mit ihr sprechen.
"Die Frage solltet Ihr umgekehrt stellen. Dies ist mein Zimmer und somit auch mein Bett!" Herausfordernd hielt sie seiner verächtlichen Musterung stand. Aus seiner Mimik war abzulesen, dass er nicht allzu viel von Sterblichen hielt. Antonia merkte befriedigt, dass er innerlich vor Wut kochte.
"Du wagst es, mir Widerworte zu geben, du kleine..."
"Nein Vater, sie sagt die Wahrheit." Fiel Legolas ihm ins Wort. Auch er wirkte jetzt aufgebracht. "Ich werde nicht zulassen, dass du Antonia beschimpfst. Du hast kein Recht, sie so zu behandeln. Sie trägt mein Kind!"
Nach dieser Äußerung wurde es einige Sekunden lang totenstill im Raum. Tranduil schien um seine Fassung zu ringen, um nicht endgültig zu explodieren. Als er schließlich wieder fähig war zu reden, bebte seine Stimme. "Als mir zu Ohren gekommen ist, dass du dich mit Zwergen angefreundet hast, dachte ich, tiefer könntest du nicht mehr sinken. Wie es scheint, habe ich mich getäuscht. Darüber sprechen wir noch." Mit einem letzten verächtlichen Blick auf Antonia drehte er sich um und stürmte hinaus. Die Tür krachte so heftig ins Schloss, dass die Blumenvase auf dem kleinen Tischchen daneben zu Boden fiel und klirrend zerbrach.
"Was war das denn?" brachte Antonia schließlich noch ganz perplex hervor während Legolas aufsprang und rasch nach seiner Kleidung griff.
"Tranduil, der König von Düsterwald und mein Vater." lautete die unwillige Antwort. Sie hatte ihn noch niemlas so wütend gesehen.
"Das habe ich auch gemerkt." entgegnete sie ironisch und sah sich ebenfalls nach etwas zum anziehen um. "Ich hätte nur nicht gedacht, dass er derart durchgeknallt ist."
"Er ist nicht durchgeknallt, was immer das auch heißen mag!" gab Legolas zornig zurück. Mit diesem Gesichtsausdruck sah er seinem Vater unglaublich ähnlich. "Er hat sich genau so verhalten, wie ich es erwartet hatte. Auf Menschen sieht er herab und Zwerge kann er auf den Tod nicht ausstehen. Er konnte überhaupt nicht anders darauf reagieren."
"Verteidigst du ihn jetzt etwa auch noch?" Allmählich begann Antonia ebenfalls ärgerlich zu werden. "Dieser Kerl hat mich angesehen, als wäre ich das letzte Stück Dreck!"
"Darf ich dich daran erinnern, wer hier vorhin wen verteidigt hat?" Seine Augen blitzen bei diesen Worten. "Und auch DU hast nicht das Recht respektlos über IHN zu sprechen."
"Ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich über irgend jemanden zu sprechen habe. Zu wem hältst du eigentlich?" Antonia schrie jetzt fast, so aufgebracht war sie.
Legolas hatte sich inzwischen fertig angezogen und drehte sich kurz vor der Tür noch einmal um. In seinem Blick lag eine Kälte, die sie innerlich erschauern ließ. "Er ist der König von Düsterwald und ich bin sein Sohn und Erbe. Ich kann ihn nicht ignorieren." Damit verschwand er nach draußen.
Zurück blieb eine halb bekleidete Antonia, die nicht wusste, ob sie fluchen oder in Tränen ausbrechen sollte. Schließlich entschied sie sich dafür, ein weiteres Glas gegen die Wand zu schleudern. Als die Scherben klirrend zu Boden fielen, verrauchte auch ein Teil ihrer Wut. Sie beschloss, sich fertig anzuziehen und sich irgendwo etwas zum Frühstück zu organisieren. Ein bisschen aus Trotz heraus schlüpfte sie in ihre Jeans. Sie hatte es ja wohl nicht nötig ihre Herkunft zu verbergen.
Während sie die Splitter der beiden zu Bruch gegangenen Gefäße notdürftig zusammen schob, hatte sie sich soweit beruhigt, dass sie nachdenklich wurde. Legolas und sie hatten sich noch nie gestritten. Aber im Nachhinein betrachtet hatte es so kommen müssen. Bei der unverfrorenen Art mit der sie heute beide aus dem Schlaf gerissen worden waren.
Immer noch vor sich hin grummelnd verließ sie ihr Zimmer um sich auf die Such nach etwas essbarem und entspannterer Gesellschaft zu begeben. Glücklicherweise lief ihr gleich nach ein paar Metern Felix über den Weg.
"Hey Felix, du bist schon wach?" begrüßte sie ihn überrascht, weil er dafür bekannt war, morgens nur äußerst zögerlich aus den Federn zu kommen.
"Dir auch einen guten Morgen." erwiderte er fröhlich, runzelte jedoch die Stirn, als er ihren Gesichtsaudruck bemerkte. "Sag mal, was ist dir denn heute schon über die Leber gelaufen?"
"Ein durchgedrehter Elbenkönig mit Anhang; üble Geschichte." entgegenete sie düster. "Aber eigentlich würde ich gerne frühstücken. Allerdings ohne dabei - aus genannten Gründen- in die Nähe der großen Halle zu kommen. Kannst du da nicht irgendetwas organisieren?"
"Da hast du genau den Richtigen getroffen. Wo die Küche ist, habe ich hier als erstes heraus gefunden. Ich mach das schon. Wir treffen uns dann unten auf dem Westbalkon, ok?"
Antonia nickte.
"Und dann erzählst du mir das Ganze. Klingt ja wirklich böse und das auf nüchternen Magen!"
Erleichtert machte sich Antonia auf den Weg durch das morgendliche Bruchtal. Es tat gut zu wissen, dass wenigstens Felix einigermaßen zufrieden aussah. Merkwürdig, er hatte sie nie mehr danach gefragt, wann sie wieder in ihre Welt zurück kehren würden. Er hatte es wohl über seinen Diskussionen mit Radagast und Gandalf vergessen. Dafür tauchte bei ihr plötzlich aus den Tiefen ihrer Seele ein wehmütiges Gefühl auf. Mit einem Mal wünschte sie, wieder zu Hause zu sein. Sie sehnte sich danach, ihre Freunde aus der Uni wieder zu sehen, mit ihnen im selben Hörsaal zu sitzen und anschließend in die Mensa zu gehen. Wie gern würde sie mit Lena verschlafen am Küchentisch sitzen und sich über den unmöglichen Hausmeister lustig machen. Und ihr Auto- natürlich war es kaputt- aber sie liebte das Auto fahren an sich einfach so sehr. Vielleicht, dachte sie sich nüchtern, kam dieses Heimweh auch nur daher, dass sie gerade furchtbare Lust auf eine Schinken-Käse Pizza hatte. An diesem Punkt musste sie über sich selbst lächeln. Pizza am frühen Morgen? Daran konnte wirklich nur ihre Schwangerschaft schuld sein.
Auf dem Westbalkon, der eigentlich viel zu groß und verschachtelt war um diesem Namen gerecht zu werden, traf sie Gilmi und Aragorn. Die beiden saßen auf einer der halb runden Steinbänke und der Zwerg hatte bereits seine flache Pfeife in der Hand.
"Oh, welch hoher Besuch am frühen Morgen!" meinte der Zwerg gutgelaunt. Aragorn nickte ihr nur zu. Er war wie ein Waldläufer gekleidet und sah deshalb wieder so aus, wie Antonia ihn eigentlich kannte. Von Königen hatte sie heute sowieso schon die Nase voll.
"Wieder mal genau ins Schwarze getroffen, Gimli, wie schaffts du das nur?" sagte Antonia und ließ sich ebenfalls auf der Bank nieder. "Nur dass dieser Besuch alles andere als erfreut über meine Anwesenheit war. -Und dich kann er übrigens auch nicht leiden."
Den verständnislosen Blicken, die darauf folgten, konnte sie entnehmen, dass die beiden noch nicht von Tranduils Ankunft gehört hatten.
"Würdest du die Freundlichkeit besitzen und nicht in Rätseln sprechen, Mädchen?" forderte Gimli sie auf nachdem er einen kräftigen Zug aus seiner Pfeife genommen hatte. "Mein viel gerühmter Dickschädel tut sich bisweilen nämlich etwas schwer damit."
"Legolas' Vater ist hier." gab sie schließlich die gewünschte Auskunft.
Ein erschrockenes "Oh!" war Gimlis ganze Reaktion darauf.
Aragorn jedoch beugte sich interessiert vor. "Tranduil ist in Bruchtal? Aus welchem Grund?"
Antonia zuckte mit den Schultern. "Das konnte ich ihn nicht fragen. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich aufzuregen und uns anzuschreien." Dann erzählte sie ihren zwei ehemaligen Weggefährten, was sich heute Morgen zugetragen hatte. Sie konnte es einfach nicht schweigend mit sich herum tragen. Schon nach der Hälfte der Geschichte grinste Gimli über das ganze Gesicht.
"Entschuldige, für dich mag es ja ziemlich ernst sein." sagte er schließlich. "Aber ich denke nur daran, dass ihr ein Bild für die Götter abgegeben haben müsst. Vater stürmt wütend ins Zimmer, also wirklich." er gluckste vergnüngt in sich hinein. "Aber mach dir nichts draus, Mädchen. Du bist beileibe nicht die erste, die unter Tranduil zu leiden hat. Meinen Vater, Glòin beispielsweise hielt er mehrere Wochen lang in seinem Verließ gefangen. Und das nur weil er und seine Begleiter ihm nicht verraten wollten, aus welchem Grund sie durch Düsterwald reisten. Du siehst, man zieht beinahe zwangsläufig seinen Unmut auf sich. Vor allem wenn man ein Zerg ist."
"Oder ein Kind von seinem Sohn erwartet." Ergänzte Antonia niedergeschlagen.
"Hm, ja, damit könnte er seine Schwierigkeiten haben." gab Gimli zu und zwirbelte an seinem roten Bart.
"Der König von Düsterwald war schon immer ein hartnäckiger und schwieriger Verhandlungspartner." warf Aragorn ein. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich als Vater sehr viel anders verhält."
"Oh ja, ich möchte jetzt nicht in Legolas' Haut stecken, wenn ihr mich fragt." versetzte Gimli und lehnte sich gemütlich zurück. "Ziemlich übles Temperament für einen Elben möchte man meinen."
"Ich glaube allerdings nicht, dass er so weit gehen wird, seinem Sohn das Recht auf die Thronfolge zu verweigern." überlegte Aragorn und streckte seine langen Beine aus. "Das wäre nicht nur äußerst übertrieben sondern auch ausgesprochen dumm."
"Moment mal!" mischte Antonia sich ein. "Das klingt in meinen Ohren jetzt wirklich ernst. Was meinst du mit Thronfolge? Was könnte denn geschehen? Und sind Elben nicht eigentlich unsterblich?"
"Nun du kennst die Ausnahmen, nicht wahr?!" entgegenete Aragorn ruhig. "Für den Fall dass Tranduil etwas zustösst braucht er natürlich einen Nachfolger. Aber auch wenn dies nicht eintritt, ist dieser Rang doch etwas besonderes. Das elbische Recht ist hier sehr kompliziert und auch ich kenne nicht alle Feinheiten."
"Alles klar, aber was kann denn wirklich passieren?" Antonia hatte bei dieser ganzen Geschichte ein wirklich mulmiges Gefühl im Bauch.
Aragorn, der spürte, dass sie sich ernsthafte Sorgen machte, bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick. "Es gibt selbstverständlich mehrere Möglichkeiten. Die entscheidende Frage bleibt jedoch, ob Tranduil bereit ist, einen Halbelben als seinen rechtmäßigen Enkel an zu erkennen. Wenn ja, muss er selbst dir gewisse Rechte zugestehen, was ihm alles andere als leicht fallen dürfte. Wenn nein..." er hob andeutungsweise die Schultern. "...wird es einige Probleme geben, denke ich."
Antonia, die angesichts der Gelassenheit, mit der er davon sprach schon wieder Ärger in sich aufsteigen fühlte, biss sich auf die Lippen, als sie die Konsequenz daraus erkannte. "Das heisst also, schlimmstenfalls muss Legolas sich zwischen mir und dem Reich seines Vaters entscheiden?"
Aragorn nickte. "Ja, das wäre durchaus denkbar."
Antonia krampfte sich bei seinen Worten der Magen zusammen. Ihr Hunger war auf einmal wie weggeblasen. Egal, was Legolas ihr gestern versprochen hatte, sie wusste: Bei diesem Vergleich konnte sie nicht gewinnen.
"Aber zerbrich dir darüber mal nicht den Kopf." kam es tröstend von Gimli, der ihr dabei beruhigend auf die Schulter klopfte. "Ich bin sicher, dass es nicht soweit kommen wird."
In diesem Moment bog Felix frohgemut um die Ecke, vor sich hin pfeifend und ihr Früstück in den Händen haltend. Als er sah, in welcher Stimmung die drei sich befanden, verschwand sein fröhliches Gesicht jedoch sofort. "Sieht aus als käme ich zu spät um die Geschichte noch zu hören." stellte er sachlich fest. "Scheint sich ja wirklich um eine äußerst üble Sache zu handeln." Gimli, der Felix noch immer nicht richtig leiden konnte, warf ihm einen bösen Blick zu, verbiss sich aber jedes Kommentar.
Antonia schwieg. Von dem Essen brachte sie nur wenige Bissen hinunter, auch wenn es dem Ruf Bruchtals alle Ehre machte und ausgezeichnet schmeckte. Ihr Freunde bemühten sich redlich sie aufzuheitern, doch gelang es ihnen kaum. Gegen Mittag hielt Antonia das ganze nicht mehr aus. Sie verabschiedete sich knapp und ging davon. Sie wollte nur noch alleine sein. Als sie dann jedoch einsam am Fluss entlang lief, konnten die Zweifel und Bedenken mit aller Macht zuschlagen. Das Unbehagen, das Silla am Vorabend in ihr ausgelöst hatte, kehrte zurück. Sie war ein Feund von klaren Entscheidungen. Ungewissheit und Untätigkeit gingen ihr mehr als alles andere auf die Nerven. Das schlimme an der Sachlage war, dass sie nichts zu ihrer Lösung beitragen konnte, sondern abwarten musste, wie andere sich entschieden. Sie fühlte sich innerlich zerrissen und spürte in sich den Verdacht aufkommen, dass es für sie nicht gut ausgehen würde.
In dieser düsteren Gemütsverfassung traf sie Binala. Die Heilerin hatte von den frühmorgendlichen Ereignissen gehört und nach ihr gesucht.
"Ich wollte wissen wie es dir geht." sagte sie und legte Antonia besorgt den Arm um die Schulter. Diese war ganz gerührt von so viel Anteilnahme. Egal wie es auch ausging-immerhin hatte sie Freunde, die zu ihr hielten.
"Soweit ist alles in Ordnung." versicherte sie wobei sie sogar ein tapferes Lächeln zu stande brachte. "Nur mein Bedarf an Elbenkönigen und sonstigen Verwicklungen ist für heute reichlich gedeckt."
"Da könntest du aber Pech haben. Immerhin findet heute das traditionelle Mittsommerfest statt und es wäre mehr als unhöflich, wenn du dort nicht erscheinst."
Antonia schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. "Du hast recht, das hatte ich vollkommen vergessen.Aber wie soll ich das schaffen, Tranduil wird doch bestimmt auch dort sein."
"Das wirst du schon durchstehen." versuchte die Elbin sie aufzumuntern. "Zeig dich einfach unbeeindruckt von seinem Verhalten, das wird ihm den Wind aus den Segeln nehmen. Und vor allem solltest du heute Abend so gut wie möglich aussehen. Das gibt dir das nötige Selbstbewusstsein." So wie sie das sagte klang es richtig vernünftig.
Antonia holte tief Luft. Niemandem würde es etwas nützen, wenn sie weiter vor sich hin grübelte und Trübsal blies. "Was würde ich nur ohne dich machen, Binala! Einverstanden, ich begebe mich ganz in deine Hände. Ohne Hilfe kriege ich das heute nicht hin."
"Nun, dann würde ich zuerst einmal ein Bad vorschlagen." Ihre blauen Augen blitzen, als sie Antonia zuwinkerte. "Ich weiss ein kleines Badehaus, in dem uns bestimmt niemand stören wird."
Das klang in Antonias Ohren mehr als verlockend. Schon oft hatte sie fest gestellt, dass sich Sorgen und Unruhe mit einem Bad vertreiben ließen. Angesichts des Badehauses, in das Binala sie führte, war sie zuversichtlich, dass diese Erfahrung sich auch heute als wirksam erweisen könnte. Alles in ihm schien aus dem allgegenwärtigen elfenbeinfarbenen Stein zu bestehen. Allerdings hatte sich hier ein leichter rosaner Farbton in ihn verirrt. Das Licht fiel durch schmale versteckte Öffnungen und brach sich sanft an einem dünnen Wasserfall, der unaufhörlich durch eine marmorne Rinne plätscherte. Das Wasser ergoss sich in ein halbrundes, etwa fünf Meter breites Becken in dem vereinzelte Rosenblüten schwammen. Irgendwo schien es einen unsichtbaren Abfluss zu geben, denn es blieb immer gleich hoch gefüllt, wieviel Wasser auch nachströmte. An den Wänden befanden sich Sitzbänke und Borde, auf denen Fläschchen mit verschieden farbigem Inhalt standen. Antonia entdeckte auch einen Stapel Tücher. Sie war begeistert. Wer hätte gedacht, was Bruchtal bisher noch vor ihr verborgen gehalten hatte. Sie atmete tief den schwachen Rosenduft und spürte beinahe sofort, wie ein Teil ihrer Anspannung von ihr abfiel.
"Ich wusste, dass es dir gefallen würde." sagte Binala, als sie Antonias erstes wirkliches Lächeln an diesem Tag bemerkte. "In deinem Zustand scheint es genau das richtige zu sein."
Antonia blieb ihr eine Antwort schuldig, denn sie hatte soeben eine Hand ins Wasser gesteckt und eine weitere erfreuliche Tatsache entdeckt. "Es ist warm." entfuhr es ihr erstaunt. Gewöhnlich musste Badewasser hier erst umständlich erhitzt werden oder man begnügte sich mit der ziemlich kalten Temperatur der natürlichen Wasserfälle. Das Wasser im Becken hingegen wies genau die richtige Temperatur für einen heißen Sommertag auf. Zu warm um zu frieren und zu kühl um träge zu machen.
"Es wird draußen durch eine sonnenbeschienene Steinrinne geleitet." erklärte die Elbin, schon im Begriff, ihr langes rotes Haar zu lösen.
Antonia jedoch war schneller. Innerhalb von Sekunden hatte sie sich ihrer Kleidung entledigt und watete vorsichtig in das Becken hinein. Der Boden war leicht abfallend, so dass ihr das Wasser im hinteren Teil bis zur Hüfte reichte. Ohne zu zögern trat sie unter den Wasserfall und genoss das Gefühl des Wassers das ihr über den Kopf, die Schultern und den Rücken floss. Duschen waren eindeutig etwas, das in Mittelerde dringend fehlte - hatte sie jedenfalls bis jetzt geglaubt.
Unbemerkt war Binala neben sie getreten. Die Elbin stupste sie jetzt behutsam an und hielt ihr ein Fläschchen mit honiggelbem Inhalt entgegen. Antonia öffnete die Augen und musste schlucken. Legolas war bisher der einzige seines Volkes gewesen, den sie nackt gesehen hatte. Am Vorabend hatte sie aus einer Laune heraus die Heilerin mit einer Marmorstatue verglichen. Dieser Gedanke war angesichts der blassen glatten Haut mehr als gerechtfertigt. An den Stellen, die dem Sonnenlicht sonst nicht ausgesetzt waren, wirkte sie beinahe durchscheinend hell. Vom Körperbau her zierlich wie alle Elben, ließen sich die eindeutigen weiblichen Attribute dennoch nicht übersehen. Die halb vom langen feuerroten Kopfhaar verdeckten Brüste waren klein und rund wie die eines jungen Mädchens mit zart rosafarbenen Brustwarzen. Weil die Elbin größer war als sie, konnte sie den Ansatz der langen schlanken Beine und den leichten kupfernen Flaum zwischen ihren Schenkeln erkennen. Antonia schluckte. In ihrer Welt würden viele junge Frauen alles dafür geben um so auszusehen. Sie kam sich plötzlich plump und unscheinbar vor neben der strahlenden Schönheit der Elbin.
Binala, der Antonias Blicke keineswegs entgangen waren, schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Ihre tief blauen Augen funkelten, doch sie verzichtete darauf, ein Kommentar abzugeben. Erneut versuchte sie, Antonias Aufmerksamkeit auf das Fläschchen in ihren Händen zu lenken. "Für die Haare." erklärte sie dabei und bedeutete ihr, einen Schritt nach vorne, weg von dem fließenden Wasser zu treten. "Lass nur, ich mach das schon." wehrte sie ab, als Antonia die Hand nach dem Gefäß ausstreckte. Sie fasste Antonia bei der Schulter, drehte sie um und träufelte etwas von der honigfarbenen Flüssigkeit auf deren Kopf. Sofort stieg Antonia ein süßer Blütenduft in die Nase. Dem Geruch nach schienen sich sämtliche Blumen Bruchtals in dem kleinen Gefäß zu vereinen. Sie spürte, wie der letzte Rest von Anspannung von ihr abfiel, als Binala damit begann, das Mittel n ihre Haare ein zu massieren. Die Finger der Elbin erwiesen sich dabei sowohl als kräftig als auch behutsam. Antonia schloss die Augen und überließ sich ganz diesem schönen Gefühl. Gleichzeitig verschwand ihr Angst. Zurück blieb nur ein leichter Hauch von Ungewissheit. Erst als das Shampoo wieder ausgewaschen war und sie damit begann, sich dem Rest ihres Körpers zu widmen, wagte sie es, die entscheidende Frage zu stellen.
"Warum sollte Legolas sich für jemanden wie mich entscheiden, wenn er jemanden wie dich haben könnte?" Sie sah ihre Freudin dabei nicht an, sondern spielte unsicher mit dem silbernen Amulett, das sie selbst jetzt nicht abgelegt hatte.
"Wie kommst du plötzlich auf diesen Gedanken?" Ein Anflug von Bestürzung sprach aus Binalas Worten.
Antonia seufzte tief und zerrieb etwas Schaum zwischen ihren Händen. Sie fühlte sich regelrecht benommen von den Düften und dem angenehmen Gefühl des Wassers auf ihrer Haut. "Naja, zum Beispiel würden sich die Probleme auf ein Minimum reduzieren. Die ganze Sterblichkeitsgeschichte und so. Außerdem..."sie holte tief Luft"...bist du einfach wunderschön."
"Einen Augenblick mal. Willst du damit andeuten, dass du dich für hässlich hältst?"
Antonia traute sich immer noch nicht, der Heilerin in die Augen zu sehen. "Nun, im Vergleich ..."
"Antonia." Die Hand der Elbin glitt sanft über ihr nasses Haar und zwang sie, den Blick zu heben. "Das ist das dümmste, das ich je von dir gehört habe. Menschen und Elben...es ist, als würdest du Raben und Adler vergleichen. Ich habe dir erzählt, dass das Sterbliche stets unser Herzt berührt, aber es ist mehr als das. Grüble nicht darüber nach denn du bist schön." Binala schenkte ihr ein strahlendes Lächeln das bis zu den tief blauen Augen reichte. Kurz berührten ihre Finger Antonias Wange. "Daran besteht gar kein Zweifel."
Vielleicht lag es an der Hitze, dem monotonen Plätschern des Wasserfalls oder an den intensiven Düften, doch Antonia kam die Situation mit jedem Moment unwirklicher vor. Eine Art dumpfe Schläfrigkeit ergriff von ihr Besitz. Sie versuchte erst gar nicht, dagegen anzukämpfen. In diesem Zustand schienen jedliche Sorgen und Ängste weit weg zu sein. Sie waren nicht verschwunden aber hatten ihren Schrecken verloren.
Sie lehnte nicht ab als Binala anbot, ihr den Rücken einzuseifen. Mit geschlossenen Augen stand Antonia da, bereit alles mit sich geschehen zu lassen. Sie genoss das Gefühl von Binalas Händen auf ihrem Rücken. Einen Moment lang ertappte sie sich bei dem Wunsch, es möge so bald nicht vorrüber sein. Und das war es auch nicht. Sie hatte es nicht richtig mitbekommen, doch plötzlich glitten die Hände der Elbin auch über ihren Bauch, ihre Arme, drückten sie gefühlvoll an sich.
"Ich kann sehr gut verstehen, warum er sich für dich entschieden hat." Binalas Stimme, direkt neben ihrem Ohr, klang tief vor unterdrückter Leidenschaft. Sie begann Antonias Schultern und Nacken zu küssen.
Antonia erfasste ein leichtes Schwindelgefühl. Allein die leichte Berührung von Binalas Lippen genügte, um wohlige Schauer durch ihren Körper zu jagen. Ihre Haut prickelte unter den schlanken Fingern, als würden sie leuchtende Spuren hinterlassen. Ohne sich um zu drehen hob Antonia den Arm und fasste in das dichte rote Haar der Elbin. Es fühlte sich glatt und trotz der Nässe seidig an. Binalas Hände strichen jetzt vorne über ihre Brust, berührten jedoch noch nicht ihren Busen. Jeder Zentimeter drängte sich schmerzvoll verlangend in ihr Bewusstsein. Langsam fuhren Binalas Fingerspitzen den Schwung des Schlüsselbeins nach und streiften den silbernen Anhänger.
Mit einem Schlag wurde Antonia aus ihrer Benommenheit gerissen. Fluchtartig befreite sie sich aus den Armen ihrer Freundin und fuhr herum. Ihre Rechte schloss sich schützend um das kostbare Amulett. Niemand durfte es ohne ihre Erlaubnis berühren, niemand! Sie war die Hüterin. Es gehörte ihr, ihr ganz allein...
Namenloses Entsetzen erfüllte sie plötzlich, als sie in Binalas Augen blickte, die so klar und tief wie das Meer waren. Bevor die Heilerin sie aufhalten konnte, griff sie sich ein großes Handtuch, packte ihre Kleider und floh Hals über Kopf aus dem Badehaus. Es grenzte an ein Wunder, dass sie in ihrem Zustand den Weg zu ihrem Zimmer fand. Keuchend sank sie auf das große Bett in dem sie so oft mit Legolas geschlafen hatte. Dieser Gedanke vergrößerte ihren inneren Aufruhr Doch ihr Bewusstsein kehrte immer wieder zu dem Scherben um ihren Hals zurück.
Einen kurzen Augenblick lang, hatte sie ein schrecklicher Verdacht durch zuckt. Sie hatte nicht gewusst, wie sehr das Amulett ein Teil ihres Wesens geworden war. Wie verwundbar sie dadurch wurde...
Eine Erkenntnis jedoch erschreckte sie am stärksten: Hätte Binala nicht zufällig das Schmuckstück berührt, befände sie sich immer noch in der Umarmung ihrer Freundin.
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So, jetzt lehne ich mich zurück und warte auf den empörten Aufschrei....
