Intermezzo


Pling-Plong ... Pling-Plong ... Pling-Plong ...

Es war kalt hier. Er versuchte, die Decke enger um sich herum zu ziehen, fand aber nur den Kragen seines Jacketts ... Pling-Plong ... So kalt. Er hatte irgendwas vergessen, das er unbedingt noch erledigen musste ... Pling-Plong ... Wo war nur die Decke? Seine Füße waren auch unbedeckt. Und was, bitte, wollte er noch erledigen? ... Pling-Plong ... Weder seine Arme noch seine Beine fanden die heruntergerutschte Decke. Die Luft war eisig.

Alpha stöhnte und setzte sich auf. Ihm war ja so kalt. Die niedliche interne Uhr (die Tafel war zierliche zwei mal drei Meter groß) zeigte blaue Relativitäten und sechs vergangene Stunden an. Er war so müde. Die Decke, die er in der letzten, unruhigen Stunde gesucht hatte, lag immer noch zusammengefaltet im Bettkasten am Kopfende des Klappbetts. Nicht, dass er sich daran erinnerte, wie er in dieses Bett gekommen war. Oder was er noch machen wollte.

Er hievte sich aus dem niedrigen Bett. Zeit für Frühstück.


Die Küche glich einem Schlachtfeld. Schubladen und Schranktüren standen auf, Utensilien lagen überall verstreut. Die Tasse von gestern und ein Löffel lagen in der Spüle. Eine eingetrocknete Wasserlache vermied eine Suppenwurst um Millimeter.

Wer war denn hier zugange gewesen? Er selbst? Gestern Abend musste es ganz schön schlimm gewesen sein. Alpha räumte Töpfe und Geschirr zurück an ihre Plätze, wischte die Anrichte ab und suchte im Vorratsschrank nach etwas Essbaren. Ausser Kaffeepulver und sechs Teebeuteln Fenchel-Anis-Kümmel fand er nur die Erbswurst auf der Anrichte. Das konnte ja nicht sein.

Aber auch im Lager waren alle Lebensmittelvorräte aus. Nur zwei Tuben Nahrungskonzentrat gab es noch im Notfallpack, das standardmäßig in Bodennähe an der Bank Ost angebracht war.

Selbst Erbsensuppe aus Erbswurst war nicht so schlimm wie die Tuben. Er würde sie sich noch aufheben, bis es nicht mehr anders ging. Aber im Missionsbericht an Ronos würde er sich über die hervorragende, ha! Ausrüstung dieser Station äußern, und das nicht zu knapp. Eine Relaisstation sollte eine Gruppe von vier Agenten für zwei Wochen Stationszeit unterhalten können. Und sofort nach Benutzung wieder aufgestockt werden.

Er ging zurück in die Küche und schnitt sich eine neue Portion Erbsensuppe zurecht.

Eine unaussprechliche Suppe später trug Alpha noch eine Tasse Beuteltee in den Hauptraum. Fenchel war ja noch vertretbar, Kümmel auch, aber in Kombination mit Anis?? Egal, drei Liter Wasser waren Pflicht (Kapitel 8, Absatz 42 des Handbuches: Persönliche Gesundheit des Agenten...), also wurden sie getrunken. Ronos war imstande, die Wasserstände in den Tanks berechnen zu lassen. Den Trick hatte er bei der Einführung einem von Alphas Bekannten gespielt. Die damalige Predigt (Alpha kannte sie allerdings nur aus zweiter Hand) war sehr lang und eindrucksvoll. Der nämliche Rekrut war nie wieder ohne eine volle Dreitliterflasche anzutreffen gewesen.

Der Computer war mit seinen Programmen noch nicht fertig, hatte aber schon beachtliche Fortschritte gemacht. Bis jetzt waren alle Systeme funktionsfähig und fehlerfrei. Zu schade, dass der Script mit der Bank Süd begann und mit Bank Ost weitermachte. Der Countdown zeigte noch zwei ausstehende Tore auf der Bank West. Wenn die Beiden auch in Ordnung waren, war der Rechner vielleicht in einer Stunde fertig.

Pling-Plong machte die interne Uhr. Eigentlich müsste er noch den Generatorraum aufräumen, aber das war erst ratsam, wenn der Rechner sein OK gab. Bei seinem Glück hatte er den ... Generator gerade verschalt, wenn der Computer einen Fehler entdeckte.

Aber da war noch etwas, das er unbedingt tun wollte... Was war es nur? Es hatte irgendwas mit den Computern zu tun... Nein, noch etwas anderes. Computer... Diese eine Trans-Heta-II - Karte war noch kaputt... Aber das hatte Zeit; es betraf kein lebenswichtiges System. Es war irgend etwas anderes.

Er sah sich um. Die Bank West war soweit als möglich repariert, die Küche war aufgeräumt, im Lager gab es keine Unordnung und genauso viel zu essen, auf dem Hauptrechner standen die zwei Transmitter und seine Halblitertasse. Alpha nahm sie und tigerte um den Rechner herum.

Der Computer war bis auf diese eine Karte repariert, und die Diagnose lief. Der Ruheraum sah aus wie ein Schweinestall, aber das war es auch nicht. Bad und Toilette waren in Ordnung, die einzigen Systeme, die nicht ausgefallen waren. Naja, die Lebenserhaltung war auch noch nicht ausgefallen, aber darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Irgendwer konnte auf dumme Ideen kommen. Neben den sanitären Anlagen waren die Zellen für gefährliche Gefangene.

Gefangene..

Cell!


Das Insekt war immer noch mit einem simplen Fesselfeld ruhig gestellt. Alpha hatte ihn am Anfang nicht in Stasis schicken können, da nicht genug Energie da war, um zwei Portale und die Kammer funktionieren zu lassen. Und jetzt...

Alpha schauderte. 12 Stunden unter einem Fesselfeld, ohne sich bewegen zu können... Das war schlimm. Und Cell hatte in der ganzen Zeit nichts zu Essen bekommen. Obwohl Alphas Meinung nach Erbsensuppe auch nicht viel besser war. Aber was sollte es, er hatte leider nichts anderes anzubieten.

Er ging wieder in die Küche und verkleinerte die Erbswurst um ein großzügiges Stück. Als das Wasser im Kessel kochte, rührte er die Paste in einer neuen Tasse zur Suppe. Mit dem Gebräu und einen Teilneutralisator in der Hand ging er in den Gefängnistrakt und zu Cells Zelle.

Er stellte den Neutralisator auf Cells Gesicht ein und meinte im Plauderton: „Tut mir leid, dass ich dich so lange habe warten lassen, aber ich musste erst etwas essbares für dich finden. Ich hoffe, du magst Erbsensuppe." Das Rieseninsekt gönnte ihm keine Antwort „Du kannst jetzt sprechen, wenn du willst."

„Erbsensuppe. Erbsensuppe? Was soll ich mit Erbsensuppe? Deine Energie, die ist viel besser. Rück' sie raus!" giftete Cell und versuchte das Fesselfeld zu sprengen.

Alpha beherrschte sich. Er wäre sicher auch genervt, wenn er einen Tag in völliger Isolation verbracht hätte.

„Na, na, Cell. Ich habe wenigstens daran gedacht, dir etwas zu Essen zu bringen. Und erzähl' mir bitte nicht, dass du unfähig bist, Energie aus oral verabreichten Substanzen zu ziehen. Egal was du bist, direkte Energieübertragung funktioniert nicht für lebendige Wesen."

Cell hatte nicht viel Gesicht zum verziehen, aber das wenige flexible Material wollte wohl Abscheu ausdrücken. „Und wer sagt dir Schwächling, dass ich ein Lebewesen bin? Ich bin Dr. Geros Kreation."

Zumindest diskutierte er. „Nun, die IBftA gibt sich nicht mit Maschinen ab. Maschinen denken nicht. Da wir angewiesen wurden, dich einzusammeln, bist du ein Lebewesen." erwiderte Alpha. „Und egal, wer dich erschaffen hat, in meinem Fall waren zwei Lebewesen dafür verantwortlich, in deinem anscheinend nur eines, du denkst für dich selbst. Willst du nun die Erbsensuppe?"

Der Kämpfer überlegte für eine Weile. „Dann gib sie her, du Schwächling."

Das tat es dann doch nicht. „Mein Name ist Alpha. Und wir unterhalten uns in zivilisierten Tönen, wie ich das sehe." er drehte sich um und ging zur Tür. Cell hielt es aus, bis die Kontaktplatte die Tür zurückzischen liess.

„Alpha, gib mir die Erbsensuppe." Das war schon besser.

Alpha drehte sich in der Tür um, ging aber nicht in den Raum zurück. „Wenn du dich noch zu ein bischen Höflichkeit durchringen könntest, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung."

Das war dem Insekt wohl doch zu viel. Es schwieg, und Alpha wandte sich wieder ab. Erst als er die Hand mit dem Neutralisator hob, um das Fesselfeld wieder voll zu aktivieren, meldete sich Cell zurück. „Alpha, gib mir die Erbensuppe... Bitte."

„Wenn das so ist, Cell..." Alpha hakte den Neutralisator wieder an seinen Gürtel und kam zurück. „Ich kann dich leider aus Sicherheitsgründen nicht vom Fesselfeld befreien, das wäre gegen die Vorschriften." Ausserdem war Alpha nicht wahnsinnig genug zu denken, dass dieser Gefangene sich noch einmal so einfangen liess wie beim ersten Mal... „Ich kann dich also mit der Suppe füttern oder..."

„Kipp' sie mir einfach in den Mund," unterbrach Cell ihn grob.

Alpha zog die Augenbrauen hoch. „Ich glaube, das habe ich nicht richtig verstanden."

„Kipp' mir die Suppe in den Mund!" wiederholte das Insekt. Mittlerweile war der Geruch der Erbsensuppe in der ganzen Zelle verteilt. Alpha fand ihn nicht sonderlich appetitlich. Eher das Gegenteil. Er hatte schon für normale Erbsensuppe nichts übrig. Suppe aus Erbswurst war noch schlimmer.

„Ach, du willst sie nicht haben? Ich bringe die Suppe gleich weg, das ist gar kein Problem, Cell..." er ging wieder auf die Tür zu.

„Kipp' mir die Suppe in den Mund, bitte." rief Cell ihm hinterher.

Alpha entschloss sich, die Szene nicht weiter auszuwalzen. Dafür war ja eigentlich auch Omega zuständig. Aber Cells Art ging ihm auf die Nerven. Er brachte die Suppe zurück und gab Cell, was er haben wollte.

Als die Tasse leer war, blieb er noch für ein bisschen Smalltalk.


„Warum bist du eigentlich in der Zeit herumgesprungen? Das ist doch viel zu gefährlich für Leute wie euch."

Cell lachte. „Was heisst hier „Leute wie euch"? Du bist doch hier der Schwächling!"

„Schwach ist relativ. Wie alt bist du?" erwiderte Alpha. Den Schwächling überging er.

„Ich bin etwa zwei Jahre alt. Was hat das damit zu tun?"

„Nun, ich bin bedeutend älter als du, und habe sehr viel mehr Erfahrung im ... Zeitreisen als du." begann Alpha.

Er wurde von Cell unterbrochen „Na und?" meinte der höhnisch. „Du bist auch ganz schön schwächlich."

Alpha zuckte mit den Schultern. „Dafür, dass ich schwächlich bin, bist du ja der ideale Beweis. Wenn du so viel stärker bist, warum bist du dann nicht frei?" fragte er.

Cell verzog sein Gesicht. „Du bescheißt. Du benutzt Maschinen."

„Das habe ich überhört. Tatsache ist aber, daß ich Erfahrung habe, und du nicht. Oder du," er deutete auf Cell, „wärst nicht hier." Alphas Handbewegung schloß die gesamte Zelle mit ein.

„Ohne deine Maschinen wärst du machtlos gegen mich!" protestierte Cell.

Alpha nickte. „Das kann schon sein. Aber ich kann sie bauen. „Gefährlich" ist nicht unbedingt eine Eingenschaft von „Stark"..."

Pling-Plong, machte die interne Uhr. Gleich darauf folgte der Computer mit dem lautstarken Signal, das Alpha aufwecken sollte, sobald der Hauptrechner mit der Diagnose fertig war. Er stand auf.

„Tja, Cell, die Arbeit ruft. Es war schön, mit dir zu diskutieren. Ich muss leider das Fesselfeld wieder aktivieren. Kann ich noch etwas für dich tun?" Der Rechner heulte und jaulte. „Ich könnte dich in Stasis schicken, dann langweilst du dich wenigstens nicht..."

„Nein!" heulte Cell auf. „Nicht in Stasis!"

Warum regte er sich so auf? Stasis war doch nichts schlimmes. „Ich weiss nicht, was dich an Stasis so stört, unsere Kammern sind..."

„Keine Stasis!" kreischte Cell weiter.

Alpha versuchte es weiter. „Aber die ganze Zeit bei Bewußtsein unter einem Fesselfeld kann doch nicht so interessant sein!"

„Laß' mich frei!" Cell wehrte sich gegen die unsichtbaren Fesseln des Feldes. Ein zweiter Generator lief an, um den ersten Basisgenerator im Blasenmodus zu unterstützen und den zusätzlich benötigten Strom zu liefern. „Stasis" war wohl ein verbotenes Wort bei dem Rieseninsekt. Alpha musste sich schnell etwas einfallen lassen, um ihn abzulenken.

„Ich schalte dir einen Audiokanal zu Hauptraum frei, dann kannst du mithören, was dort passiert. Es ist zwar fast genauso langweilig wie in der Zelle, aber es bietet etwas Abwechslung."

Draußen heulte der Computer weiter, in der Zelle beruhigte sich Cell. „Also gut. Aber nicht in Stasis!"

„Nein, keine Stasis. Ich aktiviere jetzt das Feld. Heute Abend bringe ich dir noch einmal Suppe. Bis dann"

Bevor Cell etwas erwidern konnte, schaltete Alpha den Neutralisator ab und beeilte sich, den plärrenden Rechner von seinem Elend zu erlösen. Trotzdem schloss er die Zelle sorgfältig ab. Mit dem Gefangenen wollte er kein Risiko eingehen.

Nach einiger Zeit schaltete der zweite Generator wieder ab.


Als er den vorprogrammierten Wecker abgestellt hatte, überflog Alpha den Inhalt der Logdateien und war erleichtert, dass keine Probleme ausser der Trans-Heta-II - Karte aufgetreten waren. Auch das Zuschalten des zweiten internen Generators hatte keine offensichtlichen negativen Folgen.

Alpha schaltete den versprochenen Audiokanal in die Zelle frei und ging in die Generatorenhalle, um das Chaos dort aufzuräumen. Eine Stunde später war der Generator West wieder ordnungsgemäß verschalt und der gesamte gestern ausgebaute Elektrikschrott in den entsprechenden Recyclingcontainern verstaut. Der Hauptraum sah auch ganz ordentlich aus, was man vom Ruheraum leider immer noch nicht sagen konnte. Es war Zeit, wieder „Online" zu gehen.

Alpha setzte sich vor die Zustandskontrolle und schaltete die Station mit dem grauen Schalter auf Sprungbereit.

Während er noch die Sicherheitsmechanismen bediente, liefen die vier im Blasenmodus abgeschalteten Basisgeneratoren an und lieferten den Betriebsstrom für die Station.

Kurz darauf war Alpha mit dem Schaltertanz fertig und die Station fiel in acht Richtungen gleichzeitig. Ein heftiger Ruck und die Relaisstation war wieder im sprungbereiten Zustand. Alpha loggte das Ende der Reparaturarbeiten und den neuerlichen Zustandsübergang ein und ging in den Ruheraum, um seine ganz private Unordnung aufzuräumen. Bald würden Piccolo und Vegeta zurückkommen, aber er sollte noch ein bisschen Zeit für sich haben. Als ob eines der ihm nicht unbedingt gut gesonnenen göttlichen Wesen diesen Gedanken gehört hätte, piepste der Transmitter von Tor 1 Nord.

Alpha seufzte und schaltete ihn an. „Hier IBFTARSDBZ 1-A", meldete er sich.