Machtprobe
Kien steuerte zielsicher die Bank Süd an und schüttelte den Kopf als er den unsicheren Haufen aus Lesegerät, Cradle und Kabeln auf dem Rechner bemerkte.
Alpha, mein Junge, zufällig weiss ich, dass solche Anordnungen sehr anfällig sind – für alle Arten von Unfällen. Du solltest besser aufpassen.
Der Agent biss die Zähne zusammen und sagte nichts. Er war fest entschlossen, mehr auf Kiens Finger als auf sein Mundwerk zu achten. Er war zwar mehr oder weniger gezwungen, die Hilfe des minderen Gottes in Anspruch zu nehmen, aber Kiens zweiten – und ungenannten – Punkt auf der Privatagenda des Zufalls wollte Alpha nicht weiter unterstützen als unbedingt nötig.
Kien pflückte den Stapel sorgfältig und aufreizend langsam auseinander und erklärte Alpha dabei ein paar wichtige Sachverhalte. Wenn du vor meinen Zugriffen geschützt sein willst, mein Junge, dann musst du alles sorgfältig planen und noch sorgfältiger ausführen. Allerdings muss ich dich aufklären, dass ich immer einen Weg finde, wenn ich es darauf anlege. Und solche Türmchen sind einfach mehr der süssen Verlockung als ich widerstehen kann. Am Ende seiner Rede war die gesamte Anlage wieder in Ordnung. Kien stellte die Cradle zurück und presste das Lesegerät bedächtig in seine Halterung.
Dann liess sich der Zufallsgott am Rechnersegment Süd nieder und loggte mit einem unmöglich langen Zahlenstrang ein. Das Passwort war noch verwirrender. Aber die ID-Codes, die im Login verschlüsselt waren, liessen Alpha auf Zugriffsberechtigungen der höchsten Ebenen schliessen. Seine Zweifel vermehrten sich rapide. Worauf hatte er sich da eingelassen? Wenn Kien wirklich über die Passworte des zentralen Hauptrechners verfügte...
Kien war unterdessen fleissig dabei, Löschbefehle zu bestätigen – soweit Alpha seine fliegenden Finger verfolgen konnte, mussten gerade die gesamten Logs seiner Mission dran glauben. Kien begann mit dem Einbruch in die Relaisstation und arbeitete sich systematisch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt vor. Gleichzeitig schaltete er ständig die Konsolen um. Eine davon gab an, dass alle Überwachungsmedien in der Station gerade im Pausenmodus seien. Desgleichen hatte er den Logprozess davon überzeugt, dass seine eigenen Zugriffe nicht dokumentiert werden mussten. Weisst du, Alpha, die Rechner der IBftA sind ein einziges Sicherheitsloch. Das solltest du deinem Grossonkel mal sagen. Dein Vorgesetzter wird es dir ja nicht glauben, und wir haben ja ein kleines Übereinkommen in dieser Hinsicht, nicht? Ich werde die Sache nicht anbringen können...
Der mindere Gott jagte über die Tasten wie ein Pianist mit zwanzig fünfhundertundzwölfteln pro Sekunde über die Klaviatur. Das waren die Logs vom Übergang in den Isolationszustand. Dann die erneute Sprungbereitschaft. Ein langer, verschlüsselter Befehl der – aus welchem Grund auch immer – an das Mailsystem erging. Die Logs von Alphas Gesprächen mit seinen Aussenteams.
An deiner Stelle würde ich mir überlegen, ob du nicht doch programmieren lernen solltest, Alpha, mein Junge. meinte Kien unterdessen. Das bisschen Konfigurieren und Skripten ist ja ganz schön, aber deine Batchdateien sind wirklich wild. Ausserdem bist du beim Löschen viel zu vorsichtig. Alles oder nichts, das ist das Ticket. Aber die Scripten... Bist du sicher, dass du nicht für Chaos arbeitest? Das wäre natürlich schön, wir haben sowieso so wenig Kollegen... Aber ein bissen Algorithmik könnte dir wirklich nicht schaden!
Darauf folgten sämtliche von Alphas Shortcuts. Was soll das...? begann er, aber Kien unterbrach ihn, bevor er den Satz beenden konnte. Ich erzähle deinem Computer gerade, dass du erst seit sechsundneunzig Stunden hier bist, sagte der mindere Gott. Und das schliesst alle Dateien mit ein, die nach diesem Datum entstanden sind. er hob die Hände einen Moment lang zum Gestikulieren von der Tastatur und Alpha versuchte den langen Befehlsstring zu entschlüsseln, der sich über drei Konsolenzeilen erstreckte. Das Ding suchte und löschte alle Dateien mit einem Erstellungsdatum jünger als dem Zusammenbruch des Basisportals. Ausser, du willst unbedingt erklären, wie die vier Leutchen bei dir eingebrochen sind?
Das war dann ja wohl die Bestätigung aller kleinen Verdachtsmomente, die Alpha so zusammengetragen hatte. Kien hatte von Anfang an seine Finger im Spiel gehabt. Womöglich hatte er Alpha und Omega sogar diesen Auftrag zugeschanzt. Was sollte das Ganze?
Wenn Kien Chronos auf dem Kieker hatte, konnte er ihn direkt angreifen, das hatte er oft genug getan. Sollte er aber gerade gegen die Congregati arbeiten – und bei den gegenwärtigen Machtverhältnissen unter den grossen Fraktionen war das durchaus wahrscheinlich – stand Chronos selbst nicht direkt auf der Agenda. Seine der IBfuO unterstellte Behörde aber wohl. Und er, Agent der IBftA Alpha, hatte es Kien gerade ermöglicht, auf eine vertrauenswürdige Aussenstelle des Hauptrechners der Basis zuzugreifen. Woher der Gott auch immer seine Passworte bezog, selbst Zufall hatte ein paar Schwierigkeiten zu überwinden, wenn er unbemerkt an den heimatlichen Hauptrechner der IBftA kommen wollte.
Aber wenn das das einzige Probem auf Kiens Strecke war, hätte Zufall sich genauso gut in jede andere gerade unbemannte Relaisstation projizieren können. Mit seinen hochrangigen (wie er wohl an die Logins gekommen war?) Zugriffscodes sollte er keine Probleme haben, sich von dort aus in der Basis anzumelden oder das ein oder andere trojanische Pferd auf anderem Wege einzuschleusen. In der Folge konnte er dann alle Untaten bequem von zu Hause aus erledigen; bis die Systemadministratoren in der Basis die Fehlerquelle gefunden hatten, hätte Kien seine Spuren schon lange verwischt. Zufällig kam der Gott des Zufalls mit allen Computern glänzend aus. Alpha fragte sich warum, da Computer ja eigentlich eher der Ordnung dienen sollten...
Aber in diesem Fall hatte der Gott des Zufalls – der Gott der sechsten Generation, des absoluten Zufalls Kien, wie sein offizieller Titel lautete – es für nötig befunden, Alpha so lange in den Dreck zu treten, bis er keine Möglichkeit mehr hatte, als seine Hilfe anzunehmen. Zumindest liess er Alpha keine vertretbaren Alternativen. Schicksal hatte damit nichts zu tun. Sollte damit nichts zu tun haben, und Alphas Grossonkel liebte seine Freizeit. Wenn Alpha ihn rufen sollte, vor allem wegen einer Lappaille, die keine war, waren die Konsequenzen wahrscheinlich sehr interessant. Die Alternative Kien, die der verkäuferisch geschickte mindere Gott natürlich persönlich anbot, blieb der einzig gangbare Weg. Die Sache stank, aber nach was, das konnte Alpha immer noch nicht nachvollziehen. Das einzig logische Ziel der diversen Aktionen hier war die IBftA.
Kien und Alpha kannten sich durchaus und hatten sich schon vor langer Zeit auf die informelle Anrede unter Kollegen geeinigt – vor allem deshalb, weil Kien jeden duzte, der nicht Schicksal hiess. Und dort liess er die Höflichkeit nur Urd zukommen.
Das war wohl einer der Gründe, die ihn Alphas' Grossonkel so verhasst machten. Alpha selbst war auch nicht bereit, seine Höflichkeit jedes Mal an Kiens vertraulichen Klippen scheitern zu sehen und duzte Kien zurück. Und nach den paar Kien-Aktionen, die er als Aussenstehender oder Randfigur mitbekommen hatte, war er auch nicht bereit, dem Gott des Zufalls mit der ihm als Gott eigentlich zustehenden Höflichkeit zu bedenken.
Nahm man also an, dass Kien es auf Alpha abgesehen hatte, hätte er ihn in der Basis oder bei sich daheim leicht aufsuchen können. Allerdings hätte Alpha dann einen gewissen Schutz durch Werdandi genossen... Sie wusste immer, was sich gerade in jedem Eck des Ravanaversums tat – aber nur, wenn sie es für nötig befand, ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Und er konnte durchaus davon ausgehen, dass er Teil von Werdandis Aufmerksamkeit war. Genauso gut konnte er sich darauf verlassen, dass Kien Mittel und Wege kannte, die Göttin der Gegenwart effektiv abzulenken. Vielleicht mit einem Knallbonbon? Oder einer massiven Explosion in Urds Büro, hervorgerufen durch Alphas von Kien bis aufs Messer gereizten Grossonkel?
Wenn der Zufallsgott nur an Alpha interessiert war, hätte er sich nicht in diese Station projizieren müssen. Wenn er sein Augenmerk auf die IBftA richtete, war er nicht gezwungen, Alpha zu benutzen. Und grundsätzlicher Weise war Alphas Verwandtschaft um einiges einfacher zu finden als er mit seinen diversen Studien überall im Ravanaversum. Blieb also nur noch eine Kombination von Faktoren. Die Möglichkeiten waren für Alpha nicht sehr erfreulich. Kien konnte ihm ab sofort einige abfordern, die nur ein Alpha-in-der-IBftA erfüllen konnte. Und bei diesem Gedanken bemerkte er, dass Kien ihn mit seiner nebensächlichen Bemerkung sehr erfolgreich abgelenkt hatte.
Der Gott des absoluten Zufalls hatte Alphas momentane Unaufmerksamkeit sofort für sich genutzt. Alpha erhaschte nur noch einen flüchtigen Blick auf einen komplexen Befehl, der mit einem lösche den Bildschirm endete. Dann erkannte er nichts mehr, der Monitor wurde schwarz. Kien schaltete wieder auf eine neue Konsole und arbeitete ohne Unterbrechung weiter.
Zu einem was war denn das? liess Alpha sich nicht hinreissen. Aber er konzentrierte sich wieder auf Kien. Der drehte sich nach ein paar von Tastaturklicks erfüllten Minuten wieder zu Alpha um. Ich brauche ein paar neue Logbucheinträge, da du Ersatzteile wie Zuckerperlen verbaut hast, mein Junge. Zuerst für den Isolationszustand der Station mit dem Generator... Kiens Finger flogen und gaben eine lange Zeichenkette aus. 3ml23glch69war-tmp. Was ihr für entsetzliche Bezeichnungen verwendet... Mach' mal. Mit einem Kopfnicken deutete Kien auf die Kommunikationstafel.
Alpha drückte den Logknopf und rasselte den Standardeintrag herunter. IBFTARSDBZ der Interdimensionalen Behörde für Temporale Angelegenheiten, Agent Alpha, Dienstnummer ALPHA-14398-329785-236-IBftA-P. Vorhergenannte Relaisstation zu diesem Datum umgestellt auf isoliert für Reparatur des Generators ... seine Augen suchten noch einmal nach Kiens Bildschirmausgabe, wo war nur der Name des Teils? Ach, da! ... 3ml23glch69war-tmp der Bank West, beschädigt beim versuchten Aufbau eines Basisportals... Er liess den Knopf los und drehte sich zu Kien um. Der war schon wieder mit der Tastatur beschäftigt. Anscheinend wurde die schnöde Tipperei ihm langweilig, denn er fing einen laufenden Kommentar an.
So, das war das Logsegment, mit dem wir die fehlenden Ersatzteile erklären... Und dann kommt die Rückkehr in den Sprungzustand, Alpha, wenn ich bitten dürfte... Der Agent sprach den zweiten falschen Logeintrag und Kien fälschte ihn ein.
Ich habe dir jetzt 24 Stunden im Isozustand gegeben, Alpha, ich hoffe, das reicht? Dann mache ich mal eben mit den Kommunikationssachen weiter... und das fügen wir jetzt da ein, ja, das passt. Fehlt nur noch dies und das und... Kien murmelte weiter vor sich hin, während er Tasten, Schalter und obskure Befehle benutzte um dem Rechner klar zu machen, dass er wusste, dass nichts passiert war. Dann kam er anscheinend an einen Teil, den er wieder mit Alpha teilen wollte. Also, mein Junge, ich habe es schon gesagt: du solltest dich mal etwas mehr mit der Informatik beschäftigen. Die Programmierung deiner Skripten ist ja lausig. Die Ergebnisse der plumpen Arbeit findet ja jeder halbwegs fähige Admin im Handumdrehen. Mathematik ist doch nicht alles... Während Kien ihm noch halbgemurmelte Vorhaltungen machte, hörte Alpha ein eigenartiges Geräusch aus dem Sicherheitsraum. Der Zellentrakt sollte doch schalldicht abgeschlossen sein – Hatte er in seinem zweifelhaften Zustand vor einer Stunde vergessen, die Türen des Traktes abzuschliessen? Mit einem ich bin gleich zurück hastete er in Richtung des Mini-Gefängnisses, gerade als der Gefangene Cell aus der Tür schoss. Jaaa! Jetzt gibt es was zu essen! brüllte der Android lauthals und stürzte geradewegs auf Alpha zu. Der Agent wich ihm geschmeidig aus und gab dem Rieseninsekt eine kleine Hilfe auf dem Weg zum Boden. Dann fiel er in eine stabile Stellung. Das war es, was er eigentlich hatte vermeiden wollen. Warum hatte er auch nicht aufgepasst?
Kien, der die Szene vom Computer aus interessiert verfolgte, murmelte leise Was für ein Zufall und grinste. Er beobachtete die Auseinandersetzung während er den DTL-Comuter manipulierte, was das Zeug hielt. Mit den richtigen Passworten waren die Sicherheitsmechanismen auf diesen Maschinen viel zu leicht auszuschalten. Alpha und Cell waren da schon um einiges unterhaltsamer.
Alpha war unterdessen vollauf mit Cell beschäftigt. Der Android war auf einen Kampf aus, aber der Agent wollte ihn nicht lassen. Er wich ihm aus und schaffte es auch fast, das Insekt mit passendem Manövrieren wieder in den Zellentrakt zu befördern. Der tragbare Fesselfeldgenerator lag unerreichbar weit am anderen Ende des Raums auf der Verkleidung des Süd-Rechners. Sollte das Insekt es schaffen, den Computer physisch zu zerstören, ging ihrer aller Hoffnung auf baldige Rückkehr flöten. Alpha versuchte es also mit verhandeln.
Cell, du bist wirklich nicht daran interessiert, mich zu essen. Ohne mich kommst du hier nicht wieder weg. sagte Alpha. Es war schon eine klassische Eröffnung. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Kien am Computer eine interessierte Augenbraue hob. Zufall würde hier auf keinen Fall eingreifen, das war so sicher wie der nächste Regen.
Der Android war voll auf Alpha fixiert, aber zugehört hatte er nicht. Ich werde dich besiegen und ich werde dich essen, du Wurm! brüllte er und hechtete erneut in Alphas Richtung. Alpha duckte sich und hörte ein lautstarkes Scheppern als Cell an der Wand landete. Er hatte anscheinend nicht genug Luftraum um sich; kontrollierter Flug fiel offensichtlich aus. Eine kleine Erleichterung war es schon. Allerdings würde Cells nächster Angriff mit Sicherheit den Hauptrechner mitnehmen. Und das war etwas, das Alpha auf keinen Fall zulassen würde.
Der Agent machte sich noch einmal mit seinem Raum vertraut, aber das änderte nichts. Jede Linie, die Alpha und das Insekt verband endete irgendwo im Rechner. Während Alpha noch überlegte, sammelte das Rieseninsekt Energien in sich und brüllte beim Aufladen wie am Spiess. Die Luft in der Station wurde merklich kälter, und im Hintergrund sprang einer der Hilfsgeneratoren an, um die Energieversorgung der Lebenserhaltungssysteme sicher zu stellen.
Das war ja interessant. So bezogen die Leutchen also ihre Energie? Das liess eine andere Möglichkeit offen.
Hör' auf! Überbrüllte Alpha seinen ehemaligen Gefangenen. Willst du die ganze Station einreissen?!
Der reagierte nicht und schrie weiter. Vielleicht war er in dem Zustand sogar bewegungsunfähig. Alpha könnte also den Feldgenerator holen und das Insekt so festsetzen. Vorausgesetzt, das Minimalgerät konnte die mittlerweile benötigte Energie liefern. Für schwere Einsätze gab es die dicken Brummer, die Omega und er bei der Verhaftung verwendet hatten. Nur der Stromverbrauch der Dinger war astronomisch. Aber Alpha würde sich nicht freiwillig vom Computer entfernen. Notfalls konnte er Cell auch so aufhalten; die zwei aktiven Tore, die die Relaisstation an zwei genaue temporale Koordinaten banden, würde er nicht riskieren.
Während Alphas Überlegungen hatte das Insekt mit den Versuchen aufgehört, die Station allein durch Schalldruck zu sprengen. Jetzt beäugte es Alpha und erklärte siegessicher: Dich Wurm bekomme ich als Snack vorher, und die anderen hinterher, wenn sie wieder zurück sind! Mit der früher geübten Höflichkeit war es nicht mehr weit her.
Dass du dich da mal nicht verrechnest. antwortete der Agent gelassen. Sei bitte so lieb und geh' in deine Zelle zurück, sonst sammle ich dich ein und schicke dich dann in Stasis. Vielleicht würde Cell sich ja auch so trollen. Manchmal waren ja ein paar intelligente Lebewesen unter ihren Gefangenen.
Diesmal hatte er kein Glück. Du bist doch so schwach wie eine Laus, verkündete Cell im Brustton der Überzeugung. Ich werde dich einfach so zertreten!
Und warum hast du es dann nicht schon geschafft, hm? erkundigte sich Alpha. Es bestand noch die Möglichkeit, Cell am Reden zu halten und ihn zu überzeugen...
Die Tricks kenne ich auch. Aber ich bin stark. Ich bin vieeel stärker als du. Du bist eine Laus. Ich werde dich zerquetschen! prahlte der Android.
Da war mit Reden wohl nichts zu machen. Alpha hasste diese Art von Situationen. Sie endeten immer gleich. Aber was sollte es, wenn ein bisschen Energieverschwendung sich erfolgreich anwenden liess... Das Problem war nur, dass er die Energie nicht ersetzen konnte...
Alpha tat es Cell nach und sammelte Energie aus seiner Umgebung. Das Insekt beobachtete ihn interessiert. Präsenz stand offensichtlich nicht auf der Liste seiner Wahrnehmungsmöglichkeiten, sonst hätte Kien ihn mit einem nebensächlichen Blick geplättet, und Alpha hatte es schon drei Mal versucht und war gescheitert. Aber wenn es eine lumpige Energieansammlung tat...
Als die Umgebungsenergie nicht mehr ausreichte, erweiterte Alpha seinen Zugriffsbereich um eine Dimension. Aus den Hüllenschichten holte er weitere Energien, die er in seinen dreidimensionalen Körper pumpte. Das war eine solche Verschwendung. Mittlerweile hatte er Cells Kräfte schon um ein vielfaches überboten. Der Android starrte ihn mit offenem Mund an.
Alpha stand da und hielt die Energie mit Mühe in seinem Körper. Sie wollte ausbrechen, sich ausbreiten – und dabei genau so viel Schaden anrichten wie ein Cell im Sprung auf Alpha mit dem Endziel Computer.
Willst du jetzt freiwillig gehen? quetschte Alpha aus seinem Sprechorgan. Er durfte die Energie nicht entlassen... Einen undefinierten Zustand wie den seinigen zu halten war kräftezehrend. Das Rieseninsekt starrte weiter. Alpha war nicht ganz klar, warum, aber dann konzentrierte sich wieder in sein gegenwärtiges Äusseres. Ein Bekannter hatte einmal bemerkt, dass ein Dimensionsübergang ihn für begrenzt dimensionale Individuen machte. Also stabilisierte er seine dreidimensionale Gestalt. Damit konnte er sich auch besser verständlich machen, trotzdem die Überladung seines Körpers immer mehr seiner Kontrolle verlangte. Reicht dir das jetzt, Cell? Geh' bitte in deine Zelle und mache es dir auf der Pritsche bequem. Ich komme gleich nach. Sobald er den ganzen Schrott wieder los war, dachte er. Ihm wurde unangenehm warm. Alpha schwitzte.
Die Rede des Agenten kam bei dem Insekt nicht wirklich an. ... was ist denn das? ächzte es. Ich bin das mächtigste Wesen im Universum!
Alpha verdrehte die Augen – die einzige kontrollierte Bewegung, der er fähig war. Warum waren diese ganzen möchtegern-Zeitreisenden denn alle gleich? Wer hat hier behauptet, dass ich in dieses Universum gehöre? erkundigte er sich. Gespeicherte Energien alleine waren also nicht genug, um Cell in die Flucht zu schlagen. Und da er die Energie gerade hier hatte, konnte er sie auch einmal gewinnbringend anlegen. KO war er hinterher sowieso.
Alpha erinnerte sich an eine Gestalt, die er vor einiger Zeit auf einer anderen Mission hatte annehmen müssen und liess einen Schatten davon durchflackern. Cell starrte einen kurzen Moment auf das tentakelige Wesen, dem er jetzt gegenüber stand und rannte in seine Zelle.
Kien quittierte seine Reaktion mit einem trockenen Lächeln.
Das wäre geschafft. Alpha entliess die hinderliche Restenergie und sackte mit einem Seufzer gegen die Kontrollen von Nord. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Machtkämpfe solcher Art waren entsetzlich anstrengend. Nach ein paar tiefen Atemzügen rappelte er sich hoch und sperrte seinen Gefangenen wieder ein. Cell lag glibbernd auf der Pritsche und war zu keiner Aussage fähig. kkkein Mmmensch... oder so etwas ähnliches entschlüpfte ihm halbwegs verständlich. Alpha schüttelte den Kopf. Ich habe nie behauptet, dass ich ein Mensch bin. erklärte er. Cell stierte ihn weiter an. Alpha würde den Androiden mit dem Neuronalisolator bearbeiten müssen, bevor die anderen zurückkamen. Grundsätzlich war ihm der Übergebrauch von Neuronalisolatoren bei der IBftA zuwider. Vorbeugen war immer besser als heilen, und ein fähiger Hypnotiseur konnte auch die Wirkungen der IBftA-Modelle rückgängig machen. Und dann sass das entsprechende Team tief in der Tinte. Aber jetzt ging daran wohl kein Weg vorbei.
Als Alpha in den Hauptraum zurückkehrte, überfiel ihn Müdigkeit wie eine bleierne Decke. Er stolperte zu den Nord-Kontrollen und sackte auf dem Hocker zusammen. Mit ein bisschen Vorfreude wartete er auf einen bissigen Kommentar Kiens, der Alpha, mein Junge, zufällig weiss ich... anführte. Aber es umgab ihn nur Stille.
Mühevoll öffnete er seine Augen. Die Energiekonzentrationsübung hatte ihn geschafft – grundsätzlicherweise war sein Zustand noch schlimmer als vor Kiens auftauchen. Damals war er nur auf der physikalischen Ebene entkräftet gewesen, aber jetzt...
Kien war nicht mehr da. Alpha fokussierte den Arbeitsplatz ihm gegenüber, aber dort war nichts zu finden. Nur ein ordentlich zusammengebautes Lesegerät zeugte von Kiens
