A/N: Hey, da bin ich wieder mit nem neuen Chap...das Update ist, denke ich, noch im erträglichen Zeitrahmen, oder? Wenn's euch zu lang gedauert haben sollte, ein dickes Sorry meinerseits, aber ich hab Schule und muss nebenbei noch an meinem Englischbeleg weiterschreiben. Ich hoffe, ihr habt Verständnis! Wow, also ich war ehrlich baff, so viele Reviews für ein Kapitel zu bekommen! Bin echt hin und weg! Nun denn, diesmal wurden 2 kleine Fragen gestellt, die ich am Kapitelende noch mal beantworten werde! Ich freue mich, dass euch das von mir fabrizierte Zeugs nicht einzuschläfern scheint *lol*
Würde mich über Reviews wie immer sehr freuen!
***
Kapitel 23: Legolas zwischen den Fronten
Ein schwerer Kloß bildete sich in Legolas' Hals, als er seinen Vater vor sich stehen sah. Als Haldir ihm berichtete, Verstärkung aus dem Düsterwald würde eintreffen, hatte er nie und nimmer damit gerechnet, seinen Vater hier, in Lothlorien, wiederzusehen. Tausende von Gedanken rasten durch den Kopf des Elben und so bemerkte er nicht, dass er seinen Vater anstarrte und seit einer halben Ewigkeit keinen Ton mehr von sich gegeben hatte. Was, wenn Celendra auch hier war? Wenn sein Vater von ihm und Lalaithwen erfuhr? Legolas wagte nicht einmal, diesen Gedanken zuende zu spinnen. „Mein Sohn? Was hast du? Freust du dich denn nicht, deinen Vater wiederzusehen? Du siehst mich an, als wäre ich ein von den Toten auferstandener Geist", riss ihn Thranduils beunruhigte Stimme aus seinen Gedanken.
„Ich...entschuldige, Vater, ich hatte nur nicht damit gerechnet, dich hier so bald zu sehen" Diese Entschuldigung entsprach der Wahrheit, obgleich sie auch sehr zweideutig war. Thranduil musterte seinen Sohn besorgt und stellte fest, wie blass sein Gesicht war. „Wir haben sofort auf Loriens Hilferuf reagiert...aber wie konnte das nur geschehen?" Der Ausdruck in Legolas' Augen, der noch immer Überraschung und Verwirrung wiederspiegelte, ließ Thranduil inne halten. Er hielt es für besser, Legolas nicht sofort mit diesem Thema zu belasten, schließlich hatte er schlimme Stunden überstehen müssen und war, wie Haldir ihm berichtet hatte, sogar verletzt worden. „Wie mir scheint, haben dich die Ereignisse der letzten Tage sehr mitgenommen. Lass uns in aller Ruhe darüber sprechen", schlug Thranduil vor und legte einen Arm um die Schulter seines Sohnes, deutete ihm so, mit ihm zu kommen. Legolas warf einen Blick auf Haldir zurück, mit dem der Prinz darum zu flehen schien, Thranduil nichts von Lalaithwen zu sagen. Der Hauptmann der Galadhrim nickte nur knapp, Legolas schloss einen Moment lang die Augen, um sich von der unerwarteten Überraschung zu erholen, atmete tief durch und folgte seinem Vater. Haldir schaute Vater und Sohn lange hinterher und hoffte inständig, dass Legolas vernünftig werden und Lalaithwen, auch wenn er sie sehr gern hatte, entsagen würde.
~*~*~
Thranduils Schultern schmückte ein seidener, silberner Mantel, den eine kunstvoll verzierte Brosche auf dessen Brust zusammenhielt. Er trug ein wahrhaft majestätisches Gewand, nicht zu protzig, aber dennoch vermochte es eine gewisse ehrenhafte Ausstrahlung zu erzeugen. Zu seiner Überraschung bemerkte Legolas, dass sein Vater einen leichten Brustharnisch, von Elbenhand gefertigt, trug, auf dem das Wappen Düsterwalds abgebildet war. Die Zeit des Friedens, für die so lange gekämpft und Blut vergossen worden war, schien nur kurz angehalten zu haben. Thranduil war mit Legolas auf eine der Gartenterrassen nahe der großen Halle gegangen und gemeinsam standen sie nun schweigend nebeneinander, ihre Blicke wanderten in die Ferne, weit über die hohen Baumwipfel Loriens hinweg.
Legolas wagte nicht, ein Gespräch mit seinem Vater anzufangen. Dies erschien ihm so paradox, hatte er doch immer zuvor mit ihm über alles reden können, nicht zuletzt seit seine Mutter verstorben war. Aber er konnte keine Worte formen, denn seine Gedanken kreisten immerzu um Lalaithwen. Er hatte ihr gesagt, sie würden sich in der Halle treffen, aber nun war er auf einer der Terrassen. Sie würde nach ihm fragen, wohlmöglich nach ihm suchen. Und wenn sie seinen Vater erblickte, konnte er sich die Kette von Problemen ausmalen, die folgen würde. Ohne, dass er es selbst bemerkte, entwich ein leiser Seufzer seiner Kehle, was den König Düsterwalds letztendlich dazu bewegte, mit seinem Sohn zu sprechen.
„Es erfüllt mich mit großer Trauer, was geschehen ist", begann er so leise und ohne Legolas anzusehen, sodass dieser zunächst dachte, er hätte gar nichts gesagt, nur das stille Wispern des Windes vernommen, anstelle der Stimme seines Vaters. Legolas wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, zu groß war noch seine Bestürzung über die vergangene Schlacht, zu frisch noch die Wunden, um lange Reden darüber zu führen. Am schlimmsten war aber für ihn die Tatsache, dass es Ranwé gewesen war, der diese Intrige eingefädelt hatte. Ranwé – sein bester Freund. Ob Haldir dies alles schon seinem Vater berichtet hatte? Vertieft in seiner Grübelei schreckte Legolas beinahe auf, als er Thranduils Hand auf seiner Schulter spürte und auch Thranduil selbst erschrak für einen Moment, denn er fühlte, wie kalt sich die Haut seines Sohnes unter dem dünnen Stoff anfühlte. Er war nicht bei ihm gewesen, als er inmitten des Kampfgetümmels gestanden hatte. Und dabei hatte sich der König der Waldelben des nördlichen Düsterwaldes geschworen, seinen Sohn nach dem schrecklichen Ringkrieg nie wieder allein mit einem solchen Blutvergießen zu konfrontieren.
Thranduil fühlte sich auf eine grausame Art und Weise schuldig. Sein Sohn hatte sich nach dem Krieg verändert. Es mochte nur sehr wenigen aufgefallen sein, aber Legolas war nachdenklicher geworden...und auch müder, wie Thranduil vermutete. Er musste es unlängst leid gewesen sein, das Dahinscheiden der alten und schönen Welt mit anzusehen. Die plötzliche Trauer, die das Herz des Waldelbenherrschers mit einem Male gänzlich einnahm, ließ ihn erschauern. Sein Sohn hatte den Blick noch immer auf die Ferne gerichtet. Was mochte er wohl sehen? Sah er die unsterblichen Lande? Sehnte sich sein Herz denn schon danach? Thranduil presste die Lippen zusammen. Legolas ähnelte so sehr seiner Mutter. Die gleichen tiefblauen Augen, in die sich Thranduil in jungen Jahren verliebt hatte, die gleiche blasse, seidenzarte Haut, das gleiche zaghafte Lächeln.
Eine Träne bahnte ihren Weg an Thranduils Wange hinab, worauf Legolas irritiert seinen Vater musterte. „Vater...was hast du? Ist alles in Ordnung?" Diese Worte sprach er wie in Trance. Legolas spürte, wie seine Gedanken ihn langsam wieder aus ihren Fängen befreiten, er fühlte sich, als wäre er in Iluvatars Traumwelt gewandelt, anstatt hier neben seinem Vater zu stehen. „Es ist nichts, Legolas", sagte Thranduil, doch sein Sohn wusste allein beim leisen Klang seiner Stimme, dass dem nicht so war. Legolas ergriff die Hand des Elben und ließ sich mit ihm an einem Gartentisch nieder.
„Du hörst den Ruf der Möwen, habe ich recht?", fragte Thranduil nach einer weiteren langen Zeit des Schweigens. Legolas zögerte, nickte dann aber bedacht. Ja, es stimmte, die Möwen verlangten nach ihm, erfüllten sein Herz mit Sehnsucht nach der See. Aber noch viel intensiver als diese Sehnsucht empfand Legolas die Liebe zu Lalaithwen. Und es schmerzte ihn in seiner Seele, wenn er daran dachte, sie, wie Haldir es ihm riet, loslassen zu müssen. Aber wie würde er es seinem Vater erklären? Dass er eine Diebin einer Elbe aus gutem Hause vorzog und jeglichen Gedanken an eine Hochzeit mit Celendra am liebsten aus seinem Kopf verbannte? Und wie würde er Celendra gegenübertreten? In seiner Verliebtheit zu Lalaithwen, die ihm Flügel zu verleihen schien, hatte er die Konsequenzen eines solchen Treuebruchs nicht in Betracht gezogen.
Sein Vater ahnte noch nichts von dem, was Legolas wirklich bedrückte, aber der jüngere Elb fand nicht die Worte, ihm die Wahrheit zu gestehen. Noch nicht. Nicht sofort, nachdem sie sich nach solche einem schlimmen Ereignis wiedersahen. Thranduils Hand strich fürsorglich über Legolas' Wange. Eine väterliche Geste, die er nur sehr selten für seine Kinder übrig hatte. Umso mehr verstand Legolas den Grad der Ernsthaftigkeit, mit der ihm sein Vater begegnete. Thranduil machte sich Sorgen um ihn. Legolas schenkte ihm ein leises Lächeln. Sein Vater würde enttäuscht von ihm sein und es würde ihm das Herz brechen, das wusste Legolas in diesem speziellen Augenblick mit einer furchteinflößenden Gewissheit.
~*~*~
Langsam trat Lalaithwen auf den Gang hinaus. Das lange, silbrig-weiße Gewand aus feinem Leinen schlang sich elegant um ihre Beine bei jedem einzelnen Schritt, den sie machte. Nach wenigen Metern blieb sie stehen, lehnte seitlich an einem der mächtigen Mallornbaumstämme und lauschte den Vögeln, die ihr leises Frühlingslied zwitscherten. Die Sonne stand schon recht hoch und überall dort, wo ihre goldenen Strahlen hinreichten und jeglichen Schatten der Nacht schrumpfen ließen, war es angenehm warm. Laith' Arm schmerzte wirklich furchtbar. Obwohl der Pfeil nur sehr klein gewesen war, hatte er sich tief in ihr Fleisch bohren und größeren Schaden, als sie es sich je auszumalen gedachte, anrichten können. Wie eine solch tückische Waffe, von Orkhand gefertigt, einen sonst so starken Elben niederstrecken konnte! Als sie hinauf zu den Baumkronen sah, durch die das helle Licht der Frühlingssonne drang, wurde die junge Elbe von einem unerwarteten Schwindelanfall übermannt.
Vor ihren geschädigten Augen drehte sich alles und ihr Herz raste in ihrer Brust. Überrascht von dieser plötzlichen Rebellion ihres Körpers, klammerte sich Lalaithwen an dem Baumstamm fest, bis dessen Borke durch die Intensität ihres panischen Festkrallens abbröckelte und zu Boden fiel. Sie hatte das dringende Gefühl, sich übergeben zu müssen, ihr war, als übte etwas einen enormen Druck auf ihren Brustkorb aus. Laith schloss ihre Augen und biss sich, um Fassung ringend, auf die Unterlippe. Dies tat sie so fest, dass Blut aus der kleinen Wunde sickerte. Dann, mit einem Male, war das Schlimmste vorüber. Der Druck auf ihrer Brust und ihrem Bauch ließ geringfügig nach und mit einem erschöpften Seufzer lehnte sie ihren Kopf gegen den Baum, versuchte, zu einem gleichmäßigen Atemrhythmus zurückzufinden. „Oh, dass dieser reinblütige Elb immer recht behalten muss", wisperte sie zu sich selbst, als schließlich auch der Schwindel nachließ.
„Vielleicht hätte ich es doch noch nicht übertreiben sollen", sprach sie dann weiter mit sich selbst und blickte unschlüssig zurück zu ihrem Gemach. Sie war noch sehr geschwächt aufgrund des Orkgiftes und...nun, die vergangene Nacht hatte schließlich nicht unbedingt dafür gesorgt, dass sie jegliche körperliche Anstrengung vermied. Wieder grinste sie unwissentlich bei diesem Gedanken, stieß noch einen Seufzer aus und ging sehr langsam den Weg entlang, eine Hand suchte immer Halt an einem der unzähligen Bäume, die parallel zu dem schmalen Weg wuchsen.
Sie musste mit Helthon und Sûrathiel reden. Sie musste sich entschuldigen dafür, dass sie sich undankbar von ihnen hatte losreißen wollen, als sie erfuhr, dass keiner der beiden ein leiblicher Elternteil von ihr war. Ja, sie hatte einfach alles vergessen wollen, woran sie sich die ganzen Jahre über geklammert hatte: Ihre Familie. Lalaithwen gestand sich ein, dass es äußerst dumm von ihr gewesen war, einen solchen Gedanken zu hegen. Aber ihre Wut und ihre Enttäuschung hatten sie so weit getrieben. Und Wut konnte so vieles anrichten, was man nachher bereute. Mühsam ging die Elbe voran, näherte sich Stück für Stück der großen Halle Caras Galadhons, in der so viele Verwundete verpflegt wurden und wo nahebei die Toten aufgebahrt lagen. Lalaithwen hatte Filegon nicht mehr gesehen, seit dem Tag des unerwarteten Angriffs und der Gedanke, ihren Herzensbruder Filegon leblos zu sehen, versetzte sie in große Furcht. Aber ihre Eltern würden an seiner Seite weilen und um ihn trauern. Und sie musste einfach bei ihnen sein. Denn sie war ein Teil der Familie. Sie hatte Legolas nichts davon gesagt, aber Lalaithwen war sich sicher, dass er wusste, dass sie bei ihren Eltern sein würde.
~*~*~
„Wer hätte gedacht, dass ein alter und zerbrechlicher Mann wie du so schwer ist?", fauchte einer der Orks, der von Shigh ausgeschickt worden war, Pernoth auszusetzen. Ohne länger zu zögern und mit einer verächtlichen Rücksichtslosigkeit warf er den Menschen von seiner krummen Schulter, sodass Pernoth mit einem schwachen Aufschrei auf dem harten Waldboden aufschlug und sekundenlang regungslos liegen blieb. Der im Schatten liegende, lehmige Boden und daraufliegende Blätter machten es dem Mann schwer, zu atmen, da die Luft zu feucht und der Schmerz des Aufpralls zu lähmend war. Ehe Pernoth auch nur versuchen konnte, seine Gedanken zu einen, spürte er einen harten Tritt gegen die rechte Seite, doch er konnte nicht schreien. Jeglicher Laut blieb ihm in der Kehle stecken und nichts als ein unhörbares Keuchen drang aus seinem Mund. Sie hatten Pernoths Augen und Hände verbunden, damit er sich, im Falle, dass er tatsächlich überlebte, nicht orientieren konnte. Doch trotzdem hielt er zudem die Augen fest verschlossen. Allein um die unerträglichen Schmerzen in seinen alten Gliedern ertragen zu können.
Lichtpunkte tanzten vor seinen geschlossenen Lidern, wechselten einander ab mit den Schatten. Pernoth fühlte sich einer Besinnungslosigkeit näher denn je, Schmerz raste mit jedem kräftezehrenden Atemzug durch seinen Körper und er hörte, wie das Blut in seinem Kopf im steten und heftigen Klopfen seines Herzens pochte. Ein ungeheures Gewicht stützte sich unerwartet auf seine Brust, klemmte ihm die Lungen ab, ließ ihn um jeden Hauch Atemluft flehen und betteln. Doch der Ork, der seinen Fuß auf Pernoths Oberkörper gestellt und sich mit seinem gesamten Körpergewicht über ihn gelehnt hatte, fuhr fort mit seinem grausamen Spiel.
„Was winselst du wie ein Hund, alter Mann? Ich kann dich nicht verstehen" Um seinen peinigenden Worten Nachdruck zu verleihen, schob der Ork seinen Fuß ein Stückchen höher, hinauf zu Pernoths Kehle. Er konnte nicht mehr, als ein Röcheln von sich geben, der weiche und noch immer regennasse Boden unter ihm hüllte ihn in ein klammes Gewand aus Erde und feuchtem Gras, als ihn der Ork fester zu Boden presste.
„He, lass das, du Idiot, wir haben eindeutige Anweisungen...wir sollen ihn laufen lassen und nicht töten!", grunzte der zweite Ork und schaute sich unsicher um. „Was macht es schon für einen Unterschied, ob er jetzt stirbt oder von wilden Tieren in der Nacht zerfetzt wird?", lachte der andere und genoss das Gefühl, wie sich Pernoth schwach unter seinem Gewicht wand, „Sieh, er suhlt sich wie eine Sau im Schlamm...es kontrolliert doch niemand, wie er tatsächlich sterben wird...also lass mich ein wenig Spaß an seiner Folter haben" Doch der zweite ließ sich nicht überreden, sondern stieß seinen erbärmlichen Artgenossen weg von dem am Boden liegenden, wehrlosen Mann. „Spinnst du? Es ist helllichter Tag, die verdammte Sonne brennt in meinen Augen und du hast nichts besseres zu tun, als ein armes Würmchen wie den da zu töten? Ich will schleunigst weg hier, lass ihn liegen, soll er doch verrotten, wo er jetzt liegt! Ich habe jedenfalls keine Lust, von diesen stinkenden Elben aufgegriffen oder erschossen zu werden!"
Pernoth nahm nur entfernterweise wahr, wie sein Peiniger endlich von ihm abließ und sich dem Willen des anderen, wenn auch nur trotzig, fügte. „Seit wann bist du so eine Memme?", röhrte der Ork dem anderen als Antwort entgegen und der alte Mann hörte, wie sich die fauchenden Stimmen immer weiter von ihm entfernten, bis sie letztendlich nach und nach verklungen. War er allein? Pernoth konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Sie hatten von Elben gesprochen. Wenn diese reinen Geschöpfe tatsächlich noch ihre Grenzpatrouillen in Lorien ausschickten, hatte Pernoth vielleicht noch eine Chance auf Rettung. Die aufkeimende Hoffnung in seinem Herzen wurde jedoch abrupt erstickt, als er versuchte, sich zu bewegen. Nicht nur der glitschige Untergrund hinderte ihn daran, sich ein wenig aufzurichten, sondern auch der Schmerz, der immer schlimmer und intensiver zu werden schien.
Irgendwo in der Nähe hörte er eine Lerche ihr einsames Lied singen. Die Möglichkeit, dass er überlebte, war mehr als gering, dessen war sich der Kaufmann aus Seestadt vollends bewusst. Aber er hatte immer noch die Wahl: Würde er hier im Schatten regungslos liegen bleiben, bis ihn ein wildes Tier als seine Beute auserkor oder ihn Hunger und Durst zu Grunde richteten? Oder würde er sich ein letztes Mal überwinden, seine Kräfte sammeln und wenigstens versuchen, zu überleben? Er mochte ein Mensch sein. Er mochte alt sein. Aber Pernoth war eines nicht: ein Mann, der einfach so aufgab. Er biss die Zähne fest zusammen und rollte sich, das Nachgeben seines gebrochenen Armes ignorierend, auf die Seite. Allein diese Bewegung war so kräftezehrend, dass Pernoth schwindelig wurde und ein stechender Schmerz seine Lungenflügel durchfuhr, als sich diese mit der feuchten Luft des Waldbodens füllten. „Muss...durchhalten...muss...weiter...weitermachen...", stöhnte er dann und robbte langsam über den weichen Boden, bis er gegen den Stamm eines jungen Baumes prallte. Sein rechter Arm, der bei dem heftigen Aufprall zuvor gebrochen und somit weitgehend unbrauchbar geworden war, rebellierte heftig gegen Pernoths vergeblichen Versuch, seine Lederfesseln an den Handgelenken durch das Reiben gegen den festen Stamm des Baumes zu lösen.
„Nicht...aufgeben...durchhalten", flüsterte er sich selbst zu, doch die Worte, die ihn selbst ermutigen sollten, erreichten kaum sein Ohr. Zu betäubend waren die Schmerzen, zu nachgiebig der Boden, als dass Pernoth seine Umgebung oder seine eigenen Worte hätte wahrnehmen können. „Was uns nicht...nicht umbringt...das macht uns...stärker...hat mein Vater immer zu mir...gesagt", keuchte er weiter, holte so tief Luft, wie es seine gepeinigte Lunge zuließ und schob seine Handgelenke wieder und wieder über die unebene Rinde eines Astes. Die Fesseln waren nicht wirklich fest, aber der Schmerz in seiner Elle hinderte ihn daran, die Geschwindigkeit seiner Bewegungen zu erhöhen. Pernoth war nahe daran, aufzugeben, als er bemerkte, wie die Stunden des Tages dahingingen und die Sonne wanderte, den Wald in einen immer größeren Schatten hüllte.
Der Mann war kurz davor zu verzweifeln, als unvorhergesehen der Lederriemen um seine Handgelenke mit einem reißenden Geräusch nachgab und Pernoths Hände nach langer Zeit wieder frei waren. Doch mit der Freiheit kehrte der beißende Schmerz zurück.
Pernoth weinte. Sein Arm fühlte sich an, als wäre er in Stücke gerissen worden und wenn er spürte, wie sich der gebrochene Knochen ziellos darin bewegte, überkam ihn eine furchtbare Übelkeit. Die Pein war so übermächtig, dass er weder die aufkommende Kälte um sich herum wahrnahm, noch fühlte, wie warmes, dickes Blut über sein Gesicht rann. In seiner Verzweiflung und Verwirrung dachte er nicht daran, die Augenbinde mit seiner gesunden Hand zu lösen. Stattdessen robbte er orientierungslos weiter. Nach jedem zurückgelegten Meter, der für ihn qualvoll erschien wie hunderte von Meilen, unterbrach er seine mühselige Vorwärtsbewegung, um nach Luft zu schnappen. Die Natur schien kein Erbarmen für ihn zu haben. Der Wind, obgleich er am Waldboden bei weitem schwächer war als über den Baumkronen, ließ ihn frieren und erzittern, als er Stück für Stück tiefer in den Wald kroch.
Er blutete heftiger, als ihn dorniges Gestrüpp der Sträucher am ganzen Körper streifte und ihm das Gesicht wie eine wildgewordene Katze zerkratzte. Mit jeder Minute, die quälend langsam verstrich, verlor Pernoth immer mehr die Hoffnung. Wenn erst die Abenddämmerung einsetzte, würde er verloren sein. Schweiß rann an seinem Gesicht und seinem Nacken herab, vermengte sich mit dem Blut und erzeugte ein peinvolles Brennen. Immer wenn ein kalter Luftzug über ihn strich, spürte er einen unangenehmen, eiskalten Schauer über seinen schmerzenden Rücken laufen. Doch er kämpfte, wollte nicht wehrloses Aas für dunkle Kreaturen sein. Fast schon benommen von der nicht enden wollenden Qual zwang er sich weiter vorwärts, ein Ast riss ihm die Augenbinde herunter, nur ein kleines Stückchen weiter links und Pernoth hätte sein rechtes Augenlicht für immer verloren. Schwer atmend rutschte er einen kleineren Abhang herunter und landete dabei so unbeholfen auf seinem rechten Arm, dass er nur noch Sterne vor den Augen sah.
Pernoth glaubte, dass er einen Schrei ausstieß. Seine Vermutung bestätigen konnte er nicht. Dafür waren seine Sinne zu sehr geschwächt, seine Wahrnehmung getrübt. Als er, sich vor Schmerzen windend, gekrümmt auf dem Waldboden lag, wünschte sich Pernoth nichts sehnlicheres, als zu sterben. Damit die Schmerzen endlich aufhörten. Blut sickerte aus seinen Mundwinkeln und tropfte herab. Pernoth war müde, so unendlich müde. Und ihm war kalt. Vielleicht würde er einfach einschlafen und nie wieder aufwachen. Nie wieder dieser unerbittlichen Folter ausgesetzt sein. Eine letzte Träne sammelte sich in seinem Augenwinkel, bevor Pernoth das Bewusstsein verlor. Das letzte, was er hörte, bevor all seine Sinne schwanden, war das Rufen einer klaren und hellen Stimme. Die Stimme eines Elben!
~*~*~
Filegon lag aufgebahrt in einem kleinen Raum. Sein Totenbett war nach lothlorischer Tradition mit Mallornblüten verziert, einige Kerzen waren entzündet worden, hüllten die stille Kammer in eine warme Dunkelheit. Helthon saß neben seinem toten Sohn, hielt die Hände in seinem Schoß und hatte den Blick gesenkt. Sûrathiels Kopf lehnte an Filegons Schulter. Anhand ihrer glasigen Augen wurde Lalaithwen bewusst, dass sie schlief, doch trotzdem konnte sie noch die Bahnen ihrer Tränen auf Sûrathiels Wangen erkennen. Die junge Elbe hielt inne, als sie durch den offenen Türspalt in Filegons Totenzimmer schaute. Sie überlegte ernsthaft, ob sie nicht doch besser kehrtmachen sollte, einen anderen Moment finden würde, um mit ihren Eltern, oder zumindest ihrem Vater, reden zu können. Aber dann würde sie weglaufen, wie zu oft davor. Sie würde etwas tun, was Filegon an ihr regelrecht verabscheut hatte und das wollte sie nicht.
Lautlos trat sie in das Zimmer ein und räusperte sich verhalten, worauf ihr Vater überrascht den Kopf hob und Lalaithwen anschaute. „Darf ich?", wisperte sie kaum hörbar und deutete auf einen Stuhl neben Helthon, der hastig nickte und sich erhob, um ihr behilflich zu sein. „Laith...meine Laith", murmelte er dann und seine Stimme klang so, als wäre ein Wunder geschehen, „Man sagte mir, du seiest noch viel zu schwach, um dich auf den Beinen zu halten", fuhr er mit gedämpfter Stimme fort und half ihr, sich neben ihn zu setzen. „Eigentlich sollte ich auch noch nicht hier herumspazieren", entgegnete sie zaghaft, „aber...aber ich wollte mit euch...oder...besser mit dir reden" Ihr Blick ruhte auf ihrer schlafenden Mutter.
„Das freut mich sehr" Helthon musterte seine Ziehtochter eindringlich, was Lalaithwen ein wenig unangenehm war. „Er sieht aus, als würde er schlafen", flüsterte sie und strich mit einer Hand über Filegons Wange. Sie erschrak ein wenig, als sie die kalte Haut unter ihren Fingerspitzen fühlte. Ein seliges Lächeln ruhte auf den toten Lippen ihres Bruders und Trauer erfüllte von Neuem Lalaithwens Herz. „Er hat dich sehr geliebt, Lalaithwen", sagte Helthon nach einer längeren Pause und als sie ihn ansah, lächelte ihr Vater, „Ja...das hat er wirklich", fügte er leise hinzu und schluckte schwer. „Ich habe ihn auch geliebt, ada, ich werde ihn ewig lieben, wie einen Bruder. Und euch wie Eltern", antwortete sie unter Tränen. Helthon lächelte gerührt und streichelte durch ihr langes, im Kerzenlicht golden schimmerndes Haar und küsste sie auf die Stirn, nahm sie väterlich in die Arme. Lange saßen sie so da, weinten Schulter an Schulter, teilten ihren Schmerz, ihre Trauer. „Es tut mir leid, dass ich so kalt zu euch war...obwohl ich euch dankbar hätte sein müssen", murmelte sie in den Armen ihres Vaters, als sie endlich wieder zu ihrer Stimme zurückgefunden hatte.
Helthon erwiderte zunächst nichts, strich nur wieder und wieder ihre widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. „Es tut uns leid, dass wir dir die Wahrheit so lange verschwiegen haben", wisperte er ihr dann zu und sie nickte langsam. „Vergessen und vergeben?", murmelte sie vorsichtig und brachte Helthon nach so langer Zeit zum Lächeln. „Vergessen und vergeben", wiederholte er ihre Worte. „Wie gern würde ich wollen, dass Filegon uns alle als Familie vereint sehen würde...", lächelte sie dann traurig und umfasste die kalte Hand des jungen Elben. „Ich bin sicher, dass er es tut...dass er bei uns ist...in diesem Moment", sprach Helthon tröstende Worte. Er schwieg einen langen Augenblick lang, schaute seiner Tochter in die tränennassen, blauen Augen. „Verrätst du mir etwas, Lalaithwen?", hauchte er dann leiser als zuvor und überrascht und neugierig blinzelte sie ihren Vater an: „Was immer du wissen willst", lächelte sie, aber noch im selben Moment wünschte sie sich, das eben nicht gesagt zu haben. Sicher, er war ihr Ziehvater und sie war überglücklich, mit ihm gesprochen zu haben, aber andererseits schnürte ihr der Gedanke an die vorangegangene, mit Legolas verbrachte Nacht, die Kehle zu. Alles musste er nun wirklich nicht wissen. Aber vielleicht wollte er auch auf etwas ganz anderes hinaus.
„Wie habt ihr beiden euch all die Jahre ohne uns durchgeschlagen?", fragte er und Lalaithwen wollte zunächst erleichtert aufatmen. Gesprächsthema war also nicht der ominöse, adlige Elb aus dem Düsterwald, den ihr Vater vermutlich gar nicht kannte. Aber es war etwas anderes, das nun den Schweiß auf Lalaithwens Stirn zurücktrieb. „Ich...ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll...", stammelte sie überrascht, „Ich will nicht, dass...dass du schlecht von uns denkst...oder...es irgendjemandem erzählst", fuhr sie fort und Helthons Augen weiteten sich verwundert. „Was? Was ist denn? Lalaithwen, egal, was du mir jetzt sagen wirst, es wird nichts daran ändern, dass ich dich wie meine eigene Tochter liebe...nichts vermag das zu vollbringen"
„Bist du dir da sicher?", argwöhnte Lalaithwen zögerlich, worauf er lächelnd nickte. „Na gut...Filegon...Filegon und ich...wir...wir...haben...Leute bestohlen...", sie senkte schuldbewusst das Haupt, doch Helthon umfasste ihr Kinn und zwang sie so, ihn anzusehen: „Ihr wart Diebe?", fragte er ungläubig und seine Augen verrieten seine Fassungslosigkeit. „Wir wussten weder ein, noch aus, Vater...es ist zu spät, ich kann es nicht mehr ändern"
Der Elb musterte sie nachdenklich, nickte dann aber unerwarteterweise. „Meine Kinder waren Diebe...", wisperte er fassungslos, „...und das alles, weil wir euch im Stich gelassen haben", murmelte er tonlos, doch Lalaithwen schüttelte den Kopf. „Nein,...ihr beide seid die letzten, die Schuld daran tragen...wir waren für unser Handeln allein verantwortlich, es tut mir leid", warf sie ein und stand geschwind auf.
„Wo willst du hin? Bleib doch noch bei mir", bat er, aber sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich...ich habe versprochen, den Heilern in der großen Halle zu helfen. Aber...wir sehen uns heut Abend?" Helthon nickte daraufhin und ließ sie gewähren. Lalaithwen warf einen letzten, traurigen Blick auf ihren Bruder und verließ dann den Raum. Sie hatte nicht gelogen, sie würde den anderen helfen, so sehr sie dazu in der Lage war, aber sie ging auch deshalb, weil sie sich vor ihrem Vater schämte.
~*~*~
Sie hatten nicht mehr viel miteinander gesprochen, aber es war auch nicht von Nöten. Vater und Sohn verstanden sich auch ohne Worte. Legolas hatte aber nicht den Mut gefunden, genauer auf die Regenschlacht einzugehen. Weder hatte er Thranduil von Lalaithwen erzählt, noch von Ranwé, der ihretwegen nach Rache gesinnt hatte. „Es war töricht von uns, zu glauben, dass nach dem Ringkrieg vollkommene Ruhe herrschen würde", sagte Thranduil, „Aber das Wunschdenken ist manchmal stärker, als man glaubt. Ich habe eine Streitmacht zusammengestellt, nicht sehr groß, aber dennoch stark genug, um das erbarmungslose Getier aus Lorien zu vertreiben. Haldir sagte mir, dass wir mit einem baldigen Zweitschlag rechnen müssen...und ich habe so sehr darauf gehofft, den letzten Tropfen Blut vergossen zu haben"
Legolas nickte und folgte seinem Vater den Weg entlang zur großen Halle. Lalaithwen würde dort höchstwahrscheinlich auf ihn warten und dieser Gedanke stürzte Legolas in eine tiefe Besorgnis. Der jüngere Elb schwieg hauptsächlich, hörte seinem Vater zu, wie dieser über Haldirs Kriegsplan redete, aber viel mehr beschäftigte ihn der Gedanke an Lalaithwen. „...wissen wir nicht den genauen Zeitpunkt...Legolas? Legolas, hörst du mir überhaupt zu?", erklang dann die besorgte Stimme Thranduils. „Ja...ich...entschuldige, ich war nur...", begann Legolas unsicher, aber sein Vater missverstand diese seltene Nervosität seines Sohnes und fiel ihm ins Wort: „Natürlich, wie konnte ich nur so selbstbezogen sein? Sicher schweifen deine Gedanken um deine schöne Verlobte" Thranduil lächelte. Und Legolas wollte schreien.
„Ich...äh...ja...in gewisser Weise schon, aber..." Noch ehe Legolas weitersprechen konnte, legte ihm Thranduil die Hand auf die Schulter und sah ihn ernst an. „Mein Sohn...ich weiß, dass sie dir viel bedeutet...und ich...ich wollte dir nur von Vater zu Sohn sagen, dass ich stolz auf dich bin."
„Vater..."
„Ich weiß, Legolas, ich weiß...ich sage so etwas nicht oft und ich denke auch, dass es mir nicht unbedingt liegt, immer die richtigen Worte zu finden. Aber ich wollte dir sagen, dass ich glücklich darüber bin, dass Celendra meine Schwiegertochter werden wird" Legolas' Magen verkrampfte sich unwillkürlich und der Drang, alles, die gesamte Wahrheit, einfach herauszuschreien, war in ihm größer denn je. „Sie ist eine bezaubernde junge Dame. Mit ruhigem Gewissen werde ich mein Königsamt alsbald in deine Hände legen können, mein Sohn" Legolas' Augen weiteten sich. Das konnte doch nicht wirklich sein Ernst sein! Thranduil lächelte, den verblüfften Gesichtsausdruck des Elben falsch interpretierend, und deutete ihm, weiterzugehen.
„Umso mehr wird es mich freuen, das Glück in deinen Augen zu sehen, wenn du deine Verlobte in die Arme schließen wirst! Deine Mutter wäre so glücklich, wenn sie dich so sehen könnte", sagte Thranduil erfreut und geleitete seinen Sohn in die Halle. `Dem wäre ich mir aber nicht mehr all zu sicher´, dachte sich Legolas und biss die Zähne zusammen. „Wo...wo ist sie denn jetzt? Wer ist bei ihr im Düsterwald?", fragte er aus einem ganz anderen Grund besorgt, als den, den sein Vater gedachte. „Im Düsterwald?", wiederholte Thranduil gespielt erstaunt und schwang die große Hallentür auf, trat hinein und ließ Legolas folgen, „Sie ist mit mir hier her gekommen"
Nein! Bei Eru, das durfte doch nicht wirklich passieren! Legolas blieb abrupt am Halleneingang stehen, sein Herz schlug ihm bis zum Halse, seine Hände zitterten. „Aber wieso?", fragte er und verdammte sich selbst dafür, dass seine Stimme so panisch klang. Thranduil hob die Braue und lächelte dann in sich hinein. „Weil sie keine Ruhe geben wollte. Sie hat sich große Sorgen um dich gemacht, mein Sohn. Nicht die überzeugendsten Argumente konnte ich für ihr Bleiben in der Heimat vorbringen, sie ließ sich nicht daran hindern, dir zu folgen, obgleich die Wälder eine große Gefahr bedeuten können." Legolas atmete schwer und schaute sich aus den Augenwinkeln heraus in der großen Halle um, suchte nach Lalaithwen. Sie durfte nicht auf seinen Vater oder gar auf Celendra treffen, das wäre viel zu viel für sie zu verkraften gewesen. Der Elb verspürte eine beklemmende Angst in seinem Herzen erwachen. Warum hatte er ihr nur sein Heiratsversprechen gegeben?
Lalaithwen konnte er nirgendwo ausmachen und seine ernste Miene entspannte sich ein wenig. Er trat mit seinem Vater zwischen den Heilern und den Verwundeten durch die Halle. Sekunden kamen Legolas wie endlos lange Stunden vor und mit jedem Atemzug hoffte er inständiger, dass Lalaithwen Celendra nicht gesehen oder gar getroffen hatte.
„Legolas, oh Liebster, endlich, nach so langer Zeit...", hörte er Celendras Stimme ganz aus der Nähe rufen und mit panischem Entsetzen wand er sich um, sah seine Verlobte mit offenen Armen auf ihn zustürmen. Er konnte nichts tun, sie umarmte ihn stürmisch, presste ihren Kopf gegen seine Schulter, ihre Arme umfassten seinen Oberkörper so fest, dass Legolas vor Schmerz aufschreien wollte. Seine geprellte Rippenpartie machte ihm immer noch Probleme. „Endlich bist du wieder bei mir...wo du hingehörst", lächelte sie ihn mit Freudentränen in den Augen an, doch Legolas empfand nichts in diesem Moment. Absolut gar nichts. Kein warmer Schauer durchlief seinen gesamten Körper, wie wenn Lalaithwen ihn berührte, kein Kribbeln spürte er. Nichts. Mit Entsetzen stellte Legolas fest, dass er sich all die Jahre, bevor er Lalaithwen kennen lernte, selbst betrogen hatte. Er liebte Celendra nicht. Nie war es ihm so bewusst, wie in jenem Augenblick.
„Was siehst du mich so überrascht an? Oh, wie ich dich vermisst habe", fuhr sie dann freudenstrahlend fort, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen heftigen, langen Kuss auf den Mund. Legolas kniff die Augen zusammen, betete, dass dieser Überfall doch endlich enden mochte. Doch als er seine Augen nach dem nicht enden wollenden Kuss von ihr öffnete, sah er, dass Lalaithwen am Halleneingang stand und mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck zu ihm herüberschaute. Er sah, wie sie schwer schluckte und fühlte kaum, wie Celendra sich wieder an ihn schmiegte. Er starrte Lalaithwen lange an, seine Lippen formten flehende, um Entschuldigung bittende Worte. Langsam, nur sehr langsam senkte Lalaithwen den Blick, wandte sich dann geschwind um und während sie schnellen Schrittes die Halle verließ, hätte sie beinahe einen eine Wasserschüssel tragenden Heiler umgerannt.
„Es tut mir so leid", wisperte er und wollte nichts sehnlicher, als Lalaithwen folgen. Aber Celendra hielt ihn fest. Zu fest. Fragend blickte sie zu ihm auf. „Was tut dir leid, Liebling?"
Doch Legolas zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf: „Nichts, verzeih, ich war in Gedanken"
~*~*~
Lalaithwen musste da weg. Einfach ganz weit weg. Nachdem sie mit ihrem Vater gesprochen hatte, war sie in die Halle gegangen. Und hatte sie gesehen: Celendra. Wie sie Legolas küsste. Es versetzte der kleinen Elbe einen heftigen Stich ins Herz, daran zu denken. Nichtsahnend war sie in die Halle gegangen, weil sie ihn treffen wollte. Und stattdessen hatte sie seine Verlobte gesehen. Seine durch und durch schöne Verlobte. An ihr war alles so perfekt, ihr langes, schwarzes Haar, ihre anmutige Figur, alles. Einfach alles.
Was tat sie denn plötzlich hier in Lothlorien? Warum musste Laith' Glück so schnell ein Ende haben? Es tat ihr so weh, so unglaublich weh, ihn zusammen mit ihr zu sehen. Lalaithwen lief, bis ihr Körper sie daran erinnerte, dass er eigentlich noch geschont werden musste. Sie strauchelte und stürzte nach vorn, konnte sich aber noch rechtzeitig an einem Baumstamm festhalten. Tränen fielen wie Regentropfen aus ihren Augen, landeten auf dem festen Boden der Vorterrasse. Ihre Hände zitterten, ihr Atem ging viel zu rasch.
Lange stand sie da, an den Stamm des Baumes gelehnt, weinend und schluchzend. Nach einer geraumen Zeit, die Lalaithwen nicht ausmachen konnte, hörte sie Hufgetrappel ganz in der Nähe. Schnell wischte sie sich die Tränen aus den Augen und schaute auf. Im warmen Licht der Spätnachmittagssonne erblickte sie zwei Reiter. Es war Iorelass und ein anderer Elb, den sie nicht kannte. Verwundert näherte sie sich langsamen Schrittes den beiden und erst dann entdeckte sie, dass Iorelass einen verwundeten Mann auf seinem Pferd trug. „Was ist geschehen?", fragte sie überrascht, als Iorelass eilig vom Pferd sprang und den Mann auf seinen Armen trug.
Er schenkte ihr nur einen Seitenblick, der ihr einmal mehr zu verstehen gab, dass er nicht sonderlich viel von Lalaithwen hielt, antwortete ihr aber: „Wir haben ihn in den Wäldern gefunden, er ist schwer verletzt, ein alter Mann."
Lalaithwen blickte auf den Menschen, der in Iorelass' Armen lag und stieß überrascht hervor: „Pernoth!" Iorelass schenkte ihr einen weiteren, abschätzenden Seitenblick, fragte: „Du kennst ihn?" und eilte schnellen Schrittes voran. Lalaithwen hatte Mühe, dem flinken Elben zu folgen, doch sie tat ihr bestes. Pernoth, er hatte tatsächlich überlebt? „Ja, ich kenne ihn, er reiste mit uns nach Lothlorien, er ist ein Kaufmann aus Seestadt, Pernoth ist sein Name...bitte...so helft ihm!", bat sie Iorelass, der ihr wenig Beachtung schenkte, Pernoth jedoch so schnell wie möglich zu den Heilern trug.
Lalaithwen folgte ihm so gut es ging. Jetzt hatte sie keine Zeit mehr, sich wegen Celendra den Kopf zu zerbrechen. Sie musste Pernoth helfen, der bewusstlos von Iorelass getragen wurde.
***
Vielen lieben Dank für alle, die reviewt haben, ich mache immer einen RIESEN Luftsprung bei jeder noch so kleinen Zeile! Danke! Nun zu den 2 kleinen Fragen:
Also: Wie viele Kapitel wird die Story ungefähr noch haben? Ich schätze so Pi mal Daumen, dass die Story gegen Kapitel 30 ihr Ende finden wird, ist aber nur ein Richtwert.
Weißt du eigentlich schon vorher genau, wie es weiter geht? Ich habe immer den groben Kapitelablauf im Kopf, das ist schon richtig, aber die genauen Formulierungen und kurzfristige Inspirationen kommen während des Schreibens.
Danke an Dionne für die Fragen, wenn's noch welche gibt, einfach hier reinstellen...ich geb mir Mühe, sie professionell genug zu beantworten *lol*
