Feedback: natascha.schmidt@web.de Beta-Leserin: Jenny
Chillkröte, Drake, Maxine, Matjes, SweetC18 und MaxCat vielen Dank für eure reviews zum letzten Kapitel. @Matjes: Ich hatte es so verstenden, dass nur Harry den Fluch abschütteln konnte. (grübel) Ich finde es echt lieb, dass du dir so viele Gedanken machst.
Disclaimer: Alles hier gehört J.K. Rowling.
11. Missverständnisse
Am Donnerstagmorgen hatten sie Zaubertränke. Professor Snape schien immer noch ziemlich erschöpft zu sein, was ihn aber nicht davon abhielt, Gryffindor zehn Punkte abzuziehen, als Neville es schaffte mit einer ungeschickten Bewegung seinen Kessel umzuwerfen und die gesamten Zutaten für Dolor Levarus, einen schmerzlindernden Trank, gleichmäßig im Raum zu verteilen. Ein Spritzer einer ätzenden Flüssigkeit landete auf Hermiones Arm und sie biss die Zähne zusammen, um Snape keinen Grund zu geben noch mehr Punkte von Gryffindor abzuziehen. Nach dem Unterricht beobachtete Harry beim Rausgehen, wie Snape in seinen Stuhl sank und das Gesicht in den Händen vergrub. Wieder fragte er sich, wo Snape während der Ferien gewesen war. Erholt sah er jedenfalls nicht aus.
Er wandte sich Hermione zu und sah sich ihren Arm an. Er war angeschwollen, wo die Flüssigkeit sie getroffen hatte. "Tut das weh?" fragte er und strich mit einem Finger darüber. In dem Moment kamen Parvati und Lavender aus dem Klassenraum. Sie sahen zwischen Harry und Hermione hin und her und fingen an zu kichern. Hermione zog ärgerlich ihren Arm weg. "Nein." Sie drehte sich auf dem Absatz um. "Blöde Ziegen", murmelte sie, als sie außer Hörweite von Lavender und Parvati waren. Harry blickte sich nach Ron um. Er hatte Neville geholfen seinen Tisch wieder sauber zu bekommen und zum Glück nichts von dem Vorfall mitbekommen. Leider waren Lavender und Parvati zwei begnadete Tratschtanten, die liebend gern aus einer Mücke einen Elefanten machten. Manchmal erinnerten sie Harry sehr an Rita Skeeter, die ihm und Hermione im letzten Jahr das Leben zur Hölle gemacht hatte, bis es Hermione gelungen war sie zu fangen. Sie hatte sie nicht feigelassen, bevor Rita Skeeter versprochen hatte sich zu bessern. Immerhin hatte Hermione etwas gegen sie in der Hand: Sie wusste dass die Reporterin ein unregistrierter Animagus war.
Gleich nach dem Mittagessen gingen Harry, Ron und Hermione zu Hagrids Hütte hinunter, wo sie wieder Pflege magischer Geschöpfe bei Rons Bruder hatten. Schon von weitem sahen sie Charlie gegen einen Baum gelehnt in der Sonne sitzen. Sein Drachenweibchen war einen Baum weiter angebunden und beschäftigte sich damit ihr, hübsches Goldhorn in den Stamm zu bohren. Vor Charlie standen Lavender und Parvati und er sah, die Augen mit einer Hand vor der Sonne schützend zu ihnen hoch.
"Die schon wieder!" stöhnte Ron. "Am Montagabend waren sie schon hier, weil sie Charlie irgendwas über die Hausaufgabe fragen mussten."
"Scheint als hätten sie einen Narren an deinem Bruder gefressen", grinste Hermione. Ron grummelte.
"Ich fand den Absatz über Rumänische Langhörner ja so interessant!" hörten sie Parvati sagen, als sie näher kamen. "Ich habe mir gleich auch noch alles über die anderen Rassen durchgelesen."
"Ich interessiere mich ja schon länger für Drachen", erklärte Lavender. (Das war Harry allerdings neu.) "Können sie mir nicht ein weiterführendes Buch empfehlen? Das was in 'Phantastische Geschöpfe und wo sie zu finden sind' stand, wusste ich bereits." Parvati sah sie verärgert an. "Ach ja? Welcher gilt denn dann als der hübscheste Drache?" "Na, das Rumänische Langhorn natürlich!"
"Nein", rief Parvati triumphierend. "Das Antipodianische Opalauge. Nicht wahr, Mr. Weasley?"
"Ich finde aber nun mal Vesta hübscher", entgegnete Lavender giftig.
"Hallo Charlie!" rief Ron. Charlie sprang auf und kam grinsend zu ihnen hinüber. Lavender und Parvati sahen ihm enttäuscht hinterher.
"Was wollten die denn schon wieder?" fragte Ron mit einem Blick auf die Mädchen.
"Wieso? Es ist doch toll, wenn sich die beiden für Drachen interessieren. Ich kann das gut verstehen", sagte Charlie.
"Für Drachen, ja?" Ron zog eine Augenbraue hoch. "Na, wenn du meinst."
"Herzlichen Glückwunsch übrigens zur Aufnahme ins Quidditch -Team Ron. Und dir Harry zur Ernennung zum Kapitän."
"Das hast du also schon gehört?" fragte Ron fröhlich grinsend.
"Ja, natürlich. In Hogwarts spricht sich doch alles herum, wie ein Lauffeuer. Ich bin stolz auf dich." Charlie sah auf. Die anderen Schüler trafen langsam ein. "Dann lasst uns mal mit dem Unterricht anfangen."
Die Beteiligung in dieser Stunde war äußerst rege. Zu Parvatis und Lavenders Enttäuschung wussten die meisten Mädchen plötzlich überraschend gut über Drachen bescheid. Harry sah zu Draco hinüber. Er lehnte zwar scheinbar gelangweilt an seinem Zaunpfahl, aber Harry wusste genau, dass er der Stunde sehr aufmerksam folgte. Als sich Crabbe vor ihn stellte, scheuchte er ihn sogar zur Seite, um besser sehen zu können.
Nach der Stunde stürmten Parvati und Lavender zu Charlie. Ron, der eigentlich vorgehabt hatte noch ein wenig mit seinem Bruder zu reden, drehte sich grummelnd um und lief mit Harry und Hermione zum Schloss zurück.
Ron und Hermione hatten im Moment ein seltsames Verhältnis. Zwar gingen sie sich nicht aus dem Weg und waren beide immer mit Harry zusammen, aber sie redeten kaum miteinander. Harry ging, saß und stand immer zwischen ihnen und hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, der Mittelpunkt jeder Konversation zu sein. Er wusste, dass es bei Ron daran lag, dass er sich Hermione gegenüber sehr unsicher fühlte, aber Hermiones Verhalten konnte er nicht so ganz einordnen. Sie war so intelligent, dass sie doch eigentlich merken musste, was mit Ron los war. Immerhin wurde er jedes Mal rot, wenn sie ihn ansprach. Vielleicht mied sie es absichtlich mit ihm zu reden, da sie wusste, dass er in sie verliebt war?
Dieser Verdacht wurde allerdings am Abend von Hermione selbst zerschlagen. Ron war nach dem Abendessen mit Ginny zu Charlie herunter gegangen, Harry mühte sich mit seinen Hausaufgaben für Zaubertränke ab (dem Fach in dem er bei den ZAGs am ehesten durchfallen würde) und Hermione saß mit Crookshanks auf dem Schoß am Kaminfeuer und las "Früchte des Zorns". Nach einer Weile legte sie ihr Buch weg und kam zu Harry rüber. Sie sah ihm über die Schulter. "Asphodel", sagte sie.
"Wie bitte?" fragte Harry. Hermione zeigte auf eine Stelle in seinem Aufsatz. "Asphodel braucht man für diesen Schlaftrunk, nicht Aconite."
"Oh, danke Hermione." Harry radierte die Stelle aus "Es gibt einfach zu viele Zutaten für Zaubertränke."
"Harry, ich muss mit dir reden", flüsterte Hermione. Sofort sahen Parvati und Lavender interessiert zu ihnen hinüber. Hermione setzte sich neben Harry. "Es geht um Ron", sagte sie leise. Aha, sie hatte also gemerkt was mit ihm los ist, dachte Harry.
"Ich verstehe nicht was mit ihm los ist", seufzte Hermione
Harry sah sie überrascht an. Sie blickte auf den Boden. "Ich meine, wir waren immer so gut befreundet und seit diesem Sommer redet er kaum noch mit mir. Ich habe das Gefühl, dass er mich überhaupt nicht mehr dabei haben will. Denkst du das auch?"
"Nein, Hermione. Ron will dich bestimmt dabei haben", sagte Harry überzeugt. Hermione lächelte ihn kurz hoffnungsvoll an. Dann sah sie wieder auf den Boden. "Dann kann er das aber gut verbergen. Ich meine, er wollte noch nicht mal, dass ich bei seinem ersten Quidditch-Training zugucke."
Harry zuckte hilflos die Schultern. Er hätte Hermione sagen können, was mit Ron los war, aber er hatte versprochen das nicht zu tun.
"Ich glaube", fuhr Hermione fort, "dass er denkt, wenn ich ständig mit euch zusammen bin, verringert das seine Chancen bei anderen Mädchen."
"Nein!" sagte Harry scharf. So falsch hatte Hermione Granger noch nie in ihrem Leben gelegen. "Das ist es nicht, Hermione. Ron ist nur ein wenig abweisend im Moment, weil er sich Sorgen macht, was in der magischen Welt passieren wird und so." Er zögerte einen Moment. "Das kannst du doch verstehen, oder?"
Hermione nickte zögernd. "Vielleicht ist es trotzdem besser, wenn ich nicht mehr so viel mit euch zusammen bin. Ich meine, wir sind jetzt alle fünfzehn. Wenn man mich immer noch ständig bei euch sieht könnte man vielleicht auf falsche Gedanken kommen."
Harry frage sich, seit wann es Hermione etwas ausmachte, was andere von ihr dachten. "Ich weiß nicht, Hermione, aber wenn du meinst."
Hermione sah geknickt aus, als sie wieder zu ihrem Sessel zurückging. Harry packte "Die wirkungsvollsten Zaubertränke" weg und ging los, um Ron von der Unterhaltung zu erzählen. Der kam ihm schon im nächsten Korridor entgegen.
Zu seiner Überraschung war Ron über das Gespräch völlig außer sich. "Also will sie nicht mehr mit uns befreundet sein, damit niemand auf die Idee kommen kann, sie wäre mit mir zusammen! Wunderbar!" Er lief an Harry vorbei und stürmte durch den Gang davon. Harry folgte ihm. "So hat sie das nicht gemeint Ron!"
"Natürlich hat sie das so gemeint. Ich habe dir doch gesagt, dass sie sich nicht mal vorstellen kann, mit mir zusammen zu sein." Er lehnte sich gegen eine Wand und ballte die Hände zu Fäusten. "Es ist ihr sogar unangenehm, dass jemand auf die Idee kommen könnte." Plötzlich sah er Harry grimmig an. "Aber in Ordnung. Wenn sie es so will. Dann gehe ich ihr eben aus dem Weg." Er ging Richtung Gemeinschaftsraum davon. Harry ließ seine Arme hängen. Er hatte das Gefühl, dass es ihm nicht ganz gelungen war, Hermiones Standpunkt an Ron zu vermitteln. Schließlich hatte sie befürchtet, dass es *Ron* vielleicht nicht Recht war, wenn sie immer mit ihnen zusammen war. Seufzend folgte er Ron in den Gemeinschaftsraum.
Hermione hielt sich an ihr Vorhaben. Am nächsten Tag setzte sie sich beim Frühstück zu Ginny. Auch bei ihrer allerersten Stunde Magische Kriegsführung, die sie mit allen anderen Häusern zusammen hatten, stand Hermione nicht bei ihnen, sondern bei den Gryffindor- Mädchen. Ron warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. Harry war zu gespannt auf die erste Stunde bei Sirius Black, um näher darüber nachzudenken. Der Unterricht fand nicht in einem Klassenraum statt, sondern auf dem feien Feld zwischen einem kleinen See und dem verbotenen Wald. Sirius stand vor ihnen und musterte sie prüfend. Harry sah ihn erwartungsvoll an.
"Die meisten von euch sehen nicht besonders fit aus." sagte Sirius zur Begrüßung. Die Schüler sahen überrascht zu ihm auf.
"Das ist schlecht. Das wichtigste bei der Magischen Kriegsführung ist, dass man in einer sehr guten körperlichen Verfassung ist." Er schritt zwischen ihnen hindurch und sah einige von ihnen prüfend an. "Ich schätze, bevor wir mit dem eigentlichen Unterricht anfangen können, muss ich euch ein wenig auf Trab bringen. Als erstes lauft ihr alle fünf Mal um den kleinen See." Die meisten Schüler stöhnten entsetzt auf. Das konnte doch nicht ernst gemeint sein. Harry grinste. Er kannte seinen Paten zu gut, um das für einen Scherz zu halten. Ohne weiter darüber nachzudenken lief er los. Ron lief neben ihm. Es war eigentlich ein gutes Gefühl, in der kühlen Morgenluft und bei strahlendem Herbstsonnenschein um den kleinen See zu laufen. Irgendwie gab es einem ein Gefühl von Freiheit.
Nach der dritten Runde holte Draco Malfoy mühelos zu Harry und Ron auf. "Tolle Idee uns wie Idioten um diesen See hetzen zu lassen", sagte er boshaft. "Komische Art von Magischer Kriegsführung. Die Dunkle Seite wird wahrscheinlich vor Schreck erstarren und sofort aufgeben, wenn sie ein paar Hogwarts- Schüler wie eine Horde Hornochsen um den See joggen sieht. Was für Lehrer haben wir nur an dieser Schule? Schwerverbrecher, Werwölfe . . . was kommt als nächstes? Trolle?"
Harry wusste nicht, worüber sich ausgerechnet Draco aufregte. Immerhin machte er eine gute Figur, während mittlerweile die meisten anderen bereits stöhnend im Gras lagen. Harry fiel es selbst schwer zu sprechen und er hatte Seitenstechen, als er Sirius vor Draco verteidigte. "Wenn ich mir allerdings deine Gefolgsleute so angucke Malfoy, hatten sie ein wenig Training dringend nötig!"
Draco sah missbilligend zu Pansy, Crabbe und Goyle hinüber, die schon nach der ersten Runde aufgegeben hatten. Dann blickte er Harry wieder spöttisch grinsend an. "Du siehst aber auch so aus, als würdest du gleich schlapp machen."
Harry antwortete lieber nicht, da er befürchtete, sonst tatsächlich schlapp zu machen. Draco lächelte erfreut und Harry machte sich darauf gefasst, sich während der letzten Runde seine fiesen Kommentare anzuhören "Es scheint dir nicht so gut getan zu haben, den halben Sommer über eingesperrt zu sein. Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich gerettet habe", grinste Draco.
Harry sah ihn überrascht an. "Warum hast du das eigentlich getan?" fraagte er. Draco sah ihn ebenso überrascht an und Harry merkte plötzlich, dass Draco auch nicht wusste, warum er Harry sicher bei Ron abgeliefert hatte. Statt einer Antwort musterte Draco ihn nur einmal mit blitzenden Augen und überholte ihn dann. "Merlin sei Dank", japste Ron neben Harry.
Mit letzter Kraft schafften Harry und Ron die fünfte Runde. Draco war schon längst angekommen und schien nicht einmal besonders erschöpft zu sein. Er lehnte grinsend an einem Baumstamm. Gerade mal Seamus, Dean, Parvati, Padma, Blaise und etwa fünf andere Schüler schafften es noch ins Ziel. Hermione hatte nach der vierten Runde aufgegeben und schleppte sich zusammen mit Neville zurück zum Ausgangspunkt. Ron sah missbilligend zu ihr rüber. "Mit Neville kann sie sich also blicken lassen." Harry verdrehte die Augen zum Himmel und versuchte regelmäßig zu atmen.
"Ein schwaches Bild", sagte Sirius mit einem Blick auf seine geschaffte Klasse. "Ich würde den meisten von euch empfehlen, morgens etwas früher aufzustehen und joggen zu gehen. Nächstes Mal habt ihr Theorie bei Professor Dumbledore. Damit seid ihr für heute entlassen." Sirius kam breit grinsend auf Harry zu. Harry war froh, dass er wieder normal atmen konnte. "Sirius", sagte er. "Eins hast du auf jeden Fall erreicht. Wir wissen jetzt, was für Waschlappen wir sind."
"Gut", Lächelte Sirius. "Aber du und Ron, ihr habt euch gut gehalten." *Allerdings lange nicht so gut wie Draco Malfoy*, dachte Harry. *Er muss heimlich trainiert haben.*
Harry lief mit Ron und Sirius zusammen zum Schloss hoch. Sie trennten sich allerdings von ihm in der großen Halle, da er noch etwas mit Remus Lupin besprechen wollte. Ron sah sich unauffällig nach Hermione um. "Jetzt läuft sie neben Seamus", murmelte er. "Anscheinend bin ich der einzige Junge, der für sie ein Problem darstellt."
Harry sah Ron gequält an. Warum konnte eigentlich kein Jahr mehr vergehen, in dem sie sich alle vertrugen? Im dritten Jahr waren Hermione und Ron zerstritten gewesen, im vierten Harry und Ron und jetzt machten sich wieder Ron und Hermione das Leben schwer. Allerdings war das immer noch besser, als mit Ron zerstritten zu sein, versuchte Harry sich aufzumuntern.
Da Ron das gesamte Mittagessen damit verbrachte zu Hermione hinüberzustarren, die neben Seamus und Ginny saß, dachte Harry, dass er genauso gut Draco beobachten konnte. Ungewöhnlicherweise bekam Draco einen Brief. Briefe wurden normalerweise beim Frühstück abgeliefert und wenn Dracos Adler-Eule jetzt kam, war es wahrscheinlich etwas Wichtiges. Harry versuchte zu sehen, was es war, konnte aber nur erkennen, dass es sich um eine Nachricht handelte, die sehr kurz war, wenn man danach urteilte, wie schnell Draco sie durchlas und wieder zusammenfaltete. Als Pansy einen Blick zu erhaschen versuchte, zog er das Pergament von ihr weg. Draco sah nachdenklich aus. Er legte wieder eine Hand auf die Stelle über seinem Solar Plexus, als würde er ersticken, oder als wolle er die Stelle vor etwas schützen. Harry hatte diese Geste früher nie an ihm bemerkt, obwohl er alle von Dracos Gesten und Bewegungen auswendig kannte. Dracos Blick traf seinen und einen Moment lang sah er Harry geistesabwesend in die Augen. Dann stand er auf und lief aus der Halle. Die Blicke aller Slytherins folgten ihm und Blaise Zabini stand auf, um ihm nachzulaufen.
Komischerweise grübelte Harry noch abends im Bett darüber nach, was für eine Nachricht es gewesen sein könnte, die Draco erhalten hatte. Eigentlich hatte er sich fest vorgenommen noch einmal im Kopf die Zutaten für den Dolor Levarus Trank durchzugehen, aber seine Gedanken schweiften immer wieder zu Draco.
Wahrscheinlich träumte er deswegen davon auf seinem Besen zu fliegen. Aber er fühlte sich nicht frei und schwerelos, wie er es gewohnt war.
*Es war, als würde er sich durch eine zähe Masse bewegen, oder als würde ihn etwas festhalten und nach unten ziehen, immer weiter nach unten. Plötzlich war er nicht mehr in der Luft, sondern er war unter Wasser. Er konnte sich nicht mehr bewegen und sank immer weiter nach unten. Er wollte schreien, aber kein Ton kam über seine Lippen. Dann schlug er plötzlich hart auf dem Boden auf. "WAS HAST DU GETAN?" brüllte ihn eine Stimme an. Er war plötzlich wieder zehn Jahre alt und befand sich im Ligusterweg, Dort saß er auf dem Boden in der Küche und versuchte die Glasscherben der Vase aufzusammeln, die er zerbrochen hatte. "Ich hab nichts getan! Ich wollte das nicht!" wimmerte er mit seiner Kinderstimme. "DU HAST DIE LIEBLINGSVASE DEINER TANTE ZERBROCHEN!" Im Hintergrund hörte er Dudley lachen. Harry blickte verängstigt auf die Scherben nieder und plötzlich, von einem Moment auf den anderen war die Vase wieder heil. Als sei sie nie zerbrochen worden hielt Harry sie in den Händen. Einen kurzen Moment freute er sich, bevor er an Tante Petunias schrillen Aufschrei merkte, dass das eine noch schlimmere Strafe bedeutete. Er hatte wieder die schlimme Sache getan und das bedeutete, dass er Tage nicht aus dem Schrank hinaus durfte. Im selben Moment packte ihn Onkel Vernon an den Armen. Harry versuchte zu entkommen und in die hinterste Ecke des Zimmers zu kriechen, aber Onkel Vernon hielt ihn mit eisernem Griff fest. Harry wand sich und schlug und trat um sich. Um nichts in der Welt wollte er in den Schrank. Es war so eng dort und er bekam keine Luft. Er bekam einen Arm frei und schlug mit aller Kraft nach seinem Onkel und er schien auch getroffen zu haben, denn der schrie auf. Nur dass es sich nicht nach Onkel Vernon anhörte. Es hörte sich an wie . . .*
Ron hatte sich über Harry gekniet und versuchte seine Arme festzuhalten, aber als Harry nach ihm schlug wich er mit einem Schmerzenslaut zurück. Harry öffnete endlich die Augen und starrte seinen Freund entsetzt an. "Ron, du blutest ja! Wer war das!"
"Na rate mal", murmelte Ron und hielt sich eine Hand vor die blutende Nase. "Endlich bist du wach."
Harry rappelte sich benommen auf und stellte fest, dass er schon wieder auf dem Fußboden lag. "War ich das etwa? Oh Ron, das tut mir leid. Zeig mal. Tut es weh?"
"Nein, nein, ist schon in Ordnung." Ron nahm das Taschentuch, das Dean ihm reichte, der mit Neville und Seamus betreten vor Harrys Bett stand.
"Harry, du musst etwas gegen diese Träume tun", sagte Seamus schließlich. "Das wird ja langsam gemeingefährlich. Das nächste Mal nimmst du noch unseren Schlafraum auseinander."
Chillkröte, Drake, Maxine, Matjes, SweetC18 und MaxCat vielen Dank für eure reviews zum letzten Kapitel. @Matjes: Ich hatte es so verstenden, dass nur Harry den Fluch abschütteln konnte. (grübel) Ich finde es echt lieb, dass du dir so viele Gedanken machst.
Disclaimer: Alles hier gehört J.K. Rowling.
11. Missverständnisse
Am Donnerstagmorgen hatten sie Zaubertränke. Professor Snape schien immer noch ziemlich erschöpft zu sein, was ihn aber nicht davon abhielt, Gryffindor zehn Punkte abzuziehen, als Neville es schaffte mit einer ungeschickten Bewegung seinen Kessel umzuwerfen und die gesamten Zutaten für Dolor Levarus, einen schmerzlindernden Trank, gleichmäßig im Raum zu verteilen. Ein Spritzer einer ätzenden Flüssigkeit landete auf Hermiones Arm und sie biss die Zähne zusammen, um Snape keinen Grund zu geben noch mehr Punkte von Gryffindor abzuziehen. Nach dem Unterricht beobachtete Harry beim Rausgehen, wie Snape in seinen Stuhl sank und das Gesicht in den Händen vergrub. Wieder fragte er sich, wo Snape während der Ferien gewesen war. Erholt sah er jedenfalls nicht aus.
Er wandte sich Hermione zu und sah sich ihren Arm an. Er war angeschwollen, wo die Flüssigkeit sie getroffen hatte. "Tut das weh?" fragte er und strich mit einem Finger darüber. In dem Moment kamen Parvati und Lavender aus dem Klassenraum. Sie sahen zwischen Harry und Hermione hin und her und fingen an zu kichern. Hermione zog ärgerlich ihren Arm weg. "Nein." Sie drehte sich auf dem Absatz um. "Blöde Ziegen", murmelte sie, als sie außer Hörweite von Lavender und Parvati waren. Harry blickte sich nach Ron um. Er hatte Neville geholfen seinen Tisch wieder sauber zu bekommen und zum Glück nichts von dem Vorfall mitbekommen. Leider waren Lavender und Parvati zwei begnadete Tratschtanten, die liebend gern aus einer Mücke einen Elefanten machten. Manchmal erinnerten sie Harry sehr an Rita Skeeter, die ihm und Hermione im letzten Jahr das Leben zur Hölle gemacht hatte, bis es Hermione gelungen war sie zu fangen. Sie hatte sie nicht feigelassen, bevor Rita Skeeter versprochen hatte sich zu bessern. Immerhin hatte Hermione etwas gegen sie in der Hand: Sie wusste dass die Reporterin ein unregistrierter Animagus war.
Gleich nach dem Mittagessen gingen Harry, Ron und Hermione zu Hagrids Hütte hinunter, wo sie wieder Pflege magischer Geschöpfe bei Rons Bruder hatten. Schon von weitem sahen sie Charlie gegen einen Baum gelehnt in der Sonne sitzen. Sein Drachenweibchen war einen Baum weiter angebunden und beschäftigte sich damit ihr, hübsches Goldhorn in den Stamm zu bohren. Vor Charlie standen Lavender und Parvati und er sah, die Augen mit einer Hand vor der Sonne schützend zu ihnen hoch.
"Die schon wieder!" stöhnte Ron. "Am Montagabend waren sie schon hier, weil sie Charlie irgendwas über die Hausaufgabe fragen mussten."
"Scheint als hätten sie einen Narren an deinem Bruder gefressen", grinste Hermione. Ron grummelte.
"Ich fand den Absatz über Rumänische Langhörner ja so interessant!" hörten sie Parvati sagen, als sie näher kamen. "Ich habe mir gleich auch noch alles über die anderen Rassen durchgelesen."
"Ich interessiere mich ja schon länger für Drachen", erklärte Lavender. (Das war Harry allerdings neu.) "Können sie mir nicht ein weiterführendes Buch empfehlen? Das was in 'Phantastische Geschöpfe und wo sie zu finden sind' stand, wusste ich bereits." Parvati sah sie verärgert an. "Ach ja? Welcher gilt denn dann als der hübscheste Drache?" "Na, das Rumänische Langhorn natürlich!"
"Nein", rief Parvati triumphierend. "Das Antipodianische Opalauge. Nicht wahr, Mr. Weasley?"
"Ich finde aber nun mal Vesta hübscher", entgegnete Lavender giftig.
"Hallo Charlie!" rief Ron. Charlie sprang auf und kam grinsend zu ihnen hinüber. Lavender und Parvati sahen ihm enttäuscht hinterher.
"Was wollten die denn schon wieder?" fragte Ron mit einem Blick auf die Mädchen.
"Wieso? Es ist doch toll, wenn sich die beiden für Drachen interessieren. Ich kann das gut verstehen", sagte Charlie.
"Für Drachen, ja?" Ron zog eine Augenbraue hoch. "Na, wenn du meinst."
"Herzlichen Glückwunsch übrigens zur Aufnahme ins Quidditch -Team Ron. Und dir Harry zur Ernennung zum Kapitän."
"Das hast du also schon gehört?" fragte Ron fröhlich grinsend.
"Ja, natürlich. In Hogwarts spricht sich doch alles herum, wie ein Lauffeuer. Ich bin stolz auf dich." Charlie sah auf. Die anderen Schüler trafen langsam ein. "Dann lasst uns mal mit dem Unterricht anfangen."
Die Beteiligung in dieser Stunde war äußerst rege. Zu Parvatis und Lavenders Enttäuschung wussten die meisten Mädchen plötzlich überraschend gut über Drachen bescheid. Harry sah zu Draco hinüber. Er lehnte zwar scheinbar gelangweilt an seinem Zaunpfahl, aber Harry wusste genau, dass er der Stunde sehr aufmerksam folgte. Als sich Crabbe vor ihn stellte, scheuchte er ihn sogar zur Seite, um besser sehen zu können.
Nach der Stunde stürmten Parvati und Lavender zu Charlie. Ron, der eigentlich vorgehabt hatte noch ein wenig mit seinem Bruder zu reden, drehte sich grummelnd um und lief mit Harry und Hermione zum Schloss zurück.
Ron und Hermione hatten im Moment ein seltsames Verhältnis. Zwar gingen sie sich nicht aus dem Weg und waren beide immer mit Harry zusammen, aber sie redeten kaum miteinander. Harry ging, saß und stand immer zwischen ihnen und hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, der Mittelpunkt jeder Konversation zu sein. Er wusste, dass es bei Ron daran lag, dass er sich Hermione gegenüber sehr unsicher fühlte, aber Hermiones Verhalten konnte er nicht so ganz einordnen. Sie war so intelligent, dass sie doch eigentlich merken musste, was mit Ron los war. Immerhin wurde er jedes Mal rot, wenn sie ihn ansprach. Vielleicht mied sie es absichtlich mit ihm zu reden, da sie wusste, dass er in sie verliebt war?
Dieser Verdacht wurde allerdings am Abend von Hermione selbst zerschlagen. Ron war nach dem Abendessen mit Ginny zu Charlie herunter gegangen, Harry mühte sich mit seinen Hausaufgaben für Zaubertränke ab (dem Fach in dem er bei den ZAGs am ehesten durchfallen würde) und Hermione saß mit Crookshanks auf dem Schoß am Kaminfeuer und las "Früchte des Zorns". Nach einer Weile legte sie ihr Buch weg und kam zu Harry rüber. Sie sah ihm über die Schulter. "Asphodel", sagte sie.
"Wie bitte?" fragte Harry. Hermione zeigte auf eine Stelle in seinem Aufsatz. "Asphodel braucht man für diesen Schlaftrunk, nicht Aconite."
"Oh, danke Hermione." Harry radierte die Stelle aus "Es gibt einfach zu viele Zutaten für Zaubertränke."
"Harry, ich muss mit dir reden", flüsterte Hermione. Sofort sahen Parvati und Lavender interessiert zu ihnen hinüber. Hermione setzte sich neben Harry. "Es geht um Ron", sagte sie leise. Aha, sie hatte also gemerkt was mit ihm los ist, dachte Harry.
"Ich verstehe nicht was mit ihm los ist", seufzte Hermione
Harry sah sie überrascht an. Sie blickte auf den Boden. "Ich meine, wir waren immer so gut befreundet und seit diesem Sommer redet er kaum noch mit mir. Ich habe das Gefühl, dass er mich überhaupt nicht mehr dabei haben will. Denkst du das auch?"
"Nein, Hermione. Ron will dich bestimmt dabei haben", sagte Harry überzeugt. Hermione lächelte ihn kurz hoffnungsvoll an. Dann sah sie wieder auf den Boden. "Dann kann er das aber gut verbergen. Ich meine, er wollte noch nicht mal, dass ich bei seinem ersten Quidditch-Training zugucke."
Harry zuckte hilflos die Schultern. Er hätte Hermione sagen können, was mit Ron los war, aber er hatte versprochen das nicht zu tun.
"Ich glaube", fuhr Hermione fort, "dass er denkt, wenn ich ständig mit euch zusammen bin, verringert das seine Chancen bei anderen Mädchen."
"Nein!" sagte Harry scharf. So falsch hatte Hermione Granger noch nie in ihrem Leben gelegen. "Das ist es nicht, Hermione. Ron ist nur ein wenig abweisend im Moment, weil er sich Sorgen macht, was in der magischen Welt passieren wird und so." Er zögerte einen Moment. "Das kannst du doch verstehen, oder?"
Hermione nickte zögernd. "Vielleicht ist es trotzdem besser, wenn ich nicht mehr so viel mit euch zusammen bin. Ich meine, wir sind jetzt alle fünfzehn. Wenn man mich immer noch ständig bei euch sieht könnte man vielleicht auf falsche Gedanken kommen."
Harry frage sich, seit wann es Hermione etwas ausmachte, was andere von ihr dachten. "Ich weiß nicht, Hermione, aber wenn du meinst."
Hermione sah geknickt aus, als sie wieder zu ihrem Sessel zurückging. Harry packte "Die wirkungsvollsten Zaubertränke" weg und ging los, um Ron von der Unterhaltung zu erzählen. Der kam ihm schon im nächsten Korridor entgegen.
Zu seiner Überraschung war Ron über das Gespräch völlig außer sich. "Also will sie nicht mehr mit uns befreundet sein, damit niemand auf die Idee kommen kann, sie wäre mit mir zusammen! Wunderbar!" Er lief an Harry vorbei und stürmte durch den Gang davon. Harry folgte ihm. "So hat sie das nicht gemeint Ron!"
"Natürlich hat sie das so gemeint. Ich habe dir doch gesagt, dass sie sich nicht mal vorstellen kann, mit mir zusammen zu sein." Er lehnte sich gegen eine Wand und ballte die Hände zu Fäusten. "Es ist ihr sogar unangenehm, dass jemand auf die Idee kommen könnte." Plötzlich sah er Harry grimmig an. "Aber in Ordnung. Wenn sie es so will. Dann gehe ich ihr eben aus dem Weg." Er ging Richtung Gemeinschaftsraum davon. Harry ließ seine Arme hängen. Er hatte das Gefühl, dass es ihm nicht ganz gelungen war, Hermiones Standpunkt an Ron zu vermitteln. Schließlich hatte sie befürchtet, dass es *Ron* vielleicht nicht Recht war, wenn sie immer mit ihnen zusammen war. Seufzend folgte er Ron in den Gemeinschaftsraum.
Hermione hielt sich an ihr Vorhaben. Am nächsten Tag setzte sie sich beim Frühstück zu Ginny. Auch bei ihrer allerersten Stunde Magische Kriegsführung, die sie mit allen anderen Häusern zusammen hatten, stand Hermione nicht bei ihnen, sondern bei den Gryffindor- Mädchen. Ron warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. Harry war zu gespannt auf die erste Stunde bei Sirius Black, um näher darüber nachzudenken. Der Unterricht fand nicht in einem Klassenraum statt, sondern auf dem feien Feld zwischen einem kleinen See und dem verbotenen Wald. Sirius stand vor ihnen und musterte sie prüfend. Harry sah ihn erwartungsvoll an.
"Die meisten von euch sehen nicht besonders fit aus." sagte Sirius zur Begrüßung. Die Schüler sahen überrascht zu ihm auf.
"Das ist schlecht. Das wichtigste bei der Magischen Kriegsführung ist, dass man in einer sehr guten körperlichen Verfassung ist." Er schritt zwischen ihnen hindurch und sah einige von ihnen prüfend an. "Ich schätze, bevor wir mit dem eigentlichen Unterricht anfangen können, muss ich euch ein wenig auf Trab bringen. Als erstes lauft ihr alle fünf Mal um den kleinen See." Die meisten Schüler stöhnten entsetzt auf. Das konnte doch nicht ernst gemeint sein. Harry grinste. Er kannte seinen Paten zu gut, um das für einen Scherz zu halten. Ohne weiter darüber nachzudenken lief er los. Ron lief neben ihm. Es war eigentlich ein gutes Gefühl, in der kühlen Morgenluft und bei strahlendem Herbstsonnenschein um den kleinen See zu laufen. Irgendwie gab es einem ein Gefühl von Freiheit.
Nach der dritten Runde holte Draco Malfoy mühelos zu Harry und Ron auf. "Tolle Idee uns wie Idioten um diesen See hetzen zu lassen", sagte er boshaft. "Komische Art von Magischer Kriegsführung. Die Dunkle Seite wird wahrscheinlich vor Schreck erstarren und sofort aufgeben, wenn sie ein paar Hogwarts- Schüler wie eine Horde Hornochsen um den See joggen sieht. Was für Lehrer haben wir nur an dieser Schule? Schwerverbrecher, Werwölfe . . . was kommt als nächstes? Trolle?"
Harry wusste nicht, worüber sich ausgerechnet Draco aufregte. Immerhin machte er eine gute Figur, während mittlerweile die meisten anderen bereits stöhnend im Gras lagen. Harry fiel es selbst schwer zu sprechen und er hatte Seitenstechen, als er Sirius vor Draco verteidigte. "Wenn ich mir allerdings deine Gefolgsleute so angucke Malfoy, hatten sie ein wenig Training dringend nötig!"
Draco sah missbilligend zu Pansy, Crabbe und Goyle hinüber, die schon nach der ersten Runde aufgegeben hatten. Dann blickte er Harry wieder spöttisch grinsend an. "Du siehst aber auch so aus, als würdest du gleich schlapp machen."
Harry antwortete lieber nicht, da er befürchtete, sonst tatsächlich schlapp zu machen. Draco lächelte erfreut und Harry machte sich darauf gefasst, sich während der letzten Runde seine fiesen Kommentare anzuhören "Es scheint dir nicht so gut getan zu haben, den halben Sommer über eingesperrt zu sein. Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich gerettet habe", grinste Draco.
Harry sah ihn überrascht an. "Warum hast du das eigentlich getan?" fraagte er. Draco sah ihn ebenso überrascht an und Harry merkte plötzlich, dass Draco auch nicht wusste, warum er Harry sicher bei Ron abgeliefert hatte. Statt einer Antwort musterte Draco ihn nur einmal mit blitzenden Augen und überholte ihn dann. "Merlin sei Dank", japste Ron neben Harry.
Mit letzter Kraft schafften Harry und Ron die fünfte Runde. Draco war schon längst angekommen und schien nicht einmal besonders erschöpft zu sein. Er lehnte grinsend an einem Baumstamm. Gerade mal Seamus, Dean, Parvati, Padma, Blaise und etwa fünf andere Schüler schafften es noch ins Ziel. Hermione hatte nach der vierten Runde aufgegeben und schleppte sich zusammen mit Neville zurück zum Ausgangspunkt. Ron sah missbilligend zu ihr rüber. "Mit Neville kann sie sich also blicken lassen." Harry verdrehte die Augen zum Himmel und versuchte regelmäßig zu atmen.
"Ein schwaches Bild", sagte Sirius mit einem Blick auf seine geschaffte Klasse. "Ich würde den meisten von euch empfehlen, morgens etwas früher aufzustehen und joggen zu gehen. Nächstes Mal habt ihr Theorie bei Professor Dumbledore. Damit seid ihr für heute entlassen." Sirius kam breit grinsend auf Harry zu. Harry war froh, dass er wieder normal atmen konnte. "Sirius", sagte er. "Eins hast du auf jeden Fall erreicht. Wir wissen jetzt, was für Waschlappen wir sind."
"Gut", Lächelte Sirius. "Aber du und Ron, ihr habt euch gut gehalten." *Allerdings lange nicht so gut wie Draco Malfoy*, dachte Harry. *Er muss heimlich trainiert haben.*
Harry lief mit Ron und Sirius zusammen zum Schloss hoch. Sie trennten sich allerdings von ihm in der großen Halle, da er noch etwas mit Remus Lupin besprechen wollte. Ron sah sich unauffällig nach Hermione um. "Jetzt läuft sie neben Seamus", murmelte er. "Anscheinend bin ich der einzige Junge, der für sie ein Problem darstellt."
Harry sah Ron gequält an. Warum konnte eigentlich kein Jahr mehr vergehen, in dem sie sich alle vertrugen? Im dritten Jahr waren Hermione und Ron zerstritten gewesen, im vierten Harry und Ron und jetzt machten sich wieder Ron und Hermione das Leben schwer. Allerdings war das immer noch besser, als mit Ron zerstritten zu sein, versuchte Harry sich aufzumuntern.
Da Ron das gesamte Mittagessen damit verbrachte zu Hermione hinüberzustarren, die neben Seamus und Ginny saß, dachte Harry, dass er genauso gut Draco beobachten konnte. Ungewöhnlicherweise bekam Draco einen Brief. Briefe wurden normalerweise beim Frühstück abgeliefert und wenn Dracos Adler-Eule jetzt kam, war es wahrscheinlich etwas Wichtiges. Harry versuchte zu sehen, was es war, konnte aber nur erkennen, dass es sich um eine Nachricht handelte, die sehr kurz war, wenn man danach urteilte, wie schnell Draco sie durchlas und wieder zusammenfaltete. Als Pansy einen Blick zu erhaschen versuchte, zog er das Pergament von ihr weg. Draco sah nachdenklich aus. Er legte wieder eine Hand auf die Stelle über seinem Solar Plexus, als würde er ersticken, oder als wolle er die Stelle vor etwas schützen. Harry hatte diese Geste früher nie an ihm bemerkt, obwohl er alle von Dracos Gesten und Bewegungen auswendig kannte. Dracos Blick traf seinen und einen Moment lang sah er Harry geistesabwesend in die Augen. Dann stand er auf und lief aus der Halle. Die Blicke aller Slytherins folgten ihm und Blaise Zabini stand auf, um ihm nachzulaufen.
Komischerweise grübelte Harry noch abends im Bett darüber nach, was für eine Nachricht es gewesen sein könnte, die Draco erhalten hatte. Eigentlich hatte er sich fest vorgenommen noch einmal im Kopf die Zutaten für den Dolor Levarus Trank durchzugehen, aber seine Gedanken schweiften immer wieder zu Draco.
Wahrscheinlich träumte er deswegen davon auf seinem Besen zu fliegen. Aber er fühlte sich nicht frei und schwerelos, wie er es gewohnt war.
*Es war, als würde er sich durch eine zähe Masse bewegen, oder als würde ihn etwas festhalten und nach unten ziehen, immer weiter nach unten. Plötzlich war er nicht mehr in der Luft, sondern er war unter Wasser. Er konnte sich nicht mehr bewegen und sank immer weiter nach unten. Er wollte schreien, aber kein Ton kam über seine Lippen. Dann schlug er plötzlich hart auf dem Boden auf. "WAS HAST DU GETAN?" brüllte ihn eine Stimme an. Er war plötzlich wieder zehn Jahre alt und befand sich im Ligusterweg, Dort saß er auf dem Boden in der Küche und versuchte die Glasscherben der Vase aufzusammeln, die er zerbrochen hatte. "Ich hab nichts getan! Ich wollte das nicht!" wimmerte er mit seiner Kinderstimme. "DU HAST DIE LIEBLINGSVASE DEINER TANTE ZERBROCHEN!" Im Hintergrund hörte er Dudley lachen. Harry blickte verängstigt auf die Scherben nieder und plötzlich, von einem Moment auf den anderen war die Vase wieder heil. Als sei sie nie zerbrochen worden hielt Harry sie in den Händen. Einen kurzen Moment freute er sich, bevor er an Tante Petunias schrillen Aufschrei merkte, dass das eine noch schlimmere Strafe bedeutete. Er hatte wieder die schlimme Sache getan und das bedeutete, dass er Tage nicht aus dem Schrank hinaus durfte. Im selben Moment packte ihn Onkel Vernon an den Armen. Harry versuchte zu entkommen und in die hinterste Ecke des Zimmers zu kriechen, aber Onkel Vernon hielt ihn mit eisernem Griff fest. Harry wand sich und schlug und trat um sich. Um nichts in der Welt wollte er in den Schrank. Es war so eng dort und er bekam keine Luft. Er bekam einen Arm frei und schlug mit aller Kraft nach seinem Onkel und er schien auch getroffen zu haben, denn der schrie auf. Nur dass es sich nicht nach Onkel Vernon anhörte. Es hörte sich an wie . . .*
Ron hatte sich über Harry gekniet und versuchte seine Arme festzuhalten, aber als Harry nach ihm schlug wich er mit einem Schmerzenslaut zurück. Harry öffnete endlich die Augen und starrte seinen Freund entsetzt an. "Ron, du blutest ja! Wer war das!"
"Na rate mal", murmelte Ron und hielt sich eine Hand vor die blutende Nase. "Endlich bist du wach."
Harry rappelte sich benommen auf und stellte fest, dass er schon wieder auf dem Fußboden lag. "War ich das etwa? Oh Ron, das tut mir leid. Zeig mal. Tut es weh?"
"Nein, nein, ist schon in Ordnung." Ron nahm das Taschentuch, das Dean ihm reichte, der mit Neville und Seamus betreten vor Harrys Bett stand.
"Harry, du musst etwas gegen diese Träume tun", sagte Seamus schließlich. "Das wird ja langsam gemeingefährlich. Das nächste Mal nimmst du noch unseren Schlafraum auseinander."
