Aragorn hat versprochen mit Elrond ein Gespräch zu führen.

@ Laura: So tolle Stories wie die deine reviewt meinereiner immer gern. Tjo, ich war nicht ganz sicher wo ich meine Story enden lassen sollte. Zunächst wollte ich nach dem vierten Kapitel aufhören. Aber die vielen netten Reviews haben mich dazu angeregt, doch noch weiter zu machen.




Kapitel 6. Unter vier Augen



In Bruchtal angekommen brachte Aragorn zuerst seinen Hengst in den Stall. Dann machte er sich auf die Suche nach Elrond. Wie erwartet, fand er seinen Ziehvater in dessen Arbeitszimmer vor, in ein Buch vertieft.
Er klopfte an die Tür. „Ada, kann ich kurz mit dir sprechen?"
Der Elb blickte auf. Er war nicht im Geringsten überrascht über Aragorns Kommen, und wusste natürlich auch, was sein Anliegen war. Mit einem Nicken klappte er das Buch zu. „Natürlich. Komm nur herein."
Aragorn hielt sich nicht lange auf, sondern kam gleich zur Sache. „Ich habe gerade mit Arwen gesprochen. Ihr hattet Streit, erzählte sie."
„Ihr Verhalten war derart unvernünftig."
„Du willst sie wieder nach Lórien schicken?"
„In der Tat, ja."
„Aber sie möchte nicht gehen. Warum lässt du sie nicht bleiben?"
Elrond seufzte. „Das ist nicht so einfach zu erklären."
„Was daran schwierig?" Aragorn runzelte die Stirn, „Sie möchte hier sein, also schick sie nicht weg."

„Estel. Hast du je die Geschichte von Lúthien und Beren gehört?"
Der junge Mann schüttelte den Kopf.
„Nun. Lúthien war eine Elbenmaid, schön wie ein Sonnenaufgang über dem Ozean, lieblich wie Vogelgesang an einem Frühlingstag. Beren ein junger Sterblicher, edel und mutig. Es traf sich, dass er eines Tages im Wald einer Frau elbischen Blutes begegnete. Das war Lúthien, und mit ihrem Tanz zog sie ihn sofort in ihren Bann. Die beiden verliebten sich unsterblich ineinander. Doch durch die Zeit selbst waren sie getrennt.
Um ihrer Liebe willen, nahm Beren die aussichtslose Aufgabe auf sich einen der Silmaril wieder zu finden. Denn dies war es, was Lúthiens Vater verlangte. Lúthien begleitete ihn auf dieser Reise. Und mit einem Zauberspruch half sie ihm einen der Steine aus der Krone des Morgoth zu schneiden. Die Bedingung war erfüllt, doch Beren musste sein Leben lassen. Dies stürzte Lúthien in tiefe Trauer, bis sie schließlich an ihrem gebrochenen Herzen zugrunde ging. Doch Mandos, Herr der Toten, hatte Erbarmen, und schenkte den beiden eine zweite Chance. Ein sterbliches Leben.
Lúthien Tinúviel war die Großmutter meiner Mutter. Ihr Blut fließt in Arwens Adern, Estel. Manche sagen sogar, sie sei in ihr wieder auf diese Welt gekommen. Und ich zweifle nicht daran, dass auch Arwen irgendwann eine Wahl zu treffen hat, mein Sohn."
„Und das willst du verhindern?" Die Geschichte der zwei Liebenden, hatte Aragorn tief gerührt. Dennoch hatte sich sein Standpunkt nicht geändert. „Ich meine, dass sie einmal vor einer ähnlichen Entscheidung stehen wird."
„Es ist nicht zu verhindern. Alles was ich möchte, ist sie darauf vorzubereiten. Damit sie, egal wie ihre Wahl sein wird, nichts bereut."
Diese Antwort veranlasste Aragorn zum Nachdenken. Eine Weile war es still im Raum. Elrond schien genau zu wissen, was im Moment hinter der Stirn seines Ziehsohnes vorging.

„Arwen muss nach Lórien zurück kehren. Nur so kann sie sich über ihre Gefühle klar werden. Und du über die deinen. Bitte versuch das zu verstehen, Estel."
„Aber sie liebt mich, und ich liebe sie. Unklarheiten sehe ich dabei keine."
„Ihr seid beide noch jung. Arwen hat ihren Weg zu gehen, und du deinen. Wenn ihr in einigen Jahren wieder aufeinander trefft, und sich eure Gefühle nicht geändert haben, werde ich keine Einwände mehr haben, das verspreche ich." Er hielt einen Moment inne, musterte sein Gegenüber. „Aber du musst mir auch etwas versprechen."
„Und was?"
„Versprich mir, dass du dein Schicksal erfüllst, wenn die Zeit dafür reif ist."
„Mein Schicksal?"
„Der Thron von Gondor. Das ist dein Weg."
Aragorn seufzte. „Ada, ich habe dir schon gesagt, ich bin nur ein einfacher Junge aus dem Volk der Dunedain. Vielleicht werde ich einmal ein Stammesfürst sein, wie mein leiblicher Vater einer war, aber doch kein König von Gondor. Das ist lächerlich."
„Es ist dein Schicksal. Du bist der letzte aus Isildurs Linie. Außer dir gibt es niemanden mehr. Versprich mir, dass du es niemals ablehnst."
„Wenn es dich glücklich macht", er verdrehte die Augen, „will ich dir mein Versprechen geben."

Elronds Augenbraue wanderte nach oben. „Du hast es immer noch nicht begriffen. Damit sollst du doch nicht mich glücklich machen. Niemand schafft dir an jetzt zu mögen was dir einmal bevor steht. Aber von dir weisen darfst du es nicht. Wenn die Zeit gekommen ist dein Schicksal zu erfüllen, wirst du ein anderer sein. Bis es so weit ist, musst du noch viel lernen. An jeder Erfahrung, die du sammelst, wirst du wachsen. Auch Arwen wird sich ändern. Und wenn eure Gefühle füreinander all das überdauern, gibt es nichts mehr, das euch zu trennen vermag."
Langsam begann Aragorn zu begreifen, dass sein Ziehvater recht hatte. Wie immer. Elrond weilte seit über sechstausend Jahren in dieser Welt. Er hatte vieles gesehen und erlebt, wusste bescheid über die Tücken und Prüfungen, die das Leben bereit halten konnte.
„Ich gebe dir mein Wort, ada." Er unterstrich seine Aussage mit einem bekräftigenden Nicken.
„Sehr gut. Dann wäre das geklärt", der Elb musterte den jungen Dunadan. „Gibt es noch etwas, worüber du mit mir sprechen möchtest?"
Aragorn schüttelte den Kopf. „Nein. Aber danke für deine Geduld mit mir."
„Du weißt doch, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn du etwas auf dem Herzen hast." Er schwieg einen Augenblick. „Wie ich Arwen kenne, wird sie mich die nächstem zwei Tage keines Blickes würdigen. Könntest du ihr, wenn du sie siehst, bitte sagen, dass mir die Ohrfeige sehr leid tut. Ich werde mich selbst bei ihr entschuldigen, sobald sie wieder mit mir redet."
Ein Grinsen stahl sich auf Aragorns Gesicht. Damit, dass Arwen so nachtragend sein konnte, hatte er nicht gerechnet. Man lernt eben nie aus, dachte er bei sich. „Natürlich ada."
Nachdenklich verließ er Elronds Arbeitszimmer. Er beschloss vor dem Essen noch ein wenig spazieren zu gehen, und dann möglichst bald mit Arwen über diese Unterhaltung zu sprechen.