"bla bla" - gesprochenes Wort

/bla bla/ - Gedanken

Verzweifelung? Fehlentscheidung. Rache!

Teil 8

Yohji verzog sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen, als er Omis Stimme hörte. /Ich sollte

langsam wirklich einen Psychiater aufsuchen. Nicht genug, dass ich ihn in jedem Gesicht

sehe, dass ihm nur irgendwie ähnelt. Nein, jetzt höre ich schon seine Stimme. Ich habe echt

ein Problem./

Er ging in die Küche, als er Omis Stimme noch einmal vernahm. "Willst du mich nicht

wenigstens ansehen?" /Klar doch. Ich sehe meine Hallus immer an./

Er überlegte kurz, ob er sich noch etwas zu essen machen sollte, ließ es dann aber doch

bleiben. Es war kurz nach drei Uhr nachts, eigentlich wollte er nur noch schlafen. Die Stimme

aus dem Wohnzimmer meldete sich wieder. "Warum redest du nicht mit mir?"

Da sein Schlafzimmer am gegenüberliegenden Ende des Wohnzimmers lag, konnte er sich

seinen imaginären Omi auch mal anschauen. Nur erblickte er nicht wie erwartet seinen Chibi,

sondern einen jungen Mann, der zwar noch die weichen Gesichtszüge von Omi aufwies, aber

dennoch anders aussah. Er war gewachsen, seine Haare wiesen blaue Strähnchen auf und

Omis Augen blickten ihn unendlich traurig und verwirrt an.

Als Yohji nicht auf ihn reagierte, hatte Omi nichts weiter gesagt. Er stand einfach in der Mitte

des Raumes und wusste nicht, wie es jetzt weiter gehen sollte.

Yohji kam auf ihn zu und musterte ihn von Kopf bis Fuß. So, als ob er sich der ältere nicht

sicher war, wen er da eigentlich vor sich hatte.

Yohji piekste ihm mit seinem Finger auf die Brust, sah ihn noch verdutzter an und piekste ihn

ein weiteres Mal. "Du bist echt?" Seine Stimme klang sehr ungläubig.

"Natürlich bin ich echt. Was hast du denn gedacht?"

"Dass ich langsam wahnsinnig werde. Ich sehe dich jeden Tag irgendwo in anderen

Menschen und jetzt stehst du so plötzlich vor mir... Ich weiß einfach nicht, was ich sagen

soll."

Beide starrten sich schweigend an. Omi ging es genauso wie Yohji, er wusste auch nicht, was

er sagen sollte, also nahm er Yohji in Augenschein. Er hatte seine Haare kurzgeschnitten, den

wohlgeformten Körper konnte er unter dem blauen Rolli gut erkennen, doch seine Gesicht

war verhärmt. Er sah aus, als ob er viel zu wenig Schlaf bekommen würde und den

Schlafmangel mit Alkohol und Zigaretten auszugleichen versuchte. Yohji betrieb ganz

offenbar Raubbau an seinem Körper.

"Willst du dich nicht hinsetzen?" Omi nahm wieder in dem Sessel von vorhin Platz, während

Yohji in der Schrankwand herumkramte, mit einer Flasche Bourbon und zwei Gläsern

zurückkehrte und sich aufs Sofa setzte. Gemächlich schenkte er sich etwas ein, bevor er Omi

fragend anblickte. "Auch etwas?"

"Nein, danke." Er wollte das Gespräch mit Yohji lieber nüchtern hinter sich bringen.

Alkoholkonsum führte bei ihm immer dazu, dass er etwas wichtiges vergaß.

Yohji ließ die braune Flüssigkeit seine Kehle hinunterrinnen. Er war ziemlich ratlos, wo er

anfangen sollte. "Du bist groß geworden." Innerlich krümmte er sich nach diesem

Kommentar. Zu seiner großen Freude, meldete sich auch noch eine innere Stimme, von der er

gar nicht wusste, dass sie existierte. /Super. Ganz toll gemacht. Und beim nächsten Mal sagst

du ihm etwas, was er noch NICHT weiß./

Omi kratzte sich verlegen am Kopf. "Ich bin jetzt größer als Ken."

"Ah." Das Schweigen kehrte zurück.

Die Flüssigkeit im Glas geistesabwesend beobachtend, wandte sich Yohji an Omi. "Warum

bist du hier?"

"Das könnte ich dich auch fragen? Warum bist du einfach so abgehauen?"

"Ist das denn nicht offensichtlich?"

"Nein. Zumindest nicht für mich." Was sollte denn an Yohjis Flucht so klar gewesen sein? Er

hatte ihn einfach so verlassen. Nur ein kleiner Brief und das war es dann auch gewesen.

"Ich hatte Angst, ich habe sie immer noch. Jede einzelne Sekunde des Tages ist mit dieser

Angst gefüllt. Was, wenn ich wieder ausraste? Beim nächsten Mal versuche ich vielleicht dich

zu erwürgen. Willst du das?" Wütend setzte er das Glas auf dem Tisch ab.

"Und dann ist deine Lösung einfach so wegzulaufen? Mich so ohne Antworten stehen zu

lassen. Hast du auch nur einmal daran gedacht, wie ich mich fühle?" Omi war genauso

wütend. Er hatte eigentlich ruhig mit Yohji sprechen wollen, doch in beiden traten die

geballten Emotionen der vergangenen zwei Jahre hervor.

"Ob ich an dich gedacht habe? Ich denke ständig an dich. Was glaubst du denn, warum ich

hier so ein lausiges Leben führe? Weil es mir Spaß macht? Hast du auch nur eine Ahnung

davon, durch welchen Scheiß ich in den letzten Jahren gegangen bin, alles nur, damit du vor

mir sicher bist." Er schenkte sich ein weiteres Glas ein.

"Jetzt gibst du also mir die Schuld dafür? Ich habe nie von dir verlangt, dass du uns verlässt.

Dass du MICH verlässt."

"Was hätte ich denn sonst tun sollen? Jeden Tag in die Gesichter von Aya und Ken schauen,

die mich lynchen wollen? Und dich ansehen? Du, der mir jeden Tag aufs Neue meine Schuld

vors Auge geführt hätte? Wäre das etwa die Lösung gewesen?"

Omi stand auf und sah aus dem Fenster. "Die anderen wissen nichts davon."

Yohji fühlte sich hin und hergerissen. Omi sah so hilflos aus, wie er da am Fenster stand. Am

liebsten wäre er einfach die paar Schritte zu ihm gegangen und hätte ihn umarmt, doch diese

eine Nacht und ihre Folgen hielt ihn davon ab. "Du hast ihnen nichts gesagt?" Es war ihm

völlig unverständlich, warum Omi dies geheim halten sollte. Er hatte es nicht verdient, von

Omi beschützt zu werden.

"Nein. Das geht nur dich und mich etwas an." Was hätte es auch genützt, wenn er mit den

anderen darüber gesprochen hätte. Es war geschehen, sein damaliges Vertrauen in Yohji hatte

dieser mit eigenen Händen zerstört. Da hätten ihm weder Ratschläge noch gut gemeinte

Worte geholfen.

Die Stille im Raum wirkte auf beide bedrückend. Omi drehte sich zu Yohji um. "Warum

benutzt du meinen Namen?"

"Vielleicht so eine Art von Selbstbestrafung. Ich habe alles zerstört, was wir je hatten. Es

sollte mich jeden Tag daran erinnern, was ich durch meine Tat verloren habe. Dein Name hat

dafür gesorgt, dass ich dich und diese verdammten Abend nie vergessen werde."

"Meinst du nicht, es ist irgendwann an der Zeit, dir selbst zu vergeben? Ich habe es schon

lange getan."

Yohjis Kopf schnellte nach oben. Er sah in ein Paar tiefblaue Augen, die ihn vertrauensvoll

ansahen. "Du hast mir vergeben? Wie kannst du das tun, nach allem, was ich dir angetan

habe?"

"Du hast einen Fehler gemacht. Vielleicht sogar den größten Fehler deines Lebens, aber du

bist auch nur ein Mensch. Und... Ich liebe dich noch immer. Selbst damals, nachdem du mich

vergewaltigt hast, habe ich dich geliebt. Du hast meinen Glauben an dich zerstört, doch den

habe ich wiedergefunden. So wie ich dich wiedergefunden habe."

"Verdammt Omi, was soll das? Wie kannst du mich lieben? Ich... Wie soll ich mir denn je

verzeihen? Ich wache jede Nacht auf und sehe dein schmerzverzerrtes Gesicht, höre deine

Schreie und sehe die Tränen, die deine Wangen hinablaufen. Wie soll ich denn so was

vergeben können? Wie kannst DU mir das vergeben?" Sein Magen zog sich zusammen, als er

in Gedanken wieder diese Bilder sah. Den verzweifelten und hilflosen Omi, der von ihm, von

Yohji, so erniedrigt wurde.

"Ich habe es getan und du solltest das auch. Es ist an der Zeit." Omi trat einen Schritt näher zu

Yohji hin, streckte die Hand aus, um ihn zu berühren. Doch Yohji wich vor ihm zurück.

"Es tut mir leid. Ich kann es einfach nicht."

Omi nickte. Es war kein verständnisvolles Nicken, es war nur bestätigend.

"Und jetzt?" Yohji wusste nicht, wie es weitergehen sollte.

"Ich werde weiter auf dich warten. Du weißt ja, wo du mich findest." Schneller, als Yohji

reagieren konnte, gab Omi ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich liebe dich. Komm zurück zu

mir." Eine kleine Träne löste sich aus dem Augenwinkel, als er sich von Yohji abwandte und

zur Tür ging. Er drehte sich noch einmal um. "Komm bitte zurück zu uns. Zu mir. Ich brauche

dich." Er schloss die Tür hinter sich.

Yohji berührte seine Wange an der Stelle, wo Omi ihn gerade geküsst hatte. Er verstand

immer noch nicht, wie Omi ihm diese Tat hatte nachsehen können. Seine Gefühle jedenfalls

wollten, dass er Omi nachlief, ihn umarmte und festhielt und ihn nie wieder gehen ließ.

TBC.