"bla bla" - gesprochenes Wort
/bla bla/ - Gedanken
Verzweifelung? Fehlentscheidung. Rache!
Teil 17
Die Monate nach Yohjis Rückkehr vergingen gemächlich. Der Frühling kam und mit ihm die
warmen Temperaturen, das Grün an den Bäumen und mehr Schulmädchen als im Winter, die
den Koneko belagerten.
Diejenigen unter ihnen, die sich noch an Yohji erinnerten, bemerkten sein verändertes
Verhalten. Er baggerte nicht mehr schamlos jedes weibliche Wesen an, das bei eins noch
nicht auf den Bäumen war. Sicherlich flirtete er immer noch gerne, doch jetzt nur noch aus
Gewohnheit und Spaß an der Freude. Er hatte einen festen Freund und war deswegen nicht
mehr krampfhaft bemüht, ein Date für den Feierabend zu bekommen.
An einem warmen Freitagabend Ende Mai schloss Omi den Laden allein. Yohji war auf einer
Mission außerhalb, Ken war mit Masato nach Kyoto gefahren und Aya? Der hatte sich ohne
eine weiteres Wort nach Schichtende verdrückt. Da er erst am Montag wieder arbeiten
musste, würde man ihn wohl nur über Handy erreichen. Omi grummelte vor sich hin. Dass
ihn auch Ken im Stich lassen würde, hätte er nicht gedacht, obwohl er es ihm und Masato ja
von ganzem Herzen gönnte, dass sie sich gefunden hatten.
Jetzt saß er hier also allein im Wohnzimmer und wartete darauf, dass Yohji endlich
zurückkam. Sie hatten gegen Mittag noch miteinander gesprochen und Yohji wollte eigentlich
zum Abendessen hier sein. Doch inzwischen war es schon weit nach zehn und von dem
großen Blonden war lang und breit nichts zu sehen. Omi fing nicht an sich Sorgen zu machen,
er war schon längst dabei.
Entgegen allen Erwartungen war Yohji nämlich sehr zuverlässig, zumindest seitdem er und
Omi ein Paar waren, darum kaute der Jüngere auch beinahe an seinen Fingernägeln, während
die Minuten vergingen und sein Koibito nichts von sich hören ließ. Unruhig lief er im Zimmer
auf und ab, starrte abwechselnd zur Tür und zum Telefon. Nichts. Am Handy erreichte er die
ganze Zeit nur die Mailbox, auf der mittlerweile sicherlich schon zehn Nachrichten von Omi
waren.
Als das Telefon endlich klingelte, stürzte Omi wie von der Tarantel gestochen zum Hörer.
Seufzend ließ er ihn wenig später wieder sinken. Verwählt. Er kam sich vor wie in einem
schlechten Film. Wenn Leute dringend auf einen Anruf warteten, kam natürlich der
obligatorische Fehlanruf. Meistens sogar noch ein zweites Mal.
Er starrte auf das Telefon, das wie aufs Stichwort erneut klingelte. Wenn es wieder jemand
war, der die Nummer nicht richtig eintippen konnte, dann würde er die Person lynchen. Zu
seiner Erleichterung meldete sich aber Yohji.
"Hi Chibi. Ich bins."
"Gott sei Dank. Ich bin hier schon fast verrückt vor Angst. Was ist denn passiert? Wo steckst
du denn?" Omis Herz beruhigte sich etwas, zumindest war Yohji noch am Leben und in der
Lage zu telefonieren.
"Immer schön langsam. Ich hatte einen Unfall..."
"Geht es dir gut? Bist du verletzt? Fehlt dir auch nichts? Warum bist du nicht ans Telefon
gegangen?" Omis Stimme überschlug sich fast bei der Geschwindigkeit, in der er die Fragen
stellte.
"Mir geht's gut. Nur mein Wagen ist Schrott." Beiden schwiegen einen Moment. Omi wusste,
wie sehr Yohji an seinem Seven gehangen hatte, und wenn der jetzt irreparabel beschädigt
war, dann war Yohji sicherlich sehr geknickt. "Na ja, auch egal. Jedenfalls haben die mich
abgeschleppt und jetzt hänge ich hier in der Mitte von Nirgendwo in der Nähe von Chiba. Um
diese Uhrzeit gehen aber keine Busse mehr und wenn ich hier nicht übernachten will..."
Omi unterbrach ihn. "Ich hol dich ab. Wo genau bist du denn?"
Yohji gab ihm die Adresse durch. Noch während sie miteinander telefonierten, schaute Omi
auf seinem PC wo dieses Dorf lag. "Ich denke mal, in spätestens einer Stunde bin ich da. Lass
es dir nicht langweilig werden."
"Oh bestimmt nicht. Man kann hier ja sooooo viel tun. Grashalme zählen oder ähnliches. Es
gibt hier echt nichts."
Omi grinste in sich hinein. Yohji war wirklich nicht der Typ Mensch, der sich auf dem Land
wohlfühlte. Viel zu wenig Action. Wenn schon keine Disco, dann doch wenigstens ein Kino
oder für den Fall der völligen Verzweifelung eine Arcade, aber hier war tote Hose.
"Dann bis nachher."
"Machs gut Chibi. Und danke." Yohji legte auf. Jetzt war das lange Warten angesagt.
Eigentlich konnte Yohji sehr dankbar sein, dass ihm bei dem Unfall nichts passiert war.
Übermüdet hatte ihn der Sekundenschlaf ereilt und er hatte nähere Bekanntschaft mit dem
Graben neben der Straße geschlossen. Er war noch etwas auf das Feld daneben gerutscht, bis
ihn so ein dämlicher, mitten auf dem Feld stehender, Baum gebremst hatte. Ohne diesen
Baum wäre er wohl noch etwas gerollt und dann so zum Stehen geblieben, aber jetzt hatte der
Kotflügel der Beifahrerseite eine dicke Beule. Der Motor sprang nicht mehr an und sein
Handy konnte er nicht finden.
Also hatte er an der Straße gestanden und gewartet, bis endlich mal ein anderes Auto kam.
Der Fahrer hatte ihn in dieses Kuhdorf mitgenommen, wo ihn die Leute von der Werkstatt
dann abgeschleppt hatten. Und jetzt saß er hier. Mitten im Nirgendwo mit Nichts zu tun.
Super. Echt super.
Omi suchte in der Kommode im Flur nach dem Schlüssel für den Lieferwagen. Nichts.
Vielleicht hatte Ken ihn im Wagen stecken gelassen, bevor er sich ins Wochenende getrollt
hatte? Omi sah im Schloss des Fahrzeugs nach. Nichts. Auch nicht auf dem Reifen oder
anderen üblichen Orten, wo man Schlüssel hinterlegte. Wahrscheinlich hatte Ken einfach
vergessen ihn wegzulegen und der Schlüssel befand sich jetzt irgendwo in Kyoto. Großartig.
Omi sah auf seine Suzuki. Er atmete tief aus, war ihm doch bewusst, was es bedeutete, wenn
er das Motorrad nahm. /OK. Ich pack das schon./ Er verstaute einen zweiten Helm unter dem
Sitz und fuhr los.
Die ganze Fahrt über kreisten seine Gedanken darum, ob er die Rückfahrt meistern würde. Er
und Yohji hatten hart an sich gearbeitet. Yohji konnte ihn immer länger in dem Arm nehmen
und festhalten. Beim Sex waren sie längst nicht mehr auf die Handschellen angewiesen, auch
wenn Omi es genoss, Yohji so zu sehen. An der Verteilung der Rollen im Bett hatte sich noch
nichts geändert, Omi wollte nicht riskieren, mitten im Liebenspiel bewegungslos und mit
glasigen Augen unter Yohji zu liegen. Das wäre ein zu herber Rückschlag für das, was sie
sich gemeinsam aufgebaut hatten.
Etwa vierzig Minuten später fand er den kleinen Ort mit der namenlosen Werkstatt, vor der
Yohji auf ihn wartete. Er sah absolut verloren aus, wie er hier im Licht einer einsamen
Straßenlaterne stand und Däumchen drehte.
Omi war überglücklich seinen Koi unverletzt zu sehen. "Ich bin ja so froh, dass es dir gut
geht." Überschwänglich warf er sich Yohji an den Hals. Zärtlich wurde Omi umarmt und
geküsst. "Ist ja gut." Yohji warf einen Blick auf das Motorrad und blickte Omi fragend an.
Dieser zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Ken hat wohl die Schlüssel für den
Lieferwagen mitgenommen..."
Yohji dachte in ähnlichen Bahnen wie auch schon Omi zuvor. Würde es der Jüngere schaffen,
wenn sie die ganze Zeit den engen Kontakt hätten? Yohji musste sich zwangsläufig eng an
Omi klammern, wollte er nicht von der Maschine fallen. Auf der Landstraße vielleicht nicht
unbedingt, aber spätestens, wenn sie den Highway erreichten.
"Bist du dir sicher, dass du das schaffst?"
Omi lächelte ihm etwas schief zu. "Es gibt nur einen Weg das herauszufinden, oder? Wie hat
einmal ein weiser alter Mann gesagt: 'Do or do not, there is no try.'" Er sah noch einmal zur
Werkstatt hinüber. "Weißt du schon was über deinen Wagen?"
Yohji schüttelte leicht den Kopf. "Nein. Die wollen sich den Montag mal genauer ansehen
und dann bei mir melden. Aber wenn da noch was zu retten ist, wird das sicher saumäßig
teuer."
Omi nickte bestätigend und setzte sich dann auf sein Motorrad. "Also. Wollen wir dann?" Er
hielt Yohji den zweiten Helm hin. Yohji zögerte etwas, bevor er hinter Omi aufstieg. /Ich
hoffe nur, das klappt./
Omi atmete tief durch, als Yohji ihn umarmte. /Na dann los./ Er wusste, dass er eine innige
Umarmung für vielleicht zehn Minuten ohne weiteres aushalten würde, doch was dann?
Bisher hatte sie nicht weiter "trainiert". Yohji hatte sich immer nach ein paar Minuten von
selbst zurückgezogen. Er hatte keine Ahnung, ob sein Unterbewusstsein Yohji schon wieder
akzeptierte. Ihm blieb demnach nur ein Hoffen und Bangen.
Als sie den kritischen Moment erreichten, waren sie schon auf dem Highway unterwegs. Omi
konnte jetzt nicht einfach anhalten und Pause machen, falls sich sein Körper weigerte, doch
nichts geschah. Er versteifte sich nicht, brach nicht in Panik aus, auch der Puls blieb den
Umständen entsprechend normal.
Omi merkte, wie Yohji sich an ihn klammerte, wie sich dessen Hüften an seinem Hinterteil
rieben. Was ihn in seinem jugendlichen Leichtsinn dazu veranlasste, seinen Po etwas weiter
nach hinten zu schieben. Yohji war sich nicht ganz sicher, wie er darauf reagieren sollte.
Hatte Omi jetzt seine Position verändert, weil es ihm anders unbequem war? Oder wollte er
ihm Zeichen geben? Bevor er etwas Falsches tat, tat er lieber gar nichts.
Omi führte innerlich Freudensprünge auf, weil sein Körper ihm endlich wieder gehorchte.
Ohne Yohjis Unfall hätte es vielleicht noch Wochen oder gar Monate gedauert, bis sie
herausgefunden hätten, dass alles wieder OK war. Dann kam ihm ein störender Gedanke.
Freute er sich etwa zu früh? Sie hatten die "magische" zehn Minuten-Grenze gerade erst
überschritten, es lag noch fast eine halbe Stunde Fahrt vor ihnen, erst dann würde er wirklich
wissen, ob sich sein Unterbewusstsein immer noch an Yohji rächen wollte.
Mit jeder weiteren Minute, die ohne Zwischenfall verging, wurde Omi siegessicherer. Hin
und wieder rieb er sich an Yohji, was diesen fast zum Wahnsinn trieb. Nur zu gerne würde er
jetzt seine Hände über Omis Körper gleiten lassen. Leider war das bei einer Geschwindigkeit
von über 130 km/h auf einem Motorrad eine denkbar schlechte Idee. Er würde also warten
müssen, bis sie zu Hause waren.
Kaum hatte Omi den Motor ausgestellt, sprang er auch schon von der Maschine, riss sich den
Helm vom Kopf und fiel Yohji in die Arme. "Hast du das gemerkt? Ich bin frei. Frei. Keine
dämlichen Angstattacken mehr. Nie wieder Panik, weil du mich umarmst..."
Das pure Glück stand in seinen Augen geschrieben, ebenso wie in denen von Yohji. Es schien
so, als ob sie jetzt endlich die Schatten der Vergangenheit besiegt hätten.
Omi zog an Yohjis Hand. "Kommst du?" Verführerisch schlug er seine Augen auf und blickte
Yohji an. "Gleich. Ich muss nur noch den Bericht schreiben."
"Kann der denn nicht bis morgen warten?" Omi schob die Unterlippe nach vorne und
schmollte.
"Wir haben Manx um acht Uhr hier auf der Matte stehen, wenn sie den Bericht heute nicht
bekommt. Das weißt du doch. Zehn Minuten, dann bin ich bei dir. Versprochen."
"OK. Aber keine Minute länger. Ich warte in deinem Zimmer." Er kuschelte sich noch einmal
an Yohji, bevor er die Treppen nach oben stieg.
"Bis gleich." Yohji setzte sich im Keller an den PC und machte sich an seinen Bericht.
Kaum oben angekommen, lief Omi in sein Zimmer und kramte in der untersten Schublade der
Kommode. Nach kurzer Zeit des Suchens förderte er ein Stück glänzendes schwarzes Leder
zu Tage. Er ging zum Schrank hinüber und nahm ein Oberteil vom Bügel.
Schon auf dem Weg nach Hause hatte er beschlossen, dass er es heute probieren würde.
Damit es keine Grenzen mehr zwischen ihnen gab, musste er diese letzte Hürde überwinden.
Durch die Rückfahrt in seiner Überzeugung bestärkt, sah er auf die beiden Kleidungsstücke in
seiner Hand. /Eins noch übrig ist. Yohji. Stellen musst du dich ihm./ Omi grinste. Er sollte
aufhören Personen aus Filmen zu zitieren. /Tonight's the Night./
Er zog sich um und ging in Yohjis Zimmer hinüber. Nicht ganz sicher, wie er in seinem neuen
Outfit wirkte, drehte er sich vor dem großen Spiegel an Yohjis Schrank. Er war zufrieden mit
seinem Aussehen, doch wie würde sein Koi darauf reagieren?
Wie er vorhin schon zu Yohji gesagt hatte, es gab nur einen Weg das herauszufinden.
Wenig später wurde die Zimmertür leise geöffnet. Yohji hatte im Flur kein Licht mehr
gesehen, war also davon ausgegangen, dass Omi sich für die Nacht fertig gemacht hatte und
trotz anderer Vorzeichen schon schlief.
Um so überraschter war er, als er Omi im Licht von zahlreichen Kerzen auf seinem Bett sitzen
sah. Sein Kiefer klappte herunter, als sein Gehirn verarbeitet hatte, was genau Omi da trug.
Yohji gab das Denken spontan auf. Entweder war er gerade vor dem Computer eingeschlafen
und träumte vor sich hin oder alle seine Träume waren wahr geworden. In diesem Augenblick
war es ihm völlig egal, um welche Möglichkeit es sich handelte. Ihn interessierte nur Omi, der
ihn vom Bett aus zu sich winkte.
TBC.
/bla bla/ - Gedanken
Verzweifelung? Fehlentscheidung. Rache!
Teil 17
Die Monate nach Yohjis Rückkehr vergingen gemächlich. Der Frühling kam und mit ihm die
warmen Temperaturen, das Grün an den Bäumen und mehr Schulmädchen als im Winter, die
den Koneko belagerten.
Diejenigen unter ihnen, die sich noch an Yohji erinnerten, bemerkten sein verändertes
Verhalten. Er baggerte nicht mehr schamlos jedes weibliche Wesen an, das bei eins noch
nicht auf den Bäumen war. Sicherlich flirtete er immer noch gerne, doch jetzt nur noch aus
Gewohnheit und Spaß an der Freude. Er hatte einen festen Freund und war deswegen nicht
mehr krampfhaft bemüht, ein Date für den Feierabend zu bekommen.
An einem warmen Freitagabend Ende Mai schloss Omi den Laden allein. Yohji war auf einer
Mission außerhalb, Ken war mit Masato nach Kyoto gefahren und Aya? Der hatte sich ohne
eine weiteres Wort nach Schichtende verdrückt. Da er erst am Montag wieder arbeiten
musste, würde man ihn wohl nur über Handy erreichen. Omi grummelte vor sich hin. Dass
ihn auch Ken im Stich lassen würde, hätte er nicht gedacht, obwohl er es ihm und Masato ja
von ganzem Herzen gönnte, dass sie sich gefunden hatten.
Jetzt saß er hier also allein im Wohnzimmer und wartete darauf, dass Yohji endlich
zurückkam. Sie hatten gegen Mittag noch miteinander gesprochen und Yohji wollte eigentlich
zum Abendessen hier sein. Doch inzwischen war es schon weit nach zehn und von dem
großen Blonden war lang und breit nichts zu sehen. Omi fing nicht an sich Sorgen zu machen,
er war schon längst dabei.
Entgegen allen Erwartungen war Yohji nämlich sehr zuverlässig, zumindest seitdem er und
Omi ein Paar waren, darum kaute der Jüngere auch beinahe an seinen Fingernägeln, während
die Minuten vergingen und sein Koibito nichts von sich hören ließ. Unruhig lief er im Zimmer
auf und ab, starrte abwechselnd zur Tür und zum Telefon. Nichts. Am Handy erreichte er die
ganze Zeit nur die Mailbox, auf der mittlerweile sicherlich schon zehn Nachrichten von Omi
waren.
Als das Telefon endlich klingelte, stürzte Omi wie von der Tarantel gestochen zum Hörer.
Seufzend ließ er ihn wenig später wieder sinken. Verwählt. Er kam sich vor wie in einem
schlechten Film. Wenn Leute dringend auf einen Anruf warteten, kam natürlich der
obligatorische Fehlanruf. Meistens sogar noch ein zweites Mal.
Er starrte auf das Telefon, das wie aufs Stichwort erneut klingelte. Wenn es wieder jemand
war, der die Nummer nicht richtig eintippen konnte, dann würde er die Person lynchen. Zu
seiner Erleichterung meldete sich aber Yohji.
"Hi Chibi. Ich bins."
"Gott sei Dank. Ich bin hier schon fast verrückt vor Angst. Was ist denn passiert? Wo steckst
du denn?" Omis Herz beruhigte sich etwas, zumindest war Yohji noch am Leben und in der
Lage zu telefonieren.
"Immer schön langsam. Ich hatte einen Unfall..."
"Geht es dir gut? Bist du verletzt? Fehlt dir auch nichts? Warum bist du nicht ans Telefon
gegangen?" Omis Stimme überschlug sich fast bei der Geschwindigkeit, in der er die Fragen
stellte.
"Mir geht's gut. Nur mein Wagen ist Schrott." Beiden schwiegen einen Moment. Omi wusste,
wie sehr Yohji an seinem Seven gehangen hatte, und wenn der jetzt irreparabel beschädigt
war, dann war Yohji sicherlich sehr geknickt. "Na ja, auch egal. Jedenfalls haben die mich
abgeschleppt und jetzt hänge ich hier in der Mitte von Nirgendwo in der Nähe von Chiba. Um
diese Uhrzeit gehen aber keine Busse mehr und wenn ich hier nicht übernachten will..."
Omi unterbrach ihn. "Ich hol dich ab. Wo genau bist du denn?"
Yohji gab ihm die Adresse durch. Noch während sie miteinander telefonierten, schaute Omi
auf seinem PC wo dieses Dorf lag. "Ich denke mal, in spätestens einer Stunde bin ich da. Lass
es dir nicht langweilig werden."
"Oh bestimmt nicht. Man kann hier ja sooooo viel tun. Grashalme zählen oder ähnliches. Es
gibt hier echt nichts."
Omi grinste in sich hinein. Yohji war wirklich nicht der Typ Mensch, der sich auf dem Land
wohlfühlte. Viel zu wenig Action. Wenn schon keine Disco, dann doch wenigstens ein Kino
oder für den Fall der völligen Verzweifelung eine Arcade, aber hier war tote Hose.
"Dann bis nachher."
"Machs gut Chibi. Und danke." Yohji legte auf. Jetzt war das lange Warten angesagt.
Eigentlich konnte Yohji sehr dankbar sein, dass ihm bei dem Unfall nichts passiert war.
Übermüdet hatte ihn der Sekundenschlaf ereilt und er hatte nähere Bekanntschaft mit dem
Graben neben der Straße geschlossen. Er war noch etwas auf das Feld daneben gerutscht, bis
ihn so ein dämlicher, mitten auf dem Feld stehender, Baum gebremst hatte. Ohne diesen
Baum wäre er wohl noch etwas gerollt und dann so zum Stehen geblieben, aber jetzt hatte der
Kotflügel der Beifahrerseite eine dicke Beule. Der Motor sprang nicht mehr an und sein
Handy konnte er nicht finden.
Also hatte er an der Straße gestanden und gewartet, bis endlich mal ein anderes Auto kam.
Der Fahrer hatte ihn in dieses Kuhdorf mitgenommen, wo ihn die Leute von der Werkstatt
dann abgeschleppt hatten. Und jetzt saß er hier. Mitten im Nirgendwo mit Nichts zu tun.
Super. Echt super.
Omi suchte in der Kommode im Flur nach dem Schlüssel für den Lieferwagen. Nichts.
Vielleicht hatte Ken ihn im Wagen stecken gelassen, bevor er sich ins Wochenende getrollt
hatte? Omi sah im Schloss des Fahrzeugs nach. Nichts. Auch nicht auf dem Reifen oder
anderen üblichen Orten, wo man Schlüssel hinterlegte. Wahrscheinlich hatte Ken einfach
vergessen ihn wegzulegen und der Schlüssel befand sich jetzt irgendwo in Kyoto. Großartig.
Omi sah auf seine Suzuki. Er atmete tief aus, war ihm doch bewusst, was es bedeutete, wenn
er das Motorrad nahm. /OK. Ich pack das schon./ Er verstaute einen zweiten Helm unter dem
Sitz und fuhr los.
Die ganze Fahrt über kreisten seine Gedanken darum, ob er die Rückfahrt meistern würde. Er
und Yohji hatten hart an sich gearbeitet. Yohji konnte ihn immer länger in dem Arm nehmen
und festhalten. Beim Sex waren sie längst nicht mehr auf die Handschellen angewiesen, auch
wenn Omi es genoss, Yohji so zu sehen. An der Verteilung der Rollen im Bett hatte sich noch
nichts geändert, Omi wollte nicht riskieren, mitten im Liebenspiel bewegungslos und mit
glasigen Augen unter Yohji zu liegen. Das wäre ein zu herber Rückschlag für das, was sie
sich gemeinsam aufgebaut hatten.
Etwa vierzig Minuten später fand er den kleinen Ort mit der namenlosen Werkstatt, vor der
Yohji auf ihn wartete. Er sah absolut verloren aus, wie er hier im Licht einer einsamen
Straßenlaterne stand und Däumchen drehte.
Omi war überglücklich seinen Koi unverletzt zu sehen. "Ich bin ja so froh, dass es dir gut
geht." Überschwänglich warf er sich Yohji an den Hals. Zärtlich wurde Omi umarmt und
geküsst. "Ist ja gut." Yohji warf einen Blick auf das Motorrad und blickte Omi fragend an.
Dieser zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Ken hat wohl die Schlüssel für den
Lieferwagen mitgenommen..."
Yohji dachte in ähnlichen Bahnen wie auch schon Omi zuvor. Würde es der Jüngere schaffen,
wenn sie die ganze Zeit den engen Kontakt hätten? Yohji musste sich zwangsläufig eng an
Omi klammern, wollte er nicht von der Maschine fallen. Auf der Landstraße vielleicht nicht
unbedingt, aber spätestens, wenn sie den Highway erreichten.
"Bist du dir sicher, dass du das schaffst?"
Omi lächelte ihm etwas schief zu. "Es gibt nur einen Weg das herauszufinden, oder? Wie hat
einmal ein weiser alter Mann gesagt: 'Do or do not, there is no try.'" Er sah noch einmal zur
Werkstatt hinüber. "Weißt du schon was über deinen Wagen?"
Yohji schüttelte leicht den Kopf. "Nein. Die wollen sich den Montag mal genauer ansehen
und dann bei mir melden. Aber wenn da noch was zu retten ist, wird das sicher saumäßig
teuer."
Omi nickte bestätigend und setzte sich dann auf sein Motorrad. "Also. Wollen wir dann?" Er
hielt Yohji den zweiten Helm hin. Yohji zögerte etwas, bevor er hinter Omi aufstieg. /Ich
hoffe nur, das klappt./
Omi atmete tief durch, als Yohji ihn umarmte. /Na dann los./ Er wusste, dass er eine innige
Umarmung für vielleicht zehn Minuten ohne weiteres aushalten würde, doch was dann?
Bisher hatte sie nicht weiter "trainiert". Yohji hatte sich immer nach ein paar Minuten von
selbst zurückgezogen. Er hatte keine Ahnung, ob sein Unterbewusstsein Yohji schon wieder
akzeptierte. Ihm blieb demnach nur ein Hoffen und Bangen.
Als sie den kritischen Moment erreichten, waren sie schon auf dem Highway unterwegs. Omi
konnte jetzt nicht einfach anhalten und Pause machen, falls sich sein Körper weigerte, doch
nichts geschah. Er versteifte sich nicht, brach nicht in Panik aus, auch der Puls blieb den
Umständen entsprechend normal.
Omi merkte, wie Yohji sich an ihn klammerte, wie sich dessen Hüften an seinem Hinterteil
rieben. Was ihn in seinem jugendlichen Leichtsinn dazu veranlasste, seinen Po etwas weiter
nach hinten zu schieben. Yohji war sich nicht ganz sicher, wie er darauf reagieren sollte.
Hatte Omi jetzt seine Position verändert, weil es ihm anders unbequem war? Oder wollte er
ihm Zeichen geben? Bevor er etwas Falsches tat, tat er lieber gar nichts.
Omi führte innerlich Freudensprünge auf, weil sein Körper ihm endlich wieder gehorchte.
Ohne Yohjis Unfall hätte es vielleicht noch Wochen oder gar Monate gedauert, bis sie
herausgefunden hätten, dass alles wieder OK war. Dann kam ihm ein störender Gedanke.
Freute er sich etwa zu früh? Sie hatten die "magische" zehn Minuten-Grenze gerade erst
überschritten, es lag noch fast eine halbe Stunde Fahrt vor ihnen, erst dann würde er wirklich
wissen, ob sich sein Unterbewusstsein immer noch an Yohji rächen wollte.
Mit jeder weiteren Minute, die ohne Zwischenfall verging, wurde Omi siegessicherer. Hin
und wieder rieb er sich an Yohji, was diesen fast zum Wahnsinn trieb. Nur zu gerne würde er
jetzt seine Hände über Omis Körper gleiten lassen. Leider war das bei einer Geschwindigkeit
von über 130 km/h auf einem Motorrad eine denkbar schlechte Idee. Er würde also warten
müssen, bis sie zu Hause waren.
Kaum hatte Omi den Motor ausgestellt, sprang er auch schon von der Maschine, riss sich den
Helm vom Kopf und fiel Yohji in die Arme. "Hast du das gemerkt? Ich bin frei. Frei. Keine
dämlichen Angstattacken mehr. Nie wieder Panik, weil du mich umarmst..."
Das pure Glück stand in seinen Augen geschrieben, ebenso wie in denen von Yohji. Es schien
so, als ob sie jetzt endlich die Schatten der Vergangenheit besiegt hätten.
Omi zog an Yohjis Hand. "Kommst du?" Verführerisch schlug er seine Augen auf und blickte
Yohji an. "Gleich. Ich muss nur noch den Bericht schreiben."
"Kann der denn nicht bis morgen warten?" Omi schob die Unterlippe nach vorne und
schmollte.
"Wir haben Manx um acht Uhr hier auf der Matte stehen, wenn sie den Bericht heute nicht
bekommt. Das weißt du doch. Zehn Minuten, dann bin ich bei dir. Versprochen."
"OK. Aber keine Minute länger. Ich warte in deinem Zimmer." Er kuschelte sich noch einmal
an Yohji, bevor er die Treppen nach oben stieg.
"Bis gleich." Yohji setzte sich im Keller an den PC und machte sich an seinen Bericht.
Kaum oben angekommen, lief Omi in sein Zimmer und kramte in der untersten Schublade der
Kommode. Nach kurzer Zeit des Suchens förderte er ein Stück glänzendes schwarzes Leder
zu Tage. Er ging zum Schrank hinüber und nahm ein Oberteil vom Bügel.
Schon auf dem Weg nach Hause hatte er beschlossen, dass er es heute probieren würde.
Damit es keine Grenzen mehr zwischen ihnen gab, musste er diese letzte Hürde überwinden.
Durch die Rückfahrt in seiner Überzeugung bestärkt, sah er auf die beiden Kleidungsstücke in
seiner Hand. /Eins noch übrig ist. Yohji. Stellen musst du dich ihm./ Omi grinste. Er sollte
aufhören Personen aus Filmen zu zitieren. /Tonight's the Night./
Er zog sich um und ging in Yohjis Zimmer hinüber. Nicht ganz sicher, wie er in seinem neuen
Outfit wirkte, drehte er sich vor dem großen Spiegel an Yohjis Schrank. Er war zufrieden mit
seinem Aussehen, doch wie würde sein Koi darauf reagieren?
Wie er vorhin schon zu Yohji gesagt hatte, es gab nur einen Weg das herauszufinden.
Wenig später wurde die Zimmertür leise geöffnet. Yohji hatte im Flur kein Licht mehr
gesehen, war also davon ausgegangen, dass Omi sich für die Nacht fertig gemacht hatte und
trotz anderer Vorzeichen schon schlief.
Um so überraschter war er, als er Omi im Licht von zahlreichen Kerzen auf seinem Bett sitzen
sah. Sein Kiefer klappte herunter, als sein Gehirn verarbeitet hatte, was genau Omi da trug.
Yohji gab das Denken spontan auf. Entweder war er gerade vor dem Computer eingeschlafen
und träumte vor sich hin oder alle seine Träume waren wahr geworden. In diesem Augenblick
war es ihm völlig egal, um welche Möglichkeit es sich handelte. Ihn interessierte nur Omi, der
ihn vom Bett aus zu sich winkte.
TBC.
