Bankraub

3. Der Raub

Pünktlich zum Ladenschluss waren alle bereit. Siptah wollte darauf bestehen, die Sache alleine durchzuziehen, aber Ja-kal meinte, er bräuchte sicher Hilfe bei den Kameras, und so wurde nur Armon, der Stärkste, zu Rapses Schutz im Hotra gelassen, während alle anderen mit in die Bank einbrechen sollten. Nefertina bat natürlich wieder drum, nicht mit Siptah mitgehen zu müssen, aber Ja-kal hatte Gründe für sein Handeln: "Wir sind alle müde, ich weiß, und wir können nicht das Risiko eingehen, jemanden, der schon wach nicht gut mit Scarab fertig werden würde mit unserem Prinzen alleine zu lassen. Außerdem bist du klein, vielleicht brauchen wir dich ja noch mal!" Nefertina seufzte enttäuscht auf.

"Mit der Kraft des Ra", riefen sie alle, einschließlich Siptah, und die bekannten Tiergestallten standen vor der Bank - Katze, Falke, Kobra und Elster. "Bereit", fragte Ja-kal, dessen Rüstung die untergehende Sonne widerspiegelte. Nach einem Ja seiner Freunde rannte er die gesicherte Tür ein. Während die anderen nun in das Gebäude rannten und alles was auch nur entfernt an Alarmanlage oder Kamera erinnerte kaputtzuschlagen, merkte Ja-kal an seiner schmerzenden Schulter, dass das grade ein Job für Armon gewesen wäre.

Als das Sirenengeheule verstummt war, war kam es zu Siptahs Part. In der Zeit, als die anderen sich vor der Bank formierten, um Polizisten oder ähnliches abzuhalten, kletterte er durch die Lüftungsschächte bis in den Tresor. Dort angekommen, stellte er fest, dass sich die Schlösser der einzelnen Schatullen nicht viel von denen unterschieden, die er schon früher geöffnet hatte. Er musste einige Kästchen öffnen, bevor er in einem das Auge des Ra fand. Er band es sich um den Hals und kletterte wieder raus. Er musste innerlich grinsen und meinte zu sich selbst: "Da siehst du Scarab, dass ich doch einer von den Guten bin!"

Als er aus der Bank trat, waren grade Rath, Ja-kal und Nefertina in einem Kampf mit Shabtis. Ziemlich erstaunt darüber, dass die eigentlich leblosen Diener von Scarab zum kämpfen benutzt worden, näherte er sich dem Schlachtfeld.

"Siptah", rief eine laute Stimme, die er sofort als Scarab erkannte, "du kommst um meinen Triumph über die Mumien zu feiern?" - "Nein. Wohl eher, um ihn dir zu vermiesen", rief Siptah zurück, "ich bin nicht mehr dein Diener, du hast mein Leben gerettet und ausgelöscht, wir sind quitt!"

Scarab sah ihn entsetzt an. Besonders der zweite Teil seines Satzes schien in ihm große Überraschung zu bewirken. "Du warst also tatsächlich in Ahmoses Grab", fragte Scarab mit mächtiger Stimme. Siptah griff nach seinem Speer, den er an die Hauswand gelehnt hatte, um nicht mit ihm durch die Lüftungsschächte zu kriechen, und nickte: "Ja Scarab, ich war auf dem Weg zu Ahmoses Grab, wie du es befohlen hast." - "Und dafür willst du jetzt Rache", fragte Scarab und sah fast schon amüsiert aus, aber das Lächeln verging ihm als Siptah gegen seine Vermutung den Kopf schüttelte: "Wieso sollte ich? Wie gesagt, ich bin nicht mehr an deine Gebote gebunden, und dafür bin ich dankbar."

Scarab schnaubte wütend, aber sein böse dreinblickendes Gesicht entspannte sich, als er bemerkte, dass Siptah sich an die Wand der Bank lehnte und gar nicht dran dachte, den anderen Mumien zu helfen. Ganz im Gegenteil, ihm schien das Freude zu machen, sie beim Kämpfen zu beobachten. So konnte sich Scarab ganz Heka widmen, und etwas loswerden, was ihn schon die ganze Zeit bewegt hat: "Siehst du denn nicht, wie langsam die fahren, hast du gesagt. Die wollen uns täuschen, hast du gesagt. Und? Ich bin auf dein Zuraten hin ans andere Ende der Stadt geflogen, und tatsächlich waren sie das!" Heka hätte vermutlich die Schultern gezuckt, wenn sie denn Schultern gehabt hätte, und so zischte sie nur demütig vor sich hin.

Siptah hatte sich inzwischen sogar hingesetzt, immerhin waren nicht mal die Shabtis auf die Idee gekommen, ihn anzugreifen, und Scarab hielt ihn für neutral, und suchte statt dessen Rapses.

Wenn sich intelligente Lebewesen langweilen, kommen sie auf dumme Ideen, so sagt man, und das war vermutlich auch der Grund, das Siptah plötzlich rief: "Hey Nefer, du kämpfst gut, ich wünschte ich hätte einen Sohn, der so wie du ist!" Nefertina drehte sich völlig geschockt zu ihm um, die Shabtis waren vergessen, jedenfalls für einen Moment. Denn dann hatten etwa 20 Shabtis die Gunst der Stunde erkannt und Nefertina zu Boden gerissen. Nach einander kamen weitere der Tonkrieger an und warfen sich oben auf den Haufen, andere stocherten mit Stöcken und Speeren in ihm herum, manche verletzten sogar ihre eigenen Leute.

Das schien Siptah so nicht gewollt zu haben, denn er stand aus seiner eigentlich sehr gemütlichen Lage auf und ging zu dem Tonhaufen, aus dem sich Nefertina nun nicht mehr befreien konnte, weil es einfach zu viel war, was da über ihr lag. Diesmal bemerkte er nicht, dass es da noch einen Konkurrenten gab. Scarab, dem das Bild ebenfalls es sehr gut gefiel, war mit schnellen Schritten zu seinen Tonkriegern geeilt, hatte einige dabei zertrampelt und dann Nefertina mitten aus dem Haufen gefischt. Die hielt sich noch schützend die Hände über den Kopf und sah verstört und fassungslos aus.

Nun, da sie merkte, dass sie einen halben Meter über dem Boden hing, von Scarab wie ein Katzenjunges am Nacken festgehalten, begann sie wie wild zu strampeln und zu schreien, aber sie konnte Scarab mit ihren Krallen nicht erreichen. Besonders aber störte sie die Tatsache, dass einer der Shabtis direkt vor ihr mit ihrer Peitsche spielte, die sie jetzt so dringend brauchte.

"Scarab, lass sie los", bat Siptah auf einmal. Ja-kal und Rath hörten vor Schreck auf zu kämpfen, und Armon, der grade aus der Gasse schlich, um auch etwas Spaß zu haben, merkte nicht mal wie ein Shabti gegen ihn rannte und zerbröckelte. Selbst Scarab konnte man in seinem Käfergesicht das Erstaunen ansehen. Nefertina zeigte ihr Verwunderung dadurch, dass sie aufgehört hatte, sich gegen Scarab zu wehren.

"Scarab, lass sie los! Das war nicht gerecht von mir", wiederholte Siptah noch einmal, und die anderen drei Mumien zerschlugen einige Shabtis, um erst mal Ruhe zu haben. Nun wurde Siptah langsam ungeduldig: "Scarab, ich sage dir, lass sie los! Ich weiß, dass ich zu weit gegangen bin und du weißt, dass ich deine Schwachstellen kenne!" - "Boss", mischte sich Heka in das Geschehen ein, "ich finde, du solltest tun, was er sagt." Scarab nickte langsam, ließ es sich aber nicht nehmen, Nefertina wenigstens noch ein Stück zu werfen, damit sie gegen die Wand knallte.

"Brav", sagte Siptah gönnerhaft, ging wieder auf seinen alten Platz und setzte sich hin. Mittlerweile hatte auch Scarab bemerkt, dass Armon dazugekommen war, was für ihn bedeutete, dass der Prinz schutzlos seinen Angriffen ausgeliefert war, wenn er ihn denn finden würde.

Ja-kal blies nun zum Rückzuck. Siptah gab ihm das Auge des Ra, Rath half Nefertina in den Hotra und Armon hielt Scarab mit Shabtis davon ab, dem Auto und damit dem Prinzen zu nahe zu kommen. Immerhin hatte Scarab jetzt ja in die Seitenstraße geschaut und den Hotra mit dem Prinzen, der grade Musik hörte, gefunden.

Diesmal fuhr Ja-kal, weil sich Nefertina nach eigenen Aussagen noch alles drehte, und wie es sich für einen taktischen Jäger gehörte, fuhr er in die entgegengesetzte Richtung, in der die Sphinx lag. Auch wenn er nicht so schnell fuhr wie Nefertina, konnte sein Tempo doch ganz schön sein, und so gab es Scarab auch nach etwa einer Viertelstunde auf, sie zu verfolgen. Er wusste, irgendwann würde er eine neue Chance bekommen, den Prinzen zu schnappen. Und so kam der Hotra auch das erste Mal nach seiner Erschaffung heil in der Sphinx an.

Rath sah deshalb fast enttäuscht aus, aber als er das noch zerschrottete Jetcycle sah, wurde ihm wohler. Nefertina wurde auf das Sofa gesetzt, mit einem Eisbeutel um den schmerzenden Kopf zu kühlen, und alle anderen warteten an ihrer Seite darauf, dass Siptah über sein vorheriges Leben Genaueres preis gab. Aber er schien gar nicht zu wissen, was er sollte und schwieg deshalb.